8. #pxp_thema: EUremix


FotoBraucht Europa neue Melodien, neue Stimmen, einen neuen Rhythmus? Foto: Drew Patrick (CC0 1.0)

Was läuft falsch in der EU und in Euroland – im Detail und ganz grundsätzlich? Was ist neu zu denken und zu träumen? Darum geht es bei unserem #EUremix. Was bisher geschah und wie es weitergeht, findet ihr hier...


Ein Überblick von Alexander Wragge, Redaktion

So viele Gründe gibt es aktuell, neu über die europäische Zukunft nachzudenken. Wie gewährt die EU Flüchtlingen Schutz? Bleibt die Eurozone wie sie ist? Oder wird sie verkleinert, aufgelöst, radikal umgebaut? Verlässt Großbritannien die EU? Kommt in Frankreich mit dem Front National eine Partei an die Macht, deren Chefin Marine Le Pen sagt: "Die EU ist ein impotentes Imperium, das Frankreich ausgeplündert hat“? Rücken die EU und die USA noch enger zusammen – mit der Freihandelszone TTIP? Wie gestaltet sich Europas Beziehung zu Russland?...

Auch fehlt es der Debatte nicht an Dramatik. So sieht derzeit etwa der 37jährige französische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron seine Generation vor einer prinzipiellen Frage stehen: "Wollen wir die Neugründer Europas sein – oder seine Totengräber?"

Unter #EUremix ist Publixphere ein Raum, in dem du frei über Europas Zukunft diskutieren kannst – nüchtern, visionär, skeptisch, erstmals, erneut, online und offline. Seit unserem ersten Europa-Schwerpunkt “Troika und Eurokrise” (Zusammenfassung) ist viel passiert. Hier einige Termine und Fragen im Schnelldurchlauf...

Europa retten in 40 Minuten

Braucht Europa einen neuen Aktivismus? Wie wohl fühlen wir uns in der Rolle, den Untergang der EU und der Eurozone höchstpersönlich abzuwenden? Das wollten wir beim Community-Abend zum #EUremix mit einem Experiment herausfinden. Herausgekommen sind ungewohnte Erlebnisse, Streitragen und starke Erinnerungen an eine fiktive Zukunft. Unseren Report lest ihr hier.

Eine Frage des Abends vertiefen wir mit einem eigenen Online-Forum: Bleiben Eliten unter sich, wenn sie Europas Zukunft diskutieren und gestalten? Falls ja – wo liegt das Problem?`

Mensch statt Maschine - eine Utopie für Europa?

An Krisen mangelt es aktuell nicht. Doch gibt es auch eine schöne Utopie von Europa, auf die wir hinarbeiten wollen? Für die TeilnehmerInnen des Abends "EUTOPIA: Share your visions dude!" in Cottbus standen die Menschen Europas im Fokus. Politik und Wirtschaft sollten ihnen dienen. Möglichst mündig und aufgeklärt sollten sie sein. Hier geht's zum Bericht.

Gibt es eine Generation Europa?

Ja, meint Linn Selle. Die heutige junge Generation sei die “mobilste und transnationalste aller Zeiten”. Die europäische Einigung habe ihr ungeahnte Mobilitäts- und Zukunftschancen eröffnet. Viele junge Menschen hätten nicht nur in Deutschland Freunde, sondern selbstverständlich auch in Griechenland, Großbritannien oder Italien. Ein nationaler, in Teilen auch nationalistisch geprägter Europa-Diskurs müsse die junge Generation immer öfter verstören, so Selle. “Immer noch wird über ‘die Griechen’ und ‘die Deutschen’ debattiert. Während wir täglich erleben, wie unwichtig diese nationalen Schablonen für unsere Beziehungen und gemeinsamen Interessen sind.” (mehr)

Hat sich für die Jüngeren also der Blick auf Europa entscheidend geändert? Aus dem Forum kommen auch Einwände. Handelt es sich bei der “Generation Europa” nur um eine kleine Bildungselite? Trotz staatlicher Förderung will beispielsweise ein Studium in einem anderen EU-Land erstmal finanziert sein – Unterkunft, Lebenshaltungskosten.... Und bekommen Nicht-Akademiker_innen diesselben europäischen Chancen? An dieser Stelle setzt die Idee #FreeInterrail an. Sie will allen EU-Bürger_innen zu ihrem 18. Geburtstag einen einmonatigen Gutschein für Bahnreisen kreuz und quer durch Europa schenken, finanziert aus EU-Mitteln. Dahinter steht auch der Gedanke: alle sollen Europa und seine Menschen kennenlernen können, ihre europäischen Erlebnisse haben, sich grenzüberschreitend und persönlich vernetzen. Sinnvoll oder allzu romantisch?

Europa als digitale Gesellschaft

Bürgerfern, bürokratisch, undemokratisch – EU-Politik hat oft ein schlechtes Image. Schon die EU-Flagge lässt viele jüngere Menschen an ein technokratisches ‘Brüssel’ denken, an ‘alte Männer’ in Anzügen, an komplizierte Textwüsten, schier endlose Verhandlungen und kaum lesbare Richtlinien, an ein Heer der Lobbyisten. Weit verbreitet ist das Gefühl, persönlich nichts mit EU-Politik zu tun zu haben, geschweige denn auf die europäische Demokratie Einfluss nehmen zu können.

Was manchmal übersehen wird: es gibt in Ansätzen ein ‘Europa der BürgerInnen’, das sich über nationale Grenzen hinweg einbringt, engagiert und vernetzt. Nur haben es die vielen (jungen) Initiativen der europäischen Zivilgesellschaft oft nicht leicht, mit ihren Erfahrungen, Ideen und Anliegen in den oft national geprägten Diskursen gehört zu werden. Das European Democracy Lab hat deshalb in Kooperation mit Publixphere die Road Works Sessions ins Leben gerufen. Die Idee: europäische Initiativen tauschen sich über ihre Missionen und Probleme aus. So können sie voneinander lernen, Kräfte bündeln, sich unterstützen.

Bei der ersten Session in Berlin ging es darum, welche Chancen der digitale Raum bietet, um sich transnational zu engagieren und zu vernetzen. Hier ein Überblick. Ob sich speziell in den sozialen Netzwerken bereits eine neue Form europäische Öffentlichkeit herausgebildet hat, stelle ich selbst hier zu Diskussion. @JosieBaer hinterfragt, ob die Europa-Szene schon genug zusammenarbeitet, um etwas zu erreichen.

Neuanfang für eine lebendige EU-Demokratie?

Das Reden über Europa scheint allgegenwärtig – vom Grexit über TTIP bis Lampedusa. Doch sobald es um konkrete Stellschrauben für eine andere EU-Politik geht – um Richtlinien, Verordnungen, Verträge etc. – droht die breite Öffentlichkeit wieder aus der Debatte auszusteigen. Ökonomen, Jurist_innen und weitere Expert_innen übernehmen weitestgehend den wirkungsmächtigen (Fach-)Diskurs. Vom politischen Wettbewerb um die beste EU-Politik scheint beim normalen Bürger am Ende des Tages nur noch wenig anzukommen. Warum ist das so? Und ginge es auch anders? Darum geht es in der Diskussion: “Wie wir uns endlich um unsere EU-Politik streiten”.

Mehr demokratischen (Wett-)Streit fordert auch Publixphere-Initiatorin Mayte Schomburg. "Viele Menschen sehen überhaupt keine Alternativen mehr innerhalb des Systems und pflegen die Fundamental-Opposition. Sie erleben die EU nicht als ihre eigene, sondern wahlweise als die der Eliten, Lobbyisten, Bankster oder Bürokraten…". Die Idee von einem demokratischen und solidarischen Europa bleibe genial. "Aber die Union wird ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht, wenn sie die kritische Debatte scheut."

Ein Beteiligungs-Instrument, das die Menschen für ihre EU-Politik mobilisieren soll, ist die Europäische Bürgerinitiative (EBI). Finden sich für ein politisches Anliegen in sieben EU-Staaten mindestens eine Million Unterstützer_innen, muss die EU-Kommission tätig werden. Doch klappt das wirklich? Oder erweist sich die EBI als “Wirkungsloses Beteiligungs-Placebo" wie Democracy International meint? In der Diskussion melden sich auch Aktivist_innen von Europäischen Bürgerinitiativen zu Wort (StopTTIP, right2water).

Reformen: Brauchen wir den ganz großen Wurf?

Ja, meint die Initiative “European Republic”. Wie der Name schon sagt, fordert sie Schritte zu einer Europäischen Republik – samt transnationalen Wahlen, einer europäischen Regierung und einem europäischen Sozialhilfesystem. Hintergrund sind vor allem die politisch-ökonomischen Verwerfungen in der Eurozone. Es sei an der Zeit, Souveränität und Demokratie jenseits des Nationalstaats zu denken – schreiben die Initiator_innen. Die Reaktionen sind vielfältig – im Forum gibt es Zuspruch aber auch Kritik.

An der Vision einer Europäischen Republik arbeitet maßgeblich die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot European Democracy Lab (siehe beispielsweise ihre Rede auf der re:publica). Die politische Idee der Republik sei die tragende Idee der europäischen Geistesgeschichte, so Guérot auf Publixphere. Es gehe in Europa nicht mehr darum, Staaten zu integrieren, sondern Bürger zu einen. Von Berlin müsse aktuell das Angebot der politischen Neugestaltung der Euro-Zone ausgehen, fordert Guérot in einem eigenen Diskussionstext. “Sonst wird sie nicht stattfinden.”

Über die Möglichkeiten einer "politischen Union" hat sich hier eine Kontroverse entsponnen. Der EU-Experte Michael Wohlgemuth vom wirtschaftsliberalen Think-Tank Open Europe Berlin sieht für große Schritte hohe Hürden. Gerade "demokratisch-egalitaristisch gesinnte EU-Föderalisten" seien in einiger Verlegenheit. "Sie müssen eine pan-europäische Öffentlichkeit, Identität und Solidarität und damit entgegen empirischer Evidenz die Entstehung eines funktionierenden pan-europäischen Parteiensystems imaginieren oder simulieren", so Wohlgemuth. Der EU-Experte und Blogger Manuel Müller Der (europäische) Föderalist erklärt in seiner Antwort, warum ein europäischer Bundesstaat keine Utopie bleiben muss.

Auch der Think-Tank PDU fordert große Reformen – und setzt sich langfristig für eine vollständige politische Integration der Eurozone ein. Zur Eurokrise schreibt die Denkfabrik auf Publixphere: “Keine Lösung, die nicht (...) automatische Transferzahlungen, die freiwillige Aufgabe nationaler Souveränität, und eine begrenzte aber effektive Regierung der Eurozone (...) beinhaltet, wird jemals zu nachhaltiger Stabilität führen.” Vor diesem Horizont kritisiert das PDU Deutschlands aktuelle Euro-Politik scharf und legt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) den Rücktritt nahe – womit nicht alle Kommentator_innen einverstanden sind. Über Deutschlands – aktuell polarisierende – Rolle in Europa hat sich hier eine eigene Diskussion entfacht. Tritt Berlin zu forsch auf?

Das linke Hadern mit Europa

An EU- und Eurokritik mangelt es auf Publixphere nicht, wobei sie bislang vor allem aus linker Perspektive formuliert wird. Der Publizist Wolfgang Michal meint, die linke Syriza-Bewegung habe den Nationalstaatsbewohnern das vereinte Europa näher gebracht als jede bisherige Alt-Partei – was im Forum nicht unwidersprochen bleibt.

Andernorts geht es beispielsweise um die Blockupy-Proteste, die sich auch gegen die “Gewalt der Verhältnisse” und die “Verarmungspolitik” in Europa wenden; die Euro-Kritik in der deutschen Linkspartei; das “Dogma des Neoliberalismus”, das die europäische Demokratie zum Witz verkommen lasse, die Folgen eines Linksrucks in Europa – und speziell um die Agenda der spanischen Partei Podemus, und schließlich um die Kritik an der linken EU-Kritik: Sören Brandes: "Der Feind, liebe Linke, steht rechts".

An dieser Stelle sei gesagt: Publixphere ist überparteilich und offen für alle Politik-Interessierten. Natürlich bemühen wir uns darum, auch konservative und liberale Stimmen in die Debatte zu holen. So formulierte etwa der ‘Euro-Rebell’ Klaus-Peter Willsch MdB, CDU (CDU) seine Widerstände gegen die Griechenland-Kredite.

TTIP, Brexit, Einheitssprache, LuxLeaks…

An zahlreichen weiteren Stellen auf Publixphere steht Europas Zukunft bereits zur Diskussion. Einige seien kurz aufgelistet:

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WAS JETZT PASSIERT

Du kannst jederzeit in die Debatte einsteigen und den gemeinsamen #EUremix gestalten – mit neuen Texten und Kommentaren, mit Fragen, Ideen, Visionen und Experimenten. Woran lässt sich anknüpfen? Was gehört komplett neu in die Debatte? Für alle, die eine eigene Diskussion starten wollen der Hinweis: Grundlage muss auch nicht immer ein Essay voller Fachwissen sein. Im Gegenteil. Publixphere kann auch als Raum dienen, eine eigene Sprache und eigene Ausdrucksformen für den Europa-Diskurs zu finden – vom Reisebericht bis zur Top-10-Liste, vom Europa-Rant bis zur simplen Frage. Blöde Fragen gibt es nicht.

Sehr herzlich laden wir alle Interessierten ein, die #EUremix-Debatte auch offline zu führen. Über unsere Treffen – auch in Zusammenarbeit mit anderen – halten wir euch auf dem Laufenden.


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