Die Briten und die EU


Picture Alliance / AAPremierminister David Cameron auf einer Konferenz im EU-Headquater in Brüssel. Foto & Teaser: ©picture alliance/AA


Großbritannien gehört seit 1973 zur Europäischen Union. Doch das Verhältnis ist nicht immer einfach. Premierminister David Cameron will die Bürger bis spätestens Ende 2017 per Referendum darüber abstimmen lassen, ob Großbritannien austritt.


Großbritannien ist mit seinen rund 63 Millionen Einwohnern, seiner politischen und wirtschaftlichen Bedeutung, seiner Geschichte und seiner Kultur einer der wichtigsten Staaten in der Europäischen Union. Allerdings war das Verhältnis zur EU immer wieder von Spannungen geprägt.


Umfrage: Wollen die Briten den Austritt?

Bis Ende 2017 entscheiden die Briten per Referendum über ihre EU-Mitgliedschaft. Einer regelmäßigen Umfrage (YouGov, Februar 2015) zufolge wollen aktuell 35 Prozent der Briten den Austritt, 45 Prozent den Verbleib.


Was wären die Folgen eines Brexit?

...hierüber gibt es mittlerweile zahlreiche Studien. Ein Austritt Großbritanniens aus der EU könnte das Land über 300 Milliarden Euro kosten, so eine Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung (27. April 2015). In den übrigen EU-Staaten würde er demnach ökonomisch nur geringere Verluste verursachen...

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Eine Untersuchung (Englisch) (6. August 2015) im Auftrag des EU-kritischen Londoner Bürgermeisters Boris Johnson hält den auch "Brexit" genannten Austritt dagegen für ökonomisch verkraftbar. "Es ist definitiv eine gangbare Option für Großbritannien, ohne die EU auszukommen", so der für den Prüfbericht verantwortliche Banker Gerard Lyons.

Ein anderes Bild zeichnet das Center for European Reform (CER) in seiner Brexit-Studie (Englisch, Juni 2014). Verlöre Großbritannien seinen Zugang zum EU-Binnenmarkt, wäre der Schaden für die Wirtschaft beträchtlich. Das ist allerdings nicht ausgemacht. Möglich wäre auch, dass Großbritannien ähnlich wie Schweiz und Norwegen am Binnenmarkt teilnimmt, also beispielsweise keine Zölle zahlen muss.

Zahlreiche in Großbritannien ansässige Firmen - etwa in der Finanzbranche und der Autoindustrie - fürchten den EU-Austritt. Auch deutsche Unternehmen warnen vor dem Brexit. Sie haben laut FAZ in Großbritannien mehr als doppelt so viel Geld investiert wie in Frankreich und China. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) meint: "Ein Brexit führt uns alle in die Sackgasse." Die EU werde in dem diesem Fall international erheblich an Gewicht verlieren.

Schwer abzuschätzen sind natürlich die politischen Folgen. Möglich wäre beispielsweise, dass sich das europafreundlichere Schottland im Fall eines Brexit von London lossagt, um in der EU zu bleiben. [weniger anzeigen]


EU-Reformdebatte: Europe à la carte? Neustart?

Um die Mitgliedschaft vor dem Referendum attraktiver zu machen, drängt der britische Premier David Cameron auf EU-Reformen. Befugnisse sollen von der europäischen auf die nationale Ebene zurückzuverlagert werden. Bei einer Tour durch europäische Hauptstädte wirbt Cameron für seine Agenda...

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Offen bleibt, wie tiefgreifend die Reformwünsche aus London ausfallen. Geht es um Änderungen und Ausnahmen bei konkreten Gesetzgebungen - etwa in Punkto Bürokratie? Oder verlangt London institutionelle Änderungen - etwa eine "Rote Karte", mit der eine Gruppe nationaler Parlamente eine Gesetzesinitiative der EU-Kommission stoppen könnte?

"Auch gegenüber den EU-Chefs wäre eine zu genaue Festlegung vor Beginn der Verhandlungen kein Vorteil", kommentiert Tessa Szyszkowitz auf Cicero Online. Bislang stand immer wieder Camerons Anliegen zur Debatte, die Arbeitnehmerfreizügigkeit - also den Zuzug von EU-Bürgern - zu beschränken.

Manche der diskutierten Vorschläge setzen eine Änderung der EU-Verträge voraus, manche nicht. Einer Vertragsänderung müssten alle 28 EU-Staaten zustimmen - unter Umständen per Referendum. Ob hierfür die Zeit reicht, ist fraglich.

Die Reaktionen auf Camerons Strategie fallen unterschiedlich aus. Manche Beobachter warnen vor einem Europe à la carte, in der sich die EU-Staaten aussuchen, bei welchen Gesetzgebungen sie mitziehen. Andere erhoffen sich eine Richtungsdebatte und einen "new deal" für die ganze EU.

"Großbritannien ist nicht in einer Situation, seine exklusive Agenda allen anderen Mitgliedstaaten in Europa aufzuzwingen", sagte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kurz vor den britischen Wahlen. Nach der Wahl ließ Juncker erklären, Ziel sei ein "fairer Deal" für Großbritannien in der EU. Die vier Grundfreiheiten - der freie Verkehr von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital - seien aber "nicht verhandelbar". [weniger anzeigen]


Zuletzt aktualisiert am 29. Mai 2015

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