Sicherheitspolitik


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Wie lassen sich Staatsgrenzen sichern und gewaltsame Konflikte vermeiden? Mit Friedensabkommen, humanitären Maßnahmen oder Militäreinsätzen? Die Sicherheitspolitik sucht seit Jahrzehnten nach Antworten. Von Alexander Wragge


Was bedeutet Sicherheitspolitik?

Unter dem Begriff Sicherheitspolitik werden klassischerweise Maßnahmen gefasst, die Staaten schützen sollen – vom Militär-Einsatz bis zum Abrüstungsabkommen...

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Der Begriff wird vor allem im Rahmen der Außenpolitik verwendet. Hier bezeichnet er nach einer gängigen Definition die „Schaffung und Wahrung sicherer äußerer (Staats-)Grenzen durch a) militärische Maßnahmen, b) den Aufbau kollektiver Sicherheitssysteme (z.B. Verträge, Bündnisse), c) gegenseitige vertrauensbildende Maßnahmen (z.B. Anerkennung der Grenzen, Verzicht auf einseitige Forderungen) und d) internationalen Austausch.“ (Quelle: Schubert, Klaus/Martina Klein: Das Politiklexikon. Dietz 2011). Gelegentlich wird auch in der Innenpolitik von Sicherheitspolitik gesprochen – etwa um polizeiliche Maßnahmen zu beschreiben. Allerdings ist diese Verwendung des Begriffs umstritten.

Wichtige multinationale Akteure der Sicherheitspolitik sind die Vereinten Nationen und ihr Sicherheitsrat, die Nordatlantische Allianz (NATO), die Europäische Union mit ihrer Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) und die Afrikanischen Union (AU). Hinzu kommen zahlreiche Militärbündnisse, die allerdings selten in Erscheinung treten.

Die Themenspektren und Instrumente der Sicherheitspolitik werden zunehmend vielfältiger. Der sicherheitspolitische Ansatz der „Vernetzten Sicherheit“ bündelt beispielsweise zahlreiche nationale und internationale Maßnahmen gegen bewaffnete Konflikte in Krisenregionen – von der Diplomatie über den militärischen Eingriff bis zu humanitären Einsätzen. Auch werden immer mehr Faktoren in den Blick genommen, die für die Sicherheit wichtig erscheinen. So befasst sich etwa die deutsche Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) auch mit dem Klimawandel und Finanzkrisen.

Zahlreiche Institutionen forschen in Deutschland zu sicherheitspolitischen Fragen (Liste), darunter die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), das Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK) und die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). [weniger anzeigen]


Aktuelle Fragen der Sicherheitspolitik

Derzeit steht die Ukraine im Zentrum der sicherheitspolitischen Debatte. Auch Deutschlands neue sicherheitspolitische Rolle bleibt auf der Agenda...

Krise in der Ukraine

Der Regierungsumsturz in der Ukraine hat eine internationale Krise ausgelöst. Moskau schickt Soldaten auf die Krim. Die internationale Staatengemeinschaft sucht eine friedliche Lösung. Weiteres in unserem Themenschwerpunkt "Krise in der Ukraine".


Deutschlands neue Rolle

Muss Deutschland sich stärker einmischen, um Konfliktregionen zu stabilisieren – etwa in Afrika? Die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik steht neu zur Debatte. Militär-Einsätze bleiben umstritten...

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Bundespräsident Joachim Gauck hat in einer Grundsatzrede (Volltext) eine neue Rolle Deutschlands in der globalen Sicherheitspolitik gefordert. „Die Bundesrepublik sollte sich als guter Partner früher, entschiedener und substanzieller einbringen“, so Gauck auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Es sollte "heute für Deutschland und seine Verbündeten selbstverständlich sein, Hilfe anderen nicht einfach zu versagen, wenn Menschenrechtsverletzungen in Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit münden“. Gauck kritisiert, es gebe hierzulande Kräfte, die Deutschlands historische Schuld benutzten, um damit bis heute ein fragwürdiges "Recht auf Wegsehen" zu begründen.

Zwar würdigt Gauck Deutschlands bisherigen Weg zum „Garanten internationaler Ordnung und Sicherheit“, allerdings fragt er, ob die Bundesrepublik sich schon genug engagiert. „Tun wir, was wir tun könnten, um unsere Nachbarschaft zu stabilisieren, im Osten wie in Afrika? Tun wir, was wir tun müssten, um den Gefahren des Terrorismus zu begegnen?“

In der öffentlichen Debatte besonders umstritten sind traditionell Kampf-Einsätze der Bundeswehr. Der frühere Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte noch Anfang 2013 die Haltung der Bundesregierung mit den Worten zusammengefasst: „Wir stehen zur Kultur der militärischen Zurückhaltung“. Gemäß dieser Doktrin beteiligte sich Deutschland 2011 nicht am NATO-Kampfeinsatz gegen das Gaddafi-Regime in Libyen. Zumindest ausländische Medien kritisierten Berlins Zurückhaltung teils heftig. „Deutschland ist fahnenflüchtig“ titelte etwa eine französische Zeitung.

Bundespräsident Gauck wehrt sich dagegen, Militäreinsätzen aus Prinzip eine Absage zu erteilen. „Deutschland wird nie rein militärische Lösungen unterstützen, es wird politisch besonnen vorgehen und alle diplomatischen Möglichkeiten ausschöpfen“, so der Präsident. „Aber wenn schließlich der äußerste Fall diskutiert wird – der Einsatz der Bundeswehr –, dann gilt: Deutschland darf weder aus Prinzip 'nein' noch reflexhaft 'ja' sagen.“

Scharfe Kritik an Gaucks Rede kommt von der Linkspartei. „Gauck spricht nicht für alle. Das ist nicht unser Präsident“, sagte der Vorsitzende Bernd Riexinger gegenüber Handelsblatt Online. Gauck bereite einer „Militarisierung" der deutschen Außenpolitik den geistigen Boden. Diese „neue deutsche Breitbeinigkeit“ sei unerträglich. Auch Omid Nouripour, außenpolitische Fraktionssprecher der Grünen, äußerte Bedenken. „Wir haben in diesem Land auch eine historisch gewachsene Kultur militärischer Zurückhaltung“. Diese Kultur solle man nicht einfach in kürzester Zeit beiseiteschieben.

Bundesverteidungsministerin Ursula Von der Leyen (CDU) agrumentiert ähnlich wie Gauck. Mit Blick auf gewaltsame Konflikte in Syrien und Afrika sagte sie in ihrer Rede (Volltext) auf der Münchner Sicherheitskonferenz: „Die Krisen und Konflikte appellieren an unser humanitäres Gewissen, nicht diejenigen im Stich zu lassen, die am meisten leiden.“ Gleichgültigkeit sei für ein Land wie Deutschland keine Option, weder aus sicherheitspolitischer noch aus humanitärer Sicht. Offen lässt die Verteidigungsministerin, wie weit das militärische Engagement Deutschlands künftig gehen könnte, etwa in Bürgerkriegsgebieten in Afrika. „Wenn wir über die Mittel und Fähigkeiten verfügen, dann haben wir auch eine Verantwortung, uns zu engagieren“, so Leyen allgemein. Allerdings fügt sie einschränkend hinzu: „Dies bedeutet nicht, dass wir dazu tendieren sollten, unser ganzes militärisches Spektrum einzusetzen – auf keinen Fall.“

Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier plädiert für eine aktivere Rolle Deutschlands in der internationalen Sicherheitspoilitik. „Deutschland ist eigentlich zu groß, um Weltpolitik nur von der Außenlinie zu kommentieren“, so Steinmeier in einer Rede (Volltext) auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Allerdings betont Steinmeier den klaren Vorrang nicht-militärischer Maßnahmen. „Entscheidend ist aber vor allem anderen, dass wir gemeinsam mit anderen intensiver und kreativer darüber nachdenken, wie wir den Instrumentenkasten der Diplomatie ausstatten und für kluge Initiativen nutzbar machen.“

Unionsfraktionschef Volker Kauder will von einer Debatte um mögliche Kampfeinsätze der Bundeswehr in Afrika nichts wissen. „Deutsche Kampftruppen werden in Zentralafrika nicht zum Einsatz kommen“, sagte Kauder dem „Spiegel“. „Das will niemand in der Koalition.“ Kauder zeigt sich prinzipiell skeptisch, was den Erfolg von Militär-Einsätzen angeht, auch mit Verweis auf die Lage in Afghanistan, wo die Bundeswehr seit 12 Jahren stationiert ist. „Im Laufe der Jahre sind meine Zweifel an rein militärischen Operationen (…) eher gewachsen, auch wenn sie von den Europäern getragen wurden.“ Er könne auch nicht erkennen, dass die Militäraktion Frankreichs und Großbritanniens gegen Libyen ein Erfolg war. [weniger anzeigen]

Zuletzt aktualisiert im Februar 2014