Wohlstand für alle?

Foto: Sam valadiDer "Charging Bull" in New York symbolisiert den ökonomischen Erfolg. Den haben nicht alle. Foto: Sam valadi (CC BY 2.0)

Unbestritten ist: die Schere zwischen Arm und Reich geht in vielen Ländern auseinander. Alles andere ist traditionell strittig. Ist die Entwicklung problematisch? Wie viel Absicht steckt dahinter? Wie ließe sich gegensteuern? An dieser Stelle kannst Du die Debatte systematisch führen.


Ein Beitrag von Redaktion

Warum diskutieren wir hier?

Die Frage der Verteilungsgerechtigkeit schien lange in die Mottenkiste ideologischer Grabenkämpfe des 20. Jahrhunderts verbannt. Doch sie ist wieder virulent. Das zeigt sich zum Beispiel darin, dass ein Youtube-Video zur Vermögensungleichheit in den USA ganze 18 Millionen mal geklickt wurde. Die Idee, dieses grundlegende Thema systematisch miteinander zu diskutieren, hatte Henrik...

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Zu Henriks Text "Die oberen Zehntausend bearbeiten" hat sich bereits ein spannendes Gespräch ergeben. Um sich in der Debatte nicht so leicht zu verzetteln, werden die verschiedene Aspekte hier nun systematisch anhand von Fragen angegangen. [weniger anzeigen]

Wie funktioniert's?

An der Seite dieses Textes kannst Du die Ausgangsfragen und die bisherigen Überlegungen zur Vermögensungleichheit abschnittsweise kommentieren (bei Fragen wende Dich gern an: redaktion@publixphere.net). Nach und nach werden dann die vorgebrachten Argumente aufbereitet und zu einem möglichst differenzierten Bild zusammengefasst...

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Worin so ein gemeinsamer Meinungsbildungs-Prozesses münden kann, siehst Du am Beispiel Medienkritik. Bereits 2014 tauschten BürgerInnen hier Fragen und Argumente aus, die sich 2015 auch in den Massenmedien wiederfanden. Publixphere kann sich also schnell in einen Ideen- und Innovationsraum der Zivilgesellschaft verwandeln, in dem wir gemeinsam und nachhaltig an einem Thema arbeiten und voneinander lernen. Publixphere.net ist eine gemeinnützige Infrastruktur für die konstruktive Kontroverse: überparteilich, unabhängig, nicht-kommerziell. Die NutzerInnen bestimmen die Agenda.

Wenn Dir das Kommentar-Format nicht ausreicht, kannst Du auch einen eigenen Diskussions-Text zum Thema einbringen, den wir dann hier einbinden. Wie Du eine eigene Diskussion anlegst, findest Du hier. [weniger anzeigen]


Wo liegt das Problem, wenn...

... das Vermögen in einer Gesellschaft ungleich verteilt ist? Nach Schätzungen verfügen beispielsweise die oberen 1 Prozent (40.000 Haushalte) in Deutschland über mehr als 17 Prozent des deutschen Privatvermögens, die gesamte ärmere Hälfte der Bevölkerung aber nur über 2,5 Prozent. Schadet das dem Gemeinwohl? Dem Staat? Der Gesellschaft?


Henrik's Antwort in Kurzform: Je mehr Menschen damit beschäftigt sind, die Kapitalerträge einer winzigen Elite zu erabeiten bzw. für deren Erlöse zu arbeiten, desto weniger Arbeitskraft bleibt der Gesellschaft, um ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Zu Henrik's längerer Argumentation geht es hier...

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Es ist überhaupt kein Problem wenn jemand eine gute Idee hat, sie gut verkauft und das Geld hinterher wieder ausgibt. Das Problem entsteht, wenn er das verdiente Geld anlegt und andere dafür arbeiten lässt, damit sein Vermögen von alleine weiter wachsen kann. Je größer solche Vermögen werden, desto mehr muss der Rest der Gesellschaft für diese Kapitalerträge aufbringen.

Grundsätzlich gilt, dass die angelegten Vermögen der einen, die Schulden der anderen sind. Auch wer gerade keinen Kredit abbezahlen muss, führt dennoch einen beträchtlichen Teil seines Einkommens an die Vermögenden ab. Er muss sowohl für die Zinsen der Staatskredite als auch für den Schuldendienst von Unternehmen aufkommen. Gleichzeit muss er als Kunde die Dividende dieser Unternehmen erwirtschaften oder die Mieten seiner Wohnung bezahlen.

Je weiter sich die Vermögen an der Spitze der Gesellschaft konzentrieren, desto weniger Menschen profitieren davon und desto mehr Arbeit muss für die Wünsche einer kleinen Elite aufgebracht werden. Perfekt ist das System, wenn der Schweißer einer Yachtwerft seinen Lohn als Miete, Zinsen oder anderer Kapitalerträge wieder an die Käufer der Yachten abführt. Wenn das gleiche auch noch die Villenmaurer, Köche, Chauffeure, Gärtner usw. tun, bleiben immer weniger Arbeitskräfte, um beispielsweise Schulen zu sanieren oder die öffentliche Sicherheit zu garantieren.

Es dreht sich hierbei nicht um die Frage ob es gerecht ist, dass ein Milliardärserbe Porsche fährt während sich die Schichtdienst schiebende Krankenschwester mit einem Polo begnügen muss. Die Frage ist, ob wir überhaupt noch in der Lage sein werden die Grundbedürfnisse zu befriedigen, wenn immer mehr Aufwand für die Eliten aufgebracht werden muss. Darüber hinaus kann auch gerne über gesellschaftliche Ziele diskutiert werden, die wichtiger sind als Spielzeuge für die Reichsten. Aber auch hier geht es nicht im Kern um Gerechtigkeit. [weniger anzeigen]


Wie kommt es zur Vermögens-Ungleichheit?

Sind manche Menschen einfach talentierter und deshalb ökonomisch erfolgreicher als andere? Oder ist unser Finanz- und Wirtschaftssystem so angelegt, dass darin Reiche immer reicher werden?


Henrik's Antwort in Kurzform: Die immer stärkere Vermögenskonzentration ist im System angelegt. Zu Henrik's längerer Argumentation geht es hier...

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Eine freie Marktwirtschaft strebt von sich aus zur Konzentration von Kapital, wenn nicht entsprechend gegengesteuert wird. Es gibt durchaus gegenläufige Effekte, vor allem wenn das Entwicklungstempo hoch ist. Der grundsätzliche Trend ist seit dem Aufkommen von Wertaufbewahrungsmitteln in der menschlichen Geschichte aber immer vorhanden gewesen.

Wie heißt es so passend: Kapital ist wie Öl im Wasserglas. Wird das Glas nicht regelmäßig durchgeschüttelt, sammelt es sich das Öl am oberen Rand. Aber es gibt natürlich auch sanftere und kontinuierlichere Methoden, um das Geld auch ohne Renditeverpflichtungen unters Volk zu bringen. Wir müssten diese erprobten Methoden nur wieder anwenden. Dazu aber unter einem anderen Punkt mehr. [weniger anzeigen]


Ab wann wird Reichtum zum gesellschaftlichen Problem?

Sollte es Obergrenzen für das Vermögen Einzelner geben? Falls ja, was sind sinnvolle Kriterien?


Henrik's Antwort in Kurzform: Wer von seinem Vermögen leben kann ohne zu arbeiten, hat genug. Von einer Deckelung betroffen wären nur sehr wenige Menschen. Zu Henrik's längerer Argumentation geht es hier...

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Reich ist jemand, der von den Erträgen seines Vermögens leben kann, ohne arbeiten zu müssen. Wenn sich das Vermögen dann noch kontinuierlich vergrößert, ist dieser jemand eindeutig zu reich.

Einige Politiker hatten sich vor der letzten Wahl vorgenommen den Spitzensteuersatz zu erhöhen. Er griff aber schon bei einem jährlichen Einkommen von 60.000 Euro. Das ist doch so deutlich an dem eigentlichen Problem vorbei, dass man über die Clowns nicht mal mehr lachen kann. Wir haben es mit einer winzigen Elite zu tun, deren Mitglieder 60.000 Euro in der Stunde „verdienen“. Familie Quandt hat 2014 von BMW 815 Millionen Euro Dividende erhalten. Das sind 93.000 Euro in jeder Runde des kleinen Zeigers – für drei Personen. Allein für dieses Geld werden sie im nächsten Jahr bei drei prozentiger Rendite 20 weitere Millionen Euro erhalten. Das schönste aber ist, dass sie auf diese Art von Einkommen nicht mal den Spitzensteuersatz zahlen müssen. [weniger anzeigen]


Wie setzen die Profiteure des Systems ihre Interessen durch?

Gibt es eine starke Lobby der Superreichen? Welche Rolle spielen Medien und Denkfabriken?


Henrik's Antwort in Kurzform: Die Profiteure des Sytems nehmen großen politischen Einfluss, zum Beispiel über Wahlkampfspenden, Aufsichtsratsposten, Beraterverträge, Lobbyarbeit, Gesetzestexte produzierende Denkfabriken, Stiftungen, Konferenzen, Netzwerke, Medienhäuser. Zu Henrik's längerer Argumentation geht es hier...

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Um das Wirken beispielsweise der Denkfabriken anzuschneiden, sei hier nur exemplarisch die sympathische Non-Profit Organisation American Legislative Exchange Council (ALEC) erwähnt. Sie wurde 1973 von konservativen Aktivisten gegründet und verfolgt mit Gesetzesvorlagen sehr erfolgreich Ziele wie die Verschlankung des Staates, die Beseitigung von Regulierungen für Körperschaften und die Erschwerung von Vorhaben, wirtschaftlich oder politisch mächtige Personen zur Verantwortung zu ziehen. Spätere Mitglieder haben so schöne Theorien entworfen, dass nach Steuersenkungen die Steuereinnahmen nicht sinken, sondern sogar steigen würden.

Die mysteriösen Bilderberg-Konferenzen sind vor allem deshalb interessant, weil in dieser illustren Runde Medienvertreter anwesend sind, aber nicht über ihr Treffen mit Politikern, Bankern und Konzernlenkern berichten. Es ist nur ein Einstieg in die Verquickung der Medien.

Hier sei mal ein altes aber sehr pikantes Beispiel erwähnt: Warum bloß hat Axel Springer so gereizt auf einen kritischen Kommentar zu einem südamerikanischen Diktator reagiert und daraufhin seinen renommierten Chefredakteur Wolf Schneider abgesetzt? Man mag die Pinochets Diktatur in Chile als unwichtige Episode des Ost-West Konfliktes und vor allem als lange her abtun. Doch sie war eben auch ein Versuchslabor für die ersten Deregulierungsexperimente nach neoliberaler Machart, welche nur mit großen Repressionen durchgeführt werden konnten. Hielten da auch Verleger wie Axel Springer ihre schützende Hand drüber?

An diesem Beispiel zeigt sich wunderbar das perfide Zusammenwirken verschiedener elitärer Kreise, bzw. die Folgen ihrer gemeinsamen Interessen. [weniger anzeigen]


Welche Alternativen gibt es...

...zu einem globalen Finanzmarktkapitalismus, in dem die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht? Was können Nationstaaten allein und in Kooperation miteinander ändern?


Henrik's Antwort in Kurzform: Das System war schon einmal gerechter. Es gilt zu bewährten Formen der Umverteilung zurückzukehren. Zu Henrik's längerer Argumentation geht es hier...*

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Nach der Weltwirtschaftskrise von 1929 wurden auf lange Sicht sehr erfolgreiche Sozialreformen und hohe progressive Steuersätze eingeführt. Sie waren maßgeblich für eine große Kompression der Vermögen und einem weit verbreiteten Anstieg des Lebensstandards verantwortlich. Erst mit dem Aufkommen der neokapitalistischen Ideologie in den 70er Jahren und ihrer verbreiteten Durchsetzung ab den 80er Jahren, wurden sie zu einem großen Teil wieder rückgängig gemacht. Seither nimmt die Konzentration der Vermögen wieder zu.

Wir müssen zur Lösung dieses Problems keine Revolution anzetteln und auch keinen Systemwechsel fordern. Die Wiedereinführung von Vermögenssteuern und wirkungsvolle progressive Steuersätze für wirkliche hohe Einkommen, vor allem auf Kapitalerträge, genügt vollkommen. [weniger anzeigen]


Wie können sich BürgerInnen für Verteilungsgerechtigkeit einsetzen?

Anders wählen? Protestieren? NGO's unterstützen? Sich erstmal einen eigenen Überblick verschaffen? Auf die Politik setzen?


Henrik's Antwort in Kurzform: Die Politik allein wird es bei diesem Thema nicht richten. Die BürgerInnen müssen zusammen daran arbeiten. Zu Henrik's längerer Argumentation geht es hier...*

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*Natürlich wähle ich auch. Aber ich möchte mich nicht darauf verlassen, dass die Gewählten auch ihre Versprechen halten. Außerdem habe ich noch nicht ansatzweise eine Kombination aus Versprechen gefunden, mit der ich zufrieden wäre. Ich suche nach Wegen, wie Bürger aus unterschiedlichen politischen Lagern effektiv zusammenwirken können, um zumindest das Drängendste angehen zu können. Eine Plattform wie diese hier finde ich sehr vielversprechend. Aber natürlich ist es noch ein weiter Weg, hin zu einer produktiven Partizipation. [weniger anzeigen]

Wie problematisch ist globale Vermögensungleichheit?

Die 62 reichsten Menschen auf der Welt haben genauso viel Besitz angehäuft wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, also genauso viel wie 3,6 Milliarden Menschen zusammen. So das Ergebnis einer Oxfam-Studie (2016). Wie problematisch ist diese Vermögenskonzentration? Wie lässt sie sich ändern?


Henrik's Antwort in Kurzform: Global reicht die Entwicklungshilfe nicht, um die Armut zu bekämpfen. Zu Henrik's längerer Argumentation geht es hier...

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Noch stärker strapaziert wird unsere Vorstellung von Gerechtigkeit, wenn wir über unsere Grenzen hinaus schauen. Verglichen mit afrikanischen Slumbewohnern erscheint auch ein europäischer Mittelständer als Milliardärserbe. Dennoch kann er in der Oxfam-Studie als ärmer eingestuft werden, z.B. nach einem Hauskauf. Das Wohlstandsgefälle zwischen Industrienationen und Entwicklungsländern ist mindestens genauso gefährlich, wie das Wohlstandsgefälle innerhalb einzelner Länder. Die Bekämpfung der globalen Armut ist aber nochmal bedeutend schwerer. Sie wird außerdem nur dann erfolgreich sein, wenn wir vorher die vergleichsweise lächerlich einfach zu reduzierende Vermögenskonzentration hierzulande angehen.

Unser heutiger Wohlstand ist im Wesentlichen auf die Industrialisierung zurückzuführen. Ihr Aufkommen hatte allerdings komplexe Ursachen und bedurfte Strukturen, die auch heute noch nicht in allen Ländern dieser Welt gegeben sind. Daher ist es auch nicht so einfach den Wohlstand zu exportieren. Dabei zu helfen, diese Strukturen aufzubauen sollte global gesehen ein wesentliches Ziel sein. Die heutige Form der Entwicklungshilfe verfolgt diese Ziele nur unzureichend. Es sollte auch klar sein, dass es verschiedene Kräfte innerhalb der Industrienationen gibt, welche gar kein Interesse an stärkeren Entwicklungsländern haben. [weniger anzeigen]


Interessante Videos, Artikel und Studien

Hier sammeln wir Material zur Vermögensungleicheit. Hinweise kannst Du uns via Kommentar geben oder per Mail an redaktion@publixphere.net. Hier schon mal erste Inhalte rund um's Thema...

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Videos
  • Wealth Inequality in America (2012) Infographics on the distribution of wealth in America, highlighting both the inequality and the difference between our perception of inequality and the actual numbers. The reality is often not what we think it is.

  • Volker Pispers: "Bis Neulich" (3Sat, 2015) Der politische Kabarettist Volker Pispers über Vermögensungleichheit, Umverteilung und das System an sich.

Studien