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Birgit Voggeser: Don't feed your inner troll


Matthijs The finger TrollStudien attestieren dem Troll sadistische Neigungen. Foto: Matthijs (CC BY-NC-ND 2.0)

In der Diskussion um gestörte Online-Kommunikation fällt schnell der Begriff "Troll". Aber was tun Trolle genau und warum? Das beleuchtet die Freiburger Psychologin Birgit Voggeser im Rahmen des #pxp_themas "Aggressionen im Netz". Außerdem erläutert Voggeser, warum wir online schneller ausrasten.


Ein Beitrag von Birgit Voggeser, Doktorandin am Institut für Psychologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Was machen Trolle?

Trolle sind Personen, die andere Leute online nur um des Ärgerns willen ärgern. Sie sind in die Gespräche, die sie stören, nicht inhaltlich involviert. Stattdessen wollen sie unsinnige Meinungen möglichst glaubhaft präsentieren und die Gesprächsteilnehmer dazu bringen, sich durch aufbrausende Emotionen unglaubwürdig zu machen. Ein geschickter Troll geht dabei möglichst subtil vor, damit den Beteiligten nicht auffällt, dass sie gerade getrollt werden – bis dann ordentlich die Fetzen fliegen. Damit hat der Troll sein Ziel erreicht. Trolle sollten dabei nicht mit den sogenannten "Hatern" (deutsch: "Hasser") verwechselt werden. Hater sind tief inhaltlich motiviert und wollen ihre Abneigung gegenüber bestimmten Personen oder Sachverhalten möglichst deutlich und direkt zum Ausdruck bringen, oft komplett unabhängig von den Meinungen und Aussagen anderer.

Was treibt Trolle an?

Eine Gruppe kanadischer Forscher hat zwei Studien zur Persönlichkeit der Online-Trolle durchgeführt, um mehr über die Triebfedern ihres Verhaltens herauszufinden (Siehe hierzu auch Psychology Today). Der Fokus lag dabei auf der sogenannten „Dunklen Tetrade“ der Persönlichkeit, den vier negativen Persönlichkeitsfacetten Sadismus, Machiavellismus, Psychopathie und Narzissmus. Die Ergebnisse zeigen, dass Personen, die der Troll-Philosophie zustimmen, vermehrt sadistische Neigungen haben. Die Autoren schließen daraus, dass das Phänomen des Trollens eine Art online ausgelebter Alltags-Sadismus ist.

Warum lassen Trolle uns ausrasten?

Es sind nicht die Trolle, die verbal entgleisen, andere User beschimpfen und sogar bedrohen. Wären die Zielpersonen der Trolle nicht bereit, sich zu streiten und fremden Leuten Beleidigungen an den virtuellen Kopf zu werfen, würde Trolling überhaupt nicht funktionieren. Anders als beim Trolling geht es in diesen Auseinandersetzungen um das Thema, nicht um das Triezen. Und viele Online-User gehen gerade bei Meinungsfragen auch ganz leicht ohne Trolle an die Decke. Dieses Phänomen des Online-Schimpfens wird als Flaming bezeichnet und wird in der psychologischen Forschung unter anderem als „Toxic Online Disinhibition Effect“ – als toxischer Online-Enthemmungs-Effekt – untersucht.

Ist das Internet schuld?

Bislang werden unterschiedliche Eigenschaften des Internets als Gründe für dieses weit verbreitete Verhalten gehandelt. Die Anonymität von Internetnutzern wird meist als Erstes aufgeführt. Sie ist nach den Ergebnissen einer vergleichenden Studie der israelischen Forscher Noam Lapidot-Lefler und Azy Barak aber nicht der Hauptgrund, sondern führt manchmal sogar dazu, dass sich Leute online besser benehmen. Als wichtiger hat sich der fehlende Blickkontakt zwischen Gesprächspartnern herausgestellt. Wenn Blickkontakt das einzige ist, was zwei Personen, die online miteinander kommunizieren, nicht haben – sie kennen den echten Namen und können den Gesprächspartner per Kamera vorm PC sitzen sehen - dann werden sie sich mit größerer Wahrscheinlichkeit streiten.

Neben dem Blickkontakt fehlen bei Online-Interaktionen auch alle anderen Formen der sogenannten non-verbalen Kommunikation: Mimik, Gestik, Tonfall, Blickrichtung und Körperhaltung. Dieser Mangel an Kontext führt zu Missverständnissen und löst uns von den unmittelbaren Rückmeldungen darüber, ob das, was wir gerade gesagt haben, angemessen ist.

Clash der Meinungen

Außerdem treffen im Internet Meinungen aufeinander, die sonst durch unterschiedliche Freundeskreise und Interessen getrennt bleiben. Diese „Echo-Kammer“ bricht auf, unterschiedliche Meinungen prallen aufeinander, und es kommt zu Streit. Dies geschieht besonders auf Plattformen mit vielen Nutzern unterschiedlicher Hintergründe, wie zum Beispiel bei Nachrichten-Websites.Da die eigene Meinung gewöhnlich an der eigenen Identität hängt, und die eigene Identität wiederum von den Gruppen, zu denen man sich zugehörig fühlt, mitbestimmt wird, wird sich auch häufig um und wegen Gruppenzugehörigkeit gestritten. Ob diese Gruppe dann die Nationalität, das Geschlecht, die Sportmannschaft oder die Partei ist, wird dabei fast schon zur Nebensache.

Wird Online mehr geschimpft als Offline?

Auch wenn nicht belegt ist, dass Online mehr geschimpft wird als Offline, ist dennoch klar, dass mehr Leute über längere Zeit betroffen sein können: Posts bleiben stehen, das Internet vergisst nicht so schnell. Studien einer Forschergruppe um die US-Amerikanerin Ashley Anderson haben ergeben, dass nicht nur Beschimpfte, sondern sowohl Schimpfende als auch unbeteiligte Leser sich nach dem Schimpfen oder dem Lesen der Schimpfereien schlechter fühlen als davor. Demnach ist jeder Täter auch Opfer. Niemand gewinnt – und dennoch schlägt fast jeder Online mal über die Stränge.

Prüfen wir uns selbst

Aber was kann nun gegen das Schimpfen getan werden, wenn je nach Thema jeder ein potentieller Schimpfer ist? Seitens der Plattformen, die Kommentar- oder Postfunktionen anbieten: Transparente Moderation, Aufklärung und viele gute Beispiele liefern. Jeder selbst: darauf achten, was man schreibt. Sich selbst den Kommentar nochmal laut vorlesen, und am besten gar nicht posten, wenn man nichts Positives zu sagen hat – Don't feed your inner troll!


Hinweis: Dieser Text erschien zunächst auf fudder.de


Kommentare

  • am besten garnichts posten, wenn man nichts positives zu sagen hat? - dann müsste ich mich wohl in den meisten communitys abmelden, auch offline. schau mit v.

    • Nun ja, ich kann gut nachvollziehen, dass es zu manchen Themen derzeit wenig Positives zu sagen gibt. Es waren in diesem Falle auch nicht unbedingt die Sachinhalte Ihrer Kommunikation gemeint, sonder die Art, in der Sie diese Inhalte ausdrücken. Eine andere Formulierung wäre vielleicht: Am besten nichts posten, wenn Sie es nicht auf eine konstruktive Weise ausdrücken können / wollen.

      Konstruktiv meint hierbei, dass Sie Kritik oder Zurückweisung so formulieren, dass das Gegenüber das Gefühlt hat, eher eine Hilfestellung als eine Ohrfeige erhalten zu haben. Dies ist auch in Ihrem Sinne, da sowohl die direkt angesprochene Person als auch andere Leser dann viel eher bereit sind, Ihrer Argumentation zu folgen und zu vertrauen.

      (Edit: Meine alten Freunde, die Tippfehler...)

      • Ich bin da deutlich eher bei paul. Es wird ja niemand in die Öffentlichkeit gezwungen und wenn jemand die Öffentlichkeit sucht, dann muss er Kritik auch aushalten.

        • Hallo Birgit Voggeser, MisterEde und paul : ich finde die Balance in Punkto Negativität und Kritik in der Internetöffentlichkeit tatsächlich am Interessantesten. Wie gebe ich dem rechtsextremen Hetzer eine Hilfestellung und keine Ohrfeige? Oder soll ich gar nicht auf ihn eingehen, weil ich mich nicht mehr auf konstruktive Weise ausdrücken kann, wenn jemand rechtsextrem hetzt?

          Ich finde den Ansatz, bei sich selbst anzufangen, sehr weiterführend. Wenn alle sich selbst prüfen, bringt das die ganze Internet-Öffentlichkeit voran.

          Und noch ein anderer Punkt:

          Warum liegen die Nerven so blank?

          Was ich online erlebe sind sowohl eine immense Negativität an vielen Orten bei vielen Themen, als auch eine enorme 'digitale' Empfindlichkeit. Schon bei der These: 'Vegetarismus schadet nicht' fühlen sich viele Menschen extrem provoziert, so als sei das gleichbedeutend mit 'Fleischessen ist böse'. Auch bei PEGIDA ist eine erhebliche 'Unsportlichkeit' im Umgang mit der Presse zu beobachten. Sobald einem nicht passt, was man liest, ist gleich die freie Presse bedroht.

          Ich weiß nicht, ob es ein digitales Phänomen ist, oder ein Denken, dass einfach nur digital zu Tage tritt, aber es gibt diese Dünnhäutigkeit, diese Tobsucht, andere Meinungen nicht einfach sportlich zu nehmen. Diese Empfindlichkeit zieht sich auch durch das Private. Es gibt Leute, die sind ernsthaft beleidigt, wenn der andere ihr Foto nicht likt.

          Also so spannend Trolle sind, ich glaube das digitale Nervenkostüm ist insgesamt noch interessanter.

          • Den Punkt mit der Anspannung, gar Überspannung finde ich interessant - macht die digitale Welt uns dünnhäutiger? Überfordert uns die Vielzahl der Einflüsse schon längst?

  • Danke für diese Differenzierung! Der Unterschied zwischen Trollen und Hadern war mir bisher auch nicht klar...spannend auch, dass Leute sich besser zu benehmen scheinen, wenn sie online anonym unterwegs sind – das hat mich wirklich überrascht!

    Wenn ich Sie richtig verstehe, wäre dann die richtige Reaktion auf einen Troll, ihn zu ignorieren – und nicht noch darauf eingehen. Aber wie finde ich heraus, wann ich es mit einem Troll zu tun habe und wann vielleicht nur mit einer kritischen Meinung?

    • Es freut mich sehr, dass ich Ihnen neue Einsichten ermöglichen konnte.

      Bezüglich des Umgangs mit Troll-artigen Beiträgen: einen offensichtlichen Troll zu ignorieren ist fast immer die beste Lösung. Sollten Sie sich nicht sicher sein, ob andere Diskussionsteilnehmer den Troll als solchen erkennen, weißen Sie auf das Troll-Verhalten hin, ohne den Troll direkt zu adressieren (aber Vorsicht: der Troll könnte dann gezielt versuchen, Sie zu drangsalieren). Falls unklar ist, ob es sich um einen Troll handelt, und eigentlich auch bei jedem anderen Meinungsaustausch: immer sachlich und höflich bleiben. Falls möglich, Argumente mit Quellen und Links untermauern, und sich nicht auf emotionale Diskussionen einlassen. Sie können den Troll nicht überzeugen, aber die anderen Personen, die Ihre Kommentare auch lesen, schon.

      • Ich weiß nicht ob es sinnvoll ist, jemanden als Troll zu bezeichnen, wenn man sich nicht sicher ist. Immerhin kommt das einer Beleidigung ziemlich nahe.

        Im Übrigen, warum gilt in dem Fall eigentlich nicht, was Sie oben geschrieben haben, "am besten gar nicht posten, wenn man nichts Positives zu sagen hat"?

  • Liebes Forum,

    wir möchten euch auf die Zusammenfassung der Podiumsdiskussion "Gewalt im Internet – brauchen wir neue Gesetze?" sowie die dazugehörige Videoaufzeichnung der Diskussion aufmerksam machen, die am 18. Februar in Zusammenarbeit mit dem Gunda-Werner-Institut in der Heinrich-Böll-Stiftung stattfand.

  • Man muss als erstes feststellen, dass es sich bei Foren oder ähnlichem um einen öffentlichen Raum handelt, in dem andere Regeln gelten als im Privatbereich. Wenn jemand zuhause ein Liedchen singt, ist das kein Thema, macht er es auf offener Straße, darf man ihm auch zurufen, „dass die Menschenrechtskonvention Folter verbietet“. So ist das nun mal mit der Öffentlichkeit, die gehört eben nicht einem Einzelnen alleine.