+3

Neues Prostitutionsgesetz: Der richtige Weg?


Foto: dpaBundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD) zeigt sich zufrieden mit der neuen Prostitutionsgesetzgebung. "Es wird erstmalig klare Regelungen für die legale Prostitution in Deutschland geben, die dem Schutz der Frauen dienen." Foto: dpa


Union und SPD haben sich auf Eckpunkte eines neuen Prostituionsgesetzes geeinigt. Eignen sich die neuen Maßnahmen, um die Situation von Prostituierten zu verbessern?

Ein Diskussionsanstoß der Redaktion

Über kaum etwas hat die Publixphere-Community intensiver diskutiert als über die Reform der Prostitutionsgesetzgebung von 2002 (siehe Zusammenfassung). Sollen wie in Schweden Freier bestraft werden - so wie es das EU-Parlament in einer Entschließung favorisiert? (Februar 2014)? Kann es freiwillige Sexarbeit überhaupt geben oder geht es hier immer um Zwang? Welche Regeln schützen Prostituierte, welche beschneiden ihre Rechte auf Selbstbestimmung?

Union und SPD sind sich einig

Jüngst hat sich die Große Koalition nach monatelangem Streit auf die Grundzüge einer Reform geeinigt. Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD) will sie im März dem Kabinett vorlegen. Prinzipiell bleibt Deutschland beim Entkriminalisierungsprinzip - anders als etwa Schweden und Norwegen, wo der "käufliche Erwerb sexueller Dienstleistungen" verboten ist.

Eckpunkte der Reform:

  • Bordelle benötigen künftig eine Erlaubnis, statt wie bisher nur eine Gewerbeanmeldung. Hierzu sind räumliche und hygienische Vorgaben einzuhalten. Betreiber müssen sich einer Zuverlässigkeitsprüfung unterziehen. Einschlägig vorbestrafte Akteure sollen kein Bordell eröffnen dürfen. Entwürdigende Geschäftsmodelle wie „Flatrate-Sex“ werden verboten.
  • Prostituierte müssen sich anmelden, und diese Anmeldung alle zwei Jahre erneuern. Bei welcher Behörde, bleibt offen.
  • Prostituierte müssen alle 12 Monate eine medizinische Beratung aufsuchen. Eine medizinische Untersuchung wird allerdings nicht zur Pflicht. Die Beratung kann auch ein niedergelassenen Arzt oder das Gesundheitsamt leisten, und muss nicht durch Gynäkologen erfolgen.
  • eine Kondompflicht wird eingeführt - allerdings ohne Bußgeld-Androhung gegen die Prostituierten. Die Pflicht soll es den Strafbehörden ermöglichen, unangemeldete Kontrollen in den Bordellen durchzuführen. Die Bundesländer entscheiden, wie sie kontrollieren und sanktionieren.
  • Das Mindestalter für Prostituierte wird nicht von 18 auf 21 Jahren hochgesetzt. Allerdings müssen Prostituierte unter 21 Jahren halbjährlich zur medizinischen Beratung. Ihre Anmeldung gilt immer nur für 12 Monate.

Neben einer Neuregerung der legalen Prostitution stehen neue Maßnahmen gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution zur Diskussion. Justizminister Heiko Maas (SPD) hat hierzu Ende Januar 2015 einen ersten Gesetzentwurf vorgelegt, der bestehendes EU-Recht umsetzen soll. Zugleich kündigt Maas weitere Schritte an. Zur Debatte steht beispielsweise, Freier zu bestrafen, wenn sie wissentlich die Dienste einer Zwangsprostituierten in Anspruch nehmen.

Diskussion: Verbessern die Maßnahmen die Situation von Prostituierten?

Angesichts der neuen Entwicklung möchten wir die Debatte an dieser Stelle fortführen: geht die Große Koalition den richtigen Weg? Müsste die neue Prostitutionsgesetzgebung schärfer oder schwächer ausfallen? Wird die Selbstbestimmung von Prostituierten durch die neuen Pflichten unzulässig beschränkt? Fehlt eine Ächtung des "Frauenkaufs", wie sie etwa die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer fordert?


SchaubildTeaser

Schaubild öffnen



Kommentare

  • Eure Schlüsse aus dem Dominique Strauss-Kahn-Prozess?

    Liebes Forum, eine weitere Frage stellt sich aktuell: ändert der Prozess gegen den ehemaligen IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn in Frankreich eure Sicht auf Prostitution und den Umgang damit?

    In Frankreich hat der Prozess die Diskussion um die Freierbetsrafung neu entfacht, siehe hierzu den Spiegel-Online-Artikel: Prozess gegen Strauss-Kahn: "Es war brutal" (13. Februar 2015)

    Zwar hat die französische Nationalversammlung im Dezember 2013 die Freier-Bestrafung beschlossen, allerdings blockiert der Senat das Vorhaben. Ende März soll erneut darüber beraten werden.

    • Der angesprochene Prozess u.a. gehen Strauss-Kahn bestätigt meine Meinung zur Prostitution (siehe andere Diskussionen hier), dass Frauen in vielen oder den meisten Fällen wie Ware gehandelt und verschickt werden, den Geschlechtsverkehr nicht schön finden, der Einstieg zwar nicht direkt durch eine andere Person gezwungen aber durch eine Zwangslage passierte und dass die Kunden denken, sie können mit den Frauen machen, was sie wollen, wenn sie erstmal bezahlt haben bzw. in diesem Fall bezahlt haben lassen.

      Was ich noch wichtig finde an diesem außergewöhnlichen Fall: Es stehen 11 Männer und zwei Frauen auf der Anklage, deswegen sollte der Prozess nicht auf DSK reduziert werden. Unter anderem ist z.B. der stellvertretende Polizeichef des Départements Lagarde angeklagt, mit dem Sexkaufring kooperiert zu haben. Außerdem einflussreiche Unternehmer, die die "Partys" bezahlt haben.

      Das Hotel Carlton in Lille, das als Sitz eines internationalen Prostitutionsrings im Prozess gehandelt wird, ist von der Staatspolizei (unter Umgehung der an den mutmaßlichen Straftaten beteiligten lokalen Polizei) über Jahre abgehört worden. Das geschah nicht etwa aus Sorge um die Gesundheit und die Rechte der Prostituierten sondern aus politischem Kalkül, die frz. Presse geht davon aus, dass Nicolas Sarcozy sich den aussichtsreichsten Konkurrenten in der Präsidentschaftswahl vom Hals halten wollte, was ja auch geklappt hat. Woher aber wusste Sarkozy, wo er abhören lassen musste? Man kann daraus lernen: Einheiten der Organisierten Kriminalität im Umfeld von Prostitution und Menschenhandel werden nur ermittelt und strafverfolgt, wenn ihre Chefs einem anderen Chef auf die Füße treten. Das erinnert irgendwie an eine patriarchale Gesellschaft. Siehe dazu ein spannender Hintergrundartikel der FAZ: Michaela Wiegel: Die Fahnder hörten alles . In: FAZ.net vom 2.2.2015

      Was sich noch zeigt bei etwas genauerer Betrachtung: Der Senat blockiert das Gesetz nicht einfach, er sabotiert es regelrecht. Am 20.5.2014 gab es zu dem Gesetz eine Anhörung im Senat. Befragt wurde der zuständige Leiter der schwedischen Polizei für die Bekämpfung von Verbrechen im Zusammenhang mit Prostitution, Simon Häggström. Das Transcript der Befragung, das an die Abgeordneten verschickt und auf der Senatshomepage verschickt wurde, weicht fundamental von der Videoaufzeichnung der Befragung ab. So sehr, dass die Kernbotschaften des Ermittlers verdreht, abgeschwächt und ausgelassen wurden, eine regelrechte Manipulation. Das hat die internationale Männerorganisation Zéromacho aufgedeckt, die sich für ein Ende des Sexkaufs z.B. durch Freierbestrafung einsetzen: Sénat : Zéromacho révèle une manipulation. 28.10.2014.

      Der Vorsitzende der zuständigen Senatskommission ist gegen das Gesetz und die zuständige Verbindungsperson zur Regierung, Jean-Marie Le Guen, ein guter Freund von Dominique Strauss-Kahn. Weitere Unterstützerin der Blockade im Senat ist z.B. die grüne Abgeordnete Esther BenBassa, die die französische "Sexarbeiter*innengewerkschaft" STRASS finanziell unterstützt. STRASS steht den deutschen Organisationen Hydra, Dona Carmen u.a. organisatorisch und inhaltlich nah, die die vollständige Legalisierung von Prostitution fordern. Diese Organisationen waren es u.a., die den Grünen 2010/2011 das Prostitutionsgesetz eingeflüstert haben, das laut Evaluation durch die Bundesregierung die Lage der Prostituierten verschlechtert hat und den Bordellbetreibern und Zuhältern genutzt hat. Siehe z.B.: Patric Jean: DSK Carlton: des élus savaient et protègent la prostitution. 7.2.2015

      Wer kein Französisch versteht kann sich vielleicht mit google translate helfen. Leider sind die beiden letzten Artikel noch nicht auf deutsch übersetzt.

      • Ich hab deine Links kurz formatiert, zwischen eckigen und runden Klammern darf kein Abstand sein (ist leider etwas gewöhnungsbedürftig)

        • danke. Ja, hatte ich nicht verstanden. Könnte in die Anleitung reingeschrieben werden, dass da keine Abstände sein dürfen...

          • Es ist kompliziert :) wir teilen uns den Hilfetext, aber wir kümmern uns drum! Ich weiß, die Formatierung auf PXP ist nicht maximal einfach, aber wenn man sich einmal dran gewöhnt hat, kann sie auch Spass machen (hoffentlich). Bis wir eines Tages Formatierungspaletten haben :)

    • Ich denke, bei Dominique Strauss-Kahn haben wir es mit einem ganz speziellen Menschen zu tun, wenn es zum Beispiel stimmt, dass es ihm schlicht egal war, dass die Frauen auf seinen Partys weinten, wegen den Schmerzen, wegen der Situation. Ich gehe nicht davon aus, dass es immer so ist. Trotzdem ermoeglicht es eine legalisierte Prostitution eben auch Menschen wie Dominique Strauss-Kahn ihren gewaltaetitgen Trieb auszuleben. Waeren die Frauen faktisch (unter den Umstaenden dieser Branche) und juristisch in der Lage gewesen, ihn wegen Vergewaltigung anzuzeigen? Wie bekommt man eine klare Selbstbestimmung / Grenze zur Vergewaltigung bei legaler Prostitution hin? Das frage ich mich schon. Die Anzeige wegen Zuhaelterei ist doch nur ein Umweg. Es geht doch einfach um dieses unfassbar brutale, menschenverachtende Verhalten.

  • Fehler in der Beschreibung: Der Honeyball-Bericht ist kein "Entwurf", sondern eine nicht bindende Entschließung des Europaparlaments, d.h. der Bericht wurde im Ausschuss diskutiert, dort meines Wissens einstimmig angenommen und dann mit großer Mehrheit im Europaparlament angenommen, siehe http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=TA&reference=P7-TA-2014-0162&language=DE&ring=A7-2014-0071

    Wie die EU-Abgeordneten aus Deutschland abgestimmt haben, kann man übrigens sehr gut hier sehen: https://banishea.wordpress.com/2014/03/03/abstimmungsverhalten-der-deutschen-abgeordneten/ - SPD dagegen, Grüne und FDP überwiegend dagegen, Linke unentschlossen, CDU überwiegend dafür.

    • Hallo Fabian!

      Danke für den Hinweis. Damit es verständlicher ist, habe ich den Text oben geändert. Tatsächlich wurde die Entschließung, basierend auf dem Honeyball-Bericht, angenommen. Die zunächst von mir zitierte Kritik an Deutschland und den Niederlanden ("Genehmigung der sexuellen Ausbeutung") findet sich aber nur im Entwurf (Siehe Punkt Z), und wurde aus der endgültigen Entschließung gestrichen.

      Stattdessen findet sich dort ein neu formulierter Punkt V, der die Eigenverantwortlichkeit der Mitgliedsstaaten unterstreicht:

      in der Erwägung, dass zwischen den Mitgliedstaaten große Unterschiede beim Umgang mit der Prostitution bestehen, wobei es im Wesentlichen zwei Ansätze gibt: einerseits wird die Prostitution als Verletzung der Rechte der Frauen – als Form der sexuellen Sklaverei – angesehen, die zu geschlechtsspezifischer Ungleichheit zulasten von Frauen führt oder zu deren Fortdauer beiträgt; andererseits wird davon ausgegangen, dass die Prostitution der Gleichstellung der Geschlechter förderlich ist, indem das Recht der Frau propagiert wird, nach eigenem Ermessen über ihren Körper zu verfügen; in beiden Fällen ist es Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, wie sie mit dem Thema Prostitution umgehen;

      Das EU-Parlament thematisiert im angenommenen Text alle hier im Forum angesprochenen Fragestellungen und tendiert zum Modell Freierbetrafung, etwa in den Punkten 29 und 31:

      (29) vertritt die Auffassung, dass eine Methode, den Handel mit Frauen und Mädchen zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung zu bekämpfen und die Geschlechtergleichstellung zu verbessern, das in Schweden, Island und Norwegen umgesetzte und derzeit in verschiedenen europäischen Ländern geprüfte Modell (das sogenannte „Nordische Modell“) ist, nach dem der Kauf von sexuellen Dienstleistungen eine Straftat darstellt, die Dienstleistungen von Prostituierten hingegen nicht strafbar sind;

      (31) betont, dass einige Daten die abschreckende Wirkung des „Nordischen Modells“ auf den Menschenhandel in Richtung Schweden bestätigt haben, wo keine Zunahme von Prostitution und Sexhandel zu verzeichnen ist, und dass dieses Modell in zunehmendem Maße von der Bevölkerung, insbesondere von jungen Menschen unterstützt wird, was ein Beleg dafür ist, dass die betreffenden Rechtsvorschriften zu einem Mentalitätswandel geführt haben;

      Die größte Kritik am deutschen Modell der Entkriminalisierung (ohne Deutschland beim Namen zu nennen) findet sich meines Erachtens hier:

      (34) vertritt die Auffassung, dass die Einstufung der Prostitution als legale „Sexarbeit“, die Entkriminalisierung der Sexindustrie im Allgemeinen und die Legalisierung der Zuhälterei keine Lösung darstellen, wenn es darum geht, schutzbedürftige Frauen und Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen, sondern dass sie diese im Gegenteil der Gefahr schlimmerer Gewalt aussetzen, den Prostitutionsmarkt fördern und so die Anzahl der misshandelten Frauen und Mädchen sogar erhöhen;

      Hier nochmal die Links im Überblick:

      Liebe Grüße, Alex

      • Danke für die Hinweise. Von dem Unterschied hatte ich schon gehört, die Dokumente aber noch nicht so sorgfältig verglichen.

    1. Prostitution und Zwangsprostitution sind für mich zwei verschiedene Dinge.
    2. Zwangsarbeit aller Art ist zu bekämpfen (natürlich auch Zwangsprostitution).
    3. Prostitution sollte dem Grundsatz nach erlaubt sein, allerdings darf es durchaus Einschränkungen geben.
    4. Das Problem ist, denke ich, das Milieu. Es gibt z.B. eine Nähe zur Gewalt, die Gesetzestreue der „Zimmervermieter“ ist vielleicht nicht ganz so perfekt und Kontrollmöglichkeiten haben auch ihre Grenzen. Ohne mich auf den Inhalt der Neu-Regelung zu beziehen, vermute ich, dass es Bereiche gibt, in denen Gesetze eher eingehalten werden, als bei der Prostitution.
    5. Bei Zwangsprostitution vermute ich, dass es häufig schon nahe an oder in den Bereich der organisierten Kriminalität geht. Und das ist dann echt schwer. Wenn jemand eine Bank überfällt und man schnappt ihn, dann macht er das nicht wieder (zumindest für eine Zeit), geht es aber um OK, dann werden ja häufig nur einzelne „Teams“ gefasst und kurz darauf schicken nicht ermittelbare oder greifbare Hintermänner das nächste „Team“ los.
  • Es gibt kein Recht auf Sex.

  • Fabian ist dagegen
    +2

    Ich sehe den vorgelegten Gesetzentwurf nicht als den richtigen Weg an. Die Situation der überwiegenden Zahl der Prostituierten wird sich durch die Maßnahmen nicht verbessern.

    Der Sexkauf sollte auch in Deutschland verboten werden, d.h. Freier, Zuhälter*innen und weitere Profiteure sollten bestraft werden, nicht die Prostituierten. Ich favorisiere das sogeannte Schwedische Modell.

    Außerdem ist extrem wichtig, dass die Ausstiegshilfen mehr gefördert werden und qualitativ besser werden. Aktuell gibt es staatliche Förderung für Organisationen, die Frauen erklären, wie man gut in die Prostitution einsteigt(!) und Werbung für Prostitution machen. Das Gesetz, das aktuell in Frankreich debattiert wird, sieht hingegen vor, die staatlichen Mittel für Ausstiegshilfen zu verzehnfachen. Wartezeiten bei Therapeuten, die auf Traumatisierungen spezialisiert sind (PTBS und komplexe PTBS sind häufige Krankheitsbilder bei Aussteigerinnen), betragen oft über ein Jahr, bei Akut(!)Klinigen z.T. über sechs Monate. Es gibt viel zu wenig Schutzhäuser.

    Ich wünsche mir, dass das Gesetz nicht in der jetzigen Form beschlossen wird und dass in den drei Fachausschüssen "Familie&Frauen", "Recht" und "Inneres" lange darüber diskutiert wird und auch insbesondere das Schwedische Modell geprüft wird. Ich wünsche mir, dass es Bürgerinnenbeteiligungsverfahren gibt und dass Überlebende/Ausgestiegene in den Ausschüssen gehört werden, sowie Traumatherapeutinnen und echte Ausstiegsorganisationen.

    • Fabian, Verbot von Sexkauf wäre ein faktisches Berufsverbot für alle, die im Sexwork tätig sind. Das verstößt gegen Art 12 GG und ist in Deutschland nicht möglich.

      Wer in Schweden etwa "Malmö, Sex" eingibt, dem eröffnet sich sofort die in den Untergrund gewanderte Sexwelt Schwedens. Dort sind die Menschen nun tatsächlich gefährdet, weil Prostitution nicht mehr sichtbar ist. Menschen werden immer Sex gegen Geld anbieten, weil das (scheinbar) einfach und schnell geht und in einer prüden, sexuell verklemmten Gesellschaft nachgefragt ist. Ihnen sollte klar sein, dass ein Verbot nur Prostituierte in die Illegalität treibt, sonst nichts.

      Manchen ist nicht klar, dass es physich und psychisch auch hart sein kann. Dass nicht nur dicke Männer ohne Freundin kommen und dass das Schweigen müssen selbst gegenüber Familie und Freundinnen unglaublich hart ist, wenn man nicht dem Stigma "ProstituierteR" ausgesetzt sein will. Das halten manche nicht aus. Das gibt es jedoch sicher in jeder Berufsgruppe. Solche Leute dann als Beispiel zu nehmen, das Prostitution IMMER so wirke, ist genauso Unsinn, wie die Behauptung, dass alle Lehrer oder Sozialarbeiterinnen Burnout haben. Nein, es gibt solche und solche.

      • Lily den dritten Absatz haben Sie erst später hinzugefügt, deswegen gehe ich da nochmal drauf ein:

        Drei Punkte nur:

        • Beim "dicken Mann ohne Freundin" (Stichwort Stereotyp) macht eine Prostituierte also gerne alles was er will, vielleicht weil er so "arm dran" ist? Aber der gewaltbereite Frauenhasser, den halten "manche" dann nicht aus.

        • Manche Prostituierte fühlen sich gerade durch die "Sexarbeiter*innen, die Freude an der Arbeit haben"-Rhetorik wie Ihre eingeschüchtert und stigmatisiert, so habe ich zumindest in Aussteigerinnenberichten gelesen.

        • Der Sozialarbeiter und die Lehrerin sind im Gegensatz zur Prostituierten sozialversichert und bekommen z.B. eine Berufsunfähigkeitsrente, warum sind eigentlich seit 2002 so wenige Prositutierte trotz Legalisierung nicht sozialversichert? Wie viele zahlen als selbstständige Einkommensteuer?

        • Fabian, ich dneke, es gibt auch blöde Typen, die denken, dadurch das sie zahlen, müssten sie sich nicht an den geschlossenen Vertrag halten oder sie seien als Kunde irgendwie überlegen. Das gibt es in jedem Beruf. Das ist nichts, was nur der Prostitution eigen ist. Bis 1997 konnten auch Ehemänner ihr eheliches Recht auf Sex gegen den Willen der Gattin durchsetzen. Da käme auch niemand auf die Idee, ehelicher Sex sei an sich schlecht.

          Prostituierte sind so wenig sozialverischert, weil sie in der Regel selbständig erwerbstätig sind. Es gibt kaum Möglichkeiten, angestellt und sozialversicherungspflichtig zu arbeiten. Das gibt es im Flatratebordell. Der Anbieter muss sicher stellen, dass eine gewisse Anzahl Damen verschiedenen Typs da sind. Dazu bekommen sie dann Stundenlohn. Ich habe keine Erfahrung. aber die Damen, die das gemacht haben, haben mir berichtet, dass sie das gerne machen. Das Einkommen ist sicher und man kommt nicht oft dran, es ist nicht so anstrengend wie ein 1 zu 1 -Kundenverhältnis. Das soll ja nun aber verboten werden. Auch jetzt gibt es schlicht kaum ArbeitgeberInnen.

          Wegen des Stigmas arbeiten meines Wissens die meisten Prostituierten selbständig und nennen ihrer Familie, v.a. den Kindern andere Berufe. Oft auch dem Finanzamt gegenüber. Bei Korrespondenz mit diesen Damen darf ich auf keinen Fall die Arbeit benennen, falls ein Kind mal die Post finden sollte.

          Alles Auswirkungen der unsäglichen Falschinformationen...

      • Zu Art. 12 GG: Die Frage ist ja, ob "Sexwork" ein Beruf ist. Für mich ist es Gewalt - in den allermeisten Fällen ganz konkret, in der Gesamtsicht eine Ausformung von ausbeuterischen, unterdrückenden Strukturen. Das ist die Diskussion, um die es hier geht: Gibt es diese Seite der Prostitution, die in ihrem Wesen gewalttätig ist und zu der Sie nichts zu sagen haben, obwohl Sie sagen, dass Sie sich gut auskennen?

        Wenn diese Frage mit "ja" beantwortet wird, dann ist auch ein Rückgriff auf Art. 12 GG nicht möglich. Sonst könnten ja auch Diebe sagen, Diebstahl sei ein Beruf, Menschenhändler würden den Menschenhandel zum Beruf erklären und den Schutz des Art. 12 GG fordern. Ich kenne die höchstinstanzliche Rechtsprechung diesbezüglich und hoffe, dass das Bundesverfassungsgericht der Argumentation folgen wird, dass Prostitution und die sie begleitenden Übel ein Verstoß gegen Art. 1 GG u.a. sowie gegen Menschenrechtsabkommen sind. Wenn Deutschland die UN-Konvention von 1949/1951 gegen Prostitution unterzeichnen und ratifizieren würde, so wie Frankreich und viele andere europäische Länder, dürfte Deutschland die Prostitution gar nicht mehr wie in der jetzigen Form legalisieren.

        Mit dem zweiten Absatz suggerieren Sie: a) ich hätte unterstellt, dass ein Schwedisches Modell innerhalb weniger Jahre die Prostitution komplett beseitigt. Nein, das glaube ich nicht. b) Dort, wo die Prostitution legalisiert wurde, wie in Deutschland, gäbe es keine Prostitution im "Untergrund". Natürlich gibt es die. c) Ich würde die Tätigkeit der Prostituierten verbieten wollen. Nein, ich möchte den Sexkauf verbieten, die Prostituierten schützen und die Hilfsangebote für den Ausstieg verstärken.

        Wen ich tatsächlich in die Illegalität bringen möchte, sind die, die an der Prostituierung von Frauen (und Kindern und zu einem sehr geringen Anteil Männer und Transgender) profitieren, sowohl die Prostituierer bzw. Freier als auch die Zuhälter, Bordellbesitzer, etc., die das meiste Geld einstreichen.

        Sie schreiben allen Ernstes, dass die Prostituierten in Schweden nun "tatsächlich gefährdet" seien, ganz so, also ob sie in Deutschland nicht gefährdet seien. Das ist ein Hohn gegenüber allen Untersuchungen und Studien, die es auf diesem Gebiet gibt. Prostituierte haben ein erhöhtes Sterberisiko, erhöhtes Risiko für Geschlechtskrankheiten, Schwierigkeiten, ihre Rechte durchzusetzen, erhöhtes Risiko für Traumatisierungen - ähnlich wie Folteropfer, hohes Risiko für Altersarmut, etc. etc.

        Und Sie schreiben, dass "Menschen [...] immer Sex gegen Geld anbieten" werden. Sie verkennen damit erstens die geschlechterspezifische Ausbeutung in der Prostitution. Außerdem scheinen Sie die historische Tatsache zu ignorieren, dass auch die Sklaverei (rechtlich) abgeschafft wurde, obwohl zuvor immer behauptet wurde, dass sei Naturrecht, Gottgegeben oder würde immer so sein. Wir legalisieren auch nicht Mord, weil immer noch Menschen ermordet werden.

        Aber zumindest sehen Sie den Grund für das Anbot in der Nachfrage. Die soll ja gerade durch ein Sexkaufverbot verringert werden. Also könnten wir uns vielleicht doch einig werden?

        • Hallo Fabian,

          ich würde mich auch lieber einigen. Aber die möglichkeit sehe ich bei uns leider nicht;)

          Diebstahl und Menschenhandel sind IMMER wider unsere Rechtsordnung, einvernehlicher Sex hingegen nicht (außer bei Minderjährigen evtl.). Daher sehe ich absolut nicht, dass das BVerfG da tätig werden würde, ist denn etwas anhängig?

          Für mich ist Sex gegen Geld absolut nicht gewalttätig, sondern eine Vereinbarung wie jede andere Arbeit gegen Geld auch, mit allen Gehaltsabstufungen natürlich.

          Das ist aber eben der Punkt. Manche Menschen finden das unvorstellbar. Das respektiere ich auch. Ich fände es unvorstellbar, Tiere im Akkord zu schlachten, Tierversuche durchzuführen, Frauenarzt, Proktologe oder gar Zahnarzt zu sein oder dne ganzen Tag in einem Einkaufszentrum drinenn zu arbeiten.

          Aber ich käme nie auf die Idee, meinen Ekel auf andere zu übertragen und zu behaupten, das könne dann auch niemand anderes machen.

          Das ist mein Punkt: Unsere subjektiven Befindlichkeiten zu Tätigkeiten, die jeden Tag x-fach passieren, sollte nicht Grundlage für ein Gesetz sein, sondern richtige wissenschaftliche Forschung. Und die existiert zu Prostitution NICHT.

          Auch als Mann können Sie jede beliebige Prostituerte aufsuchen, sie nach ihrem Stundensatz fragen und (vermutlich) mit ihr über ihre Arbeit sprechen.

          Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie sich so ein eigenes Bild machen würden.

          Vielleicht klappt es dann ja mit einer Einigung:-)

  • Marleen ist dagegen
    +2

    Prostitution ist nichts anderes als legalisierte Vergewaltigung. Der einzige Weg, sie zu beenden, ist ein konsequentes Verbot incl. Freierbestrafung nach nordischem Modell. Der Gesetzentwurf zeigt, dass aus den Fehlern der Liberalisierung nichts, aber auch gar nichts, gelernt wurde.

    • Hallo Marleen

      schade, dass Sie so ein Bild von Sexarbeit haben.

      Vergewaltigung ist ein Straftatbestand.

      Mir ist ein Rätsel, wieso manche Menschen sich nicht vorstellen könnten, dass andere gerne sexuelle Dienstleistungen anbieten, auch und gerade gegen Geld.

      Ich schlage vor, Sie bemühen sich, echte SexworkerInnen kennen zu lernen.

      Ich habe zufällig eine "Altenpflegerin" kennen gelernt, die mir irgendwann anvertratue, was sie wirklich macht. Ich durfte die Gewerbewohnung besuchen, in der sie mit wechselnden Frauen als Sexworkerin gearbeitet hat. Alle haben auf EMMA geschimpft und von dem Stigma berichtet, dass durch den Opfernimbus von Prostituierten auf ihnen lastet und ihnen ein Outing erschwert.

      Inzwischen kenne ich auch beruflich viele SexworkerInnen, die die Arbeit so erledigen, wie jede andere auch.

      Wenn Sie das nicht glauben mögen, schlage ich vor, Sie melden sich bei irgendeinem Bordell als Interessentin und verbringen dort ein paar Stunden und lernen die Frauen einfach mal kennen.

      Vergewaltigung ist eine schreckliche Straftat, die geächtet gehört. Das hat aber mit freiwilligem Sex nichts zu tun und kann bekanntlich durch Verbote auch nicht ausgerottet werden.

  • Die Debatte als Schaubild

    Liebes Forum, ein Hinweis: Kahina Toutaoui, die die grundsätzlichen Gegenpositionen in Debatten gerne graphisch herausarbeitet, hat ein Schaubild zum Diskurs um die Prostitutions-Gesetzgebung gezeichnet. Grundlage ist dieses Forum hier sowie unsere frühere Debatte: "Prostitution gesetzlich verbieten?" und die Diskussion "Wer geht zu Prostituierten?".

    SCHAUBILD ÖFFNEN

  • An alle Foristen: Wer möchte, kann heut‘ Abend (18.02.2014 20:15 Uhr) ein wenig Feldforschung betreiben. 3SAT sendet eine Reportage über das Ende des Straßenstrichs in Zurüch

  • Eine Ächtung des "Frauenkaufs" fehlt nicht. Man kann eine Frau nicht kaufen, wie eine Sklavin, schließlich wäre sie dann weg. Frauen wie Männer bieten ihre Dienstleistung an, wie der Proktologe auch, der etwa für den gleichen Betrag auch eine "Pomassage" anbietet. "Frauenkauf" ist billige frauenverachtende Polemik, weil sie den Frauen kein Selbstbestimmungsrecht zuspricht. Und was ist mit Männern, die Sexdienstleistung anbieten? Sexarbeit ist nicht hinlegen und Beine breit machen. Sexarbeit ist ein Rollenspiel, ist Psychologie, Sportlichkeit, Schauspiel, Zuhören, Zuwendung, Spaß, Spielen, Erforschen, Verkleiden, Körperkenntnis, Menschenkenntnis und auch hart verhandeln was für wie viel Geld gemacht wird.

    • Erzählen Sie dieses Märchen vom selbstbestimmten Rollenspiel doch mal einer Zwangsprostituierten, die sich für 20 € in alle Körperöffnungen spritzen lassen muss.

      • Bitte schauen Sie in Ihrer örtlichen Presse in die Gewerbeanzeigen und besuchen Sie ein Bordell. Als Frau können Sie immer sagen, Sie interessieren sich für die Arbeit. Schauen Sie sich den Kostüm- und Spielzeugfundus an. Lassen Sie sich erklären, was es alles gibt und wer was gerne macht.

        Vergewaltigung ist ein No-Go, hat aber mit selbstbestimmtem ausgehandelten Sex nichts zu tun.

  • Ja, die Umsetzung dieser Eckpunkte würde normalen freiwilligen selbständigen Prostituierten schaden. Zwangsprostituierten nützt sie nicht.

    Sexarbeiter/innen müssen sich voraussichtlich in mehreren Bundesländern nach Landesrecht melden, wenn sie anl. Events wie Messen etc. in andere Bundesländer fahren, was Aufwand und Fehlerquellen bedeutet.

    Es gibt keinen anderen Beruf, bei dem es eine Extrameldepflicht gibt. Das ist diskriminierend und problematisch im Hinblick auf Datenschutz, denn viele Arbeiten offziell als Altenpfleger oder Buchhaltern etc.

    In Wien, wo es die Meldepflicht gibt, waren alle aufgefundenen Zwangsprostituierten gemeldet. Wer Papiere fälschen kann, kann auch eine Anmeldung fälschen.

    • Lily, darum geht es doch, dass denen Personen in der Prostitution, weit mehrheitlich Frauen, die unter der Prostitution leiden, das Gesetzesvorschlag nicht nutzen wird.

      Diejenigen, die Sie Sexarbeiter*innen nennen, scheinen ja ein sehr schönes Leben zu haben. Warum sollten diese überhaupt ein Gesetz brauchen? So, wie Sie die Prostitution darstellsen, "Spaß, Zuwendung, Erfoschen, Spielen", Vergleich mit der Arbeit eines Proktologen, da scheint es logisch: da brauchen wir am besten gar kein Gesetz.

      Warum wird denn jetzt über ein neues Gesetz gesprochen? Nicht weil den "Sexarbeiterinnen" der Spaß an ihrer Arbeit durch Auflagen genommen werden soll, wahrscheinlich noch, weil die Gesetzgeberinnen so prüde sind.

      Nein, der Grund für das neue Gesetz ist die Evaluation des ProstG (von 2005!!), die festgestellt hat, dass die geplanten Ziele mit der Liberalisierung nicht erreicht worden sind. Die Strafverfahren z.B. im Bereich Menschenhandel sind runtergegangen. Nicht etwa, weil die Menschenhändler weniger Menschen handeln, sondern weil die Polizei kaum noch Handhabe hat.

      Wir brauchen aber nicht nur ein Gesetz wegen der Evaluation des ProstG, sondern vor allem weil die Situation der allermeisten Prostituierten eine Schande ist. Elend, Not, Verletzung der Menschenwürde - Artikel 1 unserer Verfassung. Das betrifft uns alle, nicht nur die Opfer in der Prostitution.

      Deswegen sollten wir weg von der Liberalisierung hin zu einem Abolitionistischen Weg wie in Schweden. Wenn wir in einer Welt leben ohne Erniedrigung von Frauen, eine gleichberechtigte Gesellschaft, dann werden wir auch etwas finden, für alle, die auf der Suche sind nach "Rollenspiel, ist Psychologie, Sportlichkeit, Schauspiel, Zuhören, Zuwendung, Spaß, Spielen, Erforschen, Verkleiden, Körperkenntnis, Menschenkenntnis und auch hart verhandeln was für wie viel Geld gemacht wird."

      • Fabian, Sie haben Recht, Frauen, die NICHT freiwillig im Sexwork arbeiten, ist durch das Gesetz wohl kaum geholfen.

        Normalen deutschen Prostituierten macht es das Leben unnötig schwer.

        Das ist auch meine Kritik an dem Gesetz. Es behauptet durch seinen Namen als ProstituiertenSchutzGesetz, sich um die Prostituierten zu kümmern.

        Dazu wäre es toll gewesen, wenn die Liberalisierung auf Bundesebene durchgreifen würde auf die Länder. Das ProstG ist nämlich nahezu wirkungslos! Die Länder haben es nämlich zum größten Teil geschafft, den Sexworker/innen weiter das Leben zu erschweren. Teilweise erhält man keine Gewerbeanmeldung oder nur als "Masseurin". Bayern hat eine eigene Meldepflicht. Über das Bauordnungsrecht wird erheblich erschwert, ein Bordell zu eröffnen, so dass dies meisten nur den großen Investoren möglich ist. Das Vorstandsmitglied Johanna Weber vom Bundesverbans für soziale Dienstleidtungen dokumentiert in ihrem Blog, wie sie seit Jehren versucht, ein Studio zu eröffnen.

        Bitte seien Sie sich bewusst, dass Ihre Erklärung, "den meisten Prostituierten geht es schlecht", einfach nur Ihre Meinung ist. Dazu gibt es KEINE Erhebungen. Darauf sollten keine Gesetze fußen.

        Bitte erläutern Sie, warum die Polizei angeblich keine Zugriffsmöglichkeiten durch das ProstG haben soll. Polizerecht ist Ländersache. Das ProstG hat Landesrecht unberührt gelassen. Wieso soll die Polizei irgendein Gebäude NICHT betreten können, wenn ein Hinweis auf Gefahr im Verzug eingegangen ist? Das ist böse Hetze ohne Rechtskenntnis.

        Wer wirklich an der Menschenrechtslage von Pflegerinnen, Putzkräften, Menschen auf dem Bau und in der Gastronomie etws ändern möchte, braucht Regularien gegen Menchenhandel und Sklavenarbeit wie die ILO. Aber kein auf den Bereich der Prostitution beschränktes PRostSchutzG.

        Wissen Sie, was mit Menschenhandelsopfern geschieht? Sie werden einfach abgeschoben.

        • Der Reihe nach :

          1. Sie sagen, dass es Frauen gibt, die nicht freiwillig als Prostituierte arbeiten und dass das neue Gesetz ihnen nicht helfen wird. Dann würde mich mal interessieren, was Sie vorschlagen, um diesen Frauen zu helfen?

          2. Den Begriff der "normalen deutschen Prostituierten" lehne ich ab. Die Personen, von denen ich aus erster Hand gehört habe, wie unmenschlich die Prostitution ist, waren alles "deutsche" Frauen. Ihre Berichte decken sich mit den Berichten anderer Aussteigerinnen, Hilfsorganisationen, Polizeiberichten, Freierforen etc. Wenn das "normal" für Sie ist, dann gibt es einen großen Wertegraben zwischen uns.

          3. Weiter große Differenz zwischen uns: Sie meinen, man würde Prostituierte "schützen" (vor dem bösen Staat?), indem man ihre "Berufs"ausübung fördere? Ich spreche von Ausstiegshilfen. Wenn ich Ihnen Antworte diskutieren wir über Ihre Behauptung der "selbstbestimmten Sexarbeiterin" als Norm in der Prostitution. Andere Punkte, wie Gewalt und Ausstiegshilfen, um die sich die Diskussion eigentlich drehen sollte, umgehen Sie regelmäßig.

          4. Die Polizei hat deutlich weniger Handhabe, weil die Förderung der Prostitution und die Weisung gegenüber Prostituierten seit 2002 nicht mehr verboten sind, um zwei Punkte zu nennen, die früher von der Polizei genutzt werden konnten. Ein riesiges Problem ist, dass die Prozesse meist von den Aussagen der Betroffenen abhängen, die aber aus Angst nicht aussagen möchten oder können. Die meisten Fälle von den Straftaten, die noch strafbar sind seit 2002 bleiben ohne Anzeige und ohne Verfolgung wegen des Schutzes durch die grundsätzliche Legalisierung der Prostitution. Polizei kann natürlich bei "Gefahr im Verzug" ein Bordell oder Wohnung betreten, das habe ich nie anders behauptet. Aber wenn niemand Hinweise auf Gefahr in Verzug gibt? Sie unterstellen mir Hetze anhand einer Aussage, die ich nie getroffen habe.

          5. Natürlich gibt es zu meiner Erklärung "den meisten Prostituierten geht es schlecht" Erhebungen, jedes Interview mit einer Prostituierten ist eine "Erhebung". Nur wissenschaftliche, repräsentative Studien sind, so sagen die Wissenschaftler, aufgrund der Struktur des "Milieus" nicht möglich. Heißt aber auch, dass Ihre Behauptung der "selbstbestimmten Sexarbeiterin" den gleichen wissenschaftlichen Stellenwert hat. Ihnen zu Folge, dürfte darauf also auch kein Gesetz fußen. Worauf denn dann? Ich wünsche mir, dass das Thema viel intensiver diskutiert wird. Deswegen beiteilige ich mich hier auch und hoffe, dass es im Bundestag nicht "durchgepeitscht" wird.

          6. Ja, ich stimme zu, dass wir auch bessere Regularien zur Verbesserung der Menschenrechtslage in anderen Bereichen, das fordert übrigens auch die Überprüfungskommission der UN. Das heißt aber nicht, dass kein Gesetz im Bereich der Prostitution gemacht werden kann.

          7. Ich weiß, dass Menschhandelsopfer - wenn Sie überhaupt von Behörden oder Hilfsorganisationen gefunden werden - abgeschoben werden. (Ausnahme: Sie sagen gegen Ihre Täter aus) Das ist ein Skandal und sollte schnellstmöglich geändert werden. Aber ebenso skandalös finde ich, dass die Sexarbeiterinnenlobbys das gerade nicht fordern. Organisationen, die angeben, die Rechte von "Sexarbeiterinnen" zu vertreten, bezeichnen eher "Menschenhandel" und "Zuhälter" als Propagandabegriffe. Das finde ich krass.

          • Fabian, ich kann mich zu Zwangsarbeit und Menschenhandel nicht äußern, weil ich mich damit nicht auskenne. Ich kann nur sagen, was für Auswirkungen ein Gesetz zum "Schutz" von Prostituierten für eben jene voraussichtlich hat, weil ich beruflich und ein wenig privat damit zu tun habe. Mit normalen deutschen un dauch osteuropäischen Sexarbeiterinnen und einem ehemaligen Sexarbeiter, der heute übrigens Politiker ist und sich pro Prostitution einsetzt.

            Ich verbinde Sex nicht mit Gewalt und gehe auch davon aus, dass die Mehrheit das nicht tut. Unser Rechtssystem geht auch davon aus, dass sexuelle Kontakte grundsätzlich einvermehmlich sind, daher muss das Vergewaltigungsopfer das Gegenteil beweisen. Ich denke, dass die Assoziation von Sex und Gewalt etwas sehr persönliches ist, das man nicht auf seine Mitmenschen übertragen sollte.

            Ich denke auch nicht, dass man von der normalen Prostituierten, die versucht, in einem Wust von Verordnungen, Gesetzen und Meldepflichten halbwegs anonym den Alltag mit ihren Kindern zu meistern auch noch die Verantwortung für internationalen Menschenhandel aufbürden kann.

            Wird von der normalen Altenpflegerin auch verlangt, dass sie sich gegen 24h Einsätze ihrer osteuropäischen Kolleginnen engagiert? Das ist ein bischen viel verlangt. Prostituierte kämpfen schließlich noch darum, ihren Job einfach nur ohne Stigma ausüben zu können. Die neue Meldepflicht stigmatisiert sie nun wieder weiter.

            Ich kenne normale deutssche Prostituierte und auch Osteuropäerinnen, die sich und ihren Kindern hier so eine Existenz aufbauen konnten. Sie berichten nicht mehr "Unmenschliches" als jede Reinigungskraft auch. Ihr Hauptproblem ist das Stigma und die undurchsichtige Rechtslage in den Bundesländern.

            Wir haben offenbar völlig andere Frauen und Männer kennen gelernt. Ich denke, Sie haben Menschen kennen gelernt, die die Arbeit nicht mochten oder auch dazu gezwungen worden sind. Das ist dann eine andere Personengruppe als die normale Prostituierte. Die gibt es nun mal, ob es Ihnen gefällt oder nicht.

            Ich finde es ist das emanzipierteste überhaupt, wenn Frauen das, was ihnen fast alle Kulturen und Religionen streitig machen und beherrschen wollen endlich nur für sich selbst einsetzen: ihre selbstbestimmte Sexualität.

            Und ich bin überzegt, dass dies genau der Grund ist, warum sie weiter "beschützt" werden sollen.

    • Ich bin auch gegen diese Schwarz-Weiß-Malerei... Über die Komdompflicht allerdings und die angebundene Kontrolle kann ich nur lachen: "Zeig mal her dein bestes Stück, ja läuft, hast dir was übergezogen, denn man tau, have fun." Oder wie, oder was?