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Steen: "Liebe Blockupy-Gewalttäter"


Krawalle bei Blockupy-Protesten rund um die EZB...Krawalle bei Blockupy-Protesten rund um das neue EZB-Gebäude in Frankfurt. Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress.

+++Blockupy+++Gewalt+++Linkssein+++Mittelstandskiddie+++Bullenstaat+++


Ein Beitrag von Johannes Steen

Liebe Blockupy-Gewalttäter.

Ich wollte mich bei euch bedanken. Ihr habt so einiges für linke Politik, so einiges generell erreicht. Ich meine gar nicht die gratis Carglass-Werbung, ich meine gar nicht, dass ihr dafür gesorgt habt, dass die deutsche Omi sich nun neben den Migranten wieder „diese linken Querulanten“ als Feinde aussuchen kann. Ich finde, ihr habt etwas Tiefgreifenderes erreicht.

Dank euch darf man nun wieder links- und rechtsextremismus in politischen Debatten noch ungezügelter in einen Topf werfen. Denn beides ist ja gleich schlimm, beide Gruppen verwenden Gewalt statt dem Mund.

Dank euch sind wir Linke nun wieder Randalierer, Saboteure und Steineschmeißer. Das bringt so geil den Flair der 80er rüber. Und ich wollte immer schon wieder den Joschka rauskramen und statt Schüssen à la Kraftklub mal wieder Steine in die Luft werfen.

Und danke, die Polizei bleibt nun unangreifbar. Aber mit diesem faschistoiden Bullenregime wollte ich nie etwas zu tun haben und deswegen bin ich so richtig froh, dass ihr sie mal so richtig bekämpft habt. Jetzt können wir auch endlich kritisieren, dass der Polizei zu viel Geld für Wasserwerfer gegeben wurde.

Danke auch dafür, dass jetzt wieder diskutiert wird, ob die Grenzenlosigkeit der EU, die EU ohne Grenzübergänge nun endlich außer Kraft für Demonstrationen gesetzt wird. Denn die EU ist doch so undemokratisch, da brauch man doch auch nicht die offenen Grenzen, da brauch man gar nix.

Danke auch dafür, dass ich meine Kritik nicht mehr so stark verpacken muss. Ich muss nur über mein ultra-trendiges-Hipster-Shirt was schwarzes anziehen und schon bin ich Wachstums- Auteritäts- oder generell Kapitalismuskritiker.

Ich freue mich wirklich, dass nun anzünden mehr aussagt als reden, wer von uns hat sich denn irgendeinen Redebeitrag von Blockupy angehört, ist doch alles langweilig. Auf Demos geht man doch wegen dem Nervenkitzel und jetzt, wo die NPD so schwach ist, gibt es kaum noch Demos mit Nervenkitzel. Freut mich, dieses generelle Ausdiskutieren von so allem, war doch auch nervig auf Demos, jetzt machen wir endlich mehr Sport.

Danke dafür, dass man nun auch als Mittelstandskiddie endlich Alternativen gefunden hat zu diesem ewigen Chai-Trinken in Cafes. Extremismus-Urlaub der besonderen Art. Und dann sogar noch nach FFM. Das hat so richtig Hafti-Flair.

Das kann man auch laut sagen

Aber nun mal ernsthaft: Wie kann man nur so dumm sein?

Ihr rennt im Ralph Lauren T-Shirt herum, redet etwas von krassem Antikapitalismus in eurer Whatsapp auf eurem Iphone als Sprachnachricht um dann im nächsten Moment in euren Jutebeutel zu greifen und den wohlgeformten Stein rauszuholen? In eurer Facebook-Timeline findet sich neben dem Aufruf zum Blockieren eine Meldung, wie schlimm denn diese Hogesa-Demos gewesen sein und dass da dieses Polizeiauto umgeworfen wurde, das sei ja alles schrecklich und würde zeigen, wieviel sich Rechte erlauben könnten.

Und ja, das ist auch schlimm und scheiße, aber was tut ihr dagegen? Wenn ich in den nächsten Wochen zu meinen Großeltern fahre, was bleibt da hängen bei denen? Dass ihr die europäische Wirtschaftlichspolitik kritisiert habt? Ja, die ist schlecht. Sie ist in vielen Stellen zu bürokratisch, zu kapitalistisch, zu schlecht, als es unserem Anspruch an Europa genügen könnte, aber das kann man auch laut sagen, ohne den Stein rauszuholen. Dieser Stein verändert alles. Er macht den Weg von einem steinigen zu einem unbegehbaren.

Ich glaube, viele sind sich einfach nicht dessen bewusst, was sie da tun. Gewalt als mögliches politisches Mittel in einem Staat wie Deutschland zu akzeptieren und anzuerkennen ist nicht links. Es ist auch nicht per se rechts, es ist einfach nur dumm. Du beeinflusst deine Umgebung nicht durch dein Argument, sondern durch etwas autoritäres, etwas einschränkendes. Du bist einfach nicht links, wenn du den Stein wirfst, du bist das wogegen du vorgehst, du bist das, was du diesem Bullenstaat vorwirfst, du bist repressiv und reaktionär. Und das gibt es auch nicht zu entschuldigen. Einer der beliebtesten Sprüche der Linken ist doch „Keine Entschuldigung für scheiße“ oder nicht?


Hinweis: Dieser Text ist zunächst auf meinem Blog steenjohannes.wordpress.com erschienen.

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Kommentare

  • Hallo Johannes Steen!

    bei der Gewalt sind wir uns einig. ABER :) Schau Dir mal an, wie europäische und internationale Gerechtigkeits-Diskurse heutztage von den Mainstream-Medien geführt werden: überhaupt nicht!

    Das heißt: es ist gar nicht so einfach, die Dinge mal "laut zu sagen". Bestes Beispiel: die Anne Will Sendung diese Woche zu Kapitalismus-Kritik. Wer war dort NICHT eingeladen? Kapitalismuskritiker! Stattdessen feilschten Systemvertreter über jeden Cent Erbschaftssteuer: Ein Mensch von der FAZ lobte das 19. Jahrhundert (man müsse Ungleichheit akzeptieren), Herr Meister (CDU) sorgte sich um Familienunternehmer, Herr Steger machte den Koalitions-Kuschel-Sozi, Herr Kubicki schien in Gedanken bei seinen schwerreichen Mandanten.

    Auf eine Diskussion des Systems, auf linkes Denken im europäischen und globalen Maßstab ließ sich dort niemand ein. Die mit weiten Abstand schlausten Einwürfe und systemischen Fragen - vorgebracht von der Journalistin Julia Friedrichs - wurden weitgehend ignoriert, auch von Anne Will. Mit Blockupy hatte das alles NICHTS zu tun. Blockupy wurde einfach nur schamlos als aufregender "Aufhänger" für das Übliche missbraucht.

    Mein Problem, und da bin ich wieder bei Dir: Bilder von brennenden Autos taugen in diesem Land nur als Protest-Folklore, als willkommenes Material zum Aufmotzen von Trailern dümmlicher Dünnbrett-Diskussionen in ARD und ZDF, in denen niemand den Elefant im Raum auch nur ansatzweise ernsthaft diskutieren will: die dramatische weltweite Ungerechtigkeit. Also: Holt Blockupy, holt eine europäisch und international denkende Bürgerbewegung, endlich von der Straße in die Talkshows, in die verstaubten BRD-ARD-Wohnzimmer.

  • Hallo Johannes Steen,

    so ich es denn richtig verstanden habe, sind die Kundgebung von Blockupy und ihr Protestzug friedlich geblieben. Insofern ist meine Frage, darf man die Gewaltausbrüche am Rande dieser Proteste dann einfach so Blockupy zurechnen?

    • Hallo MisterEde, Johannes Steen spricht doch super-deutlich von den Gewalttätern (die unbestritten da waren).

      • Hallo Klaus,

        „Liebe Blockupy-Gewalttäter“ ist dann aber schon eine ungeschickte Ansprache, wenn die Gewalttäter nicht von Blockupy kommen. Ich war nicht dort, aber so hat es zumindest ein Tagesschau-Reporter beschrieben, also, dass die Veranstaltung selbst bunt und völlig friedlich war, mit Gewerkschaften und so. Will einfach sagen, wenn Hooligans irgendwas machen, geht man auch nicht her und verurteilt deswegen die zig tausend normalen Fans. Insofern verstehe ich aber auch nicht, wieso Johannes die Leute so bezeichnet, wenn er doch eigentlich nicht will, dass linke Ideen jetzt schlecht gemacht werden. Vielleicht wäre die Ansprache „Liebe Cha- und Idioten, liebe Volldeppen“ passender gewesen.

        Beste Grüße, Mister Ede

  • Da bin ich bei Johannes Steen!