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Die pure Macht des Konsumenten


Foto: PublixphereGlückliche Kühe? Die Zahl der Vegetarier in Deutschland wächst rasant, momentan sind es rund 7,8 Millionen. Foto: Publixphere

Konsum verändert die Welt. Das ist kein leeres, utopisches Gerede mehr, meint Emil. Sein Aha-Moment: der Blick ins Kühlregal. Seid ihr auch so optimistisch?


Ein Beitrag von Emil

Es wurden schon schlaue Bücher geschrieben, über Deine Macht als Konsument. Ich habe sie nicht wirklich gelesen, die Botschaft nur so halb im Ohr. Nachhaltiges Einkaufskaufsverhalten hat mittlerweile viele Namen bekommen. Es gibt die Ökos, die LOHAS, die LOVOS, die Bionade-Spießer und so fort. Diese Labels sind der Sache nicht unbedingt förderlich, wenn die individualistische Generation Y genau eine Sache nicht ertragen kann: zu einer Gruppe gehören.

Deswegen ohne große Theorie, eine schlichte Beobachtung. Der Konsument ist so unglaublich mächtig geworden. Er hat schon längst die Welt verändert. So richtig klar wurde mir das bei Fleischersatz-Produkten aus Tofu und Seitan. In den 90ern waren sie ein seltenes Kuriosum. Man musste die winzigen, versteckten Läden recherchieren, durch die halbe Stadt fahren. Tofumacher galten noch in den 80ern als zwielichtige, gesellschaftszersetzende, langhaarige Kriegsdienst-Verweigerer und Sektierer. Anders. Seltsam. Staatsfeinde irgendwie, weil sie sich dem großen gesellschaftlichen Fleischkonsens der Nachkriegsrepublik verweigerten. Mehr Spinner-Sein ging nicht in einem Land, das noch auf jeden Beilagensalat Speck-Würfel streuselte.

Und was ist jetzt? In einer großen Supermarktkette (ich nenne keinen Namen) steht veganer Wurstaufschnitt im Kühlregal. Und daneben noch einer. Und noch einer. In diversen Geschmacksrichtungen. Das Zeug, das man Jahrzehnte lang mit der Lupe suchen musste. Das man sonst nur in Nordamerika fand (wo Hindus es kaufen) und im Koffer mit nach Deutschland schleppte. Da ist es. Es ist angekommen.

Es geht mir hier nicht darum, für den Vegetarismus zu missionieren. So dogmatisch ist die Debatte auch schon längst nicht mehr. Es geht um weniger exzessives Fleischessen, das eben nachweislich im globalen Maßstab nicht funktionieren kann, ökologisch (Ressourcenverbrauch) und natürlich auch ethisch (Tierfabriken). Es geht um die Erkenntnis, dass Konsumenten eine unglaubliche Macht haben. Das ist kein leeres, utopisches Gerede mehr. Das ist Fakt. Sie können ein ganzes System auf den Kopf stellen, bis selbst ein Wurstfabrikant wie "Rügenwalder" auf Veggie umstellt. Umstellen muss, um zu überleben. Die alte Lebensmittel--Chemie-Junkfood-Tierverwerter-Industrie steckt so richtig knietief in der Krise. Vollkommen zurecht. Und das ist unseren Mitmenschen, unserer Gesellschaft zu verdanken. Auch die soziale Frage (Stichwort: Oberschichts-Vegetarismus) ist in Bewegung. Es gibt einen Preiswettbewerb im Markt für Veggie-Aufschnitt (!). Dort wo es bis vor wenigen Jahren überhaupt keinen Massenmarkt gab.

Die Frage ist jetzt nur: was schaffen wir als Konsumenten noch alles ab? Wie verändern wir noch die Welt? Wer immer noch denkt, er/sie hat beim Einkaufen keine Macht, hat keine Ahnung. Schau ins Kühlregal.


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Kommentare

  • Es geht um die Wurst

    Hallo Emil,

    kurzer Hinweis. Ganz konfliktfrei ist das Angebot an Fleischersatz-Produkten nicht. Das Magazin Fleischwirtschaft.de kritisiert in dem Text "Fünf Fakten zum Vegan-Hype":

    • "Vegan ist zu teuer"

    • "Vegan ist intransparent"

    • "Vegan verschreckt Verbraucher"

    • "Vegan gefährdet den Markenkern"

    • "Vegan verdrängt geliebte nichtvegane Varianten"

    Der Vegetarierbund Deutschland (VEBU) kommentiert dazu auf Facebook: "Für uns liest sich das wie Satire."

    Liebe Grüße, Alex

    • Das sind die Argumente der Fleischerlobby???? Ok. Der Fleischerlobby hat ein echtes Problem.

    • Hallo Redaktion,

      "Die zunehmende Regalfülle veganer Produkte führt zwangsweise zur Auslistung altbewährter nichtveganer Produkte. Das irritiert Kunden, die ihr geliebtes Produkt im Regal nicht mehr finden."

      Das ist zu komisch. Die geliebten Fleischprodukte! Liebe! Die pure Liebe! Und dann, Tränenausbruch, ist es plötzlich weg, das geliebte Hack! Liebeskummer!

      Vom Argument "Vegan ist zu teuer" lass ich mich trotzdem mal trollen: Wie assi ist es denn eigentlich, dass Fleisch so billig ist? Oder umgedreht: Dieser Preisvergleich läuft darauf hinaus, sich zu rühmen, Millionen von Tiere industriell und superbillig halten und schlachten zu können. Zum Spotpreis! So schön günstig. Viel billiger als euer Sojakrams! Genug aufgeregt. Ich nehme ein Taschentuch mit in den Supermarkt, für die heulenden Menschen vor dem Regal, Ehrensache, eine Frage des Mitgefühls.

  • aber emil, ich bin ja grundsätzich ganz bei dir, gebe gern jeder kuh die hand bevor ich sie esse, nur ganz im ernst: veganer fleischsalat? was soll da drin sein außer soja und geschmacksverstärker?! so ein schund, und das nennt ihr dann gesund? wenn ich kein fleisch esse, esse ich keins, da braucht mir auch kein konzern das geld mit müll aus der tasche zeihen, ganz ehrlich, ihr seid doch alle selber schuld!

    • aber paul, hast Du jemals eine Lasagne mit Soja-Hack gegessen? Oder einen Veggi-Burger bei Yellow-Sunshine? Oder ein Sandwich mit Veggie-Wurst? Oder Seitan-Fleisch bei einem richtigen Chinesen?

      Über Geschmack lässt sich natürlich streiten und von gesund war nie die Rede! :)

      Es bleibt dabei: jedes Veggie-Junk-Food ist besser als Fleisch-Junk-Food.

  • ...über die Perspektive lässt sich allerdings etwas streiten. Ich verstehe deine Argumentation der Macht des Konsumenten. Leider allerdings dreht sich der Spieß jetzt wieder um, so zumindest mein Gefühl. Die Konsumenten überlassen ihre Macht wieder den großen Unternehmen. "Vegetarismus" ist nun hip und ein Trend, nicht mehr Lebenseinstellung. Klar kann man jetzt leichter und günstiger Soja-Schnitzel kaufen, aber kann das die langfristige Lösung sein?

    "Falsche Wurst" wird Massenware, und auch genauso hergestellt. Der Unterschied zwischen der Rügenwalder-Veggie-Wurst im Supermarkt und den Tofu-Stücken der 80ern/90ern im Bioladen ist nicht nur die Herstellungsweise sondern v.a. auch der Kontext, in dem sich der Konsument für den Kauf entscheidet. Eine 1:1 Umstellung von Fleisch zu Ersatzprodukten, wie z.B. Soja, kann nicht die finale Lösung sein. Ich bin der Meinung, dass es ein ganz klares Umdenken hinsichtlich eines bewussteren Konsums (und damit auch reduzierterem Konsum), in Einklang mit der Saison und Region, in der wir leben, geben muss. Und den Früchten und Gemüsesorten, die hier seit jeher wachsen.

    Auch bin ich nicht für den absoluten Fleischverzicht. Vielmehr gilt meine Kritik der Massentierhaltung und den "Fleischfabriken" – und der Konsequenz, dass hierdurch kleine Handwerksbetriebe (traditionelle Metzgereien, aber auch Bäckereien usw..) nicht überleben, Traditionen und Produktionsweisen verloren gehen, auf Basis der sich ständig unterbietenden Billig-Märkte. Und – natürlich – aufgrund unserer Kaufentscheidung, denn der Käufer entscheidet sich natürlich für das billigere Produkt. Warum auch nicht, wenn nicht transparent kommuniziert wird, warum das eine Schnitzel günstiger als das andere ist. Um nochmal auf den Titel einzugehen: Ich wünsche mir wirklich, dass der Konsument die Macht besitzt (und nicht die Marketingabteilung der Lebensmittelunternehmen), dann aber auch genau reflektiert, welche Konsequenzen mit seiner Kaufentscheidung einhergehen.

    • Hallo Sabine, Du hast Recht mit allem! Es ist gelinde gesagt eine Frechheit, wenn ansonsten skrupelose Fleischfabrikanten auf den Veggie-Zug aufspringen. Trotzdem würde ich sagen, ohne Massenmarkt ändert sich nicht genug. Auf die Masse kommt es an, und eben auch auf den Preis, speziell in Deutschland, wo die Menschen beim Essen geizen wie niemand sonst in Europa.

      Was ich mir dennoch (wie Du?) wünsche, ist diese Bewegung zu einem Markt mit vielen, kleinen, lokalen Anbietern, wie das bereits bei Limonade und Bier zu beobachten ist. Wer hätte gedacht dass der Coca-Cola-Konzern, diese Riesen-Welt-AG durch Bionade, Fritz-Cola und Co. ernsthaft bedroht werden kann. Und nun macht Coca Cola - offenbar in Panik - "Coca Cola Life". Auch das ist ein gutes Zeichen finde ich.

      MEHR MARKT BITTE!

      Ich bin für noch mehr Markt, noch mehr Marktteilnehmer, die eben bei der Ökologie, der sozialen Verantwortung und der Nachhaltigkeit gern gnadenlos konkurrieren. Der intransparente Konsumgüter-Großkonzern ist ein Dinosaurier, und sollte richtig unter Druck geraten.

      • Aber denkst du nicht, dass "Bionade, Fritz-Cola und Co." eben von mehr Markt bedroht wären? Die Konsumenten haben eine große Neigung, sich nach Preis zu orientieren. Alternative, nachhaltige, fair produzierte Produkte usw. leben teilweise von Fördergelder, also von Geld was nicht nach dem Profit orientiert ist, sondern nach einem politischen Wille.

        • Nein das denke ich nicht. Bionade, Fritz-Cola und Co. bedrohen Coa Cola und Co., nein sie haben ihnen bereits Marktanteile abgeluchst.

          Zum Thema Fördergelder: die Landwirtschaft in Europa ist eine einzige Subventionsmaschine! Und warum zur Hölle sollen wir als Steuerzahler Tierfabriken, den Einsatz von Pestiziden, Chemie und Antibiotika, kurz den ganzen menschen- und naturfeindlichen Wahnsinn, fördern?

          Das heißt die Frage Fördern ja oder nein stellt sich gar nicht, sondern nur: Was fördern wir?

  • Ob jetzt die paar Veggie-Würste die Welt retten. Aber im Prinzip klar. Geht schon in die richtige Richtung. Du Optimist!