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JIK: Für ein nationales Fest der Einheit in Vielfalt


Junge Islamkonferenz"Haltung statt Herkunft" lautete das Motto der diesjährigen Jungen Islam Konferenz. Foto: Junge Islam Konferenz

Um die multikulturelle Gesellschaft in Deutschland und ihre kulturelle Vielfalt zu feiern und positiv zu besetzen, empfiehlt die Junge Islam Konferenz die Einführung eines Festes der Einheit in Vielfalt.


Ein Beitrag von Junge Islam Konferenz

Der Tag der Deutschen Einheit erinnert an das zentrale Ereignis der deutschen Nachkriegsgeschichte: die Wiedervereinigung von Ost und West. Mit dem 3. Oktober 1990 wurden die Weichen für ein neues Deutschland und eine neue Narration des vereinten Deutschlands nach Ende des Kalten Krieges gestellt. Allerdings findet in der Narration des wiedervereinigten Deutschlands die migrationsbedingte, kulturelle Vielfalt bislang wenig Platz, obwohl sie Deutschland heute maßgeblich auszeichnet. Die Einführung eines Festes der „Einheit in Vielfalt“, eines offiziellen Festes mit Symbolwirkung, könnte hier einen wichtigen Beitrag leisten, um den gesellschaftlichen Realitäten in Deutschland Sichtbarkeit zu verleihen und die Einwanderungsgesellschaft Deutschland auch symbolisch anzuerkennen.

In diesem Jahr werden wir das 25. Jubiläum der Wiedervereinigung feiern. Aus zwei Ländern wurde eines, Mauern und Grenzen wurden abgebaut, Gesellschaften wuchsen zusammen, Familien und Freunde wurden wieder zusammengeführt. Seitdem hat sich Deutschland entscheidend gewandelt. Allerdings war diese Wiedervereinigung nicht nur eine der Menschen, die mittels Grenzen in „Ost-“ und „Westdeutsche“ geteilt gewesen waren. Die beiden deutschen Gesellschaften wurden bereits vor der Wiedervereinigung durch kulturelle Vielfalt geprägt, insbesondere durch die angeworbenen Gast- und Vertragsarbeiter_innen. Auch für diese Menschen, von denen viele in Deutschland blieben und ihre Heimat hier fanden, war 1989 eine Wiedervereinigung.

Zuhause in einer multikulturellen Gesellschaft

Unsere heutige Einwanderungsgesellschaft ist Heim für Deutsche mit verschiedensten Vorder- und Hintergründen, unterschiedlichen Sprachen und vielschichtigen, hybriden Identitäten. Diese „neuen Deutschen“ fühlen sich in der multikulturellen Gesellschaft zuhause und begreifen die kulturelle Vielfalt Deutschlands als ganz natürlichen Referenzrahmen. Weihnachten und Ramadan, Rosch Haschana und Nouruz sind Festlichkeiten, die in Freundeskreisen mittlerweile über kulturelle Grenzen hinweg begangen werden. Insbesondere junge Menschen, dies belegt die Studie „Deutschland postmigrantisch II“ des BIM, haben ein offeneres Verständnis davon, was „Deutschsein“ heutzutage heißt: Für die Mehrheit der unter 25-Jährigen besteht kein Widerspruch darin, dass eine Person deutsch ist, die keine deutschen Vorfahren hat, die mit Akzent Deutsch spricht oder ein Kopftuch trägt.

Es fehlt die Narration für ein vielfältiges Deutschland

Diese alltägliche Normalität hat sich allerdings noch nicht deutschlandweit durchgesetzt. Auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene fehlt eine Narration für ein vielfältiges Deutschland. Ein Deutschland der hybriden Identitäten, das in der globalen Welt des 21. Jahrhunderts zuhause ist. Ein offizielles Fest der „Einheit in Vielfalt“ könnte Teil solch einer neuen Narration sein und symbolisch eine Art „zweite Wiedervereinigung“ einleiten. Offizielle Feiertage und Feste mit Symbolcharakter haben identitätsstiftende Wirkung. Trotz regionaler Unterschiede lohnt sich hier ein Blick nach Nordamerika als Inspirationsquelle: Der Martin Luther King Day erinnert auf einer Ebene unmittelbar an das Leben und Wirken Martin Luther Kings und symbolisiert darüber hinaus das Streben nach Gleichberechtigung als gesellschaftliche Vision. In Deutschland könnte also ein offizieller Feiertag ein positives Bekenntnis zur kulturellen Vielfalt der Einwanderungsgesellschaft darstellen.

Ein Fest zur Anerkennung der kulturellen Vielfalt in Deutschland

Daher empfehlen wir die Einführung eines Festes der Einheit in Vielfalt, das die kulturelle Vielfalt in Deutschland feierlich anerkennt, hervorhebt und positiv besetzt. Ein solcher Tag würde über bereits bestehende dezentrale Initiativen wie „Interkulturelle Wochen“ oder lokale „Feste der Vielfalt“ durch seine Reichweite und seinen politischen wie gesellschaftlichen Status hinausgehen. Der 23. Mai, als Tag der Verkündung des Grundgesetzes wäre ein geeignetes Datum für diesen Rahmen. Schirmherr eines solchen bundesweiten Festes könnte der Bundespräsident sein, um der Symbolträchtigkeit und Strahlkraft des Festtags Rechnung zu tragen.

Wie gefällt euch die Idee eines Festes der Einheit in Vielfalt?


Kommentare

  • Wir haben die Bundestagsfraktionen gefragt, was sie vom Vorschlag der Jungen Islam Konferenz halten, ein Fest der nationalen Einheit in Vielfalt einzuführen:

    Jung (CDU): Den Tag der deutschen Einheit gemeinsam feiern

    Franz Josef Jung, stellv. Vorsitzender und Beauftragter für Kirchen und Religionsgemeinschaften der CDU/CSU-Bundestagsfraktion antwortet:

    „Es gibt mit dem 3. Oktober einen nationalen Feiertag, der für alle Bürgerinnen und Bürger ein Fest der Freiheit und Einheit in Deutschland ist. Alle anderen Feiertage liegen im Entscheidungsbereich der Länder. Statt eines neuen Feiertages, wäre es vielmehr wünschenswert, wenn sich auch die zugewanderten Bürgerinnen und Bürger mit diesem nationalen Feiertag identifizieren und sich zum geeinigten Deutschland in Freiheit als zugehörig empfinden und mitfeiern.“


    Jelpke (Linke): Ein bundesweites Fest wäre ein Signal

    Ulla Jelpke MdB, DIE LINKE , Innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, kann der Idee mehr abgewinnen:

    "Deutschland ist ein Einwanderungsland und in der Folge längst eine multikulturelle Gesellschaft. Doch leider haben viele Menschen weiterhin Schwierigkeiten, diese Realitäten anzuerkennen. Anstatt die Vielfalt der Herkunft, Kulturen, Identitäten und Lebensentwürfe als Bereicherung zu sehen, werden immer wieder engstirnige nationalistische Leitkulturdebatten losgestoßen oder der Islam – also eine Religion mit Millionen Anhängerinnen und Anhängern in der Bundesrepublik – als gefährlicher Fremdkörper in unserem Land diffamiert.

    Ein offizieller Feiertag, an dem ein bundesweites Fest der Einheit in Vielfalt gefeiert wird, wäre ein Signal der Politik an alle hier Lebenden mit und ohne Migrationshintergrund, dass die Realität der Einwanderungsgesellschaft nicht nur anerkannt sondern auch positiv begriffen wird. Dabei dürfen wir nicht bei bloßer Symbolpolitik stehen bleiben, sondern müssen uns vielmehr im Alltag für einen wirklichen Mentalitätswandel einsetzen. Denn echte gesellschaftliche Teilhabe von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Kultur, Religion und Lebensweise erfordert zugleich rechtliche Gleichheit, den Abbau noch bestehender diskriminierender und ausgrenzender Regelungen und Gesetze und den Einsatz für soziale Gerechtigkeit."

  • Gute Idee! Gerade auch hierüber das Thema "Multikulturelle Gesellschaft" positiv zu besetzen. Ich frage mich nur, ob es solche Feste nicht schon gibt? Oder soll der Tag in einer Form, wie z.B. der Tag der deutschen Einheit, offiziell deklariert bzw. institutionalisiert werden? Mein jährliches Fest der kulturellen Vielfalt ist der Karneval der Kultur in Berlin. Auch wenn dieser ohne politischen Impetus durchgeführt wird, gibt es doch kaum ein anderes Event in Deutschland, das die multikulturelle Gesellschaft so positiv, bunt und miteinander feiert und darüber – ohne es auszusprechen – politisch ist.

  • Den Gedanken finde ich absolut richtig. Wenn wir Individuen sein wollen, die sich als solche respektieren, dann müssen wir lernen auch das Anderssein als Normal zu betrachten.

    "Einheit in Vielfalt"

    Sehr schöner und passender Slogan. Das ist es was ich mir in einer Gesellschaft auch wünschen würde: "Ich sehe eine Gesellschaft, die sich nach innen nicht durch Ausgrenzung und Aufspaltung, sondern durch Zusammenführen und Integration auszeichnet. Eine Gemeinschaft des Miteinanders und des Respekts. Eine Gemeinschaft in der die kulturelle Individualität ein verbindendes Merkmal ist und in der Unterschied und Anderssein nicht ins Abseits sondern in die Mitte führen." (www.mister-ede.de - Europia)

  • Servus JIK!

    Das klingt alles erstmal sehr gut.

    Aber: Welche Institutionen sollen dabei im Vordergrund stehen? Meint ihr die Vielfalt der Religionen? Der Völker? Der Sexuellen Orientierung? und und und? Denn für all diese Unterschiede gibt es ja bereits institutionalisierte Feste etc….

    Ein reiner Tag der "Vielfalt", auch wenn ich die Idee gut finde….ist das nicht ein bisschen "wischi waschi", bzw. zu beliebig?

    • Hi Juker, sorry für die verspätete Antwort. Grundsätzlich ist es so, dass wir in unseren "Vielfaltsbegriff" tatsächlich nicht nur kulturelle Vielfalt, sondern auch soziale, sexuelle, religiöse etc. hineindenken. Es mag beliebig wirken, aber unseres Erachtens ist der Umgang mit Vielfalt sehr aussagekräftig für unser demokratisches Miteinander. Uns war wichtig, dass die gesellschaftliche Vielfalt, die Deutschland ohne Zweifel bereits hat und die das Land auch ausmacht, repräsentiert und anerkannt wird, beispielsweise in einem Tag der Einheit in Vielfalt. Hilft das weiter? Oder ist es deiner Meinung nach weiterhin zu unspezifisch?
      ^^Robin