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Europa in der Dauerkrise - Sehen wir auch die Chancen? (Bürgerdialog Erfurt)


FotoDer Thüringer Landtag öffnete Mitte März seine Türen für die Bürger. Mit Politikern und Experten diskutierten sie über Europas Grenzen. Foto: AW

Optimismus scheint aktuell wenig angebracht, wenn wir auf Europa blicken. Oder gibt es doch Grund dazu? Das wollen wir von Ihnen wissen. Ausgangspunkt ist unser erster Bürgerdialog zu Europas Grenzen in Erfurt…


Ein Beitrag von Moderation Bürgerdialoge Europa-Union Deutschland

Flucht und Migration stellen die EU aktuell auf die Probe. Wie aufnahmefähig ist die Union der 28 Staaten und wann stößt sie an ihre Grenzen? Arbeiten die EU-Länder zusammen oder gehen sie eigene Wege? Hinzu kommen viele weitere Baustellen in Europa: die Sicherheitslage, die kritische wirtschaftliche Situation in manchen EU-Staaten, der mögliche Austritt Großbritanniens, der Zuspruch für EU-kritische bis -feindliche Bewegungen und Parteien...

Das alles beschäftigte Bürger, Politiker und Experten auch bei unserem ersten Bürgerdialog Mitte März in Erfurt (hier finden Sie einen Bericht). Eine grundsätzliche Frage aus den Gesprächen vor Ort wollen wir hier online zur weiteren Diskussion stellen – und zwar die nach unserem Optimismus. Malen wir Europas Lage allzu schwarz, indem wir immer nur von Krisen sprechen? Vernachlässigen wir die Chancen, die in in den aktuellen Umbrüchen liegen?

Come-Back der europäischen Idee?

In Erfurt wurde die Hoffnung geäußert, dass die Europäische Union angesichts der aktuellen Herausforderungen wieder mehr zusammenhält. Am Ende des Jahres könne auch ein Wiedererstarken der EU und des europäischen Gedankens stehen, meint etwa die Thüringische Staatssekretärin für Europa Babette Winter (SPD). Trotz aller Herausforderungen etwa bei der Integration von Geflüchteten, sollten sich auch die Thüringer ihren Optimismus nicht nehmen lassen. “Thüringen ist nicht überfordert, wenn mehr Menschen kommen. Das ist zu schaffen“. Die Ankommenden bedeuteten auch eine kulturelle Bereicherung für das Land.

Der Präsident des Thüringer Landtags Christian Carius (CDU) sieht die Chance, dass Europa sich wieder darauf besinnt, eine Wertegemeinschaft zu sein. Heute würden wieder viel ernstere Fragen gestellt als noch vor einigen Jahren. Die EU-Debatte kreise nicht mehr nur um “krumme Gurken”. “Ich würde mir wünschen, dass es uns gelingt, nicht mehr nur in nationalen Kategorien zu denken, sondern wieder europäisch.”

„Europa ist Teil der Lösung, Europa ist nicht das Problem“, meint auch Jörg Bentmann, Abteilungsleiter im Bundesinnenministerium. Die Landtagsabgeordnete und frühere Europaministerin Marion Walsmann wirbt dafür, sich mehr auf die europäischen Nachbarn einzulassen, ihnen besser zuzuhören. “Wir sollten nicht einfach den Stab über andere brechen”, so Walsmann mit Blick auf die Menschen in Polen und Ungarn.

Online-Diskussion

Also versuchen wir uns einen Augenblick von der oft düsteren Grundstimmung in der aktuellen Europa-Debatte zu lösen: Welche Chancen sehen Sie aktuell für die EU? Gibt es Hoffnungen, die Sie auf die europäische Zusammenarbeit setzen?

Hinweis: Ihre Antworten unten im Forum stellen wir Interessierten bei unseren Dialogen vor Ort vor...


Links zum Bürgerdialog: Europas Grenzen


Kommentare

  • Die Hoffnung ist da, dass uns in der Krise bewusst wird, wie weit wir es schon mit der EU gebracht haben. Allen Untergangsszenarien zum Trotz steht sie noch, unsere Europäische Union. Sie ist ein weltweit einzigartiger Raum mit verbrieften Rechten wie der Glaubens- und Pressefreiheit, der Gleichberechtigung und der Demokratie. Die europäischen Werte bleiben gute Werte. Viele Menschen sehnen sich danach. Wir sollten nicht vergessen, wie gut wir es haben!

    • Lieber Alex,

      Allen Untergangsszenarien zum Trotz steht sie noch, unsere Europäische Union.

      Das hat die EU ja irgendwie mit Görings Luftfahrtministerium gemeinsam. Die Frage ist aber, wie viel von dem einstigen Inhalt da noch drin steckt. Wenn von der Währungs- und Wirtschaftsgemeinschaft gerade noch der freie Waren- und Kapitalverkehr erhalten bleibt oder die Charta der Grundrechte hinsichtlich eines ungarischen oder polnischen Presserechts oder den Bildern von Idomeni leere Worte sind, was ist dann von der EU noch übrig?

      Die europäischen Werte bleiben gute Werte.

      Wir halten weitestgehen dieselben Werte für richtig und gut, aber zur Wahrheit gehört auch, dass das eben nicht (mehr) alle so sehen.

      Die Hoffnung ist da

      Und genau deshalb reicht mir „Hoffnung“ nicht aus. Statt zu verharren, abzuwarten und zu hoffen, denke ich, braucht es Engagement, Überzeugungsarbeit und auch die Bereitschaft, nach vorne zu blicken. Wer das europäische Friedensprojekt erhalten will, muss bereit sein, die EU weiterzuentwickeln.

  • Liebe Europa-Union, Sie fragen:

    „Malen wir Europas Lage allzu schwarz, indem wir immer nur von Krisen sprechen?“

    Aktuell leiden zehntausende Schutzsuchende in der EU Not und zahlreiche Terroranschläge werden von hier geborenen oder aufgewachsenen Menschen begangen, von Nazis und Islamisten.

    Ich würde mich daher freuen, wenn Sie mich davon überzeugen können, dass ich das zu schwarz sehe. Ein paar weitere Punkte zum aus meiner Sicht desaströsen Zustand der EU habe ich noch angefügt.

    1. Dublin?
    Das funktioniert doch schon seit zig Jahren nicht mehr wirklich. Eigentlich müsste nach EU-Recht Deutschland Flüchtlinge, die in Italien zuerst ankamen, dorthin zurückführen, aber unser nationales Recht verbietet das teilweise, weil dort menschenunwürdige Zustände herrschen. Von Griechenland ganz zu schweigen. Dublin kann sozusagen schon gar nicht mehr kollabieren, weil es das schon längst ist.

    2. Schengen?
    Ähnliches gilt für Schengen. Die Binnengrenzen werden ja zunehmend kontrolliert und damit Schengen ausgesetzt. 2016 muss es nur so weitergehen wie 2015 und dann gibt es in einem Jahr einfach kein Schengen mehr.

    3. EU-Außengrenzen?
    Eigentlich haben wir ja sehr harte Regeln für die Einreise, so dass Flüchtlingen die Einreise aus der Türkei in die EU mit dem Hinweis verwehrt wird, dass z.B. Afghanen oder Syrer in der Türkei nicht verfolgt werden. Nur was bringen solche Regeln, wenn gleichzeitig hundertausende illegal z.B. über das Mittelmeer von der Türkei nach Griechenland einreisen? Hat die EU denn überhaupt noch eine existente Außengrenze?

    4. Stabilitätspakt?
    Gerade mit Hinblick auf die 60% Marke muss man doch eigentlich feststellen, dass es den Stabilitätspakt nicht mehr wirklich gibt.

    5. Geldpolitik ohne Staatsfinanzierung?
    Wie viele Milliarden Euro hat die EZB denn mittlerweile in Staatspapieren investiert? Das war doch auch eigentlich mal ganz anders gedacht.

    6. No-bail-out?
    Ich denke zwar, dass die damalige Bankenstützung mit den daraus resultierenden Hilfskrediten an Irland oder Griechenland sinnvoll war, aber mit dem einstigen Gedanken, dass kein Land für ein anderes haftet, hat das jetzt auch nicht mehr allzu viel zu tun.

    „Vernachlässigen wir die Chancen, die in in den aktuellen Umbrüchen liegen?“

    Natürlich liegen auch in einer Krise Chancen, nur deshalb ist die Krise trotzdem eine Krise. Ich würde mit Ihnen gerne über einen möglichen Ausweg diskutieren, eine EU der zwei Geschwindigkeiten, die z.B. in einer inneren EU ein gemeinsames Asylsystem ermöglicht.

    Wie überwinden wir die Blockade in der EU?