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Ein Vorschlag zur befristeten Verteilung von Asylberechtigten innerhalb der EU


Foto: Alfred GrupstraDer Mensch und das System. Foto: Alfred Grupstra (CC BY 2.0)

Bislang konnten sich die EU-Staaten nicht darauf verständigen, Geflüchtete nach festen Quoten innerhalb der EU zu verteilen. Felix Thoma schlägt einen Kompromiss vor. Der Schlüssel zur europäisch organisierten Flüchtlings-Aufnahme liegt für ihn in der zeitlichen Befristung...


Ein Beitrag von Felix Thoma, Student an der TU Berlin und Mitglied der Jungen Europäische Bewegung Berlin-Brandenburg

Ich sehe im folgenden Ansatz die einzige in sich stimmige Lösung, die einerseits die humanitäre Krise kurzfristig lösen kann, andererseits aber auch von allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union langfristig mitgetragen werden kann, und für viele Länder sogar wirtschaftliche und nicht zuletzt kulturelle Potenziale bietet. Ein europäischer Kompromiss kann zwar unmöglich alle Forderungen von Ländern, Parteien und Gruppen erfüllen, aber durchaus die wichtigsten Kernforderungen europäischer Länder oder demokratischer Parteien, darunter den Erhalt des Schengener Abkommens und die Sicherung der Außengrenzen. Nationale Alleingänge müssen hingegen unbedingt vermieden werden. Dieser Vorschlag ist eine konsequente Fortsetzung der von Angela Merkel vertretenen und am 18.März 2016 auf dem EU-Gipfel mit der Türkei vereinbarten europäischen Lösung, aber versehen mit einer zeitlichen Differenzierung, um die Bereitschaft der europäischen Länder für eine schnelle Verteilung einer großen Zahl an Flüchtlingen zu erhöhen.

Die 10 Eckpunkte:

  1. Die Außengrenzen des Schengen-Raums werden kontrolliert.

  2. Die Registrierung und der geordnete Transport (z.B. mit dem Flugzeug oder mit Transitzügen) in die Aufnahmeländer erfolgt bereits in der Türkei. Erreichen dennoch Menschen die griechischen Inseln, so werden sie statt an das griechische Festland grundsätzlich in die Türkei zurückgebracht.

  3. Im Gegenzug werden die Grenzkontrollen an den Innengrenzen des Schengen-Raums aufgehoben und die Grenzzäune an den slowenischen Grenzen abgebaut.

  4. Die Sozialleistungen für Asylbewerber werden zwischen den europäischen Ländern dauerhaft hinsichtlich der Kaufkraft angeglichen, das heißt in Deutschland beibehalten und in ost- und südeuropäischen Ländern angehoben oder überhaupt erst eingeführt.

  5. Während eines ausgehandelten Zeitraums (z.B. 5 Jahre) werden asylberechtigte Flüchtlinge mithilfe von großzügigen Kontingenten auf alle Mitgliedsstaaten verteilt und erhalten von diesen Ländern die Sozialleistungen.

  6. Flüchtlinge, deren Asylgrund vor Ablauf des vereinbarten Zeitraums wegfällt, müssen im Normalfall wieder in ihr Heimatland zurückkehren.

  7. Die Souveränität der Mitgliedsstaaten in der Einwanderungspolitik bleibt grundsätzlich unangetastet und die Instrumente des Asyls und der dauerhaften Einwanderung bleiben europarechtlich klar voneinander getrennt. Aufnahmeländer können also freiwillig entscheiden, einem gewissen Anteil (z.B. 25%) der Flüchtlinge auch nach Ablauf der Asylberechtigung einen dauerhaften Aufenthalt zu ermöglichen, z.B. sehr gut integrierten Flüchtlingen nach einer individuellen Einzelfallentscheidung.

  8. Wenn der Asylgrund von Flüchtlingen nach Ablauf des begrenzten Zeitraums andauert, erhalten sie eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung in der Europäischen Union. Sie können dabei ihren Wohnsitz unter allen Mitgliedsstaaten weitgehend frei wählen. Für die weiterhin von Sozialleistungen abhängigen Flüchtlinge kann im Falle einer hohen Nachfrage nach einzelnen Mitgliedsstaaten ein europäisch koordiniertes Verfahren unter Nutzung individueller Kriterien (z.B. den erworbenen Sprach- und Berufskenntnissen) über die Zuordnung auf bestimmte Länder entscheiden. Deutschland und andere wirtschaftsstarke Zielländer bereiten sich aber auf eine spätere Einwanderung vor und sichern zu, die Voraussetzungen zu schaffen, um nach Ablauf der Frist (z.B. 5 Jahre) von den noch in den anderen Mitgliedsstaaten verbliebenen Flüchtlingen nach und nach einen gewissen Anteil (z.B. 50%) dauerhaft aufnehmen zu können.

  9. Die Europäische Union setzt sich mit einer gemeinsamen Außenpolitik für die Bekämpfung der Fluchtursachen und die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in außereuropäischen Aufnahmeländern ein.

  10. Dieser Kompromiss mit den ausgehandelten Kontingenten und Anteilen wird in Deutschland, Europa und der Welt klar und deutlich kommuniziert, insbesondere auch über die Medien in Herkunftsländern der Flüchtlinge.

Die Stellschrauben:

  • die zeitliche Frist

  • Kontingentgrößen der einzelnen Länder

  • die Höhe der Sozialleistungen für Flüchtlinge in Kaufkraftstandards

  • die europaweite Finanzierung der Sozial- und Bildungsleistungen für Flüchtlinge

  • die Zielländer und Kontingentgrößen für die Umverteilung nach Ablauf der Frist (die Details könnten auch zu einem späteren Zeitpunkt ausgehandelt werden)

  • die Auswahl dauerhaft zu integrierender Flüchtlinge mit fehlender oder vor Ende des verhandelten Zeitraums weggefallener Asylberechtigung (dies ist der einzige Punkt, der von jedem Land eigenständig bestimmt wird)

Die Vorteile:

  • Es erfolgt die insbesondere von osteuropäischen Ländern und Frankreich gewünschte Sicherung der Schengen-Außengrenze, um die unkontrollierte Einreise von Trittbrettfahrern und Terroristen zu vermeiden.

  • Es besteht kein Anreiz mehr, Europa über die griechisch-türkische Seegrenze zu erreichen. Dadurch bricht der Markt für Schlepper ein und weitere Tote auf der Ägäis werden vermieden.

  • Durch die Zuweisung in ein zufälliges Land, eine Bedarfskontrolle bereits in der Türkei und die Trennung von Asyl und dauerhafter Einwanderung schwindet insbesondere für Wirtschaftsflüchtlinge der Anreiz, nach Europa und insbesondere nach Deutschland zu gelangen. Andererseits kann die Europäische Union die Einreise umso besser steuern, je umfangreicher die Kontingente zur Übernahme von Asylberechtigten sind. Je weniger Flüchtlinge stattdessen in der Türkei oder anderen außereuropäischen Staaten unterhalten werden müssen, desto kleiner ist die finanzielle Abhängigkeit von Nichtmitgliedsstaaten bei der humanitären Hilfe für die dort untergebrachten Menschen.

  • Es werden dauerhaft gemeinsame Standards für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen in europäischen Ländern geschaffen, die die Grundlage für eine gemeinsame europäische Asylpolitik bilden. Durch die Angleichung der Sozialleistungen schwindet der Anreiz für Flüchtlinge, sich eigenmächtig in ein bestimmtes europäisches Land zu bewegen, um dort einen Asylantrag zu stellen.

  • Die durch den Leerstand aufgrund von zunehmender Auswanderung oder vergangener Immobilienblasen sehr hohen Wohnungskapazitäten osteuropäischer und südeuropäischer Länder können kurzfristig genutzt werden. Deutschland hingegen bekommt eine Atempause und hat genug Zeit, sich im Wohnungsbau und Bildungswesen auf die Integration einer großen Anzahl von Menschen vorzubereiten, falls sich ein Fortbestand der Fluchtursachen abzeichnet. Selbst wenn am Ende doch sehr viele verbleibende Asylberechtigte stufenweise aus anderen Mitgliedsstaaten übernommen werden, ist deren Integration aufgrund der zeitlichen Streckung erfolgversprechender als beim Status quo. Falls der nachträgliche Zuzug jedoch die verhandelten Kontingente für die Umverteilung übersteigt, gibt es mit Sprach- oder Berufskenntnissen aufgrund der ausreichenden Ausbildungszeit ein faires Auswahlkriterium.

  • Deutschland kann durch eine freiwillige langfristige Integration von Flüchtlingen aber auch demografische Probleme und dem Fachkräftemangel lösen, wenn eine gesellschaftliche Mehrheit dazu bereit ist, was aber frühestens durch die nächste Bundestagswahl im Jahr 2017 legitimiert werden kann. Vielleicht entschließen sich sogar andere wohlhabende Länder dazu, wenn sie in Ruhe darüber diskutieren können und sich nach der nächsten nationalen Parlaments- oder Präsidentenwahl ein derartiges Stimmungsbild abzeichnet.

  • Durch die formelle Trennung von Asyl und regulärer Einwanderung wird der Rückhalt für diese zwei jeweils für sich sehr wichtigen Instrumente nachhaltig gestärkt. Besonders in Deutschland schwindet angesichts des starken Zuzugs leider die Akzeptanz und Zukunftsfähigkeit beider Instrumente. Zum einen, weil es bei vielen Deutschen die oft überzogene Angst gibt, dass dies im Nebeneffekt zu einer langfristigen Einwanderung und der Überfremdung ihres Landes führt. Zum anderen, weil eine neue Welle der Fremdenfeindlichkeit auch die reguläre Einwanderung aus anderen Weltregionen bedroht.

  • Es besteht für Flüchtlinge ein Anreiz, sich möglichst gut in die Gesellschaft ihres Aufnahmelands zu integrieren, um sich nach einer individuellen Prüfung für eine dauerhafte Aufnahme zu qualifizieren. Diese Auswahl muss nicht unter Zeitdruck erfolgen: sowohl die Staaten als auch die Flüchtlinge können sich bis zum Ende des befristeten Zeitraums darauf vorbereiten. Dadurch dass ein großer Anteil der Flüchtlinge im Falle eines Friedens zurückkehren muss, wird aber auch vermieden, dass einem Land nach Ende des Krieges seine Bürger fehlen, die es wieder aufbauen können. Schließlich möchten auch viele Flüchtlinge von sich aus wieder in ihre Heimat zurückkehren, aber nur, wenn es in ihrem Land eine positive Dynamik gibt und sie nicht die einzigen Rückkehrer sind.

  • Die Transitländer, also Griechenland, Italien und die Länder entlang der Balkanroute, werden durch den direkten Transport der Flüchtlinge in ihre Zielländer deutlich entlastet. Dies verringert auch die Abhängigkeit der Europäischen Union von der Politik von Nichtmitgliedern wie Mazedonien. Mit der Abschaffung der Grenzkontrollen an den Schengen-Innengrenzen und dem Erhalt des Schengen-Raums wird ein wichtiges Ziel aller Länder, insbesondere der ost- und südeuropäischen Mitgliedsstaaten entlang der Balkanroute, sowie der Wirtschaft erreicht.

  • Osteuropäische Länder kommen erstmals in Kontakt mit Menschen aus einem anderen Kulturkreis und können auf diese Weise Fremdenfeindlichkeit abbauen, ohne sich a priori zu einer langfristigen Aufnahme einer Mehrheit davon verpflichten zu müssen, da andere Länder eine spätere Übernahme vorbereiten.

  • Südeuropäische Länder können einen humanitären Beitrag leisten, ohne dabei zu riskieren, die ohnehin sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit dauerhaft weiter zu erhöhen. Vielmehr werden Arbeitsplätze im sozialen Sektor geschaffen und die zeitlich begrenzte Aufnahme von Flüchtlingen wirkt wie ein kurzfristiges Konjunkturprogramm für diese Staaten.

  • Auch wohlhabende Länder mit innenpolitischen Problemen wie Frankreich und Belgien oder sogar Länder mit einer eigenen Asylpolitik wie Großbritannien und Dänemark können einen befristeten Beitrag leisten, ohne den rechtspopulistischen Ängsten von einer langfristigen Überfremdung noch zusätzlichen Auftrieb zu verschaffen. Vielleicht kann auch hier, insbesondere in ländlichen Regionen, Fremdenfeindlichkeit durch persönliche Kontakte zu Flüchtlingen entkräftet werden.

  • Nach einer grundsätzlichen Einigung zwischen den europäischen Staats- und Regierungschefs können die verschiedenen Stellschrauben im Detail zwischen den europäischen Staaten ausgehandelt werden. Die Ergebnisse werden europaweit bekanntgegeben und umgesetzt. Die Entscheidung über die dauerhafte Integration von Asylberechtigten mit fehlender oder weggefallener Asylberechtigung verbleibt aber grundsätzlich bei den Mitgliedsstaaten.

  • Die gefährliche Spaltung Europas in der Asylpolitik und bei der Grenzsicherung wird überwunden. Der europäische Diskurs wird bereichert, weil alle Länder eigene Erfahrungen mit Menschen aus einem anderen Kulturkreis sammeln und sich auf Augenhöhe über Chancen und Probleme austauschen können. Es besteht für alle Länder ein Anreiz, eine gemeinsame europäische Außenpolitik zu entwickeln und zusammen auf die Lösung internationaler Konflikte hinzuwirken.

Wieso sind 5 Jahre eine geeignete Wahl für die Frist?

Ein Zeitraum von 5 Jahren ist am einfachsten mit geltendem EU-Recht vereinbar: Nach einem 5jährigen Aufenthalt in einem Mitgliedsland können Menschen unter den in der EU-Daueraufenhaltsrichtlinie geregelten Bedingungen eine langfristige Aufenthaltsgenehmigung in der Europäischen Union erwerben. Da der Krieg in Syrien bis zur derzeitigen Waffenruhe bereits 5 Jahre andauerte, kann grob geschätzt werden, dass sich innerhalb der kommenden 5 Jahre entscheiden wird, ob Syrien und auch der Irak eine langfristige Zukunft als friedliche und freiheitliche Staaten besitzen.

In allen Mitgliedsstaaten der EU stehen innerhalb der nächsten 5 Jahre Präsidenten- oder Parlamentswahlen an, die ein klares Stimmungsbild zur Integrationspolitik liefern werden: Bei einem schlechten Abschneiden von Rechtspopulisten in einem Land ist es vielleicht eher zu einer dauerhaften Integration von Flüchtlingen bereit. Nicht zuletzt orientiert sich diese Zahl an der Lebenswirklichkeit insbesondere der jungen Flüchtlinge, da innerhalb dieses Zeitraums eine Ausbildung oder ein Studium abgeschlossen werden kann.

Wie kann eine nachträgliche Umverteilung in der Praxis umgesetzt werden?

Es ist in einem Rechtsstaat natürlich nicht durchsetzbar, einen großen Teil der Flüchtlinge nach Ablauf der Frist (z.B. 5 Jahre) ohne individuelle Prüfung in andere europäische Länder umzusiedeln. Zwangsmaßnahmen wie Abschiebungen können also nur das äußerste Mittel darstellen!

Gemäß der bestehenden EU-Daueraufenthaltsrichtlinie können Menschen nach einem 5-jährigen Aufenthalt in einem Land der Europäischen Union einen Daueraufenthaltsstatus in einem beliebigen Mitgliedsstaat erwerben, wenn sie dort regelmäßige Einkünfte nachweisen können und nicht von Sozialleistungen abhängig sind. Gut integrierte Flüchtlinge mit einem festen Arbeitsplatz können also nach Ablauf dieser 5 Jahre sowieso langfristig in ihrem Aufnahmeland bleiben.

Für arbeitslose Flüchtlinge greift diese Richtlinie aber bislang noch nicht, selbst wenn ihr Fluchtgrund nach 5 Jahren fortbesteht. Eine auch für diese Gruppe eingeführte Freizügigkeit verbunden mit einer Begrenzung der europaweit angeglichenen Sozialleistungen auf 5 Jahre würde aus wirtschaftlichen Gründen zu einer faktischen Umverteilung derjenigen führen, die keine Arbeit in ihrem zwischenzeitlichen Aufnahmeland gefunden haben, was besonders in Südeuropa viele Flüchtlinge betreffen würde. Neben dieser liberalen Regelung kann eine zentrale Zuteilung arbeitsloser Flüchtlinge und ihrer Familien auf europäische Länder mit ausreichenden Arbeitsmöglichkeiten als Bedingung für den fortlaufenden Erhalt von Sozialleistungen erfolgen.

Ist eine nachträgliche Umverteilung überhaupt wünschenswert?

Es entspricht sicherlich nicht der Idealvorstellung der meisten Flüchtlinge, möglicherweise zunächst einige Jahre in peripheren Mitgliedsstaaten bleiben und deren Landessprache lernen zu müssen, nur um sich danach wieder in einem anderen Land mit einer anderen Sprache einfinden zu müssen. Aber auch Länder mit anderen Landessprachen werden aus eigenem Interesse Sprachkurse für Deutsch und Englisch anbieten, damit sich die Flüchtlinge für eine mögliche spätere Aufnahme in Deutschland oder anderen beliebten Zielländern qualifizieren können. Zwar ist auch eine zeitweilige Integration in Länder schwierig realisierbar, wenn Flüchtlinge dort keine langfristige Perspektive sehen oder keine Arbeit finden. Andererseits hatten und haben auch viele Flüchtlinge auch in der Türkei ein ganz ähnliches Problem mit der fehlenden Arbeitserlaubnis sowie der grundsätzlich verschiedenen Schrift und Sprache.

Nicht zuletzt ist mit der Waffenruhe und der leichten Hoffnung für einen Frieden in Syrien die langfristige Bleibeperspektive für syrische Flüchtlinge auch in Deutschland völlig ungewiss. Es ist sowohl im Sinne der Regierungen als auch im Sinne der einzelnen Flüchtlinge von zentraler Bedeutung, möglichst früh für alle denkbaren Zukunftsszenarien für Syrien, Irak und Afghanistan grundlegende Beschlüsse zur Perspektive der Flüchtlinge in diesem Fall zu fassen und zu kommunizieren. Für eine konkrete Ausgestaltung dieser Beschlüsse, also wie ein Umzug nach Deutschland oder eine Rückkehr nach Syrien oder Irak nach Ablauf der Frist genau erfolgen würde, ist es aber angesichts der unklaren Zukunft des Nahen Ostens noch zu früh.

Der springende Punkt ist, dass es angesichts der großen Anzahl von Schutzsuchenden gar nicht mehr darum gehen kann, alle Flüchtlinge kurzfristig in Deutschland zu integrieren. Das ist einerseits nicht machbar, weil Deutschland das mit dem bestehenden Kapazitäten im Wohnungs- und Bildungswesen nicht leisten kann, andererseits aber auch nicht sinnvoll, weil die langfristige Bleibeperspektive der ankommenden Menschen heute noch nicht absehbar ist. Stattdessen ist vorrangig, dass alle Flüchtlinge in einer friedlichen Umgebung ein Dach – und zwar möglichst kein Zeltdach – über dem Kopf haben und überall vergleichbare grundlegende Sozial- und Bildungsleistungen erhalten. Außerdem sind ein weiterer Vertrauensverlust innerhalb der Europäischen Union und dramatische humanitäre Zustände zukünftig unbedingt zu vermeiden.

Zwar können nicht alle europäischen Länder die hohen Erwartungen erfüllen, die viele Flüchtlinge insbesondere an die Bundesrepublik Deutschland richten. Gemeinsame Standards für die Asylpolitik in der Europäischen Union bedeuten aber einen großen Fortschritt für die meisten Flüchtlinge und können auch von allen europäischen Ländern erwartet werden, die sich den europäischen Werten verpflichtet haben.

Zum Weiterlesen:


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Kommentare

  • Lieber Felix Thoma,

    ich habe heute mal meine Gedanken zu einem EU-Migrations- und Asylsystem bzw. zu einer Neuausrichtung der europäischen Entwicklungs-, Migrations- und Asylpolitik online gestellt.

    Eine Zwangszuteilung von Flüchtlingen an EU-Länder findet bei mir nicht statt. Politisch Verfolgte werden einfach wie EU-Bürger behandelt. Personen die Schutz nach der GFK benötigen, sollen diesen allerdings hauptsächlich außerhalb der EU erhalten, wobei auch freiwillige Kontingente vorgesehen sind. Bei Arbeitsmigranten wird nur das System vereinheitlich, während die Nationalstaaten entscheiden können, ob und unter welchen zusätzlichen Bedingungen sie Arbeitsmigration zulassen.

    Liebe Grüße,
    Mister Ede

    • Felix Thoma ist dafür
      +2

      Hallo MisterEde,

      danke für den Hinweis auf den Artikel! Wie ich bereits ausführlich erläutert habe, halte ich eine Beteiligung aller EU-Mitglieder an der Flüchtlingsaufnahme für sehr wichtig, auch wenn sie derzeit unrealistisch erscheint, zumal sich insbesondere auch wirtschaftsstarke Schengen-Länder wie Frankreich gegen eine Verteilung der Flüchtlinge wehren. Natürlich ist anzustreben, dass der Flüchtlingsschutz auch außerhalb der EU gewährleistet ist. Um Länder wie die Türkei zu entlasten, sollte die EU aber als Ganzes ihrer Verantwortung gerecht werden. Daher bin ich bei freiwilligen Kontingenten der Mitgliedsländer eher skeptisch. Bei der Arbeitsmigration bin ich aber der Meinung, dass die Nationalstaaten zunächst weiterhin eigenständig entscheiden sollten.

      Viele Grüße, Felix Thoma

      • Lieber Felix Thoma,

        danke für Ihre Antwort.

        Wie ich bereits ausführlich erläutert habe, halte ich eine Beteiligung aller EU-Mitglieder an der Flüchtlingsaufnahme für sehr wichtig

        Nachdem sich politisch Verfolgte nach diesem EU-Migrations- und Asylsystem das Land frei aussuchen können, ist es genauso möglich, dass sie z.B. nach Ungarn oder Polen gehen. Insofern ist das ja umgesetzt und zwar auf Basis einer selbstbestimmten Entscheidung des politisch Verfolgten und nicht auf Basis einer Zwangszuteilung, die am Ende vielleicht weder das EU-Land noch der politisch Verfolgter möchten.

        Um Länder wie die Türkei zu entlasten, sollte die EU aber als Ganzes ihrer Verantwortung gerecht werden.

        Die Einrichtung eines EU-Flüchtlingshilfswerks und eines gemeinsamen EU-Migrations- und Asylsystems zielen genau darauf ab, die Verantwortung für Schutzsuchende endlich als gesamteuropäische Verantwortung wahrzunehmen.

        Daher bin ich bei freiwilligen Kontingenten der Mitgliedsländer eher skeptisch.

        Mein Vorschlag greift daher die von Gesine Schwan ins Spiel gebrachte Idee auf, die kommunale Ebene und nicht die nationale Ebene zu freiwilligen Kontingenten für die Aufnahme von Schutzsuchenden aus humanitären Gründen zu bewegen.

        Bei der Arbeitsmigration bin ich aber der Meinung, dass die Nationalstaaten zunächst weiterhin eigenständig entscheiden sollten.

        Auch das sieht das Konzept so vor. Es würde mich freuen, wenn es Sie überzeugt hat.

        • Felix Thoma ist dafür
          +2

          Hallo MisterEde!

          Nachdem sich politisch Verfolgte nach diesem EU-Migrations- und Asylsystem das Land frei aussuchen können, ist es genauso möglich, dass sie z.B. nach Ungarn oder Polen gehen. Insofern ist das ja umgesetzt und zwar auf Basis einer selbstbestimmten Entscheidung des politisch Verfolgten und nicht auf Basis einer Zwangszuteilung, die am Ende vielleicht weder das EU-Land noch der politisch Verfolgter möchten.

          Ich habe in einem der Kommentare unten ja geschrieben, dass ich bei politisch Verfolgten (im engeren Sinne) eine freie Wahl des Aufnahmelandes begrüße.

          Die Einrichtung eines EU-Flüchtlingshilfswerks und eines gemeinsamen EU-Migrations- und Asylsystems zielen genau darauf ab, die Verantwortung für Schutzsuchende endlich als gesamteuropäische Verantwortung wahrzunehmen.

          Das geht ja schon in die richtige Richtung, würde aber z.B. immer noch nicht die nach der 1:1-Regelung aus der Türkei aufgenommenen Flüchtlinge abdecken. Bei den Flüchtlingen aus Afrika ist die Versorgung durch Nichtmitglieder der EU noch ungewisser, auch wenn Frau Merkel das bei ihrer jüngsten Reise zu verhandeln versucht hat. Eine wirklich nachhaltige Lösung, bei der die EU nicht von ihren Nachbarstaaten abhängig ist und nicht an zukünftigen Flüchtlingsbewegungen zerbricht, setzt daher die Bereitschaft aller europäischen Länder zur befristeten Aufnahme von Flüchtlingen voraus.

          Mein Vorschlag greift daher die von Gesine Schwan ins Spiel gebrachte Idee auf, die kommunale Ebene und nicht die nationale Ebene zu freiwilligen Kontingenten für die Aufnahme von Schutzsuchenden aus humanitären Gründen zu bewegen.

          Das wäre natürlich ein alternativer Ansatz. Ich bin aber auch hier skeptisch, ob die so entstehenden Kontingente insgesamt groß genug sind und die Verteilung der Flüchtlinge als gerecht empfunden wird. Über eine ungleichmäßige Verteilung freuen sich vor allem die Populisten.

          Auch das sieht das Konzept so vor.

          Das habe ich gesehen. Ich hatte meine Gedanken zur Arbeitsmigration nur in den Gegensatz zur Flüchtlingsaufnahme gestellt, aber nicht zu Ihrem Konzept.

          Viele Grüße, Felix Thoma

          • Lieber Felix Thoma,

            einiges aus der Diskussion hier habe ich einfach aufgegriffen und zusammen mit anderen Ideen zu einem EU-Migrations- und Asylsystem geordnet. Insofern ist das nicht alles neu, sondern finden sich einige Punkt einfach etwas erläutert in dem Konzept wieder und spiegeln damit sozusagen die hier geführte Diskussion bzw. meine Schlussfolgerungen daraus wider.

            Das geht ja schon in die richtige Richtung, würde aber z.B. immer noch nicht die nach der 1:1-Regelung aus der Türkei aufgenommenen Flüchtlinge abdecken.

            Mir ist z.B. bekannt, dass das polnische Wroclaw (Breslau) bereit ist Flüchtlinge aufzunehmen wie auch zahlreiche Kommunen in Ost- und Westdeutschland, Spanien und Portugal. Ich bin mir sicher, auch in andern Ländern gibt es Kommunen, die bereit sind, Menschen Schutz zu gewähren. Ich bin bei diesem Bottom-up-Verfahren daher weit optimistischer als bei einer Regelung Top-down und halte es auch für sehr wahrscheinlich, dass weit mehr Menschen auf diese Weise in Europa Schutz finden werden als die maximal 70.000 Personen, für die im Rahmen des 1:1-Mechanismus mit der Türkei Plätze geschaffen werden sollten. Zumal es sich beim 1:1-Mechanismus um ein einmaliges Kontingent handelt, während das EU-Migrations- und Asylsystem eine dauerhafte Einrichtung wäre. Mir ist aber einfach auch lieber, die Aufnahme von 50.000 Schutzsuchenden klappt tatsächlich, als dass eine geplante Aufnahme von 200.000 Personen schon nach 317 aufgenommen Personen ins Stocken gerät.

            Das wäre natürlich ein alternativer Ansatz. Ich bin aber auch hier skeptisch, ob die so entstehenden Kontingente insgesamt groß genug sind und die Verteilung der Flüchtlinge als gerecht empfunden wird.

            Kommunen die sich bereit erklären, Personen Schutz zu gewähren, machen dies ja aus freien Stücken, sodass ich jetzt einfach mal davon ausgehe, dass sich dort dann auch die demokratische Mehrheit (ein einzelner vielleicht schon) nicht ungerecht behandelt fühlt. Das ist ja eigentlich gerade das Schöne an diesem Graswurzel-Prinzip.

            Ich denke aber auch insgesamt, dass der Vorschlag recht ausgewogen versucht, humanitäre Verantwortung und berechtigte Kontrolle der Migrationsströme in Einklang zu bringen.

            • Felix Thoma ist dafür
              +1

              Lieber MisterEde,

              Mir ist z.B. bekannt, dass das polnische Wroclaw (Breslau) bereit ist Flüchtlinge aufzunehmen wie auch zahlreiche Kommunen in Ost- und Westdeutschland, Spanien und Portugal.

              Während ich mir in Westeuropa vorstellen kann, dass die Nationalstaaten das Vorangehen einzelner Städte tolerieren würde, halte ich es in Polen oder Ungarn für wahrscheinlich, dass die Regierung ein Veto dagegen einlegen würde.

              Ich bin bei diesem Bottom-up-Verfahren daher weit optimistischer als bei einer Regelung Top-down und halte es auch für sehr wahrscheinlich, dass weit mehr Menschen auf diese Weise in Europa Schutz finden werden als die maximal 70.000 Personen, für die im Rahmen des 1:1-Mechanismus mit der Türkei Plätze geschaffen werden sollten. Zumal es sich beim 1:1-Mechanismus um ein einmaliges Kontingent handelt, während das EU-Migrations- und Asylsystem eine dauerhafte Einrichtung wäre. Mir ist aber einfach auch lieber, die Aufnahme von 50.000 Schutzsuchenden klappt tatsächlich, als dass eine geplante Aufnahme von 200.000 Personen schon nach 317 aufgenommen Personen ins Stocken gerät.

              Beim 1:1-Mechanismus hast du recht, dass die Umsetzung derzeit wirklich sehr stockend verläuft. Wenn das Bottom-up-Verfahren tatsächlich erfolgreicher verliefe als das Top-down-Verfahren, würde ich das natürlich sehr begrüßen! Einzelne Kommunen können aber ohne die Unterstützung ihrer Staaten bei den Asylverfahren und der Umsiedlung meiner Ansicht nach kaum einen Beitrag leisten, um das Programm zu beschleunigen. Für eine nachhaltige Lösung müssen die einzelnen Kommunen eingebunden, aber auch von den höheren Ebenen unterstützt werden.

              Kommunen die sich bereit erklären, Personen Schutz zu gewähren, machen dies ja aus freien Stücken, sodass ich jetzt einfach mal davon ausgehe, dass sich dort dann auch die demokratische Mehrheit (ein einzelner vielleicht schon) nicht ungerecht behandelt fühlt. Das ist ja eigentlich gerade das Schöne an diesem Graswurzel-Prinzip.

              Ich sehe hier aber das Problem, dass die Aufnahme von Flüchtlingen zum beherrschenden Thema von Kommunalwahlen wird. Dafür könnte schon ein umstrittenes Flüchtlingsheim ausreichen, während die nationale Politik etwas unabhängiger von solchen Einzelfällen ist: Am Beispiel Deutschlands kann sehr gut gesehen werden, dass die Flüchtlingspolitik auf der kommunalen Ebene (z.B. Boris Palmer) und der Landesebene (z.B. Erwin Sellering) viel kritischer gesehen wird als in den gleichen Parteien auf der Bundesebene.

              Wenn die Kommunen tatsächlich über die Aufnahme von Flüchtlingen entscheiden könnten, würden populistische Parteien bei Kommunalwahlen noch bessere Ergebnisse als bisher erzielen und hätten wegen der oft nach dem Proporzsystem verteilten Stadträte einen beträchtlichen Einfluss auf die Kommunalpolitik, selbst wenn sie nicht die absolute Mehrheit stellen.

              Das Ungerechtigkeitsgefühl wäre natürlich eher kurzfristig. Langfristig schwerwiegender ist, dass eine ungleichmäßige Verteilung die ohnehin bestehende Tendenz verstärkt, dass die Städte immer internationaler werden, während das Land diese Entwicklung einfach nicht mitmacht, wodurch sie sich (scheinbar) kulturell voneinander entfremden und das gegenseitige Verständnis abhanden kommt. Das ist natürlich nur relevant, wenn wir nicht nur über Zehntausende, sondern wieder über Millionen Flüchtlinge reden.

              Viele Grüße, Felix Thoma

              • Lieber Felix Thoma,

                ich habe zwar die Hoffnung, dass man Vetos verhindern kann, aber man müsste in der Ausgestaltung darauf achten. Unberechtigt scheint mir die Sorge nämlich nicht.

                Eine höhere Ebene ist die EU ja schon und sie würde die Kommunen ja auch finanziell unterstützen. Gut wäre natürlich trotzdem, wenn die nationale Ebene einer solchen Aufnahme dann keine Steine in den Weg legt.

                Ich sehe hier aber das Problem, dass die Aufnahme von Flüchtlingen zum beherrschenden Thema von Kommunalwahlen wird.

                Aber das ist es doch jetzt auch schon, nur dass Kommunen und Länder kaum etwas zu entscheiden haben.

                Wenn die Kommunen tatsächlich über die Aufnahme von Flüchtlingen entscheiden könnten, würden populistische Parteien bei Kommunalwahlen noch bessere Ergebnisse als bisher erzielen

                Ich denke nicht, dass eine Flüchtlingsaufnahme per se den Populismus stärkt, vor allem dann nicht, wenn sie ordentlich geregelt ist. Was viele, auch linke Politiker, zurecht vor Ort gestört hat, war die Unordnung und Konzeptlosigkeit. Nur „wir schaffen das“ war halt für jene, die die Aufnahme tatsächlich organisieren sollen, zu wenig.

                Nach dem EU-Migrations- und Asylsystem würden hingegen nach einem geregelten Verfahren Personen kommen, deren Schutzanspruch bereits geprüft wurde. Wissen kann man es natürlich nicht, aber ich glaube, dass die überwiegende Mehrheit der Bürger das deutlich eher begrüßen als ablehnen würde.

                Liebe Grüße,
                Mister Ede

                • Felix Thoma ist dafür
                  +1

                  Lieber MisterEde,

                  Aber das ist es doch jetzt auch schon, nur dass Kommunen und Länder kaum etwas zu entscheiden haben.

                  Natürlich beeinflusst die Flüchtlingspolitik auch heute schon die Kommunalwahlen, aber wenn die Städte und Gemeinden wirklich etwas entscheiden könnten, wäre der Druck auf Lokalpolitiker erheblich größer, im Sinne einer Kirchturmpolitik die Flüchtlinge von der eigenen Kommune fernzuhalten, ähnlich wie das heute schon auf der Ebene der EU-Mitgliedsstaaten geschieht.

                  Ich denke nicht, dass eine Flüchtlingsaufnahme per se den Populismus stärkt, vor allem dann nicht, wenn sie ordentlich geregelt ist. Was viele, auch linke Politiker, zurecht vor Ort gestört hat, war die Unordnung und Konzeptlosigkeit. Nur „wir schaffen das“ war halt für jene, die die Aufnahme tatsächlich organisieren sollen, zu wenig.

                  Das sehe ich ähnlich: "Wir schaffen das" reicht nicht aus, z.B. fehlt eine Antwort auf die Frage "Was wollen wir schaffen und warum?".

                  Ich möchte in diesem Zusammenhang aber noch einmal auf die in meinem letzten Kommentar erwähnte Entfremdung von Stadt und Land (ähnlich wie der zwischen dem Westen und dem Osten) eingehen, auch um mögliche Missverständnisse zu vermeiden. Ich schreibe dabei ausdrücklich nicht einseitig von einer "Überfremdung" der Großstädte, weil aus deren Perspektive umgekehrt auch der zunehmende Rechtspopulismus im eigenen Land fremd erscheint. Vollkommen neutral betrachtet haben die verschiedenen Regionen unterschiedlich viele Erfahrungen mit Migration, wobei in Regionen mit einer besonders starken Einwanderung der prozentuale Anteil der innerstaatlichen Bindungen im Vergleich zu internationalen Verflechtungen abnehmen kann, während er in den anderen Regionen hoch bleibt. Rechtspopulisten nutzen die so entstandenen Gräben in der Gesellschaft aus, um sich als Hüter der nationalen Einheit zu verkaufen. Insofern kann eine große Anzahl von Flüchtlingen im Falle einer ungleichmäßigen Verteilung langfristig durchaus den Rechtspopulismus stärken.

                  Nach dem EU-Migrations- und Asylsystem würden hingegen nach einem geregelten Verfahren Personen kommen, deren Schutzanspruch bereits geprüft wurde. Wissen kann man es natürlich nicht, aber ich glaube, dass die überwiegende Mehrheit der Bürger das deutlich eher begrüßen als ablehnen würde.

                  In Deutschland sicherlich ja, in anderen Ländern eher nein, z.B. in Frankreich, wo der Front National in großen Teilen der Provinz eine Mehrheit der Stimmen bekommen kann.

                  Viele Grüße, Felix Thoma

                  • Lieber Felix Thoma,

                    Natürlich beeinflusst die Flüchtlingspolitik auch heute schon die Kommunalwahlen, aber wenn die Städte und Gemeinden wirklich etwas entscheiden könnten, wäre der Druck auf Lokalpolitiker erheblich größer, im Sinne einer Kirchturmpolitik die Flüchtlinge von der eigenen Kommune fernzuhalten, ähnlich wie das heute schon auf der Ebene der EU-Mitgliedsstaaten geschieht.

                    Wenn Sie die Bevölkerung und die Politiker in den Kommunen so einschätzen, dann ist die EU-Abschottungspolitik wohl wirklich das Beste. Ich habe da allerdings ein etwas anderes Bild von meinen Mitbürgern, zumindest der großen Mehrheiten. Ansonsten aber möchte ich mich für Ihre detaillierten Einschätzungen über die Woche bedanken. Mal sehen wie sich der Bereich der Flüchtlingspolitik zukünftig entwickelt. Ich denke, es gibt viele gute Ideen, man muss sie nur umsetzen.

                    Beste Grüße,
                    Mister Ede

                    • Felix Thoma ist dafür
                      +1

                      Lieber MisterEde!

                      Wenn Sie die Bevölkerung und die Politiker in den Kommunen so einschätzen, dann ist die EU-Abschottungspolitik wohl wirklich das Beste. Ich habe da allerdings ein etwas anderes Bild von meinen Mitbürgern, zumindest der großen Mehrheiten.

                      Die Zustimmung zur Flüchtlingsaufnahme hängt in Deutschland und Europa leider sehr stark vom Wohnort ab. Außerdem kann schon eine Minderheit der Wähler die Politik grundlegend verändern, wenn die Politiker Angst um ihre Ämter und Mandate haben. Schließlich haben die Kommunen auch aus finanziellen Gründen ein großes Eigeninteresse, sich die schwierige Arbeit bei der Integration der Flüchtlinge zu ersparen. Ich denke aber, dass eine Abschottungspolitik der EU nicht notwendig ist, wenn alle mitmachen und die Lasten aufteilen.

                      Ansonsten aber möchte ich mich für Ihre detaillierten Einschätzungen über die Woche bedanken. Mal sehen wie sich der Bereich der Flüchtlingspolitik zukünftig entwickelt. Ich denke, es gibt viele gute Ideen, man muss sie nur umsetzen.

                      Ich bedanke mich ebenfalls und bin gespannt auf die zukünftigen Entwicklungen!

                      Viele Grüße, Felix

                      • Lieber FelixThoma,

                        Schließlich haben die Kommunen auch aus finanziellen Gründen ein großes Eigeninteresse, sich die schwierige Arbeit bei der Integration der Flüchtlinge zu ersparen.

                        Nach meinem Konzept sollen die Kommunen für die Aufnahme von Flüchtlingen ja aus einem gemeinsamen EU-Topf entschädigt werden. Allgemein aber ein wichtiger Hinweis, der auch bei anderen Konzepten berücksichtigt werden sollte.

                        Ich denke aber, dass eine Abschottungspolitik der EU nicht notwendig ist, wenn alle mitmachen und die Lasten aufteilen.

                        Dem kann ich mich voll und ganz anschließen.

                        Beste Grüße,
                        Mister Ede

                        • Felix Thoma ist dafür
                          +1

                          Nach meinem Konzept sollen die Kommunen für die Aufnahme von Flüchtlingen ja aus einem gemeinsamen EU-Topf entschädigt werden.

                          Ja, das wäre auf jeden Fall wichtig.

  • Lieber Felix, lieber MisterEde, ein Hinweis an euch. Die Kommission hat nun ihren Kompromissvorschlag zur Reform des EU-Asylsystems im Detail erklärt. Diskutieren könnt ihr darüber hier:

    Lassen sich EU-Staaten zur Flüchtlingsaufnahme zwingen? (Bürgerdialog Augsburg)

    Lieben Gruß! Alex

  • Hallo Felix,

    ich habe mich etwas intensiver mit dem Schengener-Grenzkodex auseinandergesetzt (EU-Verordnung Nr. 399/2016). Es werden wieder ein paar Regeln vereinheitlicht und Frontex ausgebaut, aber es bleibt eben dabei, dass die Nationalstaaten am Ende für die Sicherung ihrer EU-Außengrenzen verantwortlich sind und nicht die EU insgesamt.

    Über diese Hürde, die Sicherung der Außengrenzen an eine EU-Einrichtung zu geben, kommt man einfach nicht ohne grundlegende Änderung der EU weg.

    Beste Grüße,
    Mister Ede

  • Hallo Felix,

    ein interessanter und lesenswerter Beitrag. Vielem kann ich Zustimmen, ein paar Zweifel sind allerdings auch dabei. Es würde mich freuen, wenn daraus ein Dialog entstehen würde.

    Zu den Eckpunkten 1, 2 und 3:
    1: Ich würde es, wie bei meinen Gedanken zur Europäisierung des Asylsystems beschrieben, begrüßen, wenn zumindest auch Rumänien und Bulgarien voll bei der Sicherung der Außengrenze eingebunden sind. Eine besondere Sicherung der Grenzen zu den Nicht-EU-Ländern auf dem Balkan lehne ich hingegen ab.

    2: Die Frage, was unter Grenzsicherung verstanden wird, muss beantwortet werden. Ich werbe daher wie Du für eine Grenzsicherung durch Rückführungsabkommen und finde deshalb auch den Grundgedanken hinter dem EU-Türkei-Abkommen absolut richtig.

    Was die Verteilung von Flüchtlingen anbelangt, wäre interessant zu wissen, nach welchem Muster das Geschehen soll und welche Größenordnung Du Dir da vorstellst.

    3: Analog zu Punkt 1 sollte der Abbau aller Grenzzäune im gesamten Inneren Europas, explizit auch an der Grenze von Ungarn zu Serbien, angestrebt werden.

    Zu den Eckpunkten 9 und 10:
    Priorität haben für mich die gemeinsame Asylpolitik und ein gemeinsamer Grenzschutz, zumal eine klare Kommunikation erst möglich ist, wenn es auch eine gemeinsame Linie gibt. Ein wichtiger Beitrag zur Fluchtursachenbekämpfung wäre eine Neuausrichtung der europäischen Wirtschaftspolitik.

    Zu den Eckpunkten 4 bis 8:
    Deinen Punkten 4 – 8 kann ich gut zustimmen. Einheitliche Standards sind genauso wichtig wie einheitliche Verfahren. Das Thema Arbeitsmigration gesondert zu behandeln, stößt ebenfalls auf meine Zustimmung. Die Idee an vorhandene Regelungen zum Bleiberecht anzuknüpfen finde ich sehr gelungen.

    Meine Zweifel:
    Beim gemeinsamen Asylsystem (also nicht bei Sicherung der Außengrenzen) habe ich meine Zweifel, dass das alle 28 EU-Länder mitmachen. Wenn du also als Vorteil beschreibst „Osteuropäische Länder kommen erstmals in Kontakt mit Menschen aus einem anderen Kulturkreis und können auf diese Weise Fremdenfeindlichkeit abbauen“, dann erwidere ich, das ist eher der größte Haken am Konzept. Viele Wähler in osteuropäischen Ländern wollen überhaupt nicht erstmals in Kontakt mit Menschen aus einem anderen Kulturkreis treten. Vermutlich wird es also erneut auf unterschiedliche Geschwindigkeiten hinauslaufen.

    Große Zweifel habe ich auch am Entscheidungsprozess. Wenn ein solches Asylsystem von 20 Regierungschefs aufgesetzt wird, von denen ich 19 nicht abwählen kann, falls mir die Ausgestaltung nicht passt, dann finde ich das keinen guten Deal. Außerdem muss ein solches System veränderbar bleiben. Wenn dazu aber das Einvernehmen dieser 20 Regierungschefs notwendig ist, finde ich das genauso unschön, wie wenn das ein Parlament entscheidet, bei der alle anderen Länder im Verhältnis zu ihrer Bevölkerung mit mehr Sitzen vertreten sind wie Deutschland.

    Aus diesem Grund werbe ich auch dafür, die Debatte über ein gemeinsames Asylsystem in eine generelle Debatte über die Ausgestaltung der EU einzubinden. Statt mit einer weiteren „Verstärkten Zusammenarbeit“ den Flickenteppich in der EU zu vergrößern, sollte ein Kerneuropa herausgebildet werden, das neue Wege der Integration basierend auf demokratisch legitimierten und parlamentarisch kontrollierten Prozessen ermöglicht.

    • Felix Thoma ist dafür
      +2

      Hallo MisterEde,

      auch wenn Rumänien und Bulgarien natürlich beide grundsätzlich zum Schengen-Raum gehören wollen, ist ein Beitritt beider Länder in der derzeitigen Lage eher unrealistisch, weil sich Bulgarien wie Mazedonien an der Initiative Österreichs zur Unterbrechung der Balkanroute an der der griechischen Nordgrenze beteiligt hat und in Griechenland weiterhin viele Flüchtlinge auf eine Durchreise Richtung Mitteleuropa warten.

      Sobald aber das weitere Schicksal der Flüchtlinge in Griechenland geklärt ist und die griechisch-türkische Grenze überzeugend gesichert wird, würde ich eine Umsetzung des Schengener Abkommens in Rumänien und Bulgarien sowie Kroatien befürworten, einerseits zur Gleichstellung dieser jüngsten Mitgliedsstaaten in der Grenzpolitik der EU, andererseits damit alle Balkanstaaten entweder zum Schengen-Raum gehören oder von ihm umgeben sind. Dann könnte auch die Sicherung der "unechten" Außengrenzen des Schengen-Raums zu den nicht enthaltenen Balkanstaaten deutlich reduziert werden, z.B. durch den Abbau der Stacheldrahtzäune, obwohl Grenzkontrollen dort immer noch unverzichtbar sind und die illegale Migration in die EU auch auf dem Balkan weiterhin verhindert werden sollte, bis die heutigen Nichtmitglieder wirtschaftlich stärker sind oder gar zur EU beigetreten sind. Die Auswanderung kann aber am besten durch eine Kombination deiner Ideen für einen langfristig wirkenden Balkan-Pakt und einer kurzfristig möglichen Grenzsicherung durch Rückführung (hier angewandt auf den Balkan anstatt auf die Türkei) unattraktiv gemacht werden.

      Für die Verteilung der Flüchtlinge sollte eine Quote verwendet werden, die sowohl die Bevölkerungszahl als auch die Wirtschaftskraft eines Landes berücksichtigt, z.B. durch Nutzung des absoluten Bruttosozialprodukts. Familien, Freunde und Reisegruppen können natürlich beantragen, in das gleiche Land aufgenommen zu werden, vielleicht können auch Wunschländer angegeben werden. Grundsätzlich kennt aber kein Flüchtling bei der Antragstellung seinen späteren Aufenthaltsort. Weil eine Aufnahme nur nach positivem Asylentscheid erfolgt und damit noch nicht automatisch eine (dauerhafte) Aufnahme verbunden ist, werden die Flüchtlingszahlen überschaubarer als bei einer ungeregelten Einreise (wie schon jetzt zu bemerken ist), wodurch im Gegenzug auf feste Kontingente oder nationale Obergrenzen verzichtet werden kann.

      Mit deinem Satz "Viele Wähler in osteuropäischen Ländern wollen überhaupt nicht erstmals in Kontakt mit Menschen aus einem anderen Kulturkreis treten." triffst du genau den springenden Punkt. Dieser Wunsch muss berücksichtigt, darf aber nicht erfüllt werden! Denn was ein Europa der zwei Geschwindigkeiten bedeutet, haben wir ja gesehen und ist hier noch einmal zugespitzt formuliert: Kerneuropa nimmt in Lichtgeschwindigkeit Flüchtlinge auf, weshalb immer mehr Länder abspringen und am Ende nur Deutschland mit seinem im Grundgesetz verankerten Grundrecht auf Asyl übrigbleibt, während sich Osteuropa mit einer Geschwindigkeit von 0 km/h gar nicht bewegt.

      Das Problem an derart verschiedenen Geschwindigkeiten ist, dass sich dadurch die politischen Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten weiter vergrößern, weil Kerneuropa mit den Flüchtlingen sowohl negative als auch positive Erfahrungen sammelt, die aber den anderen Ländern beide fehlen. Dadurch kann in Zukunft, z.B. bei der nächsten Flüchtlingskrise, noch viel weniger auf Augenhöhe über die nationalen Grenzen hinweg eine europäische Asyl- und Einwanderungspolitik diskutiert werden. In meinem Beitrag habe ich das nur kurz angedeutet: "Der europäische Diskurs wird bereichert, weil alle Länder eigene Erfahrungen mit Menschen aus einem anderen Kulturkreis sammeln und sich auf Augenhöhe über Chancen und Probleme austauschen können."

      Genau um das zu erreichen, habe ich mir den zweifellos etwas umständlichen und unklaren Punkt der nachträglichen Umverteilung überlegt und diesen Artikel überhaupt geschrieben! Ich hoffe, dass die osteuropäischen Wähler und Politiker einer befristeten Aufnahme von Flüchtlingen eher zustimmen würden, sich innerhalb der nächsten 5 Jahre aber ein ausgewogenes Bild von den Flüchtlingen verschaffen können, weil nur auf diese Weise die von dir geforderte Asylpolitik auf europäischer Ebene überhaupt langfristig möglich wird!

      Ich freue mich auch auf weitere Kommentare und werde diese nach Eingang sofort lesen, kann sie aber wegen einer anstehenden Prüfung erst ab dem 14.04. ausführlich beantworten!

      Felix

      • Hallo Felix,

        keine Eile und viel Erfolg.

        Zu den Außengrenzen:

        Was die Grenzen zu den Nicht-EU-Ländern auf dem Balkan anbelangt, bin ich ganz bei Dir. Und bei Rumänien und Bulgarien auch, insbesondere vom zeitlichen Ablauf her. Mein Gedanke ist auch nicht, Bulgarien und Rumänien direkt in Schengen aufzunehmen (das bedeutet ja auch Kontrollfreiheit z.B. zwischen Ungarn und Rumänien), sondern beide erst mal nur bei der Sicherung der Außengrenzen einzubinden, gerne als eine Art Katalysator für einen Schengen-Beitritt. Wichtig ist mir einfach, den Balkan, ob EU oder nicht, in den europäischen Prozess einzubauen, statt sich davon abzugrenzen. Aber das scheint mir mit Deinem Vorschlag auch gut vereinbar.

        Die zweite Frage ist dann aber, wie die Sicherung der Außengrenze abseits von Rückführungsabkommen inhaltlich aussehen soll: Nationale Zuständigkeit, Europäische Zuständigkeit, ein Mix? Ich stelle mir am ehesten eine zentrale EU-Grenzschutzbehörde mit ausreichender Kapazität (z.B. Ausbau von Frontex) vor, die dann auch z.B. von Deutschland personell und finanziell mitgetragen wird. Allerdings bräuchte diese Behörde dann auch entsprechende Befugnisse und genau daran scheiden sich die Geister. Auch ich bin mir nicht sicher, ob dafür nicht dann doch irgendwann mal eine echte Verfassung notwendige wäre, an die dann z.B. die Grenzschützer gebunden sind.

        Im Rahmen einer EU der unterschiedlichen Geschwindigkeiten könnte ein solcher zentraler Grenzschutz in Kerneuropa umgesetzt werden, während im Rest der EU die Grenzsicherung unverändert in nationaler Zuständigkeit verbleibt.
        Eine Backup-Lösung, also nationale Zuständigkeit und bei Bedarf kann EU-Unterstützung angefordert werden, halte ich übrigens nicht für wünschenswert. Es muss darum gehen, kontinuierlich im „Tagesgeschäft“ zusammenzuarbeiten, um im Krisenfall handlungsfähig zu sein und nicht erst mühsam Polizeibeamte aus den Nationalstaaten einsammeln zu müssen. Außerdem weiß bei einer Backup-Lösung niemand, ob sich der Aufwand lohnt oder ob das am Ende nie genutzt wird.

        Lastenverteilung in der EU:

        Meines Erachtens müssen die Herausforderungen aus Flucht und Vertreibung von der gesamten Welt gelöst werden und zwar insbesondere von den „starken“ Ländern und Regionen, z.B. Europa, Nordamerika, Japan oder Australien. Entsprechend gehe ich dann die Ebenen hinunter und betrachte es in der EU auch wieder als eine Gesamtaufgabe, die vor allem von den „Starken“ Ländern gemeistert werden muss. Genauso fordere ich für Deutschland, dass der Bund die Kosten der Flüchtlingsversorgung trägt, nicht Länder oder Kommunen.

        Auf die EU bezogen heißt das aber, dass ich schwächere Länder, zu denen ich auch z.B. Polen zähle, gar nicht so wirklich in der Pflicht sehe. Ich habe deshalb mal eine Flüchtlingsquote erstellt, die nach meiner Ansicht fair ist. So wie es bei der Einkommensteuer einen Freibetrag gibt, der nicht versteuert wird, habe ich z.B. einen BIP-Freibetrag angesetzt, bis zu dem ein Land keine Flüchtlinge aufnehmen muss, z.B. 10.000 Euro pro Einwohner. Auch die Arbeitslosigkeit wird bei dieser Quote berücksichtigt (Beispielrechner für eine faire Flüchtlingsquote). Polen müsste nach diesem Verteilungsschlüssel nur 0,38% der Flüchtlinge aufnehmen.

        Insgesamt bin ich im Moment aber sowieso wieder etwas weg von einer Quotenlösung und eher bei einer Art Entschädigungszahlung aus einem gemeinsam finanzierten Topf.

        Aufnahme von Schutzsuchenden in Osteuropa:

        Ich kann deine Intention absolut nachvollziehen, aber ich sehe kaum Chancen, Polen oder Ungarn, oder auch Dänemark oder Großbritannien zur Aufnahme größerer Kontingente von Schutzsuchenden per Quote zu bewegen. Meine Befürchtung ist daher, wenn daran festgehalten wird, dass auch diese Länder bei der Flüchtlingsaufnahme mitmachen, dann wird der erste Flüchtling an dem Tag aufgenommen, an dem die erste Finanztransaktion einer europaweiten Steuer unterliegt – nämlich am Sankt-Nimmerleins-Tag.

        Ich befürworte deshalb zwar den Gedanken, dass möglichst alle dabei sind – nach meiner Quote müsste ja auch Polen ein paar Flüchtlinge aufnehmen – aber ich lehne es ab, wenn sich die starken Länder mit Verweis auf Polen aus der Verantwortung stehlen. Mein Vorschlag wäre daher, nun erst mal die freiwilligen Kontingente zu schaffen, auch ohne Polen oder Ungarn. Gegebenenfalls kann hier der Familiennachzug mit einfließen, um schnell reguläre Wege zu schaffen. Im Anschluss muss natürlich weiterhin ein dauerhafter Mechanismus etabliert werden.

        Vorschlag für eine vorläufiges Flüchtlingskontingent im Rahmen des EU-Türkei-Abkommens

        Unterschiedliche Geschwindigkeiten:

        Meine Vorstellung ist, dass Kerneuropa auch ein Vorreiter und ein Vorbild sein kann, um in anderen Ländern ein Umdenken zu bewirken. Und man bliebe ja weiterhin auf Basis der EU eng miteinander verbunden, das würde sich ja nicht auflösen. Im Gegenteil, ich könnte mir vorstellen, dass das manche Auflösungstendenzen abschwächt und auch die EU insgesamt neue Kraft schöpft.

        Umverteilung von Schutzsuchenden:

        Momentan bin ich eher weg von Quoten, weil ich es ganz gut fände, wenn sich jene, die z.B. Anspruch auf politisches Asyl haben, so wie es unser GG kennt, sich das Schutzland selbst raussuchen dürfen. Das führt dann aber dazu, dass natürlich nicht eine Quote entscheidet, ob ein solcher Schutzsuchender nach Deutschland oder Polen geht, sondern der Schutzsuchende selbst.

        Was Bürgerkrieg und Ähnliches anbelangt, bin ich hingegen eher bei Gerd Müller (CSU), der jüngst einen eigenen EU-Flüchtlingskommissar und schon lange die Verbesserung der Flüchtlingsversorgung vor Ort gefordert hat. In diesem Rahmen könnten dann zwar auch Kontingente geschaffen werden, aber diese können auch je nach Situation ausgestaltet werden.

        • Felix Thoma ist dafür
          +1

          Hallo MisterEde,

          aus den gleichen Gründen würde ich auch den gemeinsamen Schutz der Schengen-Außengrenzen durch eine europäische Organisation wie Frontex befürworten und halte eine Backup-Lösung für eher unpraktikabel. Allerdings sollte sich der gemeinsame Grenzschutz nicht nur auf Kerneuropa beschränken, weil das den heutigen Flickenteppich eher noch verstärkt, zumal die an Kerneuropa beteiligten Länder vielleicht nicht einmal einen zusammenhängenden Raum bilden. Was soll überhaupt ein gemeinsamer Grenzschutz bringen, wenn viele Länder mit relevanten Schengen-Außengrenzen gar nicht daran beteiligt sind?

          Eine Mithilfe anderer Industrieländer wäre durchaus wünschenswert. Eine Aufnahme von Flüchtlingen durch Japan ist aber wegen der kulturellen Isolation des Inselstaates noch viel unwahrscheinlicher als eine Beteiligung von Polen und Ungarn!

          Ich stimme dir absolut zu, dass es im Moment aussichtslos ist, auf eine Bereitschaft der ostmitteleuropäischen Länder zur dauerhaften Aufnahme von (muslimischen) Flüchtlingen zu warten. Daraus lässt sich aber noch nicht ableiten, dass diese Länder auch diesen Vorschlag für eine temporäre Verteilung ablehnen würden! Eine genauere Betrachtung der Zitate aus den Visegrád-Staaten ergibt nämlich, dass ihre Politiker in erster Linie vermeiden wollen, dass ihre Länder heute unfreiwillig zur kurzfristigen Aufnahme von Flüchtlingen gezwungen werden, die aber langfristig in ihrem Land verbleiben würden und welche wie bereits die bisherigen Einwanderer in Westeuropa schwer zu integrieren seien - was in Wirklichkeit natürlich nur auf einen kleinen Teil zutrifft! Mit einer nachträglichen Umverteilung der noch nicht in das Arbeitsleben integrierten Flüchtlinge wären also die Argumente der Visegrád-Staaten weitgehend entkräftet, sie müssten sich also zwischen einer kompletten Abkehr von europäischen (und ganz besonders auch christlichen) Werten und einer begrenzten Mithilfe bei der Lösung der Flüchtlingskrise entscheiden!

          Wenn solche ideologischen Debatten innerhalb der EU in den Hintergrund treten, kann auch mehr Augenmerk auf die überwiegende Mehrheit der Mitgliedstaaten gelegt werden, die eine sehr unklare Position zwischen Deutschland auf der einen Seite und den Visegrád-Staaten auf der anderen Seite beziehen. In manchen der osteuropäischen EU-Mitgliedsländer regieren eher proeuropäische Politiker, z.B. in Rumänien und im Baltikum.

          Die kurzfristige Aufnahmefähigkeit ist eher proportional zur Bevölkerungszahl, während das langfristige Integrationspotenzial stärker von der Wirtschaftsleistung und von der Arbeitslosenquote abhängig ist. Dass Luxemburg nach deiner Quote mehr Flüchtlinge als Polen aufnehmen würde, halte ich also nicht nur für unfair, sondern entspicht auch nicht den Möglichkeiten dieser Länder, einen Beitrag zu einer kurzfristigen Lösung dieser humanitären Krise zu leisten. Mit den hohen EU-Subventionen vor allem für periphere Regionen und der besonders für zentrale Länder unverzichtbaren Mitgliedschaft im Schengen-Raum bestehen starke Druckmittel, damit sich alle Mitglieder an einer europäischen Lösung beteiligen.

          Dass sich im engeren Sinne politische Asylbewerber ihr Schutzland aussuchen kann, fände ich persönlich auch besser, allerdings ist das vor allem eine Frage der Größenordnung. Wie hoch ist eigentlich der Anteil derjenigen Flüchtlinge, die einen Anspruch auf politisches Asyl haben, unter allen Schutzsuchenden in Deutschland?

          • Hallo Felix,

            Außengrenze:

            Nachdem Norwegen oder die Schweiz als nicht EU-Länder in Schengen sind bzw. Bulgarien und Rumänien als EU-Mitglieder nicht dabei, ist das mit dem Flickenteppich aber automatisch gegeben, auch z.B. bei deinem EU-weiten Lösungsansatz. Griechenland ist ja nun mal so eine Art Schengen-Insel.

            Außerdem geht es mir bei der Frage der Grenzsicherung ja nicht darum, dass Frontex 500 Mann/Frau mehr bekommen soll, sondern um die Hoheit über die Außengrenzen. Einen EU-weiten „echten“ Grenzschutz, bei dem die Kompetenz von den Nationalstaaten auf die EU übergeht, möchte ich deshalb nur, wenn es eine gemeinsame Verfassung gibt und nicht der eine Grenzschützer dem GG verpflichtet ist und der nächste der französischen Verfassung. Ich präferiere also wie du einen EU-weiten Grenzschutz, nur sehe ich das unter dieser Bedingung so nicht kommen. Und in der aktuellen EU-Gestaltung will wiederum ich keine weiteren Kompetenzen an die EU übertragen.

            Deshalb eben der Gedanke, dafür in einem inneren Kreis voranzugehen und dort dann die Kontrolle der Außengrenzen, also mindestens der Flughäfen, gemeinsam zu regeln. Ein weiteres Argument dafür: Der Aufbau gemeinsamer operativer Einheiten, z.B. auf Basis der Arbeitssprache Englisch, hat auch Hürden, denn es braucht ja auch immer noch Leute, die daneben auch die jeweilige Landessprache sprechen. Insofern würde ich auch innerhalb eines Kerneuropas bei vorhandener Verfassung den Schutz der Außengrenzen nur langsam mit der Zeit von einer auf die andere Ebene verlagern, z.B. bei den Flughäfen beginnend.

            Schutzsuchende:

            Eine Aufnahme von Flüchtlingen durch Japan ist aber wegen der kulturellen Isolation des Inselstaates noch viel unwahrscheinlicher als eine Beteiligung von Polen und Ungarn!

            Ich vergleiche ja aber gerade nicht die EU-Mitglieder Polen und Ungarn mit Japan oder den USA. Sie sind Teil der EU und deshalb vergleiche ich sie z.B. mit Deutschland oder den Niederlanden. Und dann sehe ich eben nicht Ungarn oder Polen in einer besonderen Pflicht, sondern die starken EU-Länder. Wenn es aber gelingt, z.B. Polen mit deinem Konzept für die zeitweilige Unterbringung von Schutzsuchenden zu gewinnen, fände ich das sehr erfreulich, so wie auch das freiwillige Angebot aus Portugal.

            Dass Luxemburg nach deiner Quote mehr Flüchtlinge als Polen aufnehmen würde, halte ich also nicht nur für unfair, sondern entspicht auch nicht den Möglichkeiten dieser Länder, einen Beitrag zu einer kurzfristigen Lösung dieser humanitären Krise zu leisten.

            Selbst wenn 1.000.000 Schutzsuchende nach meiner Quote verteilt würden, müsste Luxemburg davon nur rund 6.700 aufnehmen, was einem Flüchtling je 80 Einwohner entspricht. Polen oder auch Spanien müssten allerdings tatsächlich wegen niedrigem BIP bzw. hoher Arbeitslosigkeit noch weniger aufnehmen. Aber nun aus der niedrigen Belastung Polens auf eine Überlastung Luxemburgs zu schließen, finde ich dann doch unpassend. Zumal ich die Aufnahmekapazität sogar extra mit dem Parameter „Leistungsdeckelung“ in der Formel berücksichtigt habe. Einfach den Parameter weiter absenken, dann bekommt Luxemburg sogar noch ein gutes Stück weniger Flüchtlinge zugewiesen.

            Asyl:

            Wie hoch ist eigentlich der Anteil derjenigen Flüchtlinge, die einen Anspruch auf politisches Asyl haben, unter allen Schutzsuchenden in Deutschland?

            Das sind nur wenige Prozent, aber eben genau jene, für die unser Grundgesetz aus guten Gründen einen besonderen Schutz vorsieht. Die Übertragung dieses Schutzes im Rahmen der EU-Flüchtlingspolitik auf die europäische Ebene wäre aus meiner Sicht daher zu begrüßen.

            • Felix Thoma ist dafür
              +1

              Hallo MisterEde,

              Einen EU-weiten „echten“ Grenzschutz, bei dem die Kompetenz von den Nationalstaaten auf die EU übergeht, möchte ich deshalb nur, wenn es eine gemeinsame Verfassung gibt und nicht der eine Grenzschützer dem GG verpflichtet ist und der nächste der französischen Verfassung.

              Ich bin kein Jurist und kann daher nicht einschätzen, wie wichtig eine gemeinsame Verfassung dafür ist.

              Insofern würde ich auch innerhalb eines Kerneuropas bei vorhandener Verfassung den Schutz der Außengrenzen nur langsam mit der Zeit von einer auf die andere Ebene verlagern, z.B. bei den Flughäfen beginnend.

              Die Flughäfen sind sicherlich zum Testen sinnvoll, spielen aber in der Flüchtlingskrise kaum eine Rolle. Wenn Italien zu Kerneuropa zählt, wäre die Seegrenze im Mittelmeer das erste relevante Einsatzgebiet. Hier gibt es ja bereits die (sehr umstrittene) Frontex-Mission.

              Aber nun aus der niedrigen Belastung Polens auf eine Überlastung Luxemburgs zu schließen, finde ich dann doch unpassend.

              Ich meinte auch eher eine Unterforderung Polens als eine Überforderung Luxemburgs, die bei 6.700 Flüchtlingen vermutlich noch nicht eintritt. Das Ziel ist aber eine skalierbare Verteilung, die auch bei einer möglichst hohen Gesamtzahl von Flüchtlingen noch praktikabel ist. Ich habe zwar in Eckpunkt 5 von Kontingenten gesprochen - aus juristischen Gründen sollte aber möglichst auf jegliche Obergrenzen verzichtet werden können. Das erfordert jedoch einen gewissen Rückgang der Flüchtlingszahlen, der sich am besten mit einer möglichst gleichmäßigen Verteilung über die Mitgliedsstaaten der EU erreichen lässt - wegen zwei Effekten:

              • Absolut sinkt die Nachfrage nach dem Asylstatus in der EU, weil durch eine zufällige Zuweisung keine Sicherheit besteht, in Deutschland oder anderen beliebten Ländern aufgenommen zu werden.

              • Relativ verringert sich der Anteil der Asylbewerber in Deutschland und den anderen bislang am meisten belasteten Ländern.

              Als gerechte Quote stelle ich mir die Anteile der Länder am Bruttonationaleinkommen der EU vor (für die entsprechende Statistik aus dem Jahre 2013 zum Bruttoinlandsprodukt siehe http://de.statista.com/statistik/daten/studie/347262/umfrage/anteile-der-laender-am-bruttoinlandsprodukt-bip-in-eu-und-euro-zone/), das (ceterus paribus) proportional zur Einwohnerzahl und zum Pro-Kopf-Einkommen ist. Danach würde Deutschland etwa 7-mal so viele Flüchtlinge aufnehmen wie Polen und Polen etwa 9-mal so viele Flüchtlinge wie Luxemburg.

              Nur zum Vergleich: Deutschland hat etwa 2-mal so viele Einwohner wie Polen und Polen hat etwa 68-mal so viele Einwohner wie Luxemburg!

              Das sind nur wenige Prozent, aber eben genau jene, für die unser Grundgesetz aus guten Gründen einen besonderen Schutz vorsieht.

              Wenn politisches Asyl im engeren Sinne nur in seltenen und juristisch klar abgrenzbaren Fällen gewährt wird, halte ich eine freie Wahl eines Aufnahmelandes ebenfalls für möglich und wünschenswert!

              • Hallo Felix,

                im Ziel sind wir glaube ich nicht so weit auseinander, aber beim Weg dorthin doch schon.

                Aufbau eines gemeinsamen Grenzschutzes:

                Auch wenn ein wie auch immer geartetes Kerneuropa eine EU- oder Schengen-Außengrenze beinhaltet, bevorzuge ich einen kontinuierlichen Aufbau eines gemeinsamen Grenzschutzes, statt einer einmaligen Hauruckaktion. Wie zuvor geschrieben halte ich aber auch eine Grenzsicherung mit Rückführungsabkommen für den besseren Weg als eine robuste Grenzsicherung.

                Gerechte Verteilung:

                Als gerechte Quote stelle ich mir das Bruttonationaleinkommen vor, das (ceterus paribus) proportional zur Einwohnerzahl und zum Pro-Kopf-Einkommen ist. Danach würde Deutschland etwa 7-mal so viele Flüchtlinge aufnehmen wie Polen und Polen etwa 9-mal so viele Flüchtlinge wie Luxemburg.

                Da bin ich eben der Auffassung, dass das die die Leistungsfähigkeit viel zu wenig berücksichtigt. Polen und Co. sollten meines Erachtens erst mal schauen, dass sie den Lebensstandard für die eigene Bevölkerung an den europäischen Durchschnitt angepasst bekommen. Dabei sollten wir Ihnen helfen, anstatt sie mit Flüchtlingszuweisungen zu überfordern.

                Politisches Asyl:

                Zum einen sind das nur geringe Fallzahlen, wenn ich es richtig sehe 2016 bislang ca. 0,5% der bewilligten Anträge in Deutschland, zum anderen kann ich nur noch einmal betonen, dass sich Deutschland aufgrund seiner Vergangenheit in besonderem Maße dem Schutz dieser Personengruppe verpflichtet sehen sollte. Es ist eben nochmal ein gewaltiger Unterschied, ob du in einem Staat unter allgemein schlechten Lebensbedingungen lebst oder ob dich dein Staat verfolgt, unterdrückt und deiner Würde, deiner körperlichen Unversehrtheit oder deines Lebens beraubt.

                Deshalb ist meine Forderung an diesem Punkt ganz klar: Deutschland darf sich seiner Verantwortung nicht an den EU-Außengrenzen entledigen.

                Polen als Abschreckung:

                Polen und ähnlichen Ländern Flüchtlinge zuzuweisen, um Flüchtlingen die Schutzsuche in der EU zu vermiesen, halte ich ehrlich gesagt nicht für den richtigen Ansatz, um unserer Verantwortung für Schutzsuchende gerecht zu werden. Flüchtlinge sollten in jenen Ländern aufgenommen werden, in denen sie auch eine echte perspektive haben, falls eine Rückkehr in die Heimat nicht möglich.

                • Felix Thoma ist dafür
                  +2

                  Hallo MisterEde,

                  wir sind uns in manchen Punkten schon einig.

                  Auch wenn ein wie auch immer geartetes Kerneuropa eine EU- oder Schengen-Außengrenze beinhaltet, bevorzuge ich einen kontinuierlichen Aufbau eines gemeinsamen Grenzschutzes, statt einer einmaligen Hauruckaktion. Wie zuvor geschrieben halte ich aber auch eine Grenzsicherung mit Rückführungsabkommen für den besseren Weg als eine robuste Grenzsicherung.

                  Konsens. Ich verstehe die in Eckpunkt 1 genannte Grenzsicherung eher abstrakt: Niemand soll ohne Erlaubnis in den Schengen-Raum einreisen können. Das kann an Landgrenzen überschaubarer Länge (z.B. der europäisch-türkischen Landgrenze) durch eine bauliche Grenzsicherung, insbesondere an Seegrenzen aber nur durch Rückführungsabkommen ohne Pushbacks völkerrechtskonform sichergestellt werden.

                  Da bin ich eben der Auffassung, dass das die die Leistungsfähigkeit viel zu wenig berücksichtigt. Polen und Co. sollten meines Erachtens erst mal schauen, dass sie den Lebensstandard für die eigene Bevölkerung an den europäischen Durchschnitt angepasst bekommen. Dabei sollten wir Ihnen helfen, anstatt sie mit Flüchtlingszuweisungen zu überfordern.

                  Laut der offiziellen Statistik zur Kaufkraft in den EU-Mitgliedsstaaten (http://ec.europa.eu/eurostat/tgm/table.do?tab=table&init=1&language=de&pcode=tec00114&plugin=1) hat Polen in den letzten Jahren schon stark aufgeholt und liegt zwischen Griechenland und der Türkei, die beide derzeit viel mehr Flüchtlinge beherbergen. Andere ostmitteleuropäische Staaten stehen zum Teil noch besser da, aber Osteuropa wird es ähnlich wie Ostdeutschland aus strukturellen Gründen auch langfristig noch schwerfallen, den selben Wohlstand wie Westdeutschland und Westeuropa zu erreichen, was vielleicht auch die große Enttäuschung über die Europäische Union erklärt.

                  Eine Aufnahme einer verglichen mit Deutschland geringen Anzahl von Flüchtlingen in den östlichen Mitgliedsstaaten der EU würde zwar soziokulturelle, aber kaum sozialpolitische Konflikte bewirken, weil aufgrund der Auswanderung nach Westeuropa eigentlich genug Wohnraum und Arbeitsplätze vorhanden sind. Vermutlich profitiert die Wirtschaft sogar kurzfristig durch einen erhöhten Konsum und langfristig durch zugewanderte Fachkräfte. Umgekehrt würde eine dauerhaft hohe Einwanderung nach Deutschland dessen wirtschaftlichen Vorsprung innerhalb Europas eher noch zusätzlich vergrößern.

                  Zum einen sind das nur geringe Fallzahlen, wenn ich es richtig sehe 2016 bislang ca. 0,5% der bewilligten Anträge in Deutschland, zum anderen kann ich nur noch einmal betonen, dass sich Deutschland aufgrund seiner Vergangenheit in besonderem Maße dem Schutz dieser Personengruppe verpflichtet sehen sollte. Es ist eben nochmal ein gewaltiger Unterschied, ob du in einem Staat unter allgemein schlechten Lebensbedingungen lebst oder ob dich dein Staat verfolgt, unterdrückt und deiner Würde, deiner körperlichen Unversehrtheit oder deines Lebens beraubt.

                  Konsens.

                  Deshalb ist meine Forderung an diesem Punkt ganz klar: Deutschland darf sich seiner Verantwortung nicht an den EU-Außengrenzen entledigen.

                  Das sehe ich ähnlich. Aber wieso hat die deutsche Regierung dann nicht bereits vor dem EU-Türkei-Deal die Balkan-Route aufgelöst, indem es alle Flüchtlinge von den griechischen Inseln mit dem Flugzeug direkt nach Deutschland transportiert? Die folgende Erklärung halte ich für plausibel, auch wenn sie dem Bild der humanitären Bundesrepublik deutlich widerspricht: Eine unkomplizierte Einreise hätte noch mehr Menschen zur Flucht nach Deutschland ermuntert! Das bedeutet aber, dass wir bei einer direkten Aufnahme nach Deutschland ohne Obergrenzen sofort wieder mindestens so hohe Flüchtlingszahlen wie Ende 2015 erreichen würden. Das wäre ein weiteres Jahr lang aber vielleicht nicht mehr verkraftbar. Wenn bei einer direkten Aufnahme auf eine Obergrenze verzichtet werden soll, braucht es also stattdessen gewisse Push-Faktoren und vor allem eine faire Verteilung, um hierzulande geringere Flüchtlingszahlen als im letzten Jahr zu erreichen:

                  Polen und ähnlichen Ländern Flüchtlinge zuzuweisen, um Flüchtlingen die Schutzsuche in der EU zu vermiesen, halte ich ehrlich gesagt nicht für den richtigen Ansatz, um unserer Verantwortung für Schutzsuchende gerecht zu werden.

                  "Schutzsuche vermiesen"? Sicher sind Flüchtlinge in allen Mitgliedsländern der EU! Polen ist aktuell vielleicht sogar sicherer als Frankreich und Belgien mit ihren großen Integrationsproblemen. Im Vergleich zu ihrer Heimat ist der Lebensstandard auch in den neuen Mitgliedsstaaten so hoch, dass die meisten Flüchtlinge wohl keinen Unterschied spüren würden, wenn die sozialen Leistungen für Asylberechtigte angeglichen werden. Nur die hohen Sozialstandards und der damit verbundene gute Ruf von Deutschland und Schweden können die bislang dermaßen ungleichmäßige Verteilung der Asylbewerber über die EU-Mitgliedsstaaten erklären. Auch kleinere Länder wie Luxemburg sind oft nur deshalb keine Option, weil die Flüchtlinge sie gar nicht kennen. Wenn Flüchtlinge nicht nach Deutschland zugewiesen werden, entspricht das vielleicht nicht den Erwartungen, muss aber keine schlechte Sache sein!

                  Gegenüber den auf Deutschland fokussierten Lösungen bringt dieser Ansatz tatsächlich vor allem denjenigen Flüchtlingen Vorteile, die möglichst nur vorübergehend Schutz in Europa suchen und nach dem Krieg in ihre Heimat zurückkehren wollen, denn sie profitieren von den potenziell unbeschränkten Kontingenten und das zugewiesene Aufnahmeland ist für sie von geringerer Bedeutung. Den Flüchtlingen, die dauerhaft in Deutschland bleiben wollen, wird dieser Wunsch zwar nicht garantiert, aber auch nicht grundsätzlich verwehrt. Sie müssen sich vielleicht zunächst in einem anderen europäischen Land gedulden, können sich aber durch gute Sprach- und Berufskenntnisse in Deutschland qualifizieren. Dadurch kann die Zuwanderung nach Deutschland etwas abgebremst und somit besser gesteuert werden, ohne sie gleich auszubremsen.

                  Flüchtlinge sollten in jenen Ländern aufgenommen werden, in denen sie auch eine echte perspektive haben, falls eine Rückkehr in die Heimat nicht möglich.

                  Wegen der ungewissen Zukunft in den Fluchtländern kann es gar kein sinnvolles Konzept geben, das für jeden Flüchtling bereits heute endgültig bestimmt, in welcher Menge von Ländern (in Deutschland, einem anderem europäischen Land oder im Heimatland) er eine Bleibeperspektive hat. Mit der nachträglichen Umverteilung kann aber möglichst vielen Flüchtlingen ein dauerhafter Aufenthalt in irgendeinem (aber heute noch nicht festgelegten) Staat garantiert werden!

                  • Hallo Felix,

                    du hast schon recht, dass wir in Bezug auf die Grenzsicherung kaum auseinander sind. Was dein Konzept zur Verteilung von Flüchtlingen anbelangt, finde ich zwar einige Punkte gut, es gibt aber auch einzelne Punkte, wie die Einschätzung der Leistungsfähigkeit einzelner Länder, mit denen ich mich nicht so recht anfreunden kann.

                    Außengrenzen:

                    So wie du es im ersten Absatz beschreibst, kann ich das komplett unterschreiben. Positiv daran ist außerdem, dass solche Rückführungsabkommen nicht nur Regelungen zur Rückführungen umfassen, sondern die EU auch ihrerseits sicherstellen muss, dass der Flüchtlingsschutz in den Zielländern gewährleistet ist.

                    insbesondere an Seegrenzen aber nur durch Rückführungsabkommen ohne Pushbacks völkerrechtskonform sichergestellt werden

                    Auch da bin ich ganz bei dir. Wichtig ist mir eben, dass einer der tödlichen Widersprüche der EU-Flüchtlingspolitik abgeschafft wird. Mir Rückführungsabkommen wäre das gewährleistet.

                    Verteilung:

                    Wenn man die Bilder von Idomeni oder den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln sieht, dann ist das für mich Überforderung pur. Und das, obwohl sogar bei der Kaufkraftparität (ich mag diesen Vergleichswert nicht so sehr) Griechenland ein Stück vor Polen liegt.

                    Außerdem betrachte ich die Flüchtlingsversorgung eben als gesamteuropäische Aufgabe, weshalb ich Polen nicht mit der Türkei, sondern mit Deutschland, Österreich oder den Niederlanden vergleiche und nur die EU insgesamt mit der Türkei. Und gerade wenn du die Zahl der Flüchtlinge im reichen Deutschland senken willst, widerspricht es meinem Gerechtigkeitsempfinden, dann vom armen Polen einen großen Beitrag einzufordern.

                    Politisches Asyl:

                    Auch wenn es bei anderen Ausführungsregelungen zu höheren Anerkennungszahlen, z.B. 5%, käme, würde ich das nicht aufgeben wollen. Insgesamt lehne ich in diesem Bereich jegliche Obergrenze und jegliche Zwangszuteilung in der EU ab. Auch Einschränkungen des Aufenthaltsrechtes nach Ende einer Krisensituation in einem Herkunftsland halte ich in diesen Fällen nicht für angebracht.

                    Flüchtlingsschutz:

                    Damit Rückführungen in die Nachbarländer der EU rechtlich zulässig sind, muss der allgemeine Flüchtlingsschutz dort auch gewährleistet sein. Und wenn die EU ihren Verpflichtungen diesbezüglich nachkommt, z.B. mit einem eigenen Flüchtlingskommissar und gut ausgestattetem EU-Flüchtlingshilfswerk, wäre das für mich ein großer Schritt. Entsprechend würde ich den Flüchtlingsschutz in der EU dann aber auf jene beschränken, die ein besonderes Schutzbedürfnis (Waisen, Verwundete, Traumatisierte) haben oder die unter das politische Asyl fallen. Eine Prüfung hierzu müsste in einem von der EU geführten rechtsstaatlichen Verfahren vor Ort, z.B. in der Türkei, stattfinden. In diesem Fall gibt es dann aber auch weder Push- noch Pull-Faktoren, sondern ein rechtsstaatliches Verfahren. Insofern sollen sich die Schutzberechtigten dann einfach raussuchen in welches Land sie wollen und das Land soll dann aus einer Gemeinschaftskasse eine Entschädigung erhalten.

                    • Felix Thoma ist dafür
                      +1

                      Hallo MisterEde,

                      bei den Außengrenzen sind wir uns einig. Ich habe im Originaltext den Eckpunkt 1 präzisiert, weil es mir weniger um die Sicherung als um die Kontrolle der Außengrenze geht. Außerdem stimme ich dir zu, dass politisches Asyl im engeren Sinne nicht von festen Quoten abhängig sein sollte. Ich werde nicht mehr darauf eingehen, damit sich diese Diskussion nicht im Kreis bewegt.

                      Wenn man die Bilder von Idomeni oder den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln sieht, dann ist das für mich Überforderung pur. Und das, obwohl sogar bei der Kaufkraftparität (ich mag diesen Vergleichswert nicht so sehr) Griechenland ein Stück vor Polen liegt.

                      Ich habe die Kaufkraft und das BNE als einfaches Beispiel zur Quantifizierung der Wirtschaftskraft gewählt. Viel relevanter für die Integration von Flüchtlingen erscheint mir aber der Anteil der Beschäftigten in der Landwirtschaft und der Industrie (http://de.statista.com/statistik/daten/studie/249086/umfrage/erwerbstaetige-nach-wirtschaftssektoren-in-den-eu-laendern/): Im Dienstleistungssektor und insbesondere im darunter gezählten Informationssektor bestehen oft große sprachliche Hindernisse für die Beschäftigung von Flüchtlingen. In den ehemaligen "Arbeiter- und Bauernstaaten" des Ostblocks ist der Anteil des ersten und zweiten Sektors bis heute höher als in deindustrialisierten westeuropäischen Ländern wie Frankreich oder Großbritannien!

                      Natürlich bemisst sich die Aufnahmefähigkeit eines Landes nicht nur dessen ökonomischer Leistungsfähigkeit. Die Aufnahme, Versorgung und Integration von Flüchtlingen erfordert einen effizienten Staat. Griechenland und im geringerem Maße Italien sind aber für einen ineffizienten Staat bekannt, der auch zur Staatsschulden- und Wirtschaftskrise führte. Damals standen die ostmitteleuropäischen Länder sogar noch an der Seite Deutschlands! Die Demokratiedefizite der osteuropäischen Länder erklären sich eher durch einen zu "starken" als einen zu "schwachen" Staat.

                      Die Szenen in Griechenland entstanden durch die unangekündigte und ungeordnete Ankunft von Flüchtlingen in der Grenzregion bzw. durch die Schließung der mazedonischen Grenze bei Idomeni und treten bei einer festgelegten Verteilung und einer geordneten Aufnahme erst gar nicht auf!

                      Außerdem betrachte ich die Flüchtlingsversorgung eben als gesamteuropäische Aufgabe, weshalb ich Polen nicht mit der Türkei, sondern mit Deutschland, Österreich oder den Niederlanden vergleiche und nur die EU insgesamt mit der Türkei. Und gerade wenn du die Zahl der Flüchtlinge im reichen Deutschland senken willst, widerspricht es meinem Gerechtigkeitsempfinden, dann vom armen Polen einen großen Beitrag einzufordern.

                      Nach der BNE-Quote würde Polen 3% der neu ankommenden Flüchtlinge aufnehmen, genauso viel wie das jetzt schon überlastete Schweden mit einem Viertel der Einwohner Polens. Darin sehe ich keinen zu "großen Beitrag". Ich würde trotz der verbleibenden wirtschaftlichen Unterschiede auch nicht vom "armen Polen" sprechen. Ein Flüchtling aus der Türkei wird in Polen wirtschaftlich sogar besser gestellt, nur dazu dient der Vergleich beider Länder. Den Flüchtlingsschutz verstehe ich auch als gesamteuropäische Aufgabe, aber für mich bedeutet das, dass sich eine große Mehrheit der EU-Mitglieder wirklich aktiv daran beteiligt!

                      Damit Rückführungen in die Nachbarländer der EU rechtlich zulässig sind, muss der allgemeine Flüchtlingsschutz dort auch gewährleistet sein. Und wenn die EU ihren Verpflichtungen diesbezüglich nachkommt, z.B. mit einem eigenen Flüchtlingskommissar und gut ausgestattetem EU-Flüchtlingshilfswerk, wäre das für mich ein großer Schritt.

                      Ich würde das auch als großen Schritt werten.

                      Entsprechend würde ich den Flüchtlingsschutz in der EU dann aber auf jene beschränken, die ein besonderes Schutzbedürfnis (Waisen, Verwundete, Traumatisierte) haben oder die unter das politische Asyl fallen. Eine Prüfung hierzu müsste in einem von der EU geführten rechtsstaatlichen Verfahren vor Ort, z.B. in der Türkei, stattfinden. In diesem Fall gibt es dann aber auch weder Push- noch Pull-Faktoren, sondern ein rechtsstaatliches Verfahren. Insofern sollen sich die Schutzberechtigten dann einfach raussuchen in welches Land sie wollen und das Land soll dann aus einer Gemeinschaftskasse eine Entschädigung erhalten.

                      Du willst also nach Sicherstellung des Flüchtlingsschutzes in außereuropäischen Ländern durch ein europäisches Flüchtlingshilfswerk nur noch Menschen mit besonderem Schutzbedürfnis aufnehmen? Ich würde im Sinne einer fairen Lastenteilung auch zwischen den außereuropäischen und den europäischen Staaten nicht ganz so weit gehen. Ähnlich wie beim politischen Asyl im engeren Sinne kann ich mir aber vorstellen, dass den von dir genannten Personengruppen ein gewisser Vorrang bei der Aufnahme und der Verteilung oder gar eine freie Wahl des Aufnahmelandes eingeräumt wird.

                      • Hallo Felix,

                        Das sehe ich ähnlich. Bei den Außengrenzen und so formuliert auch beim politischen Asyl sind wir beieinander.

                        Eine 3% Quote für Polen halte ich für vertretbar. Das Problem, bei den Nationaleinkommen ist, dass z.B. bei Spanien die hohe Arbeitslosigkeit unberücksichtigt bleibt. Wenn du bei meinem Flüchtlingsquoten-Rechner den „BIP-Freibetrag“ auf 5.000 reduzierst (kannst ja ausprobieren), kommt Polen auf eine Quote von 2,46%. Allerdings bekommen Länder mit einer hohen Arbeitslosigkeit weiterhin deutlich weniger Flüchtlinge zugewiesen als Länder mit niedriger Arbeitslosigkeit (z.B. Spanien u. Griechenland 0%, Niederlande 7,99%, Deutschland 43,81%).

                        Die Szenen in Griechenland entstanden durch die unangekündigte und ungeordnete Ankunft von Flüchtlingen in der Grenzregion bzw. durch die Schließung der mazedonischen Grenze bei Idomeni und treten bei einer festgelegten Verteilung und einer geordneten Aufnahme erst gar nicht auf!

                        Klar, dann würde Griechenland ja auch entlastet. Deshalb ist mein Wunsch nur, dabei dann nicht andere Länder zu überlasten. Dein Vorschlag mit Nationaleinkommen ist schon deutlich besser als die EU-Variante, die zur Hälfte einfach auf die Einwohnerzahl eines Landes abstellt. Die Berücksichtigung der Arbeitslosigkeit halte ich allerdings auch für sinnvoll. Das spiegelt zumindest zum Teil die Arbeitsmarktsituation wider, wie bei deinem Ansatz, einzelne Sektoren zu untersuchen.

                        Du willst also nach Sicherstellung des Flüchtlingsschutzes in außereuropäischen Ländern durch ein europäisches Flüchtlingshilfswerk nur noch Menschen mit besonderem Schutzbedürfnis aufnehmen?

                        Das ist so der Kern. Allerdings schlage ich ja auch darüberhinausgehende freiwillige Kontingente vor (z.B. das oben angeführte Kontingent zur Aufnahme von 250.000 Schutzsuchenden z.B. aus der Türkei).

                        Insgesamt ist es aber das, was ich von Anfang an als sinnvoll angesehen habe: Flüchtlingszentren in Verantwortung der EU außerhalb der EU und dort dann die Möglichkeit, um Asyl in der EU zu ersuchen. Nur vor einem Jahr war das alles noch im Bereich der Utopie.

                        Sofern also das politische Asyl gewährleistet ist, und zwar schon bevor jemand die EU betritt, und daneben der allgemeine Flüchtlingsschutz außerhalb der EU durch die EU sichergestellt ist (auch z.B. durch die Bereitstellung zusätzlicher Kontingente), wäre ich mit der EU-Flüchtlingspolitik zufrieden.

                        Ausblick:
                        Vermutlich werden aber zusätzliche Kontingente und die Gewährleistung des politischen Asyls unter den Tisch fallen. Viele EU-Mitgliedsstaaten haben kein Interesse an Kontingenten und die Türkei hat verständlicherweise andere Prioritäten (Visafreiheit, Schutzzone in Syrien). Das Dublin-System wird vermutlich wieder in Kraft gesetzt und Griechenland und Italien bekommen auf Basis vorhandener Beschlüsse Hilfe (Umverteilung). Bei der gemeinsamen Grenzsicherung wird es auch kaum weitergehen, weil man sich auf nationale Rückführungsabkommen verlagert. Die EU wird Libyen ein wenig auf die Beine helfen und Italien unterstützen, mit Libyen ein Rückführungsabkommen abzuschließen. Doch statt das zu thematisieren ist ja in der deutschen Öffentlichkeit nur Erdogan in den Schlagzeilen. Was für ein Glück, dass Merkel versehentlich Böhmermann in die Schusslinie gebracht hat. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

                        Frage an Radio Eriwan: Erhalten Flüchtlinge auch in Zukunft Schutz in der EU?
                        Antwort: Im Prinzip ja, sofern sie außerhalb der EU bleiben.

                        Kerneuropa: Eine wirkliche Weiterentwicklung hin zu einem gemeinsamen Asylsystem oder einem gemeinsamen Grenzschutz halte ich für eine Angelegenheit, die sich wohl nur im Rahmen eines tiefer integrierten Kerneuropas umsetzen lässt. In der aktuellen EU-Gestaltung überlagen die Interessen der einzelnen Nationalstaaten einfach zu schnell die Auseinandersetzung mit gemeinsamen Herausforderungen.

                        • Felix Thoma ist dafür
                          +2

                          Hallo MisterEde!

                          Dein Vorschlag mit Nationaleinkommen ist schon deutlich besser als die EU-Variante, die zur Hälfte einfach auf die Einwohnerzahl eines Landes abstellt. Die Berücksichtigung der Arbeitslosigkeit halte ich allerdings auch für sinnvoll. Das spiegelt zumindest zum Teil die Arbeitsmarktsituation wider, wie bei deinem Ansatz, einzelne Sektoren zu untersuchen.

                          Eine praktische Eigenschaft der BNE-Quote liegt darin, dass sie auch auf die Verteilung innerhalb der Staaten anwenden lässt und es für die Verteilung über die EU fast keine Rolle spielt, wie die Grenzen verlaufen. Eine intelligente Quote sollte natürlich auch die Arbeitslosenquote und die Sektoren berücksichtigen. Hier kann aber das Problem auftreten, dass große Staaten wie Spanien wegen einer insgesamt hohen Arbeitslosenquote gar keine Flüchtlinge aufnehmen, obwohl reiche Regionen wie Katalonien durchaus dazu in der Lage wären und Städte wie Barcelona das bereits heute freiwillig tun.

                          Doch statt das zu thematisieren ist ja in der deutschen Öffentlichkeit nur Erdogan in den Schlagzeilen. Was für ein Glück, dass Merkel versehentlich Böhmermann in die Schusslinie gebracht hat. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

                          Böhmermann hat sich vor allem erstmal selbst in die Schlagzeilen gebracht. Merkel hat das durch eine etwas unglückliche Verurteilung noch zugespitzt, aber aus meiner Sicht letztendlich richtig entschieden. Aber genau wie du schreibst, es wird viel zu viel über Böhmermann als über die echten Probleme diskutiert. Kehren wir also zurück zur Asylkrise!

                          Vermutlich werden aber zusätzliche Kontingente und die Gewährleistung des politischen Asyls unter den Tisch fallen. Viele EU-Mitgliedsstaaten haben kein Interesse an Kontingenten und die Türkei hat verständlicherweise andere Prioritäten (Visafreiheit, Schutzzone in Syrien).

                          Leider haben viele EU-Länder kein großes Interesse an Kontingenten, vor allem wenn die Flüchtlinge gerade nicht vor ihrer eigenen Haustür stehen. Die Türkei hat aber ein relativ kontinuierliches Interesse an der Aufnahme von Flüchtlingen durch die EU, auch wenn vielleicht die Prioritäten derzeit woanders liegen.

                          Das Dublin-System wird vermutlich wieder in Kraft gesetzt und Griechenland und Italien bekommen auf Basis vorhandener Beschlüsse Hilfe (Umverteilung). Bei der gemeinsamen Grenzsicherung wird es auch kaum weitergehen, weil man sich auf nationale Rückführungsabkommen verlagert. Die EU wird Libyen ein wenig auf die Beine helfen und Italien unterstützen, mit Libyen ein Rückführungsabkommen abzuschließen.

                          In Griechenland ist das Dublin-System faktisch wieder in Kraft, denn die Flüchtlinge können entweder in Griechenland Asyl beantragen oder müssen in in die Türkei zurückkehren. Außerdem ist eine Weiterreise nach Mitteleuropa aufgrund der geschlossenen mazedonischen Grenze fast unmöglich. Die Umsiedlung (Relocation) war aber trotz europäischer Beschlüsse bislang nicht erfolgreich!

                          Ich glaube allerdings nicht an eine Rückkehr zum Dublin-Abkommen in Italien und auch nicht an einen EU-Libyen-Deal! Eine Rückführung von Flüchtlingen nach Libyen ist aufgrund des Bürgerkriegs unmöglich und das Land wird auch lange nach Ende des Krieges die humanitären Standards nicht erfüllen können. Rückführungen in die Heimatländer wären nur bei wenigen Ländern möglich (z.B. bei Ghana, Senegal und den drei Maghrebstaaten), nicht aber in den Ländern mit dem schlechtesten Lebensstandard (z.B. Südsudan, Eritrea, Somalia). Außerdem liegt die italienische Grenze mitten in der EU und wird sich trotz der etwas hilflosen Versuche am Brenner nicht abdichten lassen. Flüchtlingslager in Italien sind daher keine Alternative.

                          Eine wirkliche Weiterentwicklung hin zu einem gemeinsamen Asylsystem oder einem gemeinsamen Grenzschutz halte ich für eine Angelegenheit, die sich wohl nur im Rahmen eines tiefer integrierten Kerneuropas umsetzen lässt. In der aktuellen EU-Gestaltung überlagen die Interessen der einzelnen Nationalstaaten einfach zu schnell die Auseinandersetzung mit gemeinsamen Herausforderungen.

                          Hoffentlich setzt sich langfristig die Einsicht durch, dass von einem gemeinsamen Asylsystem alle Länder profitieren, und zwar auch außerhalb von Kerneuropa. Die reguläre Einwanderung bleibt aber wohl noch sehr lange eine Aufgabe der einzelnen Staaten.

                          • Hallo Felix,

                            deinen Gedanken mit dem regionalen Blick finde ich zwar interessant, am Ende aber gar nicht so gut. Hier in Deutschland gibt es ja z.B. eigene Mechanismen zum Ausgleich, z.B. durch den Länderfinanzausgleich oder Leistungen des Bundes oder der Sozialversicherungen. Und dass Spanien keine oder wenige Flüchtlinge aufnehmen muss, weil dort über 20% Arbeitslosigkeit herrscht, ist eben gerade mein Ziel. Und wenn es in manchen Regionen dort besser aussieht, soll das bitte in Spanien intern genutzt werden.

                            Absatz 2, 3 und 5: Konsens

                            Widerspruch zu Absatz 4: Die Rückführungen von Griechenland in die Türkei finden nach meinem Kenntnisstand auf Basis bilateraler Abkommen der beiden Länder statt und sind insoweit kein EU-Recht und auch nicht Bestandteil von Dublin. Umgekehrt ist aber die in Dublin vereinbarte Rückführung von Schutzsuchenden nach Griechenland aus humanitären Gründen nicht möglich. Das Dublin-System funktioniert gerichtlich festgestellt seit grob fünf Jahren nicht mehr und tut das auch heute nicht.

                            Beste Grüße, Mister Ede

                            • Felix Thoma ist dafür
                              +2

                              Hallo MisterEde!

                              Hier in Deutschland gibt es ja z.B. eigene Mechanismen zum Ausgleich, z.B. durch den Länderfinanzausgleich oder Leistungen des Bundes oder der Sozialversicherungen.

                              Das war auch eher eine Idee für Länder ohne "Königsteiner Schlüssel" oder ähnliche Regelungen.

                              Und dass Spanien keine oder wenige Flüchtlinge aufnehmen muss, weil dort über 20% Arbeitslosigkeit herrscht, ist eben gerade mein Ziel. Und wenn es in manchen Regionen dort besser aussieht, soll das bitte in Spanien intern genutzt werden.

                              Ich denke, dass Spanien temporär durchaus einen Beitrag leisten kann und vielleicht sogar will - für die Wirtschaft bringen Flüchtlinge zusätzliche Nachfrage und die Akademikerarbeitslosigkeit kann auch durch Sprachkurse für Flüchtlinge reduziert werden!

                              Die Quote für Spanien kann etwas höher als 0% liegen, wenn die Flüchtlinge dafür innerhalb Spaniens ungleich verteilt werden.

                              Widerspruch zu Absatz 4: Die Rückführungen von Griechenland in die Türkei finden nach meinem Kenntnisstand auf Basis bilateraler Abkommen der beiden Länder statt und sind insoweit kein EU-Recht und auch nicht Bestandteil von Dublin. Umgekehrt ist aber die in Dublin vereinbarte Rückführung von Schutzsuchenden nach Griechenland aus humanitären Gründen nicht möglich. Das Dublin-System funktioniert gerichtlich festgestellt seit grob fünf Jahren nicht mehr und tut das auch heute nicht.

                              Du hast natürlich recht: Es gibt keine Rückführung von Flüchtlingennach Griechenland. Es gilt aber faktisch das Dublin-Prinzip, dass jeder neu in Griechenland ankommende Flüchtling nur dort seinen Asylantrag stellen kann und sonst die EU erstmal wieder verlassen muss.

                              Noch eine Anmerkung zum letzten Kommentar:

                              Sofern also das politische Asyl gewährleistet ist, und zwar schon bevor jemand die EU betritt, und daneben der allgemeine Flüchtlingsschutz außerhalb der EU durch die EU sichergestellt ist (auch z.B. durch die Bereitstellung zusätzlicher Kontingente), wäre ich mit der EU-Flüchtlingspolitik zufrieden.

                              Kontingente für die reguläre Aufnahme in die EU halte ich dabei für äußerst wichtig! Langfristig wollen die Flüchtlinge nicht nur in einem sicheren Lager untergebracht werden, sondern eine echte Perspektive besitzen. Kurzfristig lässt sich das aber natürlich nicht für alle Schutzsuchende einrichten.

                              Viele Grüße, Felix

                              • Die Verteilung innerhalb der Mitgliedsstaaten kann ja nach dem Subsidiaritäts-Prinzip in diesen geregelt werden. Ein freiwilliges Angebot über eine festgelegte Quote hinaus, ist aus meiner Sicht unproblematisch.

                                Dass Flüchtlinge wieder in Griechenland einen Asylantrag stellen, ist ein großer Erfolg des EU-Türkei-Abkommens. Denn, machen sie es nicht, droht die sofortige Abschiebung in die Türkei.

                                Und mit den Kontingenten sehe ich genauso. Die sind wichtig.

                                Den Diskussionsstrang würde ich damit glaube ich beenden.

                                Beste Grüße,
                                MisterEde

                                • Felix Thoma ist dafür
                                  +2

                                  Hallo MisterEde,

                                  ich würde diesen Diskussionsstrang auch beenden, zumal die Spaltenbreite immer kleiner wird. Vielen Dank für die Diskussion, in der auch einige neue Aspekte zur Sprache kamen!

                                  Weitere Kommentare in einem neuen Diskussionsstrang sind natürlich immer gerne gesehen!

                                  Viele Grüße, Felix