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Soll es bei der Europawahl Spitzenkandidaten geben?


Ein Beitrag von Krause

Die EU-Kommission will, dass die Fraktionen im europäischen Parlament Spitzenkandidaten aufstellen. Der Spitzenkandidat der nach der Wahl stärksten Fraktion soll dann Präsident der Europäischen Kommission werden. Ich halte das für keine so gute Idee. Die Kommission würde politisiert, dabei soll sie doch "Hüterin der Verträge" sein. Aus Sicht der Kommission machen Spitzenkandidaten freilich Sinn: Sie borgt sich demokratische Legitimität, die sie ansonsten nicht hat und damit vielleicht mehr Macht. Wir sollten lieber den EU-Kommissionspräsidenten direkt wählen.


Kommentare

  • Ich finde vor allem das Vorgehen der Grünen interessant. Der/Die Grüne Spitzenkandidat/in wird europaweit in einer Art Vorwahl ("Green Primary") gewählt und zwar nicht nur von Partimitgliedern sondern auch von normalen Bürgern. Man wird sehen wie viele sich beteiligen und wie der Prozess hinterher bewertet wird, aber als Ansatz finde ich das sehr interessant.

    • Hier der Link zur Übersichtsseite: http://greenprimary.europeangreens.eu/

      • Ich finde auch gut, dass die Grünen die Bürger europaweit entscheiden lassen. Mich würde noch interessieren: Wird voraussichtlich eine der deutschen Kandidatinnen das Rennen machen (weil die Grünen in Deutschland am stärksten sind)? Bekommen das die Bürger in der EU überhaupt mit, dass sie bei den Grünen mitwählen dürfen? Gibt es Berichte/Veranstaltungen etwa in Frankreich Italien oder Spanien? Vielleicht wissen Sie ja mehr über dieses einzigartige Experiment.

        • Also meiner Einschätzung nach wird einer der deutschen Grünen Kandidat werden. Die Grünen sind mehr noch als die anderen europäischen Fraktionen, sehr auf Deutschland und Frankreich fixiert, da dort die meisten Abgeordneten gestellt werden. Von den 58 Abgeordneten der Grünen sind 14 Deutsche und 16 Franzosen, also mehr als die Hälfte der Abgeordneten aus den beiden Ländern. Zum Vergleich: Von den insgesamt 766 Abgeordneten sind 74 Franzosen und 99 Deutsche.

          Daher kann man schon sagen, dass sich auch die Vorwahl auf die beiden Länder konzentrieren wird.

          Auf dem Twitteraccount von Ska Keller kann man ein wenig nachvollziehen wie sie den Wahlkampf gestaltet, das ist bei den anderen Kandidaten ein bisschen schwieriger.

          • Die Vorwahl der Grünen ist übrigens gestern zu Ende gegangen, heute Morgen wurde das Ergebnis verkündet: José Bové und Ska Keller haben gewonnen und werden die Europäischen Grünen durch die Europawahlkampagne führen.

  • Liebe Diskussionsteilnehmer!

    Folgende neue Diskussion zum Nominierungsprozess der Spitzenkandidaten könnte euch ebenfalls interessieren: Europäische Spitzenkandidaten upgraden: Lehren aus der #GreenPrimary.

    Der Leiter des Europawahlkampfs 2014 der Europäischen Grünen Partei erläutert auf Publixphere die Aktion #GreenPrimary - die europaweite Online-Abstimmung zu den Spitzenkandidaten der Europäischen Grünen für die Europawahl 2014. Er sagt:

    Zweifelsohne war der Spitzenkandidatenprozess der Europawahl behaftet von Defiziten und Cameron merkt zurecht an, dass Juncker auf keinem Wahlzettel stand und von keinem Bürger direkt gewählt wurde. Die Schlussfolgerung hieraus muss allerdings sein, die Nominierung der Spitzenkandidaten demokratischer, öffentlicher und transparenter zu organisieren.

    Seht ihr das auch so? Dann diskutiert hier mit!

  • Gregory Engels Piratenpartei ist dafür
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    Also erstmal eine Klarstellung: nicht die Kommission will, dass die Parteien auf europäischer Ebene Spitzenkandidaten aufstellen, sondern der EU-Parlament will das. Der Präsident der Kommission wird auf Vorschlag von Europarat mit absoluter Mehrheit vom Parlament gewählt. Dabei soll der Europarat gemäß der im Lissabon Vertrag neu gefassten Art. 17 Abs 7 des EU-Vertrages das "Ergebnis der Europawahlen berücksichtigen". Wie dieses "berücksichtigen" funktionieren soll, steht nicht da. Das EU-Parlament, bzw die Europaparteien (die auch nicht identisch mit Fraktionen sind) will das so verstehen, dass die stärkste Partei einen Kandidaten für den Präsidenten der Kommission stellt, welches von dem Europarat übernommen wird. Die aktuelle Kommission hingegen will das anders verstehen - sie bevorzugt einen Kandidaten, der mehr integrationspotential und weniger politisches Eigenprofil besitzt, denn sonst könnte der Präsident die Richtung der Entwicklung der Kommission selbst beeinflussen und möglicherweise den Einfluss der nationalen Regierungen schwächen.

    • Hey Gregory - zwei kleine Fragen an dich:

      • Ihr als Piraten habt mir Julia Reda nun auch eine Spitzenkandidatin aufgestellt. Aber sie ist dies nur für die deutschen Piraten, oder? Es gibt keine/n auf europäischer Ebene soweit ich informiert bin...

      • Und was denkst du persönlich: Sollte die Kommission von jemandem 'angeführt' werden, die oder der vom EU-Parlament gewählt wird?

      • Gregory Engels Piratenpartei ist dafür
        +1

        Hallo Lousa, sorry dass das mit der Antwort sich hingezogen hatte - ich wollte nicht zu früh mit Neuigkeiten rauskommen. Am vergangenen Wochenende wurde die Europäische Piratenpartei (PPEU) gegründet, und auch zwei Spitzenkandidaten aufgestellt - Peter Sunde und Amelia Andersdotter. Das sind symbolische Nominierungen, denn realistisch rechnen wir nicht damit, die absolute Mehrheit der Stimmen im Europaparlament vereinen zu können. Zu der zweiten Frage: Ja, ich denke, dass es sehr gut wäre, wenn der Parlament bei der Aufstellung der Kommission mehr Mitspracherechte bekommen würde.

    • Eine kleine Korrektur. Der Europäische Rat (also die 27 Staats- und Regierungschefs) schlägt dem Parlament einen Kandidaten vor, nicht der Europarat. Das ist sehr wichtig, einen Europarat gibt es auch, doch der ist was ganz anderes.

    • Hallo Herr Engels,

      danke für den Hinweis, dass noch gar nicht so klar ist, ob einer der Spitzenkandidaten später Kommissionspräsident wird. Auch Frau Merkel sagt ja, es gebe da keinen "Automatismus". Aber kann diese Unklarheit nicht im Debakel enden? Was passiert, wenn beispielsweise die Konservativen mit Herrn Juncker die Wahlen gewinnen, der aber dann nicht als Kandidat für die Kommissionspitze aufgestellt wird? Das wär doch ein europäisches Polit-Desaster erster Klasse!

      Ich verstehe auch nicht, warum ausgerechnet die Kommissionsspitze gewählt werden soll - ein dezidiert "unpolitisches" Amt! Mit welchen Versprechen wollen denn Juncker und Schulz überhaupt Wahlkampf machen? Sie können keine linke oder konservative oder grüne Kommission in Aussicht stellen. Das würde sowohl dem Geist der Kommission völlig widersprechen, wie Rabaka hier schon angemerkt hat, als auch angesichts der Vielfältigkeit der politischen Lager in Europa arg schwierig werden. Was eint denn die deutsche SPD mit den französischen Sozialisten? Oder Orbans Fidesz mit der CDU? Ich hoffe nicht allzu viel!

      Viel logischer fände ich, die Ämter von Rompuy und Ashton zur Wahl zu stellen, die meines Erachtens "politischer" sind.

      • Hey Bachmann,

        da kann ich dir nicht ganz zustimmen. Wenn wir die EU-Kommission als eine Art europäischer Regierung verstehen, sollte diese auch eine politische Ausrichtung haben. Jede Behörde braucht eine Strategie und Zielrichtung, die vorgegeben sein muss. Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass beispielweise das Amt der 'Außenkommissarin' Ashton weniger politisch sein soll als das von der oder dem Präsidentin/en. Wir werden nur zu einem 'starken' Europa (nicht nur nach außen, sondern auch nach innen), wenn wir meinungsstarke Persönlichkeiten haben, die uns vertreten.

        Oder sollten die Kommissare wählen dürfen wer sie anführt? Ich glaube, dass im Endeffekt am meisten Europäer einen Kommissionspräsidenten akzeptieren, wenn sie ihn (danach sieht es ja wohl erneut aus...) auch wählen konnten.

        Und zum Thema der Verbindung der unterschiedlichen politischen Lager: Im Europäischen Parlament werden diese seit Jahrzehnten zur Kooperation gezwungen. Ein bisschen mehr öffentliches Augenmerk darauf, dass die CDU gemeinsam mit Orban eine Fraktion bildet und sich nur zaghaft von diesem distanziert, würde da auch nicht schaden...

  • Die Wahl des Europaparlament wird durch die Nennung der Spitzenkandidaten zusätzliche Attraktivität erzeugen. Mit der Wahl wird von nun an, nicht nur die Zusammenstellung des Parlaments erzeugt, sondern auch der Kommissionspräsident (defacto) festgelegt! Damit können die EU-Bürger, wie auf nationaler Ebene, versuchen ihren Wunschkandidaten auf die höhere Ebene (Kommission) zu propulsieren! Absprachen der stärksten Ratmiglieder (Hollande, Merkel, etc.) sind somit Vergangenheit! Was ist gegen Demokratisiereung einzuwenden?

  • Ich bin in dieser Frage gespalten. Die Spitzenkandidaturen haben auch viele Vorteile. Es kann grenzüberschreitend und personalisiert Wahlkampf gemacht werden - vielleicht sogar mit dem ersten europäischen Fernsehduell (bzw- fünfkampf)? Die europäischen Parteien könnten ihr Profil schärfen, die Wahl könnte entnationalisiert werden.

    Andererseits werden vielleicht falsche Erwartungen geweckt, Ein Martin Schulz würde kein sozialdemokratisches Kabinett führen, sondern wäre wie Krause sagt zu 'Neutralität' und allein den Verträgen verpflichtet. Die Kommission ist eben keine Regierung und man sollte auch nicht so tun, das gebe ich Krause Recht.

    Andererseits: Die bisherige Methode der Personalfindung, bei der die Staats- und Regierungschefs nach nationalem und Partei-Proporz irgendwelche No-Names (Barroso, Rompuy, Ashton...) aus dem Ärmel schütteln, finde ich auch fragwürdig. Wie Krause fände ich die Direktwahl des Kommissionspräsidenten gut. Ich frag mich nur, ob Merkel und Co einen echten "Europa-Gott" neben sich dulden.

  • Also ich finde das eigentlich gar nicht schlecht. Krause kannst du nochmal genauer erläutern, was dagegen spricht? Vielleicht ist mein Wissen über den Wahlprozess nicht ausreichend...