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Wie kann verhindert werden, dass der europafeindliche Diskurs die Wahl bestimmt?


Ein Beitrag von Patrick Müller

Ich sehe eine große Gefahr für Europa: Der europfeindliche Diskurs könnte die Wahl bestimmen und die rechten, rechtspopulistischen und europafeindlichen Parteien könnten die Wahl gewinnen, Ich rede mit Absicht vom europafeindlichen Diskurs, denn Europaskepsis ist sicherlich angebracht (so wie Skepsis im Allgemeinen). Aber die Ablehnung und die Polemik gegenüber der EU hat solche Ausmaße erreicht, dass ein Sieg der rechten quasi eine selbsterfüllende Prophezeihung darstellen könnte: Das EU-Parlament wird funktionsunfähig, die EU hat eine noch schwerere Legitimationskrise und die Bürokratie wird zwangsweise regieren. Das wiederrum würde die Rechten bestätigen.

Aber ich sehe noch eine andere Gefahr: Die Einstellung, man dürfe als Unterstützer der EU diese momentan nicht kritisieren, um den Rechten nicht in die Hände zu spielen (das selbe galt vor der Wahl 2012 den USA bezüglich Barack Obama). Es scheint eine fast paranoide Angst vor der Dummheit des Volkes zu herrschen, die uns einschnürt und konstruktive Debatten behindert.

Was also tun? Wie kann man Europa so vermitteln, dass Menschen einsehen: Europa ist beileibe nicht perfekt, aber es den rechten, populistischen, undemokratischn Kräften zu überlassen wäre fatal. Denn die EU verschwindet ja nicht wenn die EU-Feinde die Mehrheit im EP haben. Sie gelangt nur in die falschen Hände.


Kommentare

  • Ich sehe die Problemlage genau so. Aber was wäre die Lösung?

    Zunächst finde ich, prinzipielle Kritik an bestehenden europäischen Verträgen sollte nicht als "anti-europäisch" diffamiert werden. Wer EU-Recht ändern will, muss dafür werben dürfen. Das ist nur demokratisch. Die AfD will ein anderes Eurosystem und Zuwanderungsquoten? Nagut! Dann muss sie eben bei den Bürgern Europas Überzeugungsarbeit leisten. Wer dagegen jede EU-Gesetzgebung immer gleich zum Heiligtum erklärt, und Kritik zu daran zu Nationalismus, frustriert doch die Menschen nur, die etwas ändern wollen. Am Ende wenden sie sich ganz vom System ab.

    Zugleich sollten die etablierten Parteien ihren Wahlkampf so konkret und programmatisch wie möglich führen. Welche Finanzmarktregulierung und welchen Verbraucherschutz will die CDU? Was ist der Unterschied zu Grünen, SPD und FDP?

    Ich finde die gelebte europäische Demokratie, in der kontrovers um den politischen Kurs Europas gerungen wird, ist die beste Antwort auf die Systemkritik, etwa aus Frankreich, Großbritannien und Holland. Die Bürger müssen wieder sehen und spüren, dass sie die EU-Politik selbst in der Hand haben.

    Ein "Für Europa" versus "Gegen Europa" wirkt dagegen ziemlich unterkomplex. Es geht bei den Bundestagswahlen ja auch nicht um "Für Bundesrepublik Deutschland" oder "Gegen Bundesrepublik Deutschland", sondern um so handfeste Fragen wie den Mindestlohn, das Betreuungsgeld usw.

    • Interessant, dass du die Parallele zu Deutschland ziehst, denn: eine "deutschlandfeindliche" Partei also eine Partei, die die freiheitlich demokratische Grundordnung bekämpft und entfernen will, darf in Deutschland gar nicht zur Wahl zugelassen werden. (siehe NPD-Verbotsverfahren oder die KPD). In diesem Sinne müssten eigentlich auch die Vielzahl an Parteien, die offen für ein Ende der EU werben ausgeschlossen werden!

      • Das ist eine spannende juristische Frage. Der Lissabon-Vertrag ermöglicht ja erstmals den freiwilligen, einseitigen Austritt eines Staates aus der Europäischen Union (siehe Artikel 50). Eine Partei wie die UKIP darf also - rein rechtlich - für den EU-Austritt Großbritanniens werben, oder?

        Um die Diskussion voranzutreiben, wäre vielleicht ein Blick auf die britische Europaskepsis spannend. Ist sie einfach nur vorurteilsbeladen und schräg oder vielleicht auch konstruktiv? Prof. Wohlgemuth von OpenEurope Berlin macht diesen Versuch, indem er Großbritannien - gezielt provozierend - zur "Denkfabrik der EU" erklärt.

        Erstaunlich finde ich an Wohlgemuths Analyse, dass die Briten nicht mehr Haare in der Suppe finden, wenn sie ihre EU-Mitgliedschaft kritisch und kühl reflektieren. Heraus kommen ein paar lösbare Kritikpunkte, während die Boulevardpresse weiterhin die drohende "Europäische Sowjetunion" an die Wand malt, den Untergang Großbritanniens.

        Also ich glaube, wer sich mit der EU im Detail und kritisch auseinandersetzt, kann die großen Systemkritiker schnell entzaubern. Denk- oder gar Parteiverbote wären wohl eher kontraproduktiv.

      • Solange die EU kein Staat im eigentlichen Sinne (Staatsgebite, Staatsvolk, Staatsgewalt) ist, kann man auch noch zur Wahl antreten wenn man diese Ordnung ablehnt. Allerdings berührst du hier einen anderen Punkt, der mich schon seit Jahren stört: Die Akzeptanz und Duldung dieser destruktiven Kräfte in den Räumlichkeiten des EP - das ist zum Einen wohl demokratisch zum anderen auch feige.

      • Maxi ist dafür
        +1

        Guter Punkt!! So habe ich darüber noch nie nachgedacht... :) somit würde man ja aber die EU-Mitgliedschaft als quasi "alternativlos" darstellen, oder? Mich würde echt interessieren wie diese Idee wohl ankäme in Medien und Politik...

    • Louisa ist dafür
      +1

      Ich stimme dir voll zu Emil. Dennoch haben wir dann immer noch das Problem, dass wir dem 'europäischen Volk' nicht zutrauen, 'richtig' zu wählen, oder? Es ist ein erster Schritt Kritik an europäischen Institutionen nicht gleich als "Gegen Europa" zu bewerten. Das ist extrem wichtig. Und besonders Menschen, die schon mal in einer dieser Institutionen gearbeitet haben, können bestätigen, dass dies auch notwendig ist.

      Aber reicht das aus, um das Ruder rum zu reißen und europafeindlichen (und nicht nur -kritischen) Parteien den Einzug ins Parlament zu vermiesen? Wie kann man gegen den momentan wieder erstarkten nationalen Trend gegenangehen?