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Für die Freiheit, dem Zweck entfremdet


FotoFoto: adam w (CC BY 2.0)

Warum Emil dagegen ist, das Tempelhofer Feld in Berlin zu bebauen, schildert er hier...


Ein Beitrag von Emil

Was es für mich bedeutet, gegen jegliche Bebauung dieses Feldes zu sein:

  • die Zweckentfremdung, das ewige Provisorium, die Weite, den Himmel, die Freiheit, das Ende des Flugbetriebs zu lieben

  • die Menschen dieser Stadt zu beobachten, was sie selbst, alleine, ohne staat, ohne privatwirtschaft, ohne allzu viele regeln daraus machen

  • den ganzen durchdesignten orten, den Shopping-Malls, den kindersicheren Fussgängerzonen, den exklusiven clubs und beaches, den Dubais, Münchens und Londons dieser Welt zu zeigen, dass sie einfach nur häßlich und anstrengend sind, im Vergleich zum Flugfeld

  • allen Stadtplanern, Investoren und Verwertern die dauerhafte Beleidigung und ständige Enttäuschung zuzumuten, dass wir sie auf diesem Feld nicht brauchen

Wenn mich heute Freunde von außerhalb fragen, was der beste Ort dieser Stadt ist, der, den sie gesehen haben müssen, dann sage ich doch nicht Potsdamer Platz oder Kudamm oder Kastanienallee, sondern Flugfeld.

Ich kannte das Flugfeld-Gefühl noch nicht, und ich hatte es noch nirgendwo sonst. Aber es ist mir schon klar, warum diese Fläche, diese Leere, diese Weite, diese Anarchie ökonomisch denkende Menschen verwirrt und nervös macht. Warum sie diese echte Freiheit einfach nicht verknusen können.

Und zur Vernunft: Der Senat soll sagen, wo noch Wohnungen zu bauen wären. Und dann erklären, warum er das nicht tut. Und sich nicht weiter mit dieser Bibliothek blamieren, dieser grotesken Mischung aus Elbphilharmonie und BER-Rohbauruine. Man muss doch beim bloßen Anblick des Entwurfs nur lachen. Die Fertigstellungstermine rattern nur so aus der der Zukunft heran: 2022, 2025, 2030,... oh und die Baukosten auch: 270 Millionen, 300 Millionen, 500 Millionen...


Kommentare

  • Hallo "Emil" und "moseni", ein kurzer Hinweis zur Zukunft der Bibliotheken. Das Goethe-Institut hat hierzu Statements von ExpertInnen eingeholt. Die Anforderungen an die Räumlichkeiten scheinen sich zu ändern.

    So meint beispielsweise Monika Ziller, ehemalige Vorsitzende des Deutschen Bibliotheksverbands (dbv):

    „Die Bibliothek wird der Ort sein, der eine Schnittstelle bietet zwischen der realen Welt – den Menschen mit ihren Lern-, Informations- und Unterhaltungsbedürfnissen – und der digitalen Welt. (...) Ich stelle mir Bibliotheken mit toll eingerichteten Räumen vor, die den unterschiedlichsten Bedürfnissen gerecht werden: Hier kann man Ruhe finden, Musik hören, Filme anschauen, in Print-Medien stöbern, virtuelle Medienwelten erkunden, sich treffen und austauschen, Veranstaltungen und Schulungen besuchen."

    Zur Notwendigkeit von Räumlichkeiten meint Stefan Gradmann, Professor für Bibliotheks- und Informationswissenschaft (Humboldt-Universität Berlin):

    "Damit wird das Gebäude Bibliothek (...) keineswegs obsolet. Denn auch wenn unsere Forschung zunehmend digital basiert sein wird, werden Menschen den Kontakt untereinander brauchen. Und die Bibliothek könnte – dann vielleicht unter einem anderen Namen – als Ort der Begegnung, als Interaktionsraum in den Hochschulen eine zentrale Rolle spielen.“

    Inwieweit die auf dem Flugfeld geplante ZLB den Anforderungen des digitalen Zeitalters entspricht, versuchen wir noch herauszufinden. Eure Meinung?

  • ich denke auch, dass berlin noch genügend freiräume, ungenutzte ecken, plätze und viertel bereithält echten sozialen wohnungsbau zu beweisen. ich kann nicht recht glauben, dass die mieten dort so günstig würden, dass sie einer gentrifizierung der stadt entgegenwirkten - wie auch, an einem so zentralen, wertvollen ort?! und wenn erstmal alle zugänge, kanäle, kabel und wege gelegt sind, wie leicht ist es dann hinter den ersten häuserblock einen zweiten zu bauen?! eine ganz andere frage betrifft die zuverlässigkeit der zahlen, wie oben beschrieben, aber auch den faktor bibliothek. brauch wir in zeiten zunehmender digitalisierung tatsächlich noch raum für papier? es braucht viele diskurse nicht nur um das feld, sondern vor allem um das, was berlin zukünftig sein will. eine leere hülle immobilienspekulativer blasen, unbelebt, wie central london - oder vitales zentrum einer internationalen, kulturellen vielfalt, freiraum eben.

  • Lieber Emil, Deine Euphorie ist ansteckend. Das riesige Tempelhofer Feld ist ein unverhofftes Geschenk an die Berliner Bevölkerung, dessen sich keine privaten Investoren oder der Staat mit Projekten bemächtigen sollte. Es war schön, in den letzten Jahren die Berliner zu beobachten, "was sie selbst, alleine, ohne Staat, ohne Privatwirtschaft, ohne allzu viele Regeln daraus machten", Grillen im Sommer, Sonnenbaden im Liegestuhl, Lagerfeuer, Singen zur Gitarre, Feiern, Rollschuhlaufen, Fahrradfahren, Drachen-Steigen-Lassen im Herbst, Skilanglauf im Winter... Alles in eigener Regie, kreativ, unkommerziell, aus reiner Lebensfreude. Und, weil das Feld so groß ist, können sich die Nutzer gegenseitig tolerieren. Man kommt sich mit seinen verschiedenen Freizeitaktivitäten nicht ins Gehege. Welch eine andere Großstadt in der Welt hat mit solch einem Areal aufzuwarten? Es ist ein absolutes Unikum. Und wenn es so bleibt, wird Berlin sicher von allen Großstädten in der Welt darum beneidet.