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Gesellschaftliche Partizipation im Internet - Die ewig gleichen Muster oder verwirklichen wir die Potentiale von Online-Partizipation heute anders?


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Ein Beitrag von HIIG

Die Frage nach einem Mehr an gesellschaftlicher Beteiligung durch das Internet ist seit jeher eng mit der Entwicklung digitaler Technologien verbunden. Den euphorischen Hoffnungen, das Internet würde aufgrund eines einfachen und schnelleren Zugangs der Menschen zu politischen Prozessen ein demokratisches Potential entfalten, steht eine empirische Ernüchterung gegenüber: Aus der Forschung zur politischen Online-Partizipation wissen wir, dass es ähnliche Personenkreise sind, die sich an Online-Debatten und Foren beteiligen. Alter, Bildungsgrad und politisches Interesse erklären nach wie vor am besten, warum wir uns bei gesellschaftlichen Fragen engagieren oder eben nicht - egal ob online oder offline.

Haben wir also das Potential von Online-Partizipation überschätzt? Oder werden die Möglichkeiten im und mit Hilfe des Internet Beteiligung zu organisieren heute nicht ganz anders realisiert? Ist nicht vielleicht sogar die große Frage nach einem Mehr oder Weniger an Partizipation falsch, wenn wir die vielen alltäglichen Gelegenheiten gesellschaftlicher Teilhabe im Internet beobachten?

Hinweis der Redaktion:: Diese Diskussion dient auch der Vorbereitung des "Digitalen Salons" am 25. Juni in Berlin. Am 20. Juni ist die Partizipationsstudie 2014 (PDF) des HIIG erschienen. Der Publixphere-Hintergrund-Text zum Thema "Online-Partizipation" (Formen, Kontroversen etc.) findet sich hier. Eine vorläufige Kurzdarstellung der Diskussion bis zum Stand 09. Juli 2014 findet ihr hier.


Kommentare

  • Nach meiner Wahrnehmung ist korrekt was bei der Studie des HIIG herausgekommen ist. Die bislang fehlende Partizipation breiterer Bevölkerungsschichten ist sicherlich bedenkenswert, erklärt aber nach meiner Meinung nicht warum diese Erweiterung des „öffentlichen Raumes“ mit den Möglichkeiten des Webs bisher nicht die Wirkungsmächtigkeit entfaltet hat, die so viele erwartet haben. Ich möchte in diesem Zusammenhang zu bedenken geben, dass das Web ein sehr junges Medium ist. Fernsehen gibt es im Vergleich dazu schon eine gefühlte Ewigkeit, Radio noch länger und so etwas wie Massenpresse schon fast 175 Jahre. Was für neue Möglichkeiten uns das Web in diesem Zusammenhang für die Formulierung und Durchsetzung politischer Forderungen in der Zukunft bieten wird kann keiner seriös abschätzen. Zudem bin ich nicht so pessimistisch wie andere was ein Mehr an Transparenz und politischen Einfluss anbetrifft. Wikileaks hat unser Bewußsein für die Hintergründe und Folgen politische Entscheidungs- und Handlungsprozesse geschärft. Zum ersten Mal wurde im „Machtdiskurs“ den regierenden Eliten die Deutungshoheit über ihr Handeln genommen. Von welch überragenden Bedeutung dies war kann man genau an der Schärfe ermessen, mit der Bredley Manning und Julian Assange verfolgt wurden und werden. Im Fall Acta konnte sogar ein Abkommen/Gesetz verhindert werden. Mal sehn was mit TTIP wird. Also es sieht nicht so schlecht aus. Wer allerdings geglaubt hat, die massenhafte Formulierung von Unwillen und Widerstand in Foren und Blogs würde 1:1 in politisches Handeln einfließen, muss sich sagen lassen, dass er naiv ist oder die bestehenden machtpolitischen Strukturen in parlamentarischen westlichen Demokratien ignoriert.

    • Hallo Nemo, ich finde den Hinweis auf die 'klassischen' Medien sehr gut. Ich fände wichtig über die Stufen der Teilhabe und Einmischung zu diskutieren. Wann sind wir zufrieden, begeistert oder enttäuscht?

      Wenn es um die reine Meinungsbildung geht, bleibt das "Netz" eine unglaubliche Revolution. Wo wären denn die ganzen Stimmen, die ich täglich lese, in den Foren, in den Blogs, auf Facebook? Sie würden alle schweigen. Die "Leserbriefe" klassischer One-Way Medien sind dagegen ein schlechter Witz. Auch Seiten wie Abgeordnetenwatch und Campact können eine enorme Bilanz aufweisen. Der Kontrollverlust für die 'alten' Medien/Strukturen ist kaum zu ermessen.

      Viel entscheidet sich für mich bei der Frage, welchen Einfluss Online-Bewegungen auf die (repräsentative) Demokratie erhalten sollen. Wann sind wir so weit, etwa online über ein Bauprojekt in der Nachbarschaft abzustimmen, ohne Menschen auszuschließen? Muss es weiter den Politiker geben, der - manchmal mehr schlecht als recht - Partikularinteressen gegen Gemeinwohl abwägt?

      Wenn es darum geht, das Netz zum Denken und Engagieren zu nutzen bleiben die Voraussetzungen übrigens dieselben wie vor 3000 Jahren - man muss sich entsprechend emanzipieren.

      • Hallo Bachmann, Du hast recht. Insbesondere Dein Hinweis auf den One-Way Charakter der „alten Medien“ ist richtig. Ich möchte in diesem Zusammenhang noch auf den „Shitstorm“ hinweisen, der am Wochenende einem führenden Funktionär der JU zurecht sein Amt gekostet hat. Also dranbleiben!

  • Ich stimme Louisa vollkommen zu. Politisches Desinteresse, Misstrauen in die Parteien oder das Gefühl, keine Stimme zu haben, werden sich nicht einfach so durch das Angebot zum Mitreden online in Luft auflösen. Hinter Politikverdrossenheit stecken doch viel tiefergreifende Gründe, als dass diese im Nu mit der Einführung eines neuen Mediums verbannt werden könnten.

    Online-Angebote schaffen Transparenz und öffnen eine weitere Tür zur Beteiligung. Anzunehmen, dass diese Tür automatisch von den sonst schwer zu erreichenden (politikfernen) Zielgruppen eingerannt werden wird, ist allerdings der falsche Maßstab.

    Vertrauen in die politischen Institutionen aufzubauen und Lust an Beteiligung zu wecken sind Generationenaufgaben, Bildungsaufgaben. Ein Wandel in der politischen Kultur. Das braucht Zeit. Verfrühte Resignation aufgrund überhöhter Erwartungen würde diesen Prozess im Keim ersticken.

    • Louisa ist dafür
      +3

      Ja! Und in diesem Sinne haben viele wohl anfänglich das Potential von Online-Partizipation überschätzt. Denn einfach nur die Technik einzuführen reicht nicht aus. Und auch die neuen Formen von Transparenz bringen mir nichts, wenn ich sie nicht finden, selektieren und einschätzen kann.

      Diese Möglichkeiten können eben auch genau das Gegenteil bewirken: Ängste aufzubauen, Überforderungen hervorzurufen, den Faden zu verlieren...

      Um den von Michelle angesprochenen Wandel einzuleiten braucht es deshalb nicht nur Zeit, sondern auch ständiges Ausprobieren und Weiterentwickeln. Es gilt nicht nur der Technik den Raum zu lassen, sondern die Menschen, die diese nutzen, mitzunehmen.

      • Online-Partizipation sollte meiner Meinung vor allem auch - wenn möglich - in Verbindung mit traditionellen Partizipationsmöglichkeiten gedacht werden. Bei Partizipationsprojekten in der Praxis als auch in der wissenschaftlichen Debatte wird oftmals ein "Medienmix" betont, d.h. die Verbindung von Online-Partizipationselementen, Online-Befragungen, Diskussionsforen mit bspw. Bürgerversammlungen usw. Das gilt vor allem für den kommunalen Bereich, wo ein Partizipationsprojekt garnicht ausschließlich Online durchgeführt werden kann, da dann zu viele - weniger internetaffine Gruppen - außen vor bleiben würden. Also besteht vor allem die Herausforderung: wie können online und offline Elemente gut verknüpft werden, wo liegt der gegenseitige Nutzen? Online-Diskussionsforen eines Partiziptionsprojekts sind bspw. oft sehr öffentlichkeitswirksam; oft haben solche Foren eine hohe Zahl an Page visits, die meisten der Besucher sind jedoch "Lurker", also passive, die nur Beiträge lesen und sich nicht beteiligen (wollen). So kann ein Online-Forum bspw. ein Türöffner dafür sein, dass man von der dazugehörigen Offline-Veranstaltung erfährt und im besten Falle hingeht - und umgekehrt. So können zumindestens mehr Leute erreicht werden, die die dann die Auswahl zwischen on- und offline-Beteiligung haben. Ob damit neue Personenkreise erreicht werden können abseits derer, die sich eh schon interessiert haben, ist nach wie vor fraglich.

        • Michelle ist dafür
          +3

          Da stimme ich vollkommen zu. Von der Nutzung der Möglichkeiten des Netzes abzusehen, weil a) nicht 100% online sind und/oder b) die erhoffte Erreichung der schwer zu Erreichenden nicht automatisch eintrifft, ist Unfug. Online-Angebote sind nicht mehr und nicht weniger als eine weitere Tür, die geöffnet werden kann. Diese Tür sollte aber nicht andere Türen ersetzen, sondern ergänzen. "Medienmix" ist da das richtige Stichwort. Meist eignen sich Online-Formate dabei sehr gut als zentraler, bündelnder Punkt, an dem alles transparent zusammengetragen wird (z.B. auch Ergebnisse von Vor-Ort-Veranstaltungen). Ich selbst arbeite als Projektleiterin bei Zebralog. Meine Erfahrung: die erfolgreichsten Projekte sind die, die Online und Vor-Ort verbinden (siehe z.B. das Verfahren www.ludwigshafen-diskutiert.de, das auch den Partizipationspreis 2014 gewonnen hat - kombiniert wurden eine zentrale Online-Plattform, zwei große Bürgerforen, Spaziergänge vor Ort und intensive Öffentlichkeitsarbeit über alle Kanäle).

          • das klingt spannend! wie habt ihr es denn hinbekommen, dass 'jede postkarte soviel zählt wie jeder tweet'? geht das überhaupt, ich meine es geht da ja auch im generationenverständigung?! kaut man nicht offline schließlich nur nach, was online beschlossen wurde und vice versa - oder wie habt ihr es hinbekommen, dass beides sich sinnvoll ergänzt?

            • Hallo moseni, ich bin nicht ganz sicher, was du mit 'jede Postkarte zählt soviel wie ein Tweet' meinst. Auf jeden Fall wurden alle Beiträge, egal ob online oder vor Ort gesammelt, auf die gleiche Weise inhaltlich ausgewertet. Die Vor-Ort-Veranstaltungen fanden auch nicht erst nach der Online-Beteiligung sondern parallel statt (entlang der gleichen Fragestellungen). Wir haben damit versucht, die Vorteile beider Formate (online vs. vor Ort) jeweils so gut wie möglich zu nutzen. Vor Ort hatten wir zum Beispiel sehr spannende Kleingruppendiskussionen. Fragen, die vor Ort gestellt wurden, wurden online aufgegriffen. Den Auswertungsbericht findest du übrigens hier: https://ludwigshafen-diskutiert.de/sites/default/files/LU_Auswertungsbericht_Stand20140317.pdf Ist recht lang, aber auch aufschlussreich :)

    • Du sprichst mir aus der Seele :) Zeit, Vertrauen aufzubauen oder wiederzugewinnen, und Offenheit.

  • Ich glaube ein Fehler, der leicht begangen wird, ist zu glauben dass allein durch die Möglichkeit der Onlinepartizipation die Beteiligung an politischen (oder wirtschaftlichen) Prozessen automatisch steigt. Genauso wie in der analogen Welt kommt es m.E. auf die Art der Ansprache an. Wie sieht die Beteiligung konkret aus, was für Auswirkungen hat es, wenn ich mich online beteilige? Handelt es sich um Pseudobeteiligung oder echte Beteiligung, die tatsächlich gehört und aufgenommen wird? Wenn ich ein politikverdrossener Bürger bin, dann werde ich wohl kaum auf die Seite des Bundestages gehen um eine Onlinepetition zu starten oder zu unterschreiben, da ich eh nicht glaube dass es was bringt. Wenn der Bundestag allerdings mit "mir" (also dem Bürger) kommunizieren will und dies glaubhaft schafft zu vermitteln, in den Foren in denen ich eh schon als Internetnutzer unterwegs bin, dann kann er mich vielleicht überzeugen dass ich mir Onlinepetitionen mal angucke. Jedenfalls reicht es nicht, die Angebote einfach nur bereitzustellen und dann zu hoffen, dass die Bürger in Scharen zum partizipieren kommen.

    • Hallo babbelgebrabbel, ich stimme dir voll zu. Es reicht ganz sicher nicht, Onlinebeteiligungsangebote "nur" bereitzustellen. Ganz wichtig ist, das in den letzten Jahren oftmals verloren gegangene Vertrauen von Bürgern in politische Akteure und umgekehrt wiederzugewinnen. Genau deshalb ist ja auch die Vernetzung von online agierenden Akteuren so wichtig. Wenn ein Bürger dem Bundestag nicht vertraut, wird er wie Du sagst kaum auf Bundestag.de gehen und nach Beteiligungsangeboten suchen. Das kann man auch kaum von ihm erwarten. Wenn ihm allerdings ein dem Bundestag vertrauender guter Bekannter davon erzählt, dass es Onlinepetitionen gibt die manchmal sogar erfolgreich sind, dann ist das vielleicht wieder ein Anreiz. Und der Bekannte weiß davon evtl. wieder nur, weil er irgendwo auf den Link geklickt hat...

  • Was wir ganz bestimmt überschätzt haben, ist die Idee davon, dass sich Menschen, nur weil sie im Netz unterwegs sind, plötzlich weniger "mitgenommen" werden müssen. So wie Partizipation in der Präinternetzeit viel Mühe und Engagement von denjeniger fordert, die die Beteiligungsmöglichkeiten "anbieten", so ist dies auch mit den technischen Möglichkeiten des Internets so. Es ist einfacher über große Distanzen zu kooperieren und sich auszutauschen. Aber die Anlässe dies zu tun, müssen erst mal geschaffen werden.

    Es reicht also nicht Angebote zu schaffen, diese müssen auch bei denen ankommen, die sich nicht in den Kreisen aufhalten, die sich schon immer interessiert haben. Und das fordert Umdenken!

    • Ja, und es wird wohl von Anbieterseite oft unterschätzt, was der Aufwand von Online-Partizipationsangeboten und die Betreuung eines solchen Kanals bedeutet. Bspw. ist bei Online-Konsultationen eine angemessene Moderation für eine qualitativ hochwertige und ergebnisorientierte Diskussion zentral, dass zeigen Studien und auch die Praxis... wird aber trotzdem noch zu selten berücksichtigt. Auch Extras wie Visualisierungen des Diskussionsstands für eine übersichtliche und möglichst niedrigschwellige Beteiligung werden meiner Meinung nach noch viel zu selten eingesetzt. Bei Online Konsultationen brauchen Nutzer vor allem ein Feedback, was genau mit ihren Beiträgen passiert, wie sie im weiteren Entscheidungsprozess verarbeitet werden. All das muss gegeben sein. Ansonsten kann Online-Partizipation schnell zu einer hohen Frustration bei den Beteiligten führen. Denn auch wenn Online-Partizipation zwar zeitunabhängig ist, so ist sie oftmals aufwändig. Gerade Beiträge bei Online-Konsultationen schreiben, Teilnahme an Bürgerhaushalten usw. braucht es viel Zeit, sich mit den oft sehr spezifischen Themen (bspw. Konsultationen in der Stadtplanung, Infrastrukturprojekte usw.) auseinanderzusetzen. Das ist die erste Hürde – wer sich dann tatsächlich noch beteiligt, das ist vor allem bei kommunalen Partizipationsangeboten abhängig von der eigenen Betroffenheit - siehe NIMBYs.

  • Ich hab schon bei einigen Foren mitdiskutiert und das Fazit war immer eher ernüchternd: Bei Petitionen sind das Ziel und der Weg dorthin nachvollziehbar - entweder die Massen an Unterschriften kommt zusammen und die Forderung wird weitergebracht, oder eben nicht.

    Am meisten regen mich aber die sogenannten "Bürgerbefragungen und Beteiligungsversprechen" auf, die unterschiedlichste Parteien machen (wahrscheinlich aufgrund des Drucks, den die Piraten damals angestoßen haben...Danke nochmals dafür!). Hier jedoch folgt dem Versprechen meist nichts als heiße Luft. Bürger investieren ihre Zeit, um konstruktive Vorschläge an die Partei ihres Vertrauens zu richten, diese gibt vor, zuzuhören, aber am Ende wird doch alles ganz anders. Vorgetäuschte Offenheit würde ich das nennen. Da mach ich nicht mehr mit.

    Ein Kompliment jedoch an unabhänge Projekte wie z.B: abgeordnetenwatch.de. Hier habe ich das Gefühl, dass die Antworten ernst und von 1. (oder 2. Stelle) der Abgeordneten kommen. Auch wenn es meist etwas dauert.

  • Reine Online-Beteiligung funktioniert nicht. Auch einmalige Beteiligungsaktionen oder Kampagnen funktionieren immer weniger. Die Leute fordern einen höheren Mehrwert ein. Einfacher lassen sich da Communities bilden und organisieren. In Bürger-Communities geben die BürgerInnen vor, was sie interessiert und sammeln, teilen, bewerten und diskutieren ihre Ideen, Fragen, Wünsche und Probleme und berichten über News und Neuigkeiten aus der Region oder was sie gerade so beschäftigt.

    Dafür hat der Napster-Gründer Sean Parker für Bridge Media LLC mal eben 9,3 Mio US-Dollar eingesammelt. In Deutschland bekommt man für sowas keinen Cent Risikokapital. Dennoch gibt es sowas bereits hierzulande schon. Der BürgerJoker kann da scheinbar noch mehr als den Amis vorschwebt. Siehe: www.beteiligungskompass.org/article/show/999 Wird wohl im Moment nur in Osthessen eingesetzt.

  • Liebe Diskussionsteilnehmer!

    Folgende neue Diskussion zur politischen Online-Partizipation könnte euch ebenfalls interessieren: Europäische Spitzenkandidaten upgraden: Lehren aus der #GreenPrimary.

    Der Leiter des Europawahlkampfs 2014 der Europäischen Grünen Partei erläutert auf Publixphere die Aktion #GreenPrimary - die europaweite Online-Abstimmung zu den Spitzenkandidaten der Europäischen Grünen für die Europawahl 2014.

    Wir sind auf eure Meinung dazu gespannt!

  • Für diejenigen, die an der Veranstaltung "Digitaler Salon Spezial" zum Thema Online-Partizipation leider nicht teilnehmen konnten, hat das Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft hier einen Überblick über die Podiumsdiskussion erstellt. Alle Twitter-Nutzer können die Diskussion ebenso nochmals unter dem Hashtag #DigSal nachvollziehen.

  • isabel ist dagegen
    +1

    Online Partizipation schön und gut, ich frage mich jedoch wer tatsächlich erreicht wird. Haben wir es bei Unterzeichnern von Online-Petitionen nicht hauptsächlich mit Geeks und Nerds zu tun? Wer sich einen 24h Twitter-Verlauf der digitalen Elite anschaut wird schnell merken, dass die Kommunikation sich um Rand/Betroffenheitsthemen und viel häufiger um absoluten Nonsens handelt. Wenn diese Elite das Meinungsbild von Online-Partizipation auf Grund seiner Vorherrschaft dominiert, so möchte ich auf jeden Fall Abstand nehmen von einem Weg in Richtung mehr Online-Partizipation. Der Weg dorthin ist jedoch Vorgeschrieben. Umso mehr Menschen (auch aus dem gesellschaftlichen Querschnitt) im Netz sind umso sinnvoller wird die Partizipation.

    • Also es geht hier nicht um die Ablösung der repräsentativen Demokratie! Es geht um Wege aus der der Krise der Repräsentation (Michelsen/Walter). Und da kann Online-Partizipation eine Menge leisten. Wenn wir so weiter machen und uns damit begnügen alle paar Jahre mit einem Kreuzchen das „kleinere Übel“ zu wählen, wird sich die repräsentative parlamentarische Demokratie ohnehin von selbst erledigen. Dann bestimmen endgültig nur noch die gesellschaftlichen Gruppen mit Geld und Einfluss die politische Agenda.

    • Hallo Isabel, was das Stimmengewirr und den Overkill mit Nebensächlichkeiten digitaler Eliten angeht, kann ich Deinen Post völlig verstehen. Bei der Kommunikation ohne Haupt-Kanäle (manchmal in Form von einzelnen Personen) bleibt bei mir aber die Frage, wie man ein Gespräch mit ein paar Millionen Menschen eigentlich noch sinnvoll organisiert ohne Ohrenschmerzen.

      Bei den Erfolgen kann ich echt nur auf abgeordnetenwatch verweisen: https://www.abgeordnetenwatch.de/ueber-uns/mehr/erfolge

      • Damit sind wir bei der Frage der repräsentativen Demokratie, oder nicht? Gerade für Deutschland eine historische und richtige Entscheidung, die ich nicht antasten möchte. Die Gefahr von Petitionen ist sicherlich Klientelpetitionismus, bleibt der Petition dann nur der Ausweg als Debattenanstoß-Instrument wie die Recherchen von Abgeordnetenwatch?

        • Petitionen sind immer erst einmal Klientelpetitionismus, sie artikulieren ja etwas, was die Parteien und der Mainstream von alleine nicht aufgreifen. Wenn Petitionen richtig groß werden, kann man schon überlegen, ob sie nicht auch gesellschaftliche Mehrheiten aufzeigen.

          Ein gutes Beispiel sind die gentechnisch veränderten Pflanzen. Auch wenn klar ist, dass eine Riesenmehrheit in Deutschland sie einfach nicht wollen, werden Lobbýisten, Beamte und Politiker einfach nicht müde, sie irgendwie doch durchdrücken zu wollen.. Sie probieren es immer und immer wieder, am Ende über Bande und versteckt in Brüssel. Da muss sich die Gesellschaft eben laut wehren, immer wieder kämpfen gegen diese BASF-Monsanto-Klientelpolitik. Da helfen keine Wahlen alle 4/5 Jahre, da helfen nur Kampagnen und Petititionen, Druck und Lautstärke.

          Als gefährlich würde ich Petitionen nicht bezeichnen. Aber ich finde es auch wichtig, dass Politiker immer noch abwägen können. Manchmal müssen eben Stromtrassen sein, gegen den regionalen Widerstand, für die Energiewende und das Gemeinwohl, so brutal es klingt.

          Und zurück zum Thema online. Schlussendlich entscheiden lassen würde ich online gar nichts, dafür sind noch nicht genug Menschen dabei, die Technik (Identifizierung? Manipulation?) ist noch nicht so weit. Aber als Diskursraum ist das Netz ja sowieso alternativlos. Es stellt sich eher die Frage, welche Bereiche des Lebens noch analog bleiben.

  • Ich frage mich, wie das HIIG zu diesem Umdenken beitragen kann? - Wie vergrößern wir die Reichweite spezifischer Foren, und wie effizient und repräsentativ tatsächlich ist 'liquid democracy'?!

    • Inwiefern kann ein wissenschaftliches Institut "zum Umdenken beitragen"?

      • Hallo Cornelius, ich denke ein wissenschaftliches Institut kann ganz entscheidend zu einem Umdenken beitragen, weil es als neutraler Akteur auftritt. WIr sind im Aufbau von Publixphere z.B. immer wieder mit (durchaus berechtigten) Grundsatzfragen konfrontiert, die dringend wissenschaftlich aufbereitet werden müssen. Auch um das gesamtgesellschaftliche Bewusstsein für die Chancen und Grenzen der Onlinebeteiligung zu schärfen. Dazu gehören Fragen wie: wer beteiligt sich überhaupt online? Wie muss Onlinebeteiligung ausgestaltet sein, damit sie wirksam ist und möglichst viele politisch Interessierte erreicht? Welche Formate funktionieren, welche nicht, wo gibt es Lücken? Wie steht es um die Vernetzung verschiedener politischer Akteure online? Ist ein Onlinedialog über Politik über Parteigrenzen hinweg überhaupt nötig und wenn ja, warum? Auch: warum reicht es nicht, "nur" in Kommentarspalten der Onlinemedien kommentieren zu können (sprich: warum überhaupt ein Forum wie Publixphere aufbauen)?

      • Umdenken ist vielleicht nicht glücklich gewählt. Ein Institut kann aber sicherlich Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Thema lenken. Eine Diskussionsrunde oder auch die Studie (zu der ich heute in der SZ einen kurzen Bericht las) tragen sicherlich dazu bei. Allerdings um eine breite gesellschaftliche Entwicklung durchzusetzen bedarf es mehr, bleiben doch Nicht-Akademiker bei oben genannten Formen meist auch außen vor.

    • ElZett HIIG
      +1

      (Vorweg: Ich bin wissenschaftlicher Mitarbeiter des HIIG)

      Was ein wissenschaftliches Institut in diesem Sinne leisten kann, ist Aufklären und Erklären. Indem es die Gesellschaft beobachtet und analysiert, kann es zu wertvollen Erkenntnissen kommen, die es dann wieder in die Gesellschaft zurückspielt, die dann wiederum daraus lernen kann.

      So zum Beispiel mit dieser Studie. Wenn diese zu dem Schluss kommt, dass auch im Online-Zeitalter Partizipation nicht von alleine passiert, sondern regelmäßig gewisser Anreize bedarf, können wir als Gesellschaft daraus lernen. Auch welche Partizipationsformen derzeit beliebt sind und wie diese benutzt werden, ist eine spannende Erkenntnis für die zukünftige Nutzung des Internet in der Gesellschaft. Gleichzeitig zeigt uns das, was wir nicht wissen - beispielsweise stellen sich wohl stets Fragen nach der Motivation von Partizipierenden. Warum tun Leute etwas, oder warum tun sie es nicht? So zeigt die Studie, dass sehr viele Leute an Online-Partizipation interessiert sind, das in die Tat umsetzen tun aber weit weniger. Da stellt sich dann für die zukünftige Forschung die Frage nach dem Warum.

      Ich persönlich denke, dass Online-Partizipation grundsätzlich großes Potential hat, auch wenn sich nicht jedes große Versprechen realisieren wird. Aber wie immer müssen auch wir als Gesellschaft erst lernen, mit diesem Instrument umzugehen und es zu verstehen.

      • Hallo EIZett, zum Thema Anreize bleibt eure Studie etwas vage finde ich. Welche Anreize gäbe es? "Selbstwirksamkeit" ist mir da noch etwas zu allgemein.

        • ElZett HIIG
          +1

          Hallo Bachmann, wie gesagt, gerade die Motivationslage von Partizipierenden ist schwierig zu ergründen. Mit welchen Anreizen Menschen zur Partizipation motiviert werden können, kann man in gewissem Maße aus der Clusteranalyse der Befragten herauslesen, die sich nach bevorzugten Anreizen in Gruppen einteilen lassen können. Für manche geht es zum Beispiel eher darum, einen Preis zu gewinnen, anderen ist die Anerkennung, die sie für ihren Beitrag bekommen, wichtiger. Manchen geht es auch einzig und allein um das Ergebnis, das sie über ihre Beteiligung erreichen wollen.

          Solche Faktoren können dann etwa auch bei der Gestaltung von Partizipationsplattformen und dergleichen berücksichtigt werden.

          Die wahrgenommene Selbstwirksamkeit würde ich insofern auch nicht als Anreiz verstehen, auch wenn es einen Teil der Motivationslage darstellt. Wer nicht glaubt, dass sein Beitrag einen Unterschied macht, der wird ihn wahrscheinlich auch nicht leisten. Aber das lässt sich natürlich gegebenenfalls auch durch das Partizipationsdesign vermitteln - das Gefühl, dass der eigene Beitrag eine Wirkung hat.

          Da sind wir natürlich schon vorgedrungen in die Interpretation der Zahlen, aber das ist ja auch das Spannende daran!

          • Preise finde ich etwas seltsam. Klingt nach Partizipation um jeden Preis! Es soll doch um den Inhalt gehen. Am Ende läuft es oft auf ein Dilemma zu. Die Partizipation soll einen Effekt haben, aber eben doch nicht rechtlich bindend sein, also keine Direktdemokratie sein. Mir persönlich reicht schon die Debatte übrigens, sie hat viel mehr Effekt als viele meinen.