+3

Wanderwitz (CDU): Herausforderungen der Online-Medienpolitik


Foto:  picture alliance / abacaDer islamische Staat (IS) führt online mit martialischen Bildern seinen Propaganda-Krieg. Die in Deutschland ausgefeilte Rundfunkregulierung greift im Internet nicht, beobachtet der CDU-Medienpolitiker Marco Wanderwitz MdB, CDU in seinem Diskussionsbeitrag. Foto: picture alliance / abaca.


Ein Beitrag von Marco Wanderwitz

Gewaltsame Grenzverschiebungen, abgeschossene Passagierflugzeuge, explosive Krisenherde, islamistische Terrormilizen, hunderttausende Flüchtlinge – die Welt ist in Aufruhr wie lange nicht.

Nachrichten sind in bewaffneten Konflikten ein Mittel der Kriegsführung. Viele gerade nicht demokratische Staaten wie China oder der Iran investieren deshalb gewaltige Summen in ihren Auslandsrundfunk. Deutschland steht mit im weltweiten Kampf um die öffentliche Meinung, ob wir wollen oder nicht.

Aktuelles Beispiel Russland: DIE WELT berichtete vor Kurzem über die Propaganda-Offensive des Kreml auch in Deutschland. Danach baut die staatliche russische Nachrichtenagentur Rossiya Segodnya in Berlin eine Redaktion für eine deutschsprachige Webseite, soziale Medien und einen Radiosender mit künftig 30 statt bisher 2 Mitarbeitern auf. 2015 soll das Budget für das staatliche Auslandsfernsehen RT und Rossiya Segodnya auf 440 Millionen Euro heraufgesetzt werden („Moscow Times“, 23.09.14).

Scheinbar gesteuerte Kommentare

Die Absichten bzw. Hintergründe der Angebote staatlicher russischer Sender oder Agenturen sind aber zumindest klar erkennbar. Viel gefährlicher ist die verdeckte Manipulation der öffentlichen Meinungsbildung. Seit einer Reihe von Monaten beobachten Experten in Leserforen großer deutscher Zeitungen und Nachrichtenportale im Internet (z. B. tagesschau.de, Zeit online, Spiegel online oder sueddeutsche.de) in großer Zahl recht geschickt formulierte Leser-Kommentare, die prorussische Sichtweisen formulieren und zentral gesteuert zu sein scheinen. Offenkundig haben russische Interessenvertreter eine vermeintliche Schwäche westlicher, plural verfasster Demokratien entdeckt. Durch das Dominieren der öffentlichen Meinung im Internet sollen Mehrheiten in der Bevölkerung erzeugt und damit Druck auf europäische Politik ausgeübt werden. Diese Propagandatätigkeiten zu entlarven, ist für Laien kaum möglich, da Kommentare auf Leserforen meistens anonym bzw. unter Pseudonym verfasst werden.

Um nicht einseitiger antirussischer Parteinahme bezichtigt zu werden: Im Kampf um die Ostukraine verbreitet nicht nur der Kreml Propaganda. „Auch die Ukraine kämpft mit allen Mitteln um die öffentliche Meinungshoheit, streut bewusst Desinformationen und Halbwahrheiten - und begnügt sich nicht mit Rhetorik allein“ (Welt am Sonntag, 21.09.14).

Suggestivkraft der Bilder

Ob Facebook, Twitter, YouTube, Blogs oder andere Onlinequellen: Die Propagandisten und Desinformatoren haben mittlerweile eine derartige Meisterschaft entwickelt, dass selbst viele professionelle Medien (auch ARD und ZDF in ihren Nachrichtensendungen) deren Vertrauenswürdigkeit kaum noch überprüfen und Fälschungen entlarven können (so Stephan Weichert im Januar auf den Marler Tagen der Medienkultur 2013). Bewegte Bilder entfalten dabei das größte Verführungspotenzial. TV bleibt das Propagandamedium Nr. 1. Jüngstes Beispiel sind die abscheulichen Enthauptungsvideos der Terrorgruppe Islamischer Staat. Sie sind der Versuch der massiven Einschüchterung westlicher Gesellschaften. Die Suggestivkraft bewegter Bilder ist bei uns in Deutschland über Jahrzehnte der Grund für eine ausgefeilte Rundfunkregulierung gewesen. Die Regulierung des Internet ist dagegen nicht vergleichbar möglich – und auch nicht gewollt.

Was ist zu tun?

In den westlichen, freiheitlich verfassten Demokratien gilt die Meinungsfreiheit; eine staatlich verordnete Zensur findet nicht statt. Sie darf es nur bei Inhalten geben, die die Verfassung verletzen.

Wir vertrauen darauf, dass die publizistische Vielfalt, die in Deutschland durch das duale System privater und öffentlich-rechtlicher Medien gesichert wird, eine ausgewogene und sachliche Berichterstattung garantiert, die bei den Lesern stärkere Beachtung findet als Foren- und Kommentarbeiträge.

Wir fangen nicht bei Null an, einen Maßnahmenmix zu erarbeiten.

Regeln für Online-Foren

Der Deutsche Presserat hat angekündigt, Regeln für Leserkommentare in den Onlineforen von Zeitungen und Zeitschriften zu erlassen. Als Selbstkontrolleinrichtung der Presse ist er dafür die richtige Autorität. Die Moderation von Internetforen durch ihre publizistischen Anbieter ist unerlässlich. Dafür müssen Journalisten aus- und fortgebildet werden. In der Fortbildung der Moderatoren von Onlineforen sehe ich eine Aufgabe z. B. für die politischen Stiftungen in der Bundesrepublik (z. B. die Konrad-Adenauer-Stiftung).

Jugendschutz.net erreicht Löschungen

Ein weiterer Hebel ist der Jugendschutz im Internet. Die von den Bundesländern getragene Institution jugendschutz.net dokumentiert regelmäßig eine Vielzahl jugendgefährdender, z. B. rechtsextremistischer oder islamistischer Inhalte. 2013 konnte sie bei den (auch ausländischen) Dienstebetreibern, über die diese Inhalte verbreitet wurden, in einer großen Zahl (zum Teil über 70 Prozent) die Löschung erreichen. Gegen extremistische Inhalte hilft nur eine weiter verstärkte internationale Kooperation.

Regulierung sozialer Netzwerke?

Und selbstverständlich müssen wir auch die Medienkompetenz von Jugendlichen und Erwachsenen weiter erhöhen. Dringender noch als eine technische brauchen wir eine inhaltliche Medienkompetenz. Die Einordnung von Quellen, die Fähigkeit zur Unterscheidung von seriöser Information und Propaganda stellen eine sehr große Herausforderung dar, nicht nur für junge Menschen. Dafür ist auch Fortbildung der Lehrer notwendig, z.B. durch die Bundeszentrale (bzw. Landeszentralen) für politische Bildung.

Und am Ende müssen wir gegebenenfalls auch über eine verbindlichere Regulierung für den Umgang sozialer Netzwerke und Portalbetreiber mit verfassungsfeindlichen Kommentaren und Zersetzungsversuchen von Online-Communities nachdenken.

Webseite: www.wanderwitz.de


Kommentare

  • Hallo Herr Wanderwitz,

    Sie erwähnen es, das deutsche Fernsehen ist durchreguliert, das Internet nicht. Was mich wundert, davon ging bisher die Welt nicht unter. Vielleicht können wir mit der Freiheit, wirklich alles sehen zu können, wenn wir es nur wollen / in den dunkelsten Ecken des Internets suchen, einfach leben?

  • "Seit einer Reihe von Monaten beobachten Experten in Leserforen [...] in großer Zahl recht geschickt formulierte Leser-Kommentare, die prorussische Sichtweisen formulieren und zentral gesteuert zu sein scheinen."

    Im Guten wie im Schlechten habe ich mir für diese Form des Versuchs der Meinungsbeeinflussung den Begriff "Bloggyismus" überlegt.

    http://www.mister-ede.de/glossar/bloggyismus/1972

    • Hallo Mister Ede, wie kann ich mir das vorstellen? Sitzen da irgendwo in Sibirien tausende Agenten vor dem Rechner und hauen prorussische Kommentare in den Rechner / deutsche Leserforen?

      • Ja. Nur, dass die nicht zwingend in Sibirien sitzen. Schauen sie sich dieses video an: http://www.welt.de/politik/ausland/article126936411/Putins-Mann-fuer-alle-Faelschungen.html

        NTW, RIA Nowosti und Russia Today kann man nicht trauen.

        • Hallo FredS, krasses Video. Dass wir NTW, RIA Nowosti und Russia Today nicht trauen können - d'accord. Was mich immer noch wundert, deutsche Medien scheinen immer noch keinen Weg aus dem Informationskrieg gefunden zu haben. Ende August berichtete man breit von einer russischen "Invasion" in der Ukraine. Dann plötzlich wurde zurückgerudert, Reuters korrigierte sich. Bis heute ist mir nicht klar, was wirklich passiert ist.

          Wenn jetzt die ARD wie gestern wie selbstverständlich in einem Beitrag erklärt, Russland habe den Angriff aufs Baltikum geprobt, glaube ich es schon nicht mehr. Lässt sich mit Blick auf die NATO-Manöver in der Ukraine nicht genauso sagen, die NATO probt den Angriff auf Russland? Also ich bin schon komplett Lost im "White Noise" dieses Konflikts und kann noch immer nicht fassen, dass deutsche Medien diesen Informationskrieg aller Seiten nicht in den Griff kriegen.

      • Hallo jkippenberg

        Mit „Bloggyismus“ meine ich nicht einen konkreten Sachverhalt, sondern will nur allgemein die Systematik beschreiben. Das Wort könnte man in eine Reihe setzen mit „PR“ oder „Lobbyismus“, die ja auch nicht auf ein konkretes Thema fixiert sind.

        Aber versuchen Sie es mal hier: Propaganda der Paper Snatchers

  • Liebes Forum,

    eine Zusammenfassung von unserem #pxp_thema zu Medienkritik steht nun hier online.

  • Lieber Herr Wanderwitz, ihre Beobachtungen finde ich schon mal sehr richtig. Seltsamerweise hört man in Zeiten des Informationskrieges von Medienpolitikern doch recht wenig. Gut finde ich auch, dass sie die ukrainische Propapanda nicht ausblenden. Will die Ukraine in die EU, muss sie ´damit aufhören. Bei der Löschpolitik und der Regulierung von sozialen Netzwerken - beides hoch sensible Bereiche - würde ich gern mehr wissen. Wer soll nach welchen Maßstäben entscheiden, was aus dem Netz verschwindet?