Thema Europäischer Salon #2

Joanna Scheffel PhotographyBerliner Repräsentanz der Robert Bosch Stiftung. Foto: ©Joanna Scheffel Photography.


Vor der Wahl zum Europäischen Parlament: Europa der Bürger - Europa der Eliten?

Kurz vor der Ende Mai anstehenden Europawahl sollen beim zweiten Europäischen Salon Fragen diskutiert werden, die an Aktualität und Relevanz für die Zukunft der Union gewinnen.

Wer trifft eigentlich die Entscheidungen in der EU? Schon lange wird sie in ihrer Legitimation als demokratisch defizitär eingestuft. Rechtfertigen intransparente Entscheidungsprozesse sowie ihre komplexe Struktur diese These? Mangelt es dem System etwa an einer echten Opposition?

Fragen zum europäischen Demokratieverständnis wirft auch ein aktuelles Urteil des Bundesverfassungsgericht auf. Das BVerfG hat die Drei-Prozent-Sperrklausel im deutschen Europawahlrecht für verfassungswidrig erklärt. Sie stelle unter den gegebenen Umständen einen schwerwiegenden Eingriff in die Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit der Parteien dar. Laut BVerfG drohe dem Europäischen Parlament auch ohne Hürde „keine Funktionsbeeinträchtigung”. Aber wird die Europawahl durch den Wegfall der Sperrklausel demokratischer? Oder unterbewertet das BVerfG die Bedeutung des Parlaments für die europäische Demokratie? Wie schon 2011 ist auch diese Entscheidung nicht einstimmig ergangen. Insbesondere Verfassungsrichter Peter Müller hat mit seinem Sondervotum Zweifel gesät.

Ist es wirklich so, dass die Entscheidung des BVerfG nun Tür und Tor für euroskeptische und eurofeindliche Kräfte geöffnet hat, die das Parlament lähmen werden? Ist die Kehrseite einer „demokratischeren“ Wahl nicht auch das Zulassen antieuropäischer Kräfte? Muss die Entscheidung nicht gerade im Sinne einer Union der Bürger gesehen werden, weil nun jede Stimme gleich zählt, was die Bürger neu mobilisieren könnte? Welche Strahlkraft wird das Urteil haben?

Europäische Demokratie braucht eine europäische Öffentlichkeit. Hierüber besteht ein breiter Konsens unter Europa-Experten. Die europäische Integration ist nur mit Hilfe eines starken europäischen Öffentlichkeitsnetzes voranzubringen, wovon wir aber noch weit entfernt sind. Eine starke politische Union muss in den Köpfen der Bürger ankommen. Das ist unstreitig. „Denn längst ist Europapolitik keine Außenpolitik mehr, sondern [...] europäisierte Innenpolitik.” Diese europäisierte Politik erfordert eine differenzierte Debatte.

Bislang gibt es bei europapolitischen Diskursen gefühlt nur zwei Lager, das der Pro- und das der Anti-Europäer. Kann man sich noch kritisch über die EU äußern, ohne gleich als Euroskeptiker zu gelten - ist diese Kritik für fruchtbare Debatten nicht sogar notwendig?

Seit langem gilt die EU in der (Medien-)Öffentlichkeit als ein “Elitenprojekt”, bei dem zukunftsweisende Entscheidungen intransparent und fernab der Bürger auf “Gipfeln” getroffen werden. Wie kann sie zu einer “Union der Bürger” werden und wer trägt hierfür die Verantwortung?

Sieht man das EU-Projekt als eines der Eliten an, so könnte und sollte man gerade diese Eliten in die Verantwortung nehmen. Schließlich sind sie bereits vernetzt und es könnte ihnen deshalb ein „Aufklärungsauftrag“ zugesprochen werden. Aber sind die Eliten auch dafür verantwortlich, dass sich eine europäische Identität herausbildet?

Diese Fragen wollen wir gemeinsam am 30. April 2014 und bereits jetzt hier auf salon.publixphere.de diskutieren.

LINKS

Prof. Dr. Christian Calliess im Interview auf CiceroOnline "Europapolitik ist Innenpolitik"

Prof. Dr. Hans Michael Heinig: Unionsbürger - Europäische Verfassung - nationale Referenden - Kommt hier zusammen, was nicht zusammengehört? (Download startet automatisch)

Prof. Dr. Armin Nassehi über das Oppositionsdefizit in der EU auf sueddeutsche.de

Dr. Mayte Peters: Demokratie durch Kritik - wider die EU-Skespis (APuZ 12/2014)