Britische Presse

Großbritannien CC BY-NC-SA 2.0 by Dario Susanj CC BY-NC-SA 2.0 by Dario Susanj

von Vanessa Sabelski.

Die Berichte und Kommentare zum Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) in der britischen Presse beschäftigen sich größtenteils mit den Vor- und Nachteilen, die daraus für Großbritannien erwachsen könnten. So besteht beispielsweise Sorge um das britische Gesundheitssystem NHS. Der Schwerpunkt der Berichterstattung und der Kommentare liegt auf dem ISDS-Mechanismus (Investor-State Dispute Settlement). Dieser Aspekt scheint am meisten Kritik am TTIP herbeizuführen. Darüber hinaus wird auch ein Blick auf einen möglichen Austritt Großbritanniens aus der EU und dessen Folgen für TTIP geworfen.

„This transatlantic trade deal is a full-frontal assault on democracy” “Dieses transatlantische Handelsabkommen ist ein Frontalangriff auf die Demokratie”, Kommentar in The Guardian – (linksliberal, The Guardian News & Media Ltd.), 4. November 2013

Der Autor George Monbiot empfindet TTIP als „Frontalangriff auf die Demokratie“, weil es keine Bürgerbeteiligung, kein Referendum geben soll. Im Vergleich zu dem Aufruhr, der um einen möglichen Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union gemacht wurde, findet Monbiot es irritierend, dass die Vorgänge um das TTIP so wenig transparent, ja fast gar nicht wahrnehmbar sind, obwohl es in Anbetracht der Relevanz des Abkommens für die Bürger anders sein müsste. Die größte Gefahr für die Demokratie macht er im ISDS-Mechanismus aus. Durch die geheimen Verhandlungen könnten das nationale Parlament umgangen und rechtliche Schutzvorkehrungen zerstört werden. Zudem hätten betroffene Städte, Gemeinden und schließlich auch die Bürger keine Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen. Weder können sie von dem ISDS-Mechanismus Gebrauch machen, noch könnten sie gegen die Entscheidungen vorgehen. Das Scheinargument, dass eine Schiedsgerichtsbarkeit gerade erforderlich sei, da nationale Gerichte jeweils befangen seien, greift für Monbiot nicht. Er fürchtet vielmehr, dass die Kommission plant, die nationalen Gerichte, die offen, verantwortlich und souverän sind, mit einem geschlossenen, korrupten System zu ersetzen, das mit Interessenkonflikten durchsetzt ist. Häufig seien die Schiedsrichter nämlich diejenigen Anwälte, die sonst genau solche Unternehmen vertreten, welche die Schiedsgerichtsbarkeit in Anspruch nehmen. Monbiot appelliert schließlich an die Bürger, endlich aufzuwachen, da ihnen etwas reingewürgt würde.

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„Battle lines drawn for EU-US trade talks” “Die Gefechtslinien für die Verhandlungen zwischen EU und USA sind gezogen“, Bericht in The Daily Telegraph – (konservativ, Telegraph Media Group Ltd.), 6. Juli 2013

Katherine Rushton, US-Wirtschaftsredakteurin, skizziert in ihrem Bericht die Gefechtslinien der Verhandlungen über TTIP. Dabei spiele für Großbritannien insbesondere die Frage des weiteren Verbleibs in der EU eine Rolle. Sir Mike Rake, Präsident der Confederation of British Industry (CBI), sagte, dass Großbritannien nicht erst bei der Gestaltung des TTIP mitwirken und anschließend aus der EU austreten solle. Vielmehr sei TTIP von überwältigendem wirtschaftlichen Interesse für Großbritannien. Rushton erwähnt weiterhin die Probleme, die durch die Spähaffäre entstanden und die Verhandlungen erschwerten. Insbesondere bestünde ein Interesse an der Senkung von Importzöllen zwischen der EU und den USA. Zwar seien diese gemessen an internationalen Standards im Grunde schon sehr niedrig, aufgrund des großen Handelsvolumens ließe sich jedoch viel einsparen. Weiterhin solle auch die Bürokratie verringert werden. Allein Großbritannien verliere pro Jahr durch Bürokratie acht Milliarden Pfund. So müssten Pharmaunternehmen beispielsweise zwei verschiedene Hinweisschilder zu Inhaltsangaben herstellen, da der Begriff „aqua“ in den USA nicht akzeptiert werde. Solche Einsparungen könnten an die Verbraucher weitergereicht werden. Auch ein gesteigerter Wettbewerb dadurch, dass die EU und die USA gegenseitig Qualifikationen, z.B. die von Anwälten, anerkennen, könnte zu gesteigertem Wettbewerb und somit zu besseren Preisen für die Verbraucher führen. Problematisch sei hingegen, dass es noch viele alte Gesetze gebe, die durch Druck mächtiger Lobbygruppen bestehen blieben, da ein internationaler Wettbewerb in Branchen wie der Luft- und Seefahrt nicht erwünscht sei. All diese Aspekte machen die Verhandlungen zur Herausforderung.

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„Britain could miss out on billions of pounds of U.S. investment if it leaves the EU, Obama officials warn” “Großbritannien ließe sich bei einem EU-Austritt Milliarden an Pfund in US-Investitionen entgehen, wird aus Obamas Kreisen gewarnt“, Bericht in der Daily Mail – (Boulevardzeitung, Daily Mail and General Trust), 27. Mai 2013

Tim Shepman berichtet in der Daily Mail, dass Großbritannien im Falle eines Austritts aus der EU laut Vertrauten von Obama rund 10 Milliarden Pfund im Jahr entgehen könnten. Zudem hätten US-Diplomaten deutlich gemacht, dass ein separates Abkommen mit Großbritannien im Austrittsfall sehr unwahrscheinlich sei. Inoffiziell wünschten sie sich einen Verbleib der Briten in der EU. Ein Durchwinken des TTIP im US-Senat werde als schwierig eingeschätzt, ebenso seien viele Kongressmitglieder misstrauisch und wollten die regionale Industrie vor Wettbewerbern aus der EU schützen.

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„Dispelling Myths About EU-US Trade Deal Negotiations“ “Mythen über die Freihandelsverhandlungen zwischen der EU und den USA ausräumen”, Kommentar in der Huffington Post – (Online-Zeitung, AOL),15. April 2014

Syed Kamall, Vorsitzender der Europäischen Konservativen und Reformisten im Europäischen Parlament, möchte in seinem Bericht die Aspekte, die an TTIP kritisiert werden, entkräften. Dem TTIP wird vorgeworfen, dass es Unternehmen durch den ISDS-Mechanismus möglich werde, Regierungen zu verklagen, sofern diese ihre Profite gefährden. Dem hält Kamall entgegen, dass lediglich Klagen im Rahmen bereits bestehender Investitionsschutzverträge möglich sein sollen. Weiterhin hätten bereits acht der 28 EU-Mitgliedsstaaten Investitionsabkommen mit den USA, die ISDS-Mechanismen enthielten. Bei diesen hätte es keine Konflikte mit europäischem Recht gegeben. Ferner hätte Großbritannien selbst über 90 solcher Abkommen mit ISDS-Mechanismen und hätte bisher keinen einzigen Fall verloren. Dem Vorwurf, dass Großbritannien gezwungen werde, die Regelungen anderer Länder zu übernehmen, entgegnet Kamall, dass dies bereits durch den europäischen Binnenmarkt der Fall sei. Zudem solle TTIP nicht mehr regulieren, sondern vielmehr das vereinheitlichen, worüber im Grunde schon Einigkeit bestehe. Durch gegenseitige Anerkennung von bspw. Sicherheitstests an Pkws sollen Kosten reduziert und somit auch Einsparungen für Verbraucher erzielt werden. Weiter wird an TTIP kritisiert, dass Lebensmittelvorschriften abgeschwächt werden könnten. Als Stichworte sind Chlorhuhn und Hormonfleisch in den Medien allgegenwärtig. Dem setzt Kamall entgegen, dass die Kommission in der Presse Hormonfleisch bereits mehrfach aus den Verhandlungen ausgeschlossen habe. Zudem gebe es eine im Großen und Ganzen positive Einschätzung der European Food Safety Authority (EFSA) über Säuren als hygienische Spülung für Geflügel und Fleisch. Schließlich beschäftigt Kamall sich mit der Vorhaltung, dass es bei den Verhandlungen an Transparenz fehle und vielmehr Geheimhaltung auf der Tagesordnung stehe. Hier führt er an, dass es EU-Regeln über den Zugriff der Öffentlichkeit auf Dokumente gebe, an die man sich halte. Ferner gebe es auch eine Website zum TTIP. Schließlich müsse TTIP auch von Großbritannien als EU-Mitgliedstaat ratifiziert werden, sodass das Britische Parlament die Möglichkeit habe, die britische Regierung dazu anzuhalten, die Ratifikation in Brüssel zu blockieren. Außerdem habe das Europäische Parlament auch die Möglichkeit, TTIP zu billigen oder abzuweisen. Weiterhin werde Transparenz geschafft, da die Mitglieder des Europäischen Parlaments die verschiedenen Stufen der Verhandlungen überwachten und die Bürger informierten.

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„Charlotte McDonald-Gibson: Good for business or bad for democracy? The new US-EU free-trade talks are raising concerns” “Charlotte McDonald-Gibson: Gut für die Wirtschaft oder schlecht für die Demokratie? Die neuen Freihandelsgespräche zwischen den USA und der EU wecken Bedenken“, Bericht in The Independent (liberal, The Independent News & Media), 16. November 2013

Charlotte McDonald-Gibson beschäftigt sich in ihrem Bericht über TTIP insbesondere mit ISDS und den möglichen Folgen dieses Mechanismus. Zwar könnte TTIP für die EU und die USA 180 Milliarden Pfund an zusätzlichen Einnahmen bedeuten. Auf der anderen Seite bestehen jedoch Zweifel bei Verbraucherverbänden, Transparenzbefürwortern sowie europäischen Politikern. Als Beispiel wird angeführt, dass Phil Morris Australien über eine ISDS-Klausel in einem Abkommen, das zwischen Hong Kong und Australien besteht, verklagt, weil das Unternehmen durch die Pflicht zum Aufdrucken von Gesundheitswarnungen auf Zigarettenverpackungen im Profit gehemmt würde. Ähnliche Verfahren fürchtet man für Großbritannien. Ebenso wird kritisiert, dass durch ISDS eine Hand voll Schiedsrichter hinter verschlossenen Türen über souveräne Staaten urteilen könnten. Kritiker sagten, dass es großen Unternehmen so möglich gemacht werde, die Demokratie mit Füßen zu treten. Weiterhin gebe es die Besorgnis, dass Unternehmen sich mithilfe des Mechanismus über Umweltgesetze hinwegsetzen können, weil die europäischen Mitgliedstaaten gegebenenfalls keine Milliardenklagen riskieren wollen. Kritik wird auch deshalb laut, weil ein Investitionsschutzmechanismus wie ISDS zwar in Staaten mit Diktaturen, mangelnder Rechtsstaatlichkeit und Korruption für sinnvoll gehalten wird, in den USA und der EU für so etwas jedoch kein Anlass bestehe. Der Labour-Abgeordnete und Vorsitzende der parteiübergreifenden Parlamentsgruppe für EU-US Handel und Investition, John Healey, sagt: „Es ist nicht ersichtlich, dass ISDS überhaupt gerechtfertigt erscheint, wenn die Vereinbarung zwei Staaten mit zwei der fortschrittlichsten und stabilsten Rechtssystemen der Welt betrifft.“

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