Wie die US-Regierung die Arbeit der Geheimdienste reformieren will, erklärte Obama in einer 45-minütigen Rede (
Original-Text im Wortlaut /
Video). So sollen befreundete Staats- und Regierungschefs nicht mehr abgehört werden dürfen. Auch die Privatsphäre „normaler Menschen“ außerhalb der USA werde künftig stärker beachtet. Die Dienste sollen Ausländer nur überwachen, wenn die nationale Sicherheit konkret gefährdet ist. Inwieweit die NSA die Daten ausländischer Staatsbürger - etwa Mails, SMS oder Chats - vorsorglich sammeln darf, um sie gegebenenfalls später zu überprüfen, lässt Obamas Formulierung allerdings offen.
Außerdem soll der in den USA viel kritisierte Umgang mit Telefon-Metadaten von US-Bürgern reformiert werden. Eine Einsicht durch die Geheimdienste müssen Gerichte künftig im Einzelfall prüfen. Zahlreiche technische Fragen griff Obama in seiner Rede nicht auf, etwa ob die NSA weiterhin die Leitungen großer Internetfirmen anzapft.
Ausgangspunkt der Reform ist der Bericht (Original-Text) einer Expertenkommission. Sie hatte die Tätigkeiten der Dienste monatelang überprüft. Allerdings folgt die US-Regierung nicht allen der 46 Experten-Vorschläge.
Prinzipiell verteidigt Obama die Spionagetätigkeiten der Dienste. Sie hätten mehrere Terrorangriffe verhindert und Menschenleben gerettet, auch im Ausland. „Wir können unsere Geheimdienste nicht einseitig entwaffnen“, so Obama. Mit Blick auf den Whistleblowe Edward Snowden, der die NSA-Affäre ins Rollen brachte, zeigt sich der US-Präsident weiterhin unversöhnlich. „Ich sage, dass die Verteidigung unseres Landes teils von der Treue derjenigen abhängig ist, die mit den Geheimnissen unserer Nation betraut werden.“
Zum Verhältnis zu Deutschland sagte Obama in einem ZDF-Interview: „Da hat sich eine Menge Misstrauen aufgebaut, in Deutschland und der ganzen Welt“. Es werde einige Zeit brauchen, um das Vertrauen zurückzugewinnen.
Die Bundesregierung begrüßt, „dass Datenschutz und Persönlichkeitsrechte auch von Nicht-US-Bürgern künftig stärker geachtet werden sollen“. Allerdings bleiben für Berlin viele Fragen offen. Der CSU-Politker Stephan Mayer, Mitglied im Geheimdienst-Kontrollgremium des Bundestages, sagte: „Es darf nicht dabei bleiben, dass nur Ankündigungen gemacht werden, sondern jetzt muss auch konkret gehandelt werden.“ Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele nannte Obamas Vorschläge bemerkenswert. „Das ist ein Fortschritt, das habe ich so von unseren Politikern, von unserer Kanzlerin, aber auch von unseren Geheimdiensten bisher nicht gehört.“
Parlamente untersuchen NSA-Spionage
Die Große Koalition einigte sich mit der Opposition auf die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses zur NSA-Affäre, der auch die Rolle der Bundesregierung prüfen soll. Auf der Tagesordnung steht grundsätzlich die mögliche Verletzung von Bürgerrechten durch nachrichtendienstliche Tätigkeiten.
Das EU-Parlament billigte bereits am 12. März seinen - rechtlich nicht bindenden - Abschlussbericht zur NSA-Massenüberwachung. 544 Abgeordnete stimmten dafür, 78 dagegen. Seit Dezember 2013 hatte es 16 Anhörungen eines NSA-Untersuchungsausschusses gegeben. Der Whistleblower Edward Snowden äußerte sich schriftlich zu den Fragen des Parlaments (Volltext, Enlisch).
In dem Bericht (73 Seiten) - ausgearbeitet vom britischen Labour-Politiker Claude Moraes - verurteilt das Parlament "die in gigantischem Ausmaß erfolgte systematische und pauschale Erfassung der personenbezogenen, oft auch intimen persönlichen Daten unschuldiger Menschen". Das Parlament will dem geplanten Freihandelsabkommen mit den USA (Siehe Publixphere-Schwerpunkt zu TTIP) nicht zustimmen, "solange die pauschale Massenüberwachung sowie das Abfangen von Nachrichten in EU-Institutionen und diplomatischen Vertretungen nicht völlig eingestellt werden und keine angemessene Lösung für Datenschutzrechte von EU-Bürgern, einschließlich behördlicher und gerichtlicher Rechtsbehelfe, gefunden wird."
Das Parlament fordert außerdem, das Programm zur Offenlegung der Terrorismus-Finanzierung (TFTP) sowie das Safe-Harbour-Abkommen (Anerkennung von EU-Datenschutzgrundsätzen durch US-Unternehmen) auf Eis legen.
Streit um No-Spy-Abkommen
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) dränge bislang auf ein Anti-Spionage-Abkommen mit den USA. „Erst wenn wir ein rechtlich verbindliches Abkommen unterzeichnet haben, das die Daten aller Bürger schützt, werden wir verlorenes Vertrauen zurückgewinnen können“, so Maas.
Die Süddeutsche Zeitung berichtete allerdings Mitte Januar aus Verhandlungskreisen, das geplante deutsch-amerikanische No-Spy-Abkommen stehe vor dem Aus. So seien die USA etwa nicht zu der Zusicherung bereit, keine deutschen Regierungsmitglieder und politischen Amtsträger abzuhören.
Der frühere luxemburgische Premier Jean-Claude Juncker fordert derweil ein weitreichendes No-Spy-Abkommen zwischen den USA und allen 27 EU-Staaten. Es müsse so ausfallen, „dass keine einzigen operativen Maßnahmen geheimdienstlicher Natur gegen Verbündete ergriffen werden.“
Auch ein Abkommen zwischen den EU-Staaten steht zur Debatte. Es soll den EU-Ländern erstmalig die gegenseitige politische und wirtschaftliche Spionage verbieten. Allerdings scheint Großbritannien nur eine gemeinsame Erklärung zu wollen, und kein förmliches Abkommen. Der britische Geheimdienst stand im Zuge der Affäre im Verdacht, das deutsche Regierungsviertel abzuhören.
Bürgerrechtler unzufrieden
Vertreter der US-Geheimdienste loben die angekündigten Schritte der US-Regierung. Obama habe einen „bedächtigen und gut durchdachten Ansatz“ zur Geheimdienstreform gewählt, so James Clapper, Direktor der nationalen Nachrichtendienste. Clapper hatte zuvor auch Spähangriffe auf ausländische Spitzenpolitiker verteidigt: „Es ist unersetzlich für uns zu wissen, was die Länder bewegt, was ihre Politik ist.“
Ehemalige NSA-Mitarbeiter zeigen sich dagegen skeptisch, ob der US-Regierung zu glauben ist. Der Ex-NSA-Mann J. Kirk Wiebe fordert, eine unabhängige Gruppe von IT-Spezialisten solle sicherstellen, dass die NSA keine Daten missbraucht. Sein ehemaliger Kollege Russ Tice behauptet zudem, die NSA habe in der Vergangenheit ranghohe US-Politiker überwacht, auch Barack Obama. Vorlegbare Beweise habe er dafür aber nicht.
Auch Bürgerrechtlern geht die geplante Reform nicht weit genug. Die Electronic Frontier Foundation (EFF) gibt ihr 3,5 Punkte - auf einer Skala von 0 bis 12. Fast keinen Forschritt sieht die EFF, wenn es um die Beendung der „Massenüberwachung von digitaler Kommunikation“ geht.
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