Prostitution gesetzlich verbieten?

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    4
    5 ***Louisa startete die Diskussion [„Prostitution nun doch
    6 gesetzlich verbieten?“](https://publixphere.de/d/274) (4.
    7 Dezember 2013). Hintergrund ist die politische Debatte um
    8 eine Verschärfung der Prostitutionsgesetzgebung in
    9 Deutschland. @Louisa fragt, ob das schwedische Modell Sinn
    10 macht, welches den Kauf sexueller Dienstleistungen
    11 verbietet („Freier-Bestrafung“). Alle
    12 Politik-Interessierten waren und sind eingeladen, sich
    13 einzubringen. Die folgende
    14 [Kurzdarstellung](https://publixphere.de/i/publixphere-de/pa
    15 ge/1_Was_sind_Kurzdarstellungen) bezieht sich auf die
    16 Kommentare und Beiträge bis zum 13. Juni 2014***
    17
    18 ##Knackpunkte der Diskussion
    19
    20 - muss es das Ziel sein, Prostitution abzuschaffen oder
    21 geht es darum rechtliche, gesellschaftliche und soziale
    22 Bedingungen zu verbessern?
    23
    24 - gibt es freiwillige, selbstbestimmte, menschenwürdige
    25 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und
    26 Ausbeutung?
    27
    28 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem
    29 Körper tun?
    30
    31 ##Politischer Kontext
    32
    33 Union und SPD einigten sich in ihrem
    34 [Koalitionsvertrag](https://www.tagesschau.de/inland/koaliti
    35 onsvertrag136.pdf) (Dezember 2013, Seite 104) darauf, die
    36 Gesetzgebung zur Prostitution zu verschärfen. Ein konkreter
    37 Gesetzentwurf wird noch erarbeitet (Stand 11. Juni 2014).
    38 Das Bundesfamilienministerium hat erste Ansatzpunkte
    39 [vorgestellt](http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did
    40 =206114.html). Demnach soll unter anderem das Mindestalter
    41 für Prostituierte von 18 auf 21 angehoben werden.
    42 „Menschenunwürdige Geschäftsmodelle" wie Flatrate-Bordelle
    43 soll es nicht mehr geben.
    44
    45 Die - seinerzeit rot-grüne - Bundesregierung hatte die
    46 *Sittenwidrigkeit* von Prostitution 2002
    47 [aufgehoben](http://de.wikipedia.org/wiki/Prostitutionsgeset
    48 z). Das Ziel: die rechtliche und soziale Situation von
    49 Prostituierten stärken. Frauenrechtlerinnen halten den
    50 Ansatz jedoch für gescheitert. Das Gesetz von 2002 trage
    51 die „Handschrift der Frauenhändler und ihrer
    52 LobbyistInnen“, heißt es in einem „[Appel gegen
    53 Prostitution](http://www.emma.de/thema/der-appell-gegen-pros
    54 titution-111249)“ (Nobember 2013), initiiert von der
    55 feministischen Zeitschrift „Emma“: „Seither ist Deutschland
    56 zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies
    57 der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“
    58
    59 Von der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung fordert die
    60 Initiative unter anderem: „die Ächtung und, wenn nötig,
    61 auch Bestrafung der Freier“. Eine Bestrafung der Freier
    62 findet sich auch im „nordischen“ oder „schwedischen“
    63 Modell. In Schweden ist der Kauf sexueller Dienstleistungen
    64 seit 1998 verboten. Das EU-Parlament empfiehlt in einer
    65 [Entschließung](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.d
    66 o?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BD
    67 OC%2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) (Februar 2014)
    68 diesen Ansatz. Die deutsche Legalisierung komme einer
    69 "Genehmigung der sexuellen Ausbeutung“ geich.
    70
    71 ##Themen der Publixphere-Diskussion:
    72
    73 **Fehlende Informationen**
    74
    75 Viele Kommentare verweisen auf fehlende Informationen zur
    76 Prostitution in Deutschland und Europa. @Emil fragt
    77 beispielsweise: „Gibt es verlässliche Zahlen und Fakten zu
    78 einem erfolgreichen Verbot? Ist selbstbestimmte und
    79 menschenwürdige Prostitution (...) ein Ausnahmefall?“.
    80 [Patrick
    81 Müller](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Patrick
    82 Mueller/about) meint: „Ich habe den Eindruck, man weiß
    83 besser, wie viel illegale Schwarzarbeit existiert als
    84 legale Prostitution.“
    85
    86 Schon über die Gründe der fehlenden Informationen gibt es
    87 eine Kontroverse. @HekateGT kommentiert: „Das liegt unter
    88 anderem daran, dass viele Sexarbeiterinnen sich nicht
    89 öffentlich outen wollen, weil sie keine Lust darauf haben,
    90 in ihrem privaten Umfeld diskriminiert und ausgegrenzt zu
    91 werden.“
    92 [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a
    93 bout) zufolge fehlen Statistiken, „weil (...) ein Großteil
    94 der Frauen aus armen Ostblockländern zu uns kommen und sich
    95 hier prostituieren bzw. zur Prostitution gezwungen werden.
    96 Wer hat denn ein Interesse daran, dass diese Frauen
    97 irgendwie 'registriert' werden? Die Zuhälter? Die
    98 Bordellbesitzer? Die Frauen? Die Freier vielleicht? Wohl
    99 eher nicht.“
    100
    101 Zur Frage „Wer geht zu Prostituierten?“ hat @HannahDo eine
    102 [eigene Diskussion](https://publixphere.de/d/292)
    103 gestartet. Das Forum sammelt hier verschiedene Artikel zum
    104 Thema.
    105
    106 **Was muss geregelt werden?**
    107
    108 Offen bleibt im Forum, welche Regelungen zu reformieren
    109 sind, um Prostituierte (Frauen und Männer) vor Ausbeutung
    110 zu schützen. @HekateGT kommentiert: „alle die widrigen
    111 Begleitumstände, die immer wieder im Zusammenhang mit
    112 Sexarbeit thematisiert werden - als da sind: sexuelle
    113 Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel - werden bereits
    114 durch das STGB (*„Strafgesetzbuch“, Anm. d. R.*) abgedeckt.”
    115
    116 @sonjdol hält das Prostitutionsgesetz für den falschen
    117 Ansatzpunkt, um Menschenhandel einzudämmen – hierfür gebe
    118 es Gesetze gegen Menschenhandel. „Ich verstehe nicht, warum
    119 alle immer wieder in diese Falle tappen. Als würde man
    120 Vergewaltigung durch eine Regulierung einvernehmlichen
    121 Sexes reduzieren können und nicht durch Paragraphen, die
    122 sich direkt auf Vergewaltigung beziehen.“ @sonjdol
    123 fordert, eher über effektive Gesetze gegen Menschenhandel
    124 zu diskutieren und die Opferrechte zu stärken, woran die
    125 Politik aber kaum Interesse habe.
    126
    127 @Emil verweist dagegen auf den
    128 [Entschluss](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?p
    129 ubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BDOC%
    130 2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) des EU-Parlaments. Ihm
    131 zufolge stellt die Einstufung der Prostitution als legale
    132 „Sexarbeit“ keine Lösung dar, um schutzbedürftige Frauen
    133 und Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. @sonjdol
    134 kritisiert den Parlamentsbeschluss scharf, unter anderem
    135 als „Zeichen der anhaltenden Stigmatisierung“ von
    136 Sexarbeiterinnen.
    137
    138 **Freierbestrafung**
    139
    140 Die Option, die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen
    141 durch Freier zu verbieten („schwedisches Modell"), streift
    142 das Forum nur kurz. @HekateGT hält es für einen „Schuss in
    143 den Ofen: „(...) die Sexarbeit ist dadurch nicht weniger
    144 geworden - aber die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen ist
    145 dramatisch angestiegen.“ @sonjdol meint mit Verweis auf
    146 einen
    147 [Artikel](http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitu
    148 tion-in-schweden-sexkaufverbot/) des Online-Magazins
    149 menschenhandelheute.net: „Das Schwedische Modell basiert
    150 auf der Stigmatisierung und Entrechtung von Prostituierten.
    151 Es hilft ihnen nicht.“ Das Magazin Emma, auf dessen
    152 Kampagne der Diskussionsanstoß Bezug nimmt, kommt dagegen
    153 zu einer anderen
    154 [Einschätzung](http://www.emma.de/artikel/dossier-prostituti
    155 on-abschaffen-modell-schweden-265411): Die schwedische
    156 Regierung könne belegen, „dass das Anti-Freier-Gesetz
    157 Frauen und Mädchen aus dem Osten Europas vor
    158 Zwangsprostitution schützt“.
    159
    160 **Sexarbeit oder Prostitution? Beruf oder Ausbeutung?**
    161
    162 In der Diskussion dominieren grundsätzliche Fragen zur
    163 Prostitution – etwa, ob es sich um einen gesellschaftlich
    164 akzeptierten Beruf handeln kann. @HekateGT sieht es so.
    165 Sexarbeit sei "an sich" kein Problem. „Was wir brauchen
    166 sind nicht zusätzliche Reglementierungen, sondern das
    167 Herausholen der Sexarbeit aus der Grauzone. NICHT die
    168 Sexarbeit ist das Problem, sondern die Art und Weise, in
    169 der die Gesellschaft diesen Beruf wahrnimmt“.
    170
    171 Dagegen schreibt
    172 [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a
    173 bout): „Prostitution ist (...) eine der ältesten Arten von
    174 Ausbeutung von Frauen. Es gab Zeiten und Gesellschaften
    175 (und gibt es noch heute), da gehörten Frauen quasi zu
    176 Haushalt (wie das Vieh).“ @sonjdol meint dagegen, die
    177 meisten Sexarbeiter*innen würden ihre Würde nicht
    178 angegriffen sehen.
    179
    180 **Wo fängt der Zwang an?**
    181
    182 Gerungen wird mit der Frage, ob es eine selbstbestimmte,
    183 freiwilige Prostitution bzw. Sexarbeit geben kann. @Louisa
    184 kommentiert: „Ich denke (...), dass viele durch bestimmte
    185 (nicht frei entschiedene) Situationen das Gefühl haben,
    186 sich prosituieren zu müssen. Auch dieses könnte man als
    187 Zwangsprostitution im weitesten Sinne verstehen.“
    188 [Kilian](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Donkey
    189 /about) meint: „Prostitution aus einer Zwangslage heraus
    190 wollen wir nicht und wir wissen, das Zwang sehr früh
    191 anfangen kann.“ @Emil verweist auf die Sichtweise des
    192 schwedischen Gesetzgebers, wonach es einen selbstbestimmten
    193 Sexarbeiter nicht geben könne, da immer ein
    194 Abhängigkeitsverhältnis zwischen Käufer und Dienstleister
    195 bestehe.
    196
    197 @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER
    198 ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und
    199 Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution
    200 für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht
    201 mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen,
    202 solange kein Zwang im Spiel ist?“
    203
    204 @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der
    205 Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und
    206 staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs,
    207 Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen
    208 Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(...) wenn
    209 (...) Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest
    210 von Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich
    211 ein Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin
    212 kämen wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte
    213 Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst
    214 vorbehalten würden?“
    215
    216 **Darf der Staat eingreifen?**
    217
    218 Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der
    219 Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der
    220 "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der
    221 Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung
    222 abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder
    223 Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf
    224 meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs)
    225 regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder
    226 nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist
    227 unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg
    228 Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu
    229 reden.“
    230
    231 @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob
    232 der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und
    233 meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“
    234 [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a
    235 bout) verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution
    236 vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die
    237 Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen.
    238 „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu,
    239 dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware
    240 werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann
    241 und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und
    242 Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben
    243 wird dem etwas entgegenzusetzen?“
    244
    245 Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft:
    246 „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität –
    247 immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele
    248 Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von
    249 einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik
    250 ausgenommen sein?“
    251
    252 @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin,
    253 Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr
    254 Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle
    255 auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution
    256 sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist eine
    257 gesellschaftliche Praxis, die es immer geben wird - in der
    258 einen oder anderen Form. Und sei es in der Form eines
    259 Dates, wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn er sie zu einem
    260 teuren Essen einlädt.“
    261
    262 ------------------------------------------------------------
    263 ---------------------------------
    264
    265 ##Links
    266
    267 - [Hintergrundtext:
    268 Prostitution](https://publixphere.de/i/publixphere-de/catego
    269 ry/45)
    270
    271 - [Diskussion: Prostitution nun doch gesetzlich
    272 verbieten?](https://publixphere.de/d/274)
    273
    274 - [Diskussion: Wer geht es darum rechtliche,
    275 gesellschaftliche und soziale Bedingungen zu verbessern?
    276
    277 - gibt es freiwillige, selbstbestimmte, menschenwürdige
    278 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und
    279 Ausbeutung?
    280
    281 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem
    282 Körper tun?
    283
    284 ##Politischer Kontext
    285
    286 Union und SPD einigten sich in ihrem
    287 [Koalitionsvertrag](https://www.tagesschau.de/inland/koaliti
    288 onsvertrag136.pdf) (Dezember 2013, Seite 104) darauf, die
    289 Gesetzgebung zur Prostitution zu verschärfen. Ein konkreter
    290 Gesetzentwurf wird noch erarbeitet (Stand 11. Juni 2014).
    291 Das Bundesfamilienministerium hat erste Ansatzpunkte
    292 [vorgestellt](http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did
    293 =206114.html). Demnach soll unter anderem das Mindestalter
    294 für Prostituierte von 18 auf 21 angehoben werden.
    295 „Menschenunwürdige Geschäftsmodelle" wie Flatrate-Bordelle
    296 soll es nicht mehr geben.
    297
    298 Die - seinerzeit rot-grüne - Bundesregierung hatte die
    299 *Sittenwidrigkeit* von Prostitution 2002
    300 [aufgehoben](http://de.wikipedia.org/wiki/Prostitutionsgeset
    301 z). Das Ziel: die rechtliche und soziale Situation von
    302 Prostituierten stärken. Frauenrechtlerinnen halten den
    303 Ansatz jedoch für gescheitert. Das Gesetz von 2002 trage
    304 die „Handschrift der Frauenhändler und ihrer
    305 LobbyistInnen“, heißt es in einem „[Appel gegen
    306 Prostitution](http://www.emma.de/thema/der-appell-gegen-pros
    307 titution-111249)“ (Nobember 2013), initiiert von der
    308 feministischen Zeitschrift „Emma“: „Seither ist Deutschland
    309 zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies
    310 der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“
    311
    312 Von der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung fordert die
    313 Initiative unter anderem: „die Ächtung und, wenn nötig,
    314 auch Bestrafung der Freier“. Eine Bestrafung der Freier
    315 findet sich auch im „nordischen“ oder „schwedischen“
    316 Modell. In Schweden ist der Kauf sexueller Dienstleistungen
    317 seit 1998 verboten. Das EU-Parlament empfiehlt in einer
    318 [Entschließung](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.d
    319 o?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BD
    320 OC%2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) (Februar 2014)
    321 diesen Ansatz. Die deutsche Legalisierung komme einer
    322 "Genehmigung der sexuellen Ausbeutung“ geich.
    323
    324 ##Themen der Publixphere-Diskussion:
    325
    326 **Fehlende Informationen**
    327
    328 Viele Kommentare verweisen auf fehlende Informationen zur
    329 Prostitution in Deutschland und Europa. @Emil fragt
    330 beispielsweise: „Gibt es verlässliche Zahlen und Fakten zu
    331 einem erfolgreichen Verbot? Ist selbstbestimmte und
    332 menschenwürdige Prostitution (...) ein Ausnahmefall?“.
    333 [Patrick
    334 Müller](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Patrick
    335 Mueller/about) meint: „Ich habe den Eindruck, man weiß
    336 besser, wie viel illegale Schwarzarbeit existiert als
    337 legale Prostitution.“
    338
    339 Schon über die Gründe der fehlenden Informationen gibt es
    340 eine Kontroverse. @HekateGT kommentiert: „Das liegt unter
    341 anderem daran, dass viele Sexarbeiterinnen sich nicht
    342 öffentlich outen wollen, weil sie keine Lust darauf haben,
    343 in ihrem privaten Umfeld diskriminiert und ausgegrenzt zu
    344 werden.“
    345 [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a
    346 bout) zufolge fehlen Statistiken, „weil (...) ein Großteil
    347 der Frauen aus armen Ostblockländern zu uns kommen und sich
    348 hier prostituieren bzw. zur Prostitution gezwungen werden.
    349 Wer hat denn ein Interesse daran, dass diese Frauen
    350 irgendwie 'registriert' werden? Die Zuhälter? Die
    351 Bordellbesitzer? Die Frauen? Die Freier vielleicht? Wohl
    352 eher nicht.“
    353
    354 Zur Frage „Wer geht zu Prostituierten?“ hat @HannahDo eine
    355 [eigene Diskussion](https://publixphere.de/d/292)
    356 gestartet. Das Forum sammelt hier verschiedene Artikel zum
    357 Thema.
    358
    359 **Was muss geregelt werden?**
    360
    361 Offen bleibt im Forum, welche Regelungen zu reformieren
    362 sind, um Prostituierte (Frauen und Männer) vor Ausbeutung
    363 zu schützen. @HekateGT kommentiert: „alle die widrigen
    364 Begleitumstände, die immer wieder im Zusammenhang mit
    365 Sexarbeit thematisiert werden - als da sind: sexuelle
    366 Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel - werden bereits
    367 durch das STGB (*„Strafgesetzbuch“, Anm. d. R.*) abgedeckt.”
    368
    369 @sonjdol hält das Prostitutionsgesetz für den falschen
    370 Ansatzpunkt, um Menschenhandel einzudämmen – hierfür gebe
    371 es Gesetze gegen Menschenhandel. „Ich verstehe nicht, warum
    372 alle immer wieder in diese Falle tappen. Als würde man
    373 Vergewaltigung durch eine Regulierung einvernehmlichen
    374 Sexes reduzieren können und nicht durch Paragraphen, die
    375 sich direkt auf Vergewaltigung beziehen.“ @sonjdol
    376 fordert, eher über effektive Gesetze gegen Menschenhandel
    377 zu diskutieren und die Opferrechte zu stärken, woran die
    378 Politik aber kaum Interesse habe.
    379
    380 @Emil verweist dagegen auf den
    381 [Entschluss](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?p
    382 ubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BDOC%
    383 2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) des EU-Parlaments. Ihm
    384 zufolge stellt die Einstufung der Prostitution als legale
    385 „Sexarbeit“ keine Lösung dar, um schutzbedürftige Frauen
    386 und Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. @sonjdol
    387 kritisiert den Parlamentsbeschluss scharf, unter anderem
    388 als „Zeichen der anhaltenden Stigmatisierung“ von
    389 Sexarbeiterinnen.
    390
    391 **Freierbestrafung**
    392
    393 Die Option, die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen
    394 durch Freier zu verbieten („schwedisches Modell"), streift
    395 das Forum nur kurz. @HekateGT hält es für einen „Schuss in
    396 den Ofen: „(...) die Sexarbeit ist dadurch nicht weniger
    397 geworden - aber die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen ist
    398 dramatisch angestiegen.“ @sonjdol meint mit Verweis auf
    399 einen
    400 [Artikel](http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitu
    401 tion-in-schweden-sexkaufverbot/) des Online-Magazins
    402 menschenhandelheute.net: „Das Schwedische Modell basiert
    403 auf der Stigmatisierung und Entrechtung von Prostituierten.
    404 Es hilft ihnen nicht.“ Das Magazin Emma, auf dessen
    405 Kampagne der Diskussionsanstoß Bezug nimmt, kommt dagegen
    406 zu einer anderen
    407 [Einschätzung](http://www.emma.de/artikel/dossier-prostituti
    408 on-abschaffen-modell-schweden-265411): Die schwedische
    409 Regierung könne belegen, „dass das Anti-Freier-Gesetz
    410 Frauen und Mädchen aus dem Osten Europas vor
    411 Zwangsprostitution schützt“.
    412
    413 **Sexarbeit oder Prostitution? Beruf oder Ausbeutung?**
    414
    415 In der Diskussion dominieren grundsätzliche Fragen zur
    416 Prostitution – etwa, ob es sich um einen gesellschaftlich
    417 akzeptierten Beruf handeln kann. @HekateGT sieht es so.
    418 Sexarbeit sei "an sich" kein Problem. „Was wir brauchen
    419 sind nicht zusätzliche Reglementierungen, sondern das
    420 Herausholen der Sexarbeit aus der Grauzone. NICHT die
    421 Sexarbeit ist das Problem, sondern die Art und Weise, in
    422 der die Gesellschaft diesen Beruf wahrnimmt“.
    423
    424 Dagegen schreibt
    425 [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a
    426 bout): „Prostitution ist (...) eine der ältesten Arten von
    427 Ausbeutung von Frauen. Es gab Zeiten und Gesellschaften
    428 (und gibt es noch heute), da gehörten Frauen quasi zu
    429 Haushalt (wie das Vieh).“ @sonjdol meint dagegen, die
    430 meisten Sexarbeiter*innen würden ihre Würde nicht
    431 angegriffen sehen.
    432
    433 **Wo fängt der Zwang an?**
    434
    435 Gerungen wird mit der Frage, ob es eine selbstbestimmte,
    436 freiwilige Prostitution bzw. Sexarbeit geben kann. @Louisa
    437 kommentiert: „Ich denke (...), dass viele durch bestimmte
    438 (nicht frei entschiedene) Situationen das Gefühl haben,
    439 sich prosituieren zu müssen. Auch dieses könnte man als
    440 Zwangsprostitution im weitesten Sinne verstehen.“
    441 [Kilian](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Donkey
    442 /about) meint: „Prostitution aus einer Zwangslage heraus
    443 wollen wir nicht und wir wissen, das Zwang sehr früh
    444 anfangen kann.“ @Emil verweist auf die Sichtweise des
    445 schwedischen Gesetzgebers, wonach es einen selbstbestimmten
    446 Sexarbeiter nicht geben könne, da immer ein
    447 Abhängigkeitsverhältnis zwischen Käufer und Dienstleister
    448 bestehe.
    449
    450 @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER
    451 ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und
    452 Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution
    453 für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht
    454 mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen,
    455 solange kein Zwang im Spiel ist?“
    456
    457 @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der
    458 Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und
    459 staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs,
    460 Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen
    461 Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(...) wenn
    462 (...) Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest
    463 von Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich
    464 ein Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin
    465 kämen wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte
    466 Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst
    467 vorbehalten würden?“
    468
    469 **Darf der Staat eingreifen?**
    470
    471 Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der
    472 Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der
    473 "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der
    474 Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung
    475 abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder
    476 Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf
    477 meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs)
    478 regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder
    479 nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist
    480 unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg
    481 Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu
    482 reden.“
    483
    484 @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob
    485 der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und
    486 meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“
    487 [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a
    488 bout) verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution
    489 vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die
    490 Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen.
    491 „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu,
    492 dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware
    493 werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann
    494 und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und
    495 Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben
    496 wird dem etwas entgegenzusetzen?“
    497
    498 Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft:
    499 „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität –
    500 immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele
    501 Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von
    502 einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik
    503 ausgenommen sein?“
    504
    505 @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin,
    506 Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr
    507 Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle
    508 auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution
    509 sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist eine
    510 gesellschaftliche Praxis, die es immer geben wird - in der
    511 einen oder anderen Form. Und sei es in der Form eines
    512 Dates, wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn er sie zu einem
    513 teuren Essen einlädt.“
    514
    515 ------------------------------------------------------------
    516 ---------------------------------
    517
    518 ##Links
    519
    520 - [Hintergrundtext:
    521 Prostitution](https://publixphere.de/i/publixphere-de/catego
    522 ry/45)
    523
    524 - [Diskussion: Prostitution nun doch gesetzlich
    525 verbieten?](https://publixphere.de/d/274)
    526
    527 - [Diskussion: Wer geht zu
    528 Prostituierten?](https://publixphere.de/d/292)
  • Prostitution gesetzlich verbieten? (Originalversion)

    von admin, angelegt
    1 ![Foto: Jake Guild (CC BY
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    4
    5 ***Louisa startete die Diskussion [„Prostitution nun doch
    6 gesetzlich verbieten?“](https://publixphere.de/d/274) (4.
    7 Dezember 2013). Hintergrund ist die politische Debatte um
    8 eine Verschärfung der Prostitutionsgesetzgebung in
    9 Deutschland. @Louisa fragt, ob das schwedische Modell Sinn
    10 macht, welches den Kauf sexueller Dienstleistungen
    11 verbietet („Freier-Bestrafung“). Alle
    12 Politik-Interessierten waren und sind eingeladen, sich
    13 einzubringen. Die folgende
    14 [Kurzdarstellung](https://publixphere.de/i/publixphere-de/pa
    15 ge/1_Was_sind_Kurzdarstellungen) bezieht sich auf die
    16 Kommentare und Beiträge bis zum 13. Juni 2014***
    17
    18 ##Knackpunkte der Diskussion
    19
    20 - muss es das Ziel sein, Prostitution abzuschaffen oder
    21 geht es darum rechtliche, gesellschaftliche und soziale
    22 Bedingungen zu verbessern?
    23
    24 - gibt es freiwillige, selbstbestimmte, menschenwürdige
    25 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und
    26 Ausbeutung?
    27
    28 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem
    29 Körper tun?
  • Prostitution gesetzlich verbieten? (Originalversion)

    von admin, angelegt
    1 ##Stand: 13. Juni 2014
    2
    3 ***@Louisa startete die Diskussion [„Prostitution nun doch
    4 gesetzlich verbieten?“](https://publixphere.de/d/274) (4.
    5 Dezember 2013). Hintergrund ist die politische Debatte um
    6 eine Verschärfung der Prostitiutionsgesetzgebung in
    7 Deutschland. @Louisa fragt, ob das schwedische Modell Sinn
    8 macht, den Kauf sexueller Dienstleistungen zu verbieten
    9 („Freier-Bestrafung“). Alle Politik-Interessierten waren
    10 und sind eingeladen, sich einzubringen.***
    11
    12 ##Was sind die Knackpunkte der Diskussion?
    13
    14 - muss es das Ziel sein, Prostitution abzuschaffen oder
    15 ihre rechtlichen, gesellschaftlichen und sozialen
    16 Bedingungen zu verbessern?
    17
    18 - gibt es freiwillige, selbstsbestimmte, menschenwürdige
    19 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und
    20 Ausbeutung?
    21
    22 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem
    23 Körper tun?
    24
    25 ##Politischer Kontext
    26
    27 Union und SPD einigten sich in ihrem
    28 [Koalitionsvertrag](https://www.tagesschau.de/inland/koaliti
    29 onsvertrag136.pdf) (Dezember 2013, Seite 104) darauf, die
    30 Gesetzgebung zur Prostitution zu verschärfen. Ein konkreter
    31 Gesetzentwurf wird noch erarbeitet (Stand 11. Juni 2014).
    32 Das Bundesfamilienministerium hat erste Ansatzpunkte
    33 [vorgestellt](http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did
    34 =206114.html). Demnach soll unter anderem das Mindestalter
    35 für Prostituierte von 18 auf 21 angehoben werden.
    36 „Menschenunwürdige Geschäftsmodelle" wie Flatrate-Bordelle
    37 soll es nicht mehr geben.
    38
    39 Die - seinerzeit rot-grüne - Bundesregierung hatte die
    40 Sittenwidrigkeit Prostition 2002
    41 [aufgehoben](http://de.wikipedia.org/wiki/Prostitutionsgeset
    42 z). Das Ziel: die rechtliche und soziale Situation von
    43 Prostitutierten stärken. Frauenrechtlerinnen halten den
    44 Ansatz jedoch für gescheitert. Das Gesetz von 2002 trage
    45 die „Handschrift der Frauenhändler und ihrer
    46 LobbyistInnen“, heißt es in einem „[Appel gegen
    47 Prosititution](http://www.emma.de/thema/der-appell-gegen-pro
    48 stitution-111249)“ (Nobember 2013), initiert von der
    49 feministischen Zeitschrift „Emma“. „Seither ist Deutschland
    50 zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies
    51 der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“
    52
    53 Von der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung fordert die
    54 Initiative unter anderem: „die Ächtung und, wenn nötig,
    55 auch Bestrafung der Freier“. Eine Bestrafung der Freier
    56 wird auch das „nordische“ oder „schwedische“ Modell
    57 genannt. In Schweden ist der Kauf sexueller
    58 Dienstleistungen seit 1998 verboten. Das EU-Parlament
    59 empfiehlt in einer
    60 [Entschließung](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.d
    61 o?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BD
    62 OC%2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) (Februar 2014)
    63 diesen Ansatz. Die deutsche Legalisierung komme einer
    64 "Genehmigung der sexuellen Ausbeutung“ geich.
    65
    66 ##Themen der Publixphere-Diskussion:
    67
    68 **Fehlende Informationen**
    69
    70 Viele Kommentare verweisen auf fehlende Informationen zur
    71 Prostitution in Deutschland und Europa. @Emil fragt
    72 beispielsweise: „Gibt es verlässliche Zahlen und Fakten zu
    73 einem erfolgreichen Verbot? Ist selbstbestimmte und
    74 menschenwürdige Prostitution (...) ein Ausnahmefall?“.
    75 [Patrick
    76 Müller](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Patrick
    77 Mueller/about) meint: „Ich habe den Eindruck, man weiß
    78 besser, wie viel illegale Schwarzarbeit existiert als
    79 legale Prostitution.“
    80
    81 Schon über die Gründe der fehlenden Informationen gibt es
    82 eine Kontroverse. @HekateGT kommentiert: „Das liegt unter
    83 anderem daran, dass viele Sexarbeiterinnen sich nicht
    84 öffentlich outen wollen, weil sie keine Lust darauf haben,
    85 in ihrem privaten Umfeld diskriminiert und ausgegrenzt zu
    86 werden.“ @Berta zufolge fehlen Statistiken, „weil (...) ein
    87 Großteil der Frauen aus armen Ostblockländern zu uns kommen
    88 und sich hier prostituieren bzw. zur Prostitution gezwungen
    89 werden. Wer hat denn ein Interesse daran, dass diese Frauen
    90 irgendwie 'registriert' werden? Die Zuhälter? Die
    91 Bordellbesitzer? Die Frauen? Die Freier vielleicht? Wohl
    92 eher nicht.“
    93
    94 Zur Frage „Wer geht zu Prostituierten?“ hat @HannahDo eine
    95 [eigene Diskussion](https://publixphere.de/d/292)
    96 gestartet. Das Forum sammelt hier verschiedene Artikel zum
    97 Thema.
    98
    99 **Was muss geregelt werden?**
    100
    101 Offen bleibt im Forum, welche Regelungen zu reformieren
    102 sind, um Prostituierte (Frauen und Männer) vor Ausbeutung
    103 zu schützen. @HekateGT kommentiert: „alle die widrigen
    104 Begleitumstände, die immer wieder im Zusammenhang mit
    105 Sexarbeit thematisiert werden - als da sind: sexuelle
    106 Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel - werden bereits
    107 durch das STGB (*„Strafgesetzbuch“, Anm. d. R.*) abgedeckt.”
    108
    109 @sonjdol hält das Prostitutionsgesetz für den falschen
    110 Ansatzpunkt, um Menschenhandel einzudämmen – hierfür gebe
    111 es Gesetze gegen Menschenhandel. „Ich verstehe nicht, warum
    112 alle immer wieder in diese Falle tappen. Als würde man
    113 Vergewaltigung durch eine Regulierung einvernehmlichen
    114 Sexes reduzieren können und nicht durch Paragraphen, die
    115 sich direkt auf Vergewaltigung beziehen.“ @sonjdol
    116 fordert, eher über effektive Gesetze gegen Menschenhandel
    117 zu diskutieren und die Opferrechte zu stärken, woran die
    118 Politik aber kaum Interesse habe.
    119
    120 @Emil verweist dagegen auf den
    121 [Entschluss](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?p
    122 ubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BDOC%
    123 2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) des EU-Parlaments. Ihm
    124 zufolge stellt die Einstufung der Prostitution als legale
    125 „Sexarbeit“ keine Lösung dar, um schutzbedürftige Frauen
    126 und Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. @sonjdol
    127 kritisiert den Parlamentsbeschluss scharf, unter anderem
    128 als „Zeichen der anhaltenden Stigmatisierung“ von
    129 Sexarbeiterinnen.
    130
    131 **Freierbestrafung**
    132
    133 Die Option, die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen
    134 durch Freier zu verbieten („schwedisches Modell"), streift
    135 das Forum nur kurz. @HekateGT hält es für einen „Schuss in
    136 den Ofen: „(...) die Sexarbeit ist dadurch nicht weniger
    137 geworden - aber die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen ist
    138 dramatisch angestiegen.“ @sonjdol meint mit Verweis auf
    139 einen
    140 [Artikel](http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitu
    141 tion-in-schweden-sexkaufverbot/) des Online-Magazins
    142 menschenhandelheute.net: „Das Schwedische Modell basiert
    143 auf der Stigmatisierung und Entrechtung von Prostituierten.
    144 Es hilft ihnen nicht.“ Das Magazin Emma, auf dessen
    145 Kampagne der Diskissionsanstoß Bezug nimmt, kommt dagegen
    146 zu einer anderen
    147 [Einschätzung](http://www.emma.de/artikel/dossier-prostituti
    148 on-abschaffen-modell-schweden-265411): Die schwedische
    149 Regierung könne belegen, „dass das Anti-Freier-Gesetz
    150 Frauen und Mädchen aus dem Osten Europas vor
    151 Zwangsprostitution schützt“.
    152
    153 **Sexarbeit oder Prostitution? Beruf oder Ausbeutung?**
    154
    155 In der Diskussion dominieren grundsätzliche Fragen zur
    156 Prostitution – etwa, ob es sich um einen gesellschaftlich
    157 akzeptierten Beruf handeln kann. @HekateGT sieht es so.
    158 Sexarbeit sei "an sich" kein Problem. „Was wir brauchen
    159 sind nicht zusätzliche Reglementierungen, sondern das
    160 Herausholen der Sexarbeit aus der Grauzone. NICHT die
    161 Sexarbeit ist das Problem, sondern die Art und Weise, in
    162 der die Gesellschaft diesen Beruf wahrnimmt“.
    163
    164 Dagegen schreibt @Berta: „Prostitution ist (...) eine der
    165 ältesten Arten von Ausbeutung von Frauen. Es gab Zeiten und
    166 Gesellschaften (und gibt es noch heute), da gehörten Frauen
    167 quasi zu Haushalt (wie das Vieh).“ @sonjdol meint dagegen,
    168 die meisten Sexarbeiter*innen würden ihre Würde nicht
    169 angegriffen sehen.
    170
    171 **Wo fängt der Zwang an?**
    172
    173 Gerungen wird mit der Frage, ob es eine selbstbestimmte,
    174 freiwilige Prostitution bzw. Sexarbeit geben kann. @Louisa
    175 kommentiert: „Ich denke (...), dass viele durch bestimmte
    176 (nicht frei entschiedene) Situationen das Gefühl haben,
    177 sich prosituieren zu müssen. Auch dieses könnte man als
    178 Zwangsprostitution im weitesten Sinne verstehen.“ @Kilian
    179 meint: „Prostitution aus einer Zwangslage heraus wollen wir
    180 nicht und wir wissen, das Zwang sehr früh anfangen kann.“
    181 @Emil verweist auf die Sichtweise des schwedischen
    182 Gesetzgebers, wonach es einen selbstbestimmten Sexarbeiter
    183 nicht geben könne, da immer ein Abhängigkeitsverhältnis
    184 zwischen Käufer und Dienstleister bestehe.
    185
    186 @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER
    187 ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und
    188 Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution
    189 für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht
    190 mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen,
    191 solange kein Zwang im Spiel ist?“
    192
    193 @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der
    194 Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und
    195 staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs,
    196 Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen
    197 Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(...) wenn
    198 (...) Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest
    199 von Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich
    200 ein Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin
    201 kämen wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte
    202 Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst
    203 vorbehalten würden?“
    204
    205 **Darf der Staat eingreifen?**
    206
    207 Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der
    208 Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der
    209 "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der
    210 Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung
    211 abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder
    212 Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf
    213 meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs)
    214 regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder
    215 nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist
    216 unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg
    217 Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu
    218 reden.“
    219
    220 @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob
    221 der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und
    222 meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“ @Berta
    223 verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution
    224 vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die
    225 Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen.
    226 „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu,
    227 dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware
    228 werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann
    229 und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und
    230 Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben
    231 wird dem etwas entgegenzusetzen?“
    232
    233 Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft:
    234 „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität –
    235 immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele
    236 Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von
    237 einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik
    238 ausgenommen sein?“
    239
    240 @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin,
    241 Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr
    242 Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle
    243 auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution
    244 sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist eine
    245 gesellschaftliche Praxis, die es immer geben wird - in der
    246 einen oder anderen Form. Und sei es in der Form eines
    247 Dates, wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn er sie zu
    248 müssen. Auch dieses könnte man als Zwangsprostitution im
    249 weitesten Sinne verstehen.“ @Kilian meint: „Prostitution
    250 aus einer Zwangslage heraus wollen wir nicht und wir
    251 wissen, das Zwang sehr früh anfangen kann.“ @Emil verweist
    252 auf die Sichtweise des schwedischen Gesetzgebers, wonach es
    253 einen selbstbestimmten Sexarbeiter nicht geben könne, da
    254 immer ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Käufer und
    255 Dienstleister bestehe.
    256
    257 @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER
    258 ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und
    259 Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution
    260 für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht
    261 mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen,
    262 solange kein Zwang im Spiel ist?“
    263
    264 @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der
    265 Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und
    266 staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs,
    267 Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen
    268 Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(...) wenn
    269 (...) Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest
    270 von Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich
    271 ein Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin
    272 kämen wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte
    273 Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst
    274 vorbehalten würden?“
    275
    276 **Darf der Staat eingreifen?**
    277
    278 Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der
    279 Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der
    280 "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der
    281 Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung
    282 abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder
    283 Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf
    284 meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs)
    285 regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder
    286 nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist
    287 unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg
    288 Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu
    289 reden.“
    290
    291 @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob
    292 der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und
    293 meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“ @Berta
    294 verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution
    295 vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die
    296 Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen.
    297 „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu,
    298 dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware
    299 werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann
    300 und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und
    301 Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben
    302 wird dem etwas entgegenzusetzen?“
    303
    304 Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft:
    305 „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität –
    306 immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele
    307 Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von
    308 einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik
    309 ausgenommen sein?“
    310
    311 @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin,
    312 Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr
    313 Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle
    314 auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution
    315 sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist eine
    316 gesellschaftliche Praxis, die es immer geben wird - in der
    317 einen oder anderen Form. Und sei es in der Form eines
    318 Dates, wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn er sie zu einem
    319 teuren Essen einlädt.“
  • Prostitution gesetzlich verbieten? (Originalversion)

    von admin, angelegt
    1 ***Louisa startete die Diskussion [„Prostitution nun doch
    2 gesetzlich verbieten?“](https://publixphere.de/d/274) (4.
    3 Dezember 2013). Hintergrund ist die politische Debatte um
    4 eine Verschärfung der Prostitiutionsgesetzgebung in
    5 Deutschland. @Louisa fragt, ob das schwedische Modell Sinn
    6 macht, den Kauf sexueller Dienstleistungen zu verbieten
    7 („Freier-Bestrafung“). Alle Politik-Interessierten waren und
    8 sind eingeladen, sich einzubringen. Die folgende
    9 Kurzdarstellung bezieht sich auf die Diskussion bis zum 13.
    10 Juni 2014***
    11
    12 ##Knackpunkte der Diskussion
    13
    14 - muss es das Ziel sein, Prostitution abzuschaffen oder ihre
    15 rechtlichen, gesellschaftlichen und sozialen Bedingungen
    16 zu verbessern?
    17
    18 - gibt es freiwillige, selbstsbestimmte, menschenwürdige
    19 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und
    20 Ausbeutung?
    21
    22 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem
    23 Körper tun?
    24
    25 ##Politischer Kontext
    26
    27 Union und SPD einigten sich in ihrem
    28 [Koalitionsvertrag](https://www.tagesschau.de/inland/koaliti
    29 onsvertrag136.pdf) (Dezember 2013, Seite 104) darauf, die
    30 Gesetzgebung zur Prostitution zu verschärfen. Ein konkreter
    31 Gesetzentwurf wird noch erarbeitet (Stand 11. Juni 2014).
    32 Das Bundesfamilienministerium hat erste Ansatzpunkte
    33 [vorgestellt](http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did
    34 =206114.html). Demnach soll unter anderem das Mindestalter
    35 für Prostituierte von 18 auf 21 angehoben werden.
    36 „Menschenunwürdige Geschäftsmodelle" wie Flatrate-Bordelle
    37 soll es nicht mehr geben.
    38
    39 Die - seinerzeit rot-grüne - Bundesregierung hatte die
    40 Sittenwidrigkeit Prostition 2002
    41 [aufgehoben](http://de.wikipedia.org/wiki/Prostitutionsgeset
    42 z). Das Ziel: die rechtliche und soziale Situation von
    43 Prostitutierten stärken. Frauenrechtlerinnen halten den
    44 Ansatz jedoch für gescheitert. Das Gesetz von 2002 trage die
    45 „Handschrift der Frauenhändler und ihrer LobbyistInnen“,
    46 heißt es in einem „[Appel gegen
    47 Prosititution](http://www.emma.de/thema/der-appell-gegen-pro
    48 stitution-111249)“ (Nobember 2013), initiert von der
    49 feministischen Zeitschrift „Emma“. „Seither ist Deutschland
    50 zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies der
    51 Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“
    52
    53 Von der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung fordert die
    54 Initiative unter anderem: „die Ächtung und, wenn nötig, auch
    55 Bestrafung der Freier“. Eine Bestrafung der Freier wird auch
    56 das „nordische“ oder „schwedische“ Modell genannt. In
    57 Schweden ist der Kauf sexueller Dienstleistungen seit 1998
    58 verboten. Das EU-Parlament empfiehlt in einer
    59 [Entschließung](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.d
    60 o?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BD
    61 OC%2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) (Februar 2014) diesen
    62 Ansatz. Die deutsche Legalisierung komme einer "Genehmigung
    63 der sexuellen Ausbeutung“ geich.
    64
    65 ##Themen der Publixphere-Diskussion:
    66
    67 **Fehlende Informationen**
    68
    69 Viele Kommentare verweisen auf fehlende Informationen zur
    70 Prostitution in Deutschland und Europa. @Emil fragt
    71 beispielsweise: „Gibt es verlässliche Zahlen und Fakten zu
    72 einem erfolgreichen Verbot? Ist selbstbestimmte und
    73 menschenwürdige Prostitution (…) ein Ausnahmefall?“.
    74 [Patrick
    75 Müller](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Patrick
    76 Mueller/about) meint: „Ich habe den Eindruck, man weiß
    77 besser, wie viel illegale Schwarzarbeit existiert als legale
    78 Prostitution.“
    79
    80 Schon über die Gründe der fehlenden Informationen gibt es
    81 eine Kontroverse. @HekateGT kommentiert: „Das liegt unter
    82 anderem daran, dass viele Sexarbeiterinnen sich nicht
    83 öffentlich outen wollen, weil sie keine Lust darauf haben,
    84 in ihrem privaten Umfeld diskriminiert und ausgegrenzt zu
    85 werden.“ @Berta zufolge fehlen Statistiken, „weil (...) ein
    86 Großteil der Frauen aus armen Ostblockländern zu uns kommen
    87 und sich hier prostituieren bzw. zur Prostitution gezwungen
    88 werden. Wer hat denn ein Interesse daran, dass diese Frauen
    89 irgendwie 'registriert' werden? Die Zuhälter? Die
    90 Bordellbesitzer? Die Frauen? Die Freier vielleicht? Wohl
    91 eher nicht.“
    92
    93 Zur Frage „Wer geht zu Prostituierten?“ hat @HannahDo eine
    94 [eigene Diskussion](https://publixphere.de/d/292) gestartet.
    95 Das Forum sammelt hier verschiedene Artikel zum Thema.
    96
    97 **Was muss geregelt werden?**
    98
    99 Offen bleibt im Forum, welche Regelungen zu reformieren
    100 sind, um Prostituierte (Frauen und Männer) vor Ausbeutung zu
    101 schützen. @HekateGT kommentiert: „alle die widrigen
    102 Begleitumstände, die immer wieder im Zusammenhang mit
    103 Sexarbeit thematisiert werden - als da sind: sexuelle
    104 Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel - werden bereits
    105 durch das STGB (*„Strafgesetzbuch“, Anm. d. R.*) abgedeckt.”
    106
    107 @sonjdol hält das Prostitutionsgesetz für den falschen
    108 Ansatzpunkt, um Menschenhandel einzudämmen – hierfür gebe es
    109 Gesetze gegen Menschenhandel. „Ich verstehe nicht, warum
    110 alle immer wieder in diese Falle tappen. Als würde man
    111 Vergewaltigung durch eine Regulierung einvernehmlichen Sexes
    112 reduzieren können und nicht durch Paragraphen, die sich
    113 direkt auf Vergewaltigung beziehen.“ @sonjdol fordert, eher
    114 über effektive Gesetze gegen Menschenhandel zu diskutieren
    115 und die Opferrechte zu stärken, woran die Politik aber kaum
    116 Interesse habe.
    117
    118 @Emil verweist dagegen auf den
    119 [Entschluss](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?p
    120 ubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BDOC%
    121 2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) des EU-Parlaments. Ihm
    122 zufolge stellt die Einstufung der Prostitution als legale
    123 „Sexarbeit“ keine Lösung dar, um schutzbedürftige Frauen und
    124 Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. @sonjdol
    125 kritisiert den Parlamentsbeschluss scharf, unter anderem als
    126 „Zeichen der anhaltenden Stigmatisierung“ von
    127 Sexarbeiterinnen.
    128
    129 **Freierbestrafung**
    130
    131 Die Option, die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen
    132 durch Freier zu verbieten („schwedisches Modell"), streift
    133 das Forum nur kurz. @HekateGT hält es für einen „Schuss in
    134 den Ofen: „(…) die Sexarbeit ist dadurch nicht weniger
    135 geworden - aber die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen ist
    136 dramatisch angestiegen.“ @sonjdol meint mit Verweis auf
    137 einen
    138 [Artikel](http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitu
    139 tion-in-schweden-sexkaufverbot/) des Online-Magazins
    140 menschenhandelheute.net: „Das Schwedische Modell basiert auf
    141 der Stigmatisierung und Entrechtung von Prostituierten. Es
    142 hilft ihnen nicht.“ Das Magazin Emma, auf dessen Kampagne
    143 der Diskissionsanstoß Bezug nimmt, kommt dagegen zu einer
    144 anderen
    145 [Einschätzung](http://www.emma.de/artikel/dossier-prostituti
    146 on-abschaffen-modell-schweden-265411): Die schwedische
    147 Regierung könne belegen, „dass das Anti-Freier-Gesetz Frauen
    148 und Mädchen aus dem Osten Europas vor Zwangsprostitution
    149 schützt“.
    150
    151 **Sexarbeit oder Prostitution? Beruf oder Ausbeutung?**
    152
    153 In der Diskussion dominieren grundsätzliche Fragen zur
    154 Prostitution – etwa, ob es sich um einen gesellschaftlich
    155 akzeptierten Beruf handeln kann. @HekateGT sieht es so.
    156 Sexarbeit sei "an sich" kein Problem. „Was wir brauchen sind
    157 nicht zusätzliche Reglementierungen, sondern das Herausholen
    158 der Sexarbeit aus der Grauzone. NICHT die Sexarbeit ist das
    159 Problem, sondern die Art und Weise, in der die Gesellschaft
    160 diesen Beruf wahrnimmt“.
    161
    162 Dagegen schreibt @Berta: „Prostitution ist (…) eine der
    163 ältesten Arten von Ausbeutung von Frauen. Es gab Zeiten und
    164 Gesellschaften (und gibt es noch heute), da gehörten Frauen
    165 quasi zu Haushalt (wie das Vieh).“ @sonjdol meint dagegen,
    166 die meisten Sexarbeiter*innen würden ihre Würde nicht
    167 angegriffen sehen.
    168
    169 **Wo fängt der Zwang an?**
    170
    171 Gerungen wird mit der Frage, ob es eine selbstbestimmte,
    172 freiwilige Prostitution bzw. Sexarbeit geben kann. @Louisa
    173 kommentiert: „Ich denke (...), dass viele durch bestimmte
    174 (nicht frei entschiedene) Situationen das Gefühl haben, sich
    175 prosituieren zu müssen. Auch dieses könnte man als
    176 Zwangsprostitution im weitesten Sinne verstehen.“ @Kilian
    177 meint: „Prostitution aus einer Zwangslage heraus wollen wir
    178 nicht und wir wissen, das Zwang sehr früh anfangen kann.“
    179 @Emil verweist auf die Sichtweise des schwedischen
    180 Gesetzgebers, wonach es einen selbstbestimmten Sexarbeiter
    181 nicht geben könne, da immer ein Abhängigkeitsverhältnis
    182 zwischen Käufer und Dienstleister bestehe.
    183
    184 @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER
    185 ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und
    186 Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution
    187 für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht
    188 mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen,
    189 solange kein Zwang im Spiel ist?“
    190
    191 @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der
    192 Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und
    193 staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs,
    194 Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen
    195 Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(…) wenn (…)
    196 Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest von
    197 Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich ein
    198 Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin kämen
    199 wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte
    200 Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst
    201 vorbehalten würden?“
    202
    203 **Darf der Staat eingreifen?**
    204
    205 Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der
    206 Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der
    207 "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der
    208 Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung
    209 abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder
    210 Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf
    211 meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs)
    212 regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder
    213 nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist
    214 unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg
    215 Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu
    216 reden.“
    217
    218 @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob
    219 der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und
    220 meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“ @Berta
    221 verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution
    222 vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die
    223 Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen.
    224 „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu,
    225 dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware
    226 werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann
    227 und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und
    228 Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben
    229 wird dem etwas entgegenzusetzen?“
    230
    231 Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft:
    232 „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität –
    233 immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele
    234 Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von
    235 einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik
    236 ausgenommen sein?“
    237
    238 @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin,
    239 Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr
    240 Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle
    241 auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution
    242 sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist eine
    243 gesellschaftliche Praxis, die es immer geben wird - in der
    244 einen oder anderen Form. Und sei es in der Form eines Dates,
    245 wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn er sie zu einem teuren
    246 Essen einlädt.“
  • Prostitution gesetzlich verbieten? (Originalversion)

    von admin, angelegt
    1 ![Foto: Jake Guild (CC BY
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    3 ution_gross.bmp/@@images/image.bmp)
    4
    5 ***Louisa startete die Diskussion [„Prostitution nun doch
    6 gesetzlich verbieten?“](https://publixphere.de/d/274) (4.
    7 Dezember 2013). Hintergrund ist die politische Debatte um
    8 eine Verschärfung der Prostitutionsgesetzgebung in
    9 Deutschland. @Louisa fragt, ob das schwedische Modell Sinn
    10 macht, welches den Kauf sexueller Dienstleistungen
    11 verbietet („Freier-Bestrafung“). Alle
    12 Politik-Interessierten waren und sind eingeladen, sich
    13 einzubringen. Die folgende
    14 [Kurzdarstellung](https://publixphere.de/i/publixphere-de/pa
    15 ge/1_Was_sind_Kurzdarstellungen) bezieht sich auf die
    16 Kommentare und Beiträge bis zum 13. Juni 2014***
    17
    18 ##Knackpunkte der Diskussion
    19
    20 - muss es das Ziel sein, Prostitution abzuschaffen oder
    21 geht es darum rechtliche, gesellschaftliche und soziale
    22 Bedingungen zu verbessern?
    23
    24 - gibt es freiwillige, selbstbestimmte, menschenwürdige
    25 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und
    26 Ausbeutung?
    27
    28 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem
    29 Körper tun?
    30
    31 ##Politischer Kontext
    32
    33 Union und SPD einigten sich in ihrem
    34 [Koalitionsvertrag](https://www.tagesschau.de/inland/koaliti
    35 onsvertrag136.pdf) (Dezember 2013, Seite 104) darauf, die
    36 Gesetzgebung zur Prostitution zu verschärfen. Ein konkreter
    37 Gesetzentwurf wird noch erarbeitet (Stand 11. Juni 2014).
    38 Das Bundesfamilienministerium hat erste Ansatzpunkte
    39 [vorgestellt](http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did
    40 =206114.html). Demnach soll unter anderem das Mindestalter
    41 für Prostituierte von 18 auf 21 angehoben werden.
    42 „Menschenunwürdige Geschäftsmodelle" wie Flatrate-Bordelle
    43 soll es nicht mehr geben.
    44
    45 Die - seinerzeit rot-grüne - Bundesregierung hatte die
    46 *Sittenwidrigkeit* von Prostitution 2002
    47 [aufgehoben](http://de.wikipedia.org/wiki/Prostitutionsgeset
    48 z). Das Ziel: die rechtliche und soziale Situation von
    49 Prostituierten stärken. Frauenrechtlerinnen halten den
    50 Ansatz jedoch für gescheitert. Das Gesetz von 2002 trage
    51 die „Handschrift der Frauenhändler und ihrer
    52 LobbyistInnen“, heißt es in einem „[Appel gegen
    53 Prostitution](http://www.emma.de/thema/der-appell-gegen-pros
    54 titution-111249)“ (Nobember 2013), initiiert von der
    55 feministischen Zeitschrift „Emma“: „Seither ist Deutschland
    56 zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies
    57 der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“
    58
    59 Von der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung fordert die
    60 Initiative unter anderem: „die Ächtung und, wenn nötig,
    61 auch Bestrafung der Freier“. Eine Bestrafung der Freier
    62 findet sich auch im „nordischen“ oder „schwedischen“
    63 Modell. In Schweden ist der Kauf sexueller Dienstleistungen
    64 seit 1998 verboten. Das EU-Parlament empfiehlt in einer
    65 [Entschließung](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.d
    66 o?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BD
    67 OC%2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) (Februar 2014)
    68 diesen Ansatz. Die deutsche Legalisierung komme einer
    69 "Genehmigung der sexuellen Ausbeutung“ geich.
    70
    71 ##Themen der Publixphere-Diskussion:
    72
    73 **Fehlende Informationen**
    74
    75 Viele Kommentare verweisen auf fehlende Informationen zur
    76 Prostitution in Deutschland und Europa. @Emil fragt
    77 beispielsweise: „Gibt es verlässliche Zahlen und Fakten zu
    78 einem erfolgreichen Verbot? Ist selbstbestimmte und
    79 menschenwürdige Prostitution (...) ein Ausnahmefall?“.
    80 [Patrick
    81 Müller](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Patrick
    82 Mueller/about) meint: „Ich habe den Eindruck, man weiß
    83 besser, wie viel illegale Schwarzarbeit existiert als
    84 legale Prostitution.“
    85
    86 Schon über die Gründe der fehlenden Informationen gibt es
    87 eine Kontroverse. @HekateGT kommentiert: „Das liegt unter
    88 anderem daran, dass viele Sexarbeiterinnen sich nicht
    89 öffentlich outen wollen, weil sie keine Lust darauf haben,
    90 in ihrem privaten Umfeld diskriminiert und ausgegrenzt zu
    91 werden.“
    92 [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a
    93 bout) zufolge fehlen Statistiken, „weil (...) ein Großteil
    94 der Frauen aus armen Ostblockländern zu uns kommen und sich
    95 hier prostituieren bzw. zur Prostitution gezwungen werden.
    96 Wer hat denn ein Interesse daran, dass diese Frauen
    97 irgendwie 'registriert' werden? Die Zuhälter? Die
    98 Bordellbesitzer? Die Frauen? Die Freier vielleicht? Wohl
    99 eher nicht.“
    100
    101 Zur Frage „Wer geht zu Prostituierten?“ hat @HannahDo eine
    102 [eigene Diskussion](https://publixphere.de/d/292)
    103 gestartet. Das Forum sammelt hier verschiedene Artikel zum
    104 Thema.
    105
    106 **Was muss geregelt werden?**
    107
    108 Offen bleibt im Forum, welche Regelungen zu reformieren
    109 sind, um Prostituierte (Frauen und Männer) vor Ausbeutung
    110 zu schützen. @HekateGT kommentiert: „alle die widrigen
    111 Begleitumstände, die immer wieder im Zusammenhang mit
    112 Sexarbeit thematisiert werden - als da sind: sexuelle
    113 Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel - werden bereits
    114 durch das STGB (*„Strafgesetzbuch“, Anm. d. R.*) abgedeckt.”
    115
    116 @sonjdol hält das Prostitutionsgesetz für den falschen
    117 Ansatzpunkt, um Menschenhandel einzudämmen – hierfür gebe
    118 es Gesetze gegen Menschenhandel. „Ich verstehe nicht, warum
    119 alle immer wieder in diese Falle tappen. Als würde man
    120 Vergewaltigung durch eine Regulierung einvernehmlichen
    121 Sexes reduzieren können und nicht durch Paragraphen, die
    122 sich direkt auf Vergewaltigung beziehen.“ @sonjdol
    123 fordert, eher über effektive Gesetze gegen Menschenhandel
    124 zu diskutieren und die Opferrechte zu stärken, woran die
    125 Politik aber kaum Interesse habe.
    126
    127 @Emil verweist dagegen auf den
    128 [Entschluss](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?p
    129 ubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BDOC%
    130 2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) des EU-Parlaments. Ihm
    131 zufolge stellt die Einstufung der Prostitution als legale
    132 „Sexarbeit“ keine Lösung dar, um schutzbedürftige Frauen
    133 und Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. @sonjdol
    134 kritisiert den Parlamentsbeschluss scharf, unter anderem
    135 als „Zeichen der anhaltenden Stigmatisierung“ von
    136 Sexarbeiterinnen.
    137
    138 **Freierbestrafung**
    139
    140 Die Option, die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen
    141 durch Freier zu verbieten („schwedisches Modell"), streift
    142 das Forum nur kurz. @HekateGT hält es für einen „Schuss in
    143 den Ofen: „(...) die Sexarbeit ist dadurch nicht weniger
    144 geworden - aber die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen ist
    145 dramatisch angestiegen.“ @sonjdol meint mit Verweis auf
    146 einen
    147 [Artikel](http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitu
    148 tion-in-schweden-sexkaufverbot/) des Online-Magazins
    149 menschenhandelheute.net: „Das Schwedische Modell basiert
    150 auf der Stigmatisierung und Entrechtung von Prostituierten.
    151 Es hilft ihnen nicht.“ Das Magazin Emma, auf dessen
    152 Kampagne der Diskussionsanstoß Bezug nimmt, kommt dagegen
    153 zu einer anderen
    154 [Einschätzung](http://www.emma.de/artikel/dossier-prostituti
    155 on-abschaffen-modell-schweden-265411): Die schwedische
    156 Regierung könne belegen, „dass das Anti-Freier-Gesetz
    157 Frauen und Mädchen aus dem Osten Europas vor
    158 Zwangsprostitution schützt“.
    159
    160 **Sexarbeit oder Prostitution? Beruf oder Ausbeutung?**
    161
    162 In der Diskussion dominieren grundsätzliche Fragen zur
    163 Prostitution – etwa, ob es sich um einen gesellschaftlich
    164 akzeptierten Beruf handeln kann. @HekateGT sieht es so.
    165 Sexarbeit sei "an sich" kein Problem. „Was wir brauchen
    166 sind nicht zusätzliche Reglementierungen, sondern das
    167 Herausholen der Sexarbeit aus der Grauzone. NICHT die
    168 Sexarbeit ist das Problem, sondern die Art und Weise, in
    169 der die Gesellschaft diesen Beruf wahrnimmt“.
    170
    171 Dagegen schreibt
    172 [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a
    173 bout): „Prostitution ist (...) eine der ältesten Arten von
    174 Ausbeutung von Frauen. Es gab Zeiten und Gesellschaften
    175 (und gibt es noch heute), da gehörten Frauen quasi zu
    176 Haushalt (wie das Vieh).“ @sonjdol meint dagegen, die
    177 meisten Sexarbeiter*innen würden ihre Würde nicht
    178 angegriffen sehen.
    179
    180 **Wo fängt der Zwang an?**
    181
    182 Gerungen wird mit der Frage, ob es eine selbstbestimmte,
    183 freiwilige Prostitution bzw. Sexarbeit geben kann. @Louisa
    184 kommentiert: „Ich denke (...), dass viele durch bestimmte
    185 (nicht frei entschiedene) Situationen das Gefühl haben,
    186 sich prosituieren zu müssen. Auch dieses könnte man als
    187 Zwangsprostitution im weitesten Sinne verstehen.“
    188 [Kilian](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Donkey
    189 /about) meint: „Prostitution aus einer Zwangslage heraus
    190 wollen wir nicht und wir wissen, das Zwang sehr früh
    191 anfangen kann.“ @Emil verweist auf die Sichtweise des
    192 schwedischen Gesetzgebers, wonach es einen selbstbestimmten
    193 Sexarbeiter nicht geben könne, da immer ein
    194 Abhängigkeitsverhältnis zwischen Käufer und Dienstleister
    195 bestehe.
    196
    197 @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER
    198 ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und
    199 Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution
    200 für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht
    201 mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen,
    202 solange kein Zwang im Spiel ist?“
    203
    204 @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der
    205 Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und
    206 staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs,
    207 Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen
    208 Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(...) wenn
    209 (...) Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest
    210 von Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich
    211 ein Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin
    212 kämen wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte
    213 Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst
    214 vorbehalten würden?“
    215
    216 **Darf der Staat eingreifen?**
    217
    218 Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der
    219 Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der
    220 "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der
    221 Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung
    222 abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder
    223 Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf
    224 meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs)
    225 regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder
    226 nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist
    227 unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg
    228 Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu
    229 reden.“
    230
    231 @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob
    232 der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und
    233 meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“
    234 [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a
    235 bout) verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution
    236 vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die
    237 Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen.
    238 „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu,
    239 dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware
    240 werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann
    241 und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und
    242 Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben
    243 wird dem etwas entgegenzusetzen?“
    244
    245 Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft:
    246 „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität –
    247 immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele
    248 Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von
    249 einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik
    250 ausgenommen sein?“
    251
    252 @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin,
    253 Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr
    254 Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle
    255 auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution
    256 sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist eine
    257 gesellschaftliche Praxis, die es immer geben wird - in der
    258 einen oder anderen Form. Und sei es in der Form eines
    259 Dates, wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn er sie zu einem
    260 teuren Essen einlädt.“
    261
    262 ------------------------------------------------------------
    263 ---------------------------------
    264
    265 *Dieser Text kann abschnittsweise kommentiert werden. Eine
    266 neue Diskussion zum Thema Prostitution könnt ihr
    267 (eingeloggt) unter diesem
    268 [Link](https://publixphere.de/i/publixphere-de/proposal/new?
    269 category=45) anlegen.*
    270
    271
    272 ##Links
    273
    274 - [Hintergrundtext:
    275 Prostitution](https://publixphere.de/i/publixphere-de/catego
    276 ry/45)
    277
    278 - [Diskussion: Prostitution nun doch gesetzlich
    279 verbieten?](https://publixphere.de/d/274)
    280
    281 - [Diskussion: Wer geht zu
    282 Prostituierten?](https://publixphere.de/d/292)
  • Prostitution gesetzlich verbieten? (Originalversion)

    von admin, angelegt
    1 ##Stand: 13. Juni 2014
    2
    3 ***@Louisa startete die Diskussion [„Prostitution nun doch
    4 gesetzlich verbieten?“](https://publixphere.de/d/274) (4.
    5 Dezember 2013). Hintergrund ist die politische Debatte um
    6 eine Verschärfung der Prostitiutionsgesetzgebung in
    7 Deutschland. @Louisa fragt, ob das schwedische Modell Sinn
    8 macht, den Kauf sexueller Dienstleistungen zu verbieten
    9 („Freier-Bestrafung“). Alle Politik-Interessierten waren
    10 und sind eingeladen, sich einzubringen.***
    11
    12 ##Was sind die Knackpunkte der Diskussion?
    13
    14 - muss es das Ziel sein, Prostitution abzuschaffen oder
    15 ihre rechtlichen, gesellschaftlichen und sozialen
    16 Bedingungen zu verbessern?
    17
    18 - gibt es freiwillige, selbstsbestimmte, menschenwürdige
    19 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und
    20 Ausbeutung?
    21
    22 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem
    23 Körper tun?
    24
    25 ##Politischer Kontext
    26
    27 Union und SPD einigten sich in ihrem
    28 [Koalitionsvertrag](https://www.tagesschau.de/inland/koaliti
    29 onsvertrag136.pdf) (Dezember 2013, Seite 104) darauf, die
    30 Gesetzgebung zur Prostitution zu verschärfen. Ein konkreter
    31 Gesetzentwurf wird noch erarbeitet (Stand 11. Juni 2014).
    32 Das Bundesfamilienministerium hat erste Ansatzpunkte
    33 [vorgestellt](http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did
    34 =206114.html). Demnach soll unter anderem das Mindestalter
    35 für Prostituierte von 18 auf 21 angehoben werden.
    36 „Menschenunwürdige Geschäftsmodelle" wie Flatrate-Bordelle
    37 soll es nicht mehr geben.
    38
    39 Die - seinerzeit rot-grüne - Bundesregierung hatte die
    40 Sittenwidrigkeit Prostition 2002
    41 [aufgehoben](http://de.wikipedia.org/wiki/Prostitutionsgeset
    42 z). Das Ziel: die rechtliche und soziale Situation von
    43 Prostitutierten stärken. Frauenrechtlerinnen halten den
    44 Ansatz jedoch für gescheitert. Das Gesetz von 2002 trage
    45 trägt die „Handschrift der Frauenhändler und ihrer
    46 LobbyistInnen“, heißt es in einem „[Appel gegen
    47 Prosititution](http://www.emma.de/thema/der-appell-gegen-pro
    48 stitution-111249)“ (Nobember 2013), initiert von der
    49 feministischen Zeitschrift „Emma“. „Seither ist Deutschland
    50 zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies
    51 der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“
    52
    53 Von der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung fordert die
    54 Initiative unter anderem: „die Ächtung und, wenn nötig,
    55 auch Bestrafung der Freier“. Eine Bestrafung der Freier
    56 wird auch das „nordische“ oder „schwedische“ Modell
    57 genannt. In Schweden ist der Kauf sexueller
    58 Dienstleistungen seit 1998 verboten. Das EU-Parlament
    59 empfiehlt in einer
    60 [Entschließung](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.d
    61 o?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BD
    62 OC%2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) (Februar 2014)
    63 diesen Ansatz. Die deutsche Legalisierung komme einer
    64 "Genehmigung der sexuellen Ausbeutung“ geich.
    65
    66 ##Themen der Publixphere-Diskussion:
    67
    68 **Fehlende Informationen**
    69
    70 Viele Kommentare verweisen auf fehlende Informationen zur
    71 Prostitution in Deutschland und Europa. @Emil fragt
    72 beispielsweise: „Gibt es verlässliche Zahlen und Fakten zu
    73 einem erfolgreichen Verbot? Ist selbstbestimmte und
    74 menschenwürdige Prostitution (...) ein Ausnahmefall?“.
    75 [Patrick
    76 Müller](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Patrick
    77 Mueller/about) meint: „Ich habe den Eindruck, man weiß
    78 besser, wie viel illegale Schwarzarbeit existiert als
    79 legale Prostitution.“
    80
    81 Schon über die Gründe der fehlenden Informationen gibt es
    82 eine Kontroverse. @HekateGT kommentiert: „Das liegt unter
    83 anderem daran, dass viele Sexarbeiterinnen sich nicht
    84 öffentlich outen wollen, weil sie keine Lust darauf haben,
    85 in ihrem privaten Umfeld diskriminiert und ausgegrenzt zu
    86 werden.“ @Berta zufolge fehlen Statistiken, „weil (...) ein
    87 Großteil der Frauen aus armen Ostblockländern zu uns kommen
    88 und sich hier prostituieren bzw. zur Prostitution gezwungen
    89 werden. Wer hat denn ein Interesse daran, dass diese Frauen
    90 irgendwie 'registriert' werden? Die Zuhälter? Die
    91 Bordellbesitzer? Die Frauen? Die Freier vielleicht? Wohl
    92 eher nicht.“
    93
    94 Zur Frage „Wer geht zu Prostituierten?“ hat @HannahDo eine
    95 [eigene Diskussion](https://publixphere.de/d/292)
    96 gestartet. Das Forum sammelt hier verschiedene Artikel zum
    97 Thema.
    98
    99 **Was muss geregelt werden?**
    100
    101 Offen bleibt im Forum, welche Regelungen zu reformieren
    102 sind, um Prostituierte (Frauen und Männer) vor Ausbeutung
    103 zu schützen. @HekateGT kommentiert: „alle die widrigen
    104 Begleitumstände, die immer wieder im Zusammenhang mit
    105 Sexarbeit thematisiert werden - als da sind: sexuelle
    106 Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel - werden bereits
    107 durch das STGB (*„Strafgesetzbuch“, Anm. d. R.*) abgedeckt.”
    108
    109 @sonjdol hält das Prostitutionsgesetz für den falschen
    110 Ansatzpunkt, um Menschenhandel einzudämmen – hierfür gebe
    111 es Gesetze gegen Menschenhandel. „Ich verstehe nicht, warum
    112 alle immer wieder in diese Falle tappen. Als würde man
    113 Vergewaltigung durch eine Regulierung einvernehmlichen
    114 Sexes reduzieren können und nicht durch Paragraphen, die
    115 sich direkt auf Vergewaltigung beziehen.“ @sonjdol
    116 fordert, eher über effektive Gesetze gegen Menschenhandel
    117 zu diskutieren und die Opferrechte zu stärken, woran die
    118 Politik aber kaum Interesse habe.
    119
    120 @Emil verweist dagegen auf den
    121 [Entschluss](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?p
    122 ubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BDOC%
    123 2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) des EU-Parlaments. Ihm
    124 zufolge stellt die Einstufung der Prostitution als legale
    125 „Sexarbeit“ keine Lösung dar, um schutzbedürftige Frauen
    126 und Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. @sonjdol
    127 kritisiert den Parlamentsbeschluss scharf, unter anderem
    128 als „Zeichen der anhaltenden Stigmatisierung“ von
    129 Sexarbeiterinnen.
    130
    131 **Freierbestrafung**
    132
    133 Die Option, die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen
    134 durch Freier zu verbieten („schwedisches Modell"), streift
    135 das Forum nur kurz. @HekateGT hält es für einen „Schuss in
    136 den Ofen: „(...) die Sexarbeit ist dadurch nicht weniger
    137 geworden - aber die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen ist
    138 dramatisch angestiegen.“ @sonjdol meint mit Verweis auf
    139 einen
    140 [Artikel](http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitu
    141 tion-in-schweden-sexkaufverbot/) des Online-Magazins
    142 menschenhandelheute.net: „Das Schwedische Modell basiert
    143 auf der Stigmatisierung und Entrechtung von Prostituierten.
    144 Es hilft ihnen nicht.“ Das Magazin Emma, auf dessen
    145 Kampagne der Diskissionsanstoß Bezug nimmt, kommt dagegen
    146 zu einer anderen
    147 [Einschätzung](http://www.emma.de/artikel/dossier-prostituti
    148 on-abschaffen-modell-schweden-265411): Die schwedische
    149 Regierung könne belegen, „dass das Anti-Freier-Gesetz
    150 Frauen und Mädchen aus dem Osten Europas vor
    151 Zwangsprostitution schützt“.
    152
    153 **Sexarbeit oder Prostitution? Beruf oder Ausbeutung?**
    154
    155 In der Diskussion dominieren grundsätzliche Fragen zur
    156 Prostitution – etwa, ob es sich um einen gesellschaftlich
    157 akzeptierten Beruf handeln kann. @HekateGT sieht es so.
    158 Sexarbeit sei "an sich" kein Problem. „Was wir brauchen
    159 sind nicht zusätzliche Reglementierungen, sondern das
    160 Herausholen der Sexarbeit aus der Grauzone. NICHT die
    161 Sexarbeit ist das Problem, sondern die Art und Weise, in
    162 der die Gesellschaft diesen Beruf wahrnimmt“.
    163
    164 Dagegen schreibt @Berta: „Prostitution ist (...) eine der
    165 ältesten Arten von Ausbeutung von Frauen. Es gab Zeiten und
    166 Gesellschaften (und gibt es noch heute), da gehörten Frauen
    167 quasi zu Haushalt (wie das Vieh).“ @sonjdol meint dagegen,
    168 die meisten Sexarbeiter*innen würden ihre Würde nicht
    169 angegriffen sehen.
    170
    171 **Selbstbestimmung oder Zwang**
    172
    173 Gerungen wird mit der Frage, ob es eine selbstbestimmte,
    174 freiwilige Prostitution bzw. Sexarbeit geben kann. @Louisa
    175 kommentiert: „Ich denke (...), dass viele durch bestimmte
    176 (nicht frei entschiedene) Situationen das Gefühl haben,
    177 sich prosituieren zu müssen. Auch dieses könnte man als
    178 Zwangsprostitution im weitesten Sinne verstehen.“ @Kilian
    179 meint: „Prostitution aus einer Zwangslage heraus wollen wir
    180 nicht und wir wissen, das Zwang sehr früh anfangen kann.“
    181 @Emil verweist auf die Sichtweise des schwedischen
    182 Gesetzgebers, wonach es einen selbstbestimmten Sexarbeiter
    183 nicht geben könne, da immer ein Abhängigkeitsverhältnis
    184 zwischen Käufer und Dienstleister bestehe.
    185
    186 @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER
    187 ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und
    188 Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution
    189 für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht
    190 mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen,
    191 solange kein Zwang im Spiel ist?“
    192
    193 @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der
    194 Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und
    195 staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs,
    196 Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen
    197 Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(...) wenn
    198 (...) Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest
    199 von Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich
    200 ein Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin
    201 kämen wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte
    202 Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst
    203 vorbehalten würden?“
    204
    205 **Darf der Staat eingreifen?**
    206
    207 Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der
    208 Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der
    209 "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der
    210 Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung
    211 abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder
    212 Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf
    213 meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs)
    214 regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder
    215 nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist
    216 unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg
    217 Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu
    218 reden.“
    219
    220 @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob
    221 der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und
    222 meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“ @Berta
    223 verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution
    224 vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die
    225 Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen.
    226 „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu,
    227 dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware
    228 werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann
    229 und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und
    230 Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben
    231 wird dem etwas entgegenzusetzen?“
    232
    233 Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft:
    234 „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität –
    235 immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele
    236 Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von
    237 einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik
    238 ausgenommen sein?“
    239
    240 @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin,
    241 Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr
    242 Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle
    243 auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution
    244 sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist eine
    245 gesellschaftliche Praxis, die es immer geben wird - in der
    246 einen oder anderen Form. Und sei es in der Form eines
    247 Dates, wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn er sie zu einem
    248 teuren Essen einlädt.“
  • Prostitution gesetzlich verbieten? (Originalversion)

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    4
    5 ***Louisa startete die Diskussion [„Prostitution nun doch
    6 gesetzlich verbieten?“](https://publixphere.de/d/274) (4.
    7 Dezember 2013). Hintergrund ist die politische Debatte um
    8 eine Verschärfung der Prostitutionsgesetzgebung in
    9 Deutschland. @Louisa fragt, ob das schwedische Modell Sinn
    10 macht, welches den Kauf sexueller Dienstleistungen
    11 verbietet („Freier-Bestrafung“). Alle
    12 Politik-Interessierten waren und sind eingeladen, sich
    13 einzubringen. Die folgende Kurzdarstellung bezieht sich auf
    14 die Diskussion bis zum 13. Juni 2014***
    15
    16 ##Knackpunkte der Diskussion
    17
    18 - muss es das Ziel sein, Prostitution abzuschaffen oder
    19 geht es darum rechtliche, gesellschaftliche und soziale
    20 Bedingungen zu verbessern?
    21
    22 - gibt es freiwillige, selbstbestimmte, menschenwürdige
    23 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und
    24 Ausbeutung?
    25
    26 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem
    27 Körper tun?
    28
    29 ##Politischer Kontext
    30
    31 Union und SPD einigten sich in ihrem
    32 [Koalitionsvertrag](https://www.tagesschau.de/inland/koaliti
    33 onsvertrag136.pdf) (Dezember 2013, Seite 104) darauf, die
    34 Gesetzgebung zur Prostitution zu verschärfen. Ein konkreter
    35 Gesetzentwurf wird noch erarbeitet (Stand 11. Juni 2014).
    36 Das Bundesfamilienministerium hat erste Ansatzpunkte
    37 [vorgestellt](http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did
    38 =206114.html). Demnach soll unter anderem das Mindestalter
    39 für Prostituierte von 18 auf 21 angehoben werden.
    40 „Menschenunwürdige Geschäftsmodelle" wie Flatrate-Bordelle
    41 soll es nicht mehr geben.
    42
    43 Die - seinerzeit rot-grüne - Bundesregierung hatte die
    44 *Sittenwidrigkeit* von Prostitution 2002
    45 [aufgehoben](http://de.wikipedia.org/wiki/Prostitutionsgeset
    46 z). Das Ziel: die rechtliche und soziale Situation von
    47 Prostituierten stärken. Frauenrechtlerinnen halten den
    48 Ansatz jedoch für gescheitert. Das Gesetz von 2002 trage
    49 die „Handschrift der Frauenhändler und ihrer
    50 LobbyistInnen“, heißt es in einem „[Appel gegen
    51 Prostitution](http://www.emma.de/thema/der-appell-gegen-pros
    52 titution-111249)“ (Nobember 2013), initiiert von der
    53 feministischen Zeitschrift „Emma“: „Seither ist Deutschland
    54 zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies
    55 der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“
    56
    57 Von der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung fordert die
    58 Initiative unter anderem: „die Ächtung und, wenn nötig,
    59 auch Bestrafung der Freier“. Eine Bestrafung der Freier
    60 findet sich auch im „nordischen“ oder „schwedischen“
    61 Modell. In Schweden ist der Kauf sexueller Dienstleistungen
    62 seit 1998 verboten. Das EU-Parlament empfiehlt in einer
    63 [Entschließung](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.d
    64 o?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BD
    65 OC%2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) (Februar 2014)
    66 diesen Ansatz. Die deutsche Legalisierung komme einer
    67 "Genehmigung der sexuellen Ausbeutung“ geich.
    68
    69 ##Themen der Publixphere-Diskussion:
    70
    71 **Fehlende Informationen**
    72
    73 Viele Kommentare verweisen auf fehlende Informationen zur
    74 Prostitution in Deutschland und Europa. @Emil fragt
    75 beispielsweise: „Gibt es verlässliche Zahlen und Fakten zu
    76 einem erfolgreichen Verbot? Ist selbstbestimmte und
    77 menschenwürdige Prostitution (...) ein Ausnahmefall?“.
    78 [Patrick
    79 Müller](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Patrick
    80 Mueller/about) meint: „Ich habe den Eindruck, man weiß
    81 besser, wie viel illegale Schwarzarbeit existiert als
    82 legale Prostitution.“
    83
    84 Schon über die Gründe der fehlenden Informationen gibt es
    85 eine Kontroverse. @HekateGT kommentiert: „Das liegt unter
    86 anderem daran, dass viele Sexarbeiterinnen sich nicht
    87 öffentlich outen wollen, weil sie keine Lust darauf haben,
    88 in ihrem privaten Umfeld diskriminiert und ausgegrenzt zu
    89 werden.“
    90 [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a
    91 bout) zufolge fehlen Statistiken, „weil (...) ein Großteil
    92 der Frauen aus armen Ostblockländern zu uns kommen und sich
    93 hier prostituieren bzw. zur Prostitution gezwungen werden.
    94 Wer hat denn ein Interesse daran, dass diese Frauen
    95 irgendwie 'registriert' werden? Die Zuhälter? Die
    96 Bordellbesitzer? Die Frauen? Die Freier vielleicht? Wohl
    97 eher nicht.“
    98
    99 Zur Frage „Wer geht zu Prostituierten?“ hat @HannahDo eine
    100 [eigene Diskussion](https://publixphere.de/d/292)
    101 gestartet. Das Forum sammelt hier verschiedene Artikel zum
    102 Thema.
    103
    104 **Was muss geregelt werden?**
    105
    106 Offen bleibt im Forum, welche Regelungen zu reformieren
    107 sind, um Prostituierte (Frauen und Männer) vor Ausbeutung
    108 zu schützen. @HekateGT kommentiert: „alle die widrigen
    109 Begleitumstände, die immer wieder im Zusammenhang mit
    110 Sexarbeit thematisiert werden - als da sind: sexuelle
    111 Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel - werden bereits
    112 durch das STGB (*„Strafgesetzbuch“, Anm. d. R.*) abgedeckt.”
    113
    114 @sonjdol hält das Prostitutionsgesetz für den falschen
    115 Ansatzpunkt, um Menschenhandel einzudämmen – hierfür gebe
    116 es Gesetze gegen Menschenhandel. „Ich verstehe nicht, warum
    117 alle immer wieder in diese Falle tappen. Als würde man
    118 Vergewaltigung durch eine Regulierung einvernehmlichen
    119 Sexes reduzieren können und nicht durch Paragraphen, die
    120 sich direkt auf Vergewaltigung beziehen.“ @sonjdol
    121 fordert, eher über effektive Gesetze gegen Menschenhandel
    122 zu diskutieren und die Opferrechte zu stärken, woran die
    123 Politik aber kaum Interesse habe.
    124
    125 @Emil verweist dagegen auf den
    126 [Entschluss](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?p
    127 ubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BDOC%
    128 2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) des EU-Parlaments. Ihm
    129 zufolge stellt die Einstufung der Prostitution als legale
    130 „Sexarbeit“ keine Lösung dar, um schutzbedürftige Frauen
    131 und Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. @sonjdol
    132 kritisiert den Parlamentsbeschluss scharf, unter anderem
    133 als „Zeichen der anhaltenden Stigmatisierung“ von
    134 Sexarbeiterinnen.
    135
    136 **Freierbestrafung**
    137
    138 Die Option, die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen
    139 durch Freier zu verbieten („schwedisches Modell"), streift
    140 das Forum nur kurz. @HekateGT hält es für einen „Schuss in
    141 den Ofen: „(...) die Sexarbeit ist dadurch nicht weniger
    142 geworden - aber die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen ist
    143 dramatisch angestiegen.“ @sonjdol meint mit Verweis auf
    144 einen
    145 [Artikel](http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitu
    146 tion-in-schweden-sexkaufverbot/) des Online-Magazins
    147 menschenhandelheute.net: „Das Schwedische Modell basiert
    148 auf der Stigmatisierung und Entrechtung von Prostituierten.
    149 Es hilft ihnen nicht.“ Das Magazin Emma, auf dessen
    150 Kampagne der Diskussionsanstoß Bezug nimmt, kommt dagegen
    151 zu einer anderen
    152 [Einschätzung](http://www.emma.de/artikel/dossier-prostituti
    153 on-abschaffen-modell-schweden-265411): Die schwedische
    154 Regierung könne belegen, „dass das Anti-Freier-Gesetz
    155 Frauen und Mädchen aus dem Osten Europas vor
    156 Zwangsprostitution schützt“.
    157
    158 **Sexarbeit oder Prostitution? Beruf oder Ausbeutung?**
    159
    160 In der Diskussion dominieren grundsätzliche Fragen zur
    161 Prostitution – etwa, ob es sich um einen gesellschaftlich
    162 akzeptierten Beruf handeln kann. @HekateGT sieht es so.
    163 Sexarbeit sei "an sich" kein Problem. „Was wir brauchen
    164 sind nicht zusätzliche Reglementierungen, sondern das
    165 Herausholen der Sexarbeit aus der Grauzone. NICHT die
    166 Sexarbeit ist das Problem, sondern die Art und Weise, in
    167 der die Gesellschaft diesen Beruf wahrnimmt“.
    168
    169 Dagegen schreibt
    170 [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a
    171 bout): „Prostitution ist (...) eine der ältesten Arten von
    172 Ausbeutung von Frauen. Es gab Zeiten und Gesellschaften
    173 (und gibt es noch heute), da gehörten Frauen quasi zu
    174 Haushalt (wie das Vieh).“ @sonjdol meint dagegen, die
    175 meisten Sexarbeiter*innen würden ihre Würde nicht
    176 angegriffen sehen.
    177
    178 **Wo fängt der Zwang an?**
    179
    180 Gerungen wird mit der Frage, ob es eine selbstbestimmte,
    181 freiwilige Prostitution bzw. Sexarbeit geben kann. @Louisa
    182 kommentiert: „Ich denke (...), dass viele durch bestimmte
    183 (nicht frei entschiedene) Situationen das Gefühl haben,
    184 sich prosituieren zu müssen. Auch dieses könnte man als
    185 Zwangsprostitution im weitesten Sinne verstehen.“
    186 [Kilian](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Donkey
    187 /about) meint: „Prostitution aus einer Zwangslage heraus
    188 wollen wir nicht und wir wissen, das Zwang sehr früh
    189 anfangen kann.“ @Emil verweist auf die Sichtweise des
    190 schwedischen Gesetzgebers, wonach es einen selbstbestimmten
    191 Sexarbeiter nicht geben könne, da immer ein
    192 Abhängigkeitsverhältnis zwischen Käufer und Dienstleister
    193 bestehe.
    194
    195 @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER
    196 ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und
    197 Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution
    198 für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht
    199 mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen,
    200 solange kein Zwang im Spiel ist?“
    201
    202 @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der
    203 Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und
    204 staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs,
    205 Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen
    206 Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(...) wenn
    207 (...) Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest
    208 von Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich
    209 ein Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin
    210 kämen wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte
    211 Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst
    212 vorbehalten würden?“
    213
    214 **Darf der Staat eingreifen?**
    215
    216 Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der
    217 Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der
    218 "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der
    219 Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung
    220 abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder
    221 Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf
    222 meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs)
    223 regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder
    224 nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist
    225 unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg
    226 Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu
    227 reden.“
    228
    229 @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob
    230 der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und
    231 meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“
    232 [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a
    233 bout) verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution
    234 vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die
    235 Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen.
    236 „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu,
    237 dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware
    238 werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann
    239 und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und
    240 Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben
    241 wird dem etwas entgegenzusetzen?“
    242
    243 Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft:
    244 „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität –
    245 immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele
    246 Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von
    247 einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik
    248 ausgenommen sein?“
    249
    250 @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin,
    251 Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr
    252 Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle
    253 auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution
    254 sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist eine
    255 gesellschaftliche Praxis, die es immer geben wird - in der
    256 einen oder anderen Form. Und sei es in der Form eines
    257 Dates, wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn er sie zu einem
    258 teuren Essen einlädt.“
    259
    260 ------------------------------------------------------------
    261 ---------------------------------
    262
    263 ##Links
    264
    265 - [Hintergrundtext:
    266 Prostitution](https://publixphere.de/i/publixphere-de/catego
    267 ry/45)
    268
    269 - [Diskussion: Prostitution nun doch gesetzlich
    270 verbieten?](https://publixphere.de/d/274)
    271
    272 - [Diskussion: Wer geht zu
    273 Prostituierten?](https://publixphere.de/d/292)
  • Prostitution gesetzlich verbieten? (Originalversion)

    von admin, angelegt
    1 ##Stand: 13. Juni 2014
    2
    3 ***Louisa startete die Diskussion [„Prostitution nun doch
    4 gesetzlich verbieten?“](https://publixphere.de/d/274) (4.
    5 Dezember 2013). Hintergrund ist die politische Debatte um
    6 eine Verschärfung der Prostitiutionsgesetzgebung in
    7 Deutschland. @Louisa fragt, ob das schwedische Modell Sinn
    8 macht, den Kauf sexueller Dienstleistungen zu verbieten
    9 („Freier-Bestrafung“). Alle Politik-Interessierten waren
    10 und sind eingeladen, sich einzubringen.***
    11
    12 ##Knackpunkte der Diskussion
    13
    14 - muss es das Ziel sein, Prostitution abzuschaffen oder
    15 ihre rechtlichen, gesellschaftlichen und sozialen
    16 Bedingungen zu verbessern?
    17
    18 - gibt es freiwillige, selbstsbestimmte, menschenwürdige
    19 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und
    20 Ausbeutung?
    21
    22 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem
    23 Körper tun?
    24
    25 ##Politischer Kontext
    26
    27 Union und SPD einigten sich in ihrem
    28 [Koalitionsvertrag](https://www.tagesschau.de/inland/koaliti
    29 onsvertrag136.pdf) (Dezember 2013, Seite 104) darauf, die
    30 Gesetzgebung zur Prostitution zu verschärfen. Ein konkreter
    31 Gesetzentwurf wird noch erarbeitet (Stand 11. Juni 2014).
    32 Das Bundesfamilienministerium hat erste Ansatzpunkte
    33 [vorgestellt](http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did
    34 =206114.html). Demnach soll unter anderem das Mindestalter
    35 für Prostituierte von 18 auf 21 angehoben werden.
    36 „Menschenunwürdige Geschäftsmodelle" wie Flatrate-Bordelle
    37 soll es nicht mehr geben.
    38
    39 Die - seinerzeit rot-grüne - Bundesregierung hatte die
    40 Sittenwidrigkeit Prostition 2002
    41 [aufgehoben](http://de.wikipedia.org/wiki/Prostitutionsgeset
    42 z). Das Ziel: die rechtliche und soziale Situation von
    43 Prostitutierten stärken. Frauenrechtlerinnen halten den
    44 Ansatz jedoch für gescheitert. Das Gesetz von 2002 trage
    45 die „Handschrift der Frauenhändler und ihrer
    46 LobbyistInnen“, heißt es in einem „[Appel gegen
    47 Prosititution](http://www.emma.de/thema/der-appell-gegen-pro
    48 stitution-111249)“ (Nobember 2013), initiert von der
    49 feministischen Zeitschrift „Emma“. „Seither ist Deutschland
    50 zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies
    51 der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“
    52
    53 Von der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung fordert die
    54 Initiative unter anderem: „die Ächtung und, wenn nötig,
    55 auch Bestrafung der Freier“. Eine Bestrafung der Freier
    56 wird auch das „nordische“ oder „schwedische“ Modell
    57 genannt. In Schweden ist der Kauf sexueller
    58 Dienstleistungen seit 1998 verboten. Das EU-Parlament
    59 empfiehlt in einer
    60 [Entschließung](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.d
    61 o?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BD
    62 OC%2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) (Februar 2014)
    63 diesen Ansatz. Die deutsche Legalisierung komme einer
    64 "Genehmigung der sexuellen Ausbeutung“ geich.
    65
    66 ##Themen der Publixphere-Diskussion:
    67
    68 **Fehlende Informationen**
    69
    70 Viele Kommentare verweisen auf fehlende Informationen zur
    71 Prostitution in Deutschland und Europa. @Emil fragt
    72 beispielsweise: „Gibt es verlässliche Zahlen und Fakten zu
    73 einem erfolgreichen Verbot? Ist selbstbestimmte und
    74 menschenwürdige Prostitution (...) ein Ausnahmefall?“.
    75 [Patrick
    76 Müller](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Patrick
    77 Mueller/about) meint: „Ich habe den Eindruck, man weiß
    78 besser, wie viel illegale Schwarzarbeit existiert als
    79 legale Prostitution.“
    80
    81 Schon über die Gründe der fehlenden Informationen gibt es
    82 eine Kontroverse. @HekateGT kommentiert: „Das liegt unter
    83 anderem daran, dass viele Sexarbeiterinnen sich nicht
    84 öffentlich outen wollen, weil sie keine Lust darauf haben,
    85 in ihrem privaten Umfeld diskriminiert und ausgegrenzt zu
    86 werden.“ @Berta zufolge fehlen Statistiken, „weil (...) ein
    87 Großteil der Frauen aus armen Ostblockländern zu uns kommen
    88 und sich hier prostituieren bzw. zur Prostitution gezwungen
    89 werden. Wer hat denn ein Interesse daran, dass diese Frauen
    90 irgendwie 'registriert' werden? Die Zuhälter? Die
    91 Bordellbesitzer? Die Frauen? Die Freier vielleicht? Wohl
    92 eher nicht.“
    93
    94 Zur Frage „Wer geht zu Prostituierten?“ hat @HannahDo eine
    95 [eigene Diskussion](https://publixphere.de/d/292)
    96 gestartet. Das Forum sammelt hier verschiedene Artikel zum
    97 Thema.
    98
    99 **Was muss geregelt werden?**
    100
    101 Offen bleibt im Forum, welche Regelungen zu reformieren
    102 sind, um Prostituierte (Frauen und Männer) vor Ausbeutung
    103 zu schützen. @HekateGT kommentiert: „alle die widrigen
    104 Begleitumstände, die immer wieder im Zusammenhang mit
    105 Sexarbeit thematisiert werden - als da sind: sexuelle
    106 Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel - werden bereits
    107 durch das STGB (*„Strafgesetzbuch“, Anm. d. R.*) abgedeckt.”
    108
    109 @sonjdol hält das Prostitutionsgesetz für den falschen
    110 Ansatzpunkt, um Menschenhandel einzudämmen – hierfür gebe
    111 es Gesetze gegen Menschenhandel. „Ich verstehe nicht, warum
    112 alle immer wieder in diese Falle tappen. Als würde man
    113 Vergewaltigung durch eine Regulierung einvernehmlichen
    114 Sexes reduzieren können und nicht durch Paragraphen, die
    115 sich direkt auf Vergewaltigung beziehen.“ @sonjdol
    116 fordert, eher über effektive Gesetze gegen Menschenhandel
    117 zu diskutieren und die Opferrechte zu stärken, woran die
    118 Politik aber kaum Interesse habe.
    119
    120 @Emil verweist dagegen auf den
    121 [Entschluss](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?p
    122 ubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BDOC%
    123 2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) des EU-Parlaments. Ihm
    124 zufolge stellt die Einstufung der Prostitution als legale
    125 „Sexarbeit“ keine Lösung dar, um schutzbedürftige Frauen
    126 und Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. @sonjdol
    127 kritisiert den Parlamentsbeschluss scharf, unter anderem
    128 als „Zeichen der anhaltenden Stigmatisierung“ von
    129 Sexarbeiterinnen.
    130
    131 **Freierbestrafung**
    132
    133 Die Option, die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen
    134 durch Freier zu verbieten („schwedisches Modell"), streift
    135 das Forum nur kurz. @HekateGT hält es für einen „Schuss in
    136 den Ofen: „(...) die Sexarbeit ist dadurch nicht weniger
    137 geworden - aber die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen ist
    138 dramatisch angestiegen.“ @sonjdol meint mit Verweis auf
    139 einen
    140 [Artikel](http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitu
    141 tion-in-schweden-sexkaufverbot/) des Online-Magazins
    142 menschenhandelheute.net: „Das Schwedische Modell basiert
    143 auf der Stigmatisierung und Entrechtung von Prostituierten.
    144 Es hilft ihnen nicht.“ Das Magazin Emma, auf dessen
    145 Kampagne der Diskissionsanstoß Bezug nimmt, kommt dagegen
    146 zu einer anderen
    147 [Einschätzung](http://www.emma.de/artikel/dossier-prostituti
    148 on-abschaffen-modell-schweden-265411): Die schwedische
    149 Regierung könne belegen, „dass das Anti-Freier-Gesetz
    150 Frauen und Mädchen aus dem Osten Europas vor
    151 Zwangsprostitution schützt“.
    152
    153 **Sexarbeit oder Prostitution? Beruf oder Ausbeutung?**
    154
    155 In der Diskussion dominieren grundsätzliche Fragen zur
    156 Prostitution – etwa, ob es sich um einen gesellschaftlich
    157 akzeptierten Beruf handeln kann. @HekateGT sieht es so.
    158 Sexarbeit sei "an sich" kein Problem. „Was wir brauchen
    159 sind nicht zusätzliche Reglementierungen, sondern das
    160 Herausholen der Sexarbeit aus der Grauzone. NICHT die
    161 Sexarbeit ist das Problem, sondern die Art und Weise, in
    162 der die Gesellschaft diesen Beruf wahrnimmt“.
    163
    164 Dagegen schreibt @Berta: „Prostitution ist (...) eine der
    165 ältesten Arten von Ausbeutung von Frauen. Es gab Zeiten und
    166 Gesellschaften (und gibt es noch heute), da gehörten Frauen
    167 quasi zu Haushalt (wie das Vieh).“ @sonjdol meint dagegen,
    168 die meisten Sexarbeiter*innen würden ihre Würde nicht
    169 angegriffen sehen.
    170
    171 **Wo fängt der Zwang an?**
    172
    173 Gerungen wird mit der Frage, ob es eine selbstbestimmte,
    174 freiwilige Prostitution bzw. Sexarbeit geben kann. @Louisa
    175 kommentiert: „Ich denke (...), dass viele durch bestimmte
    176 (nicht frei entschiedene) Situationen das Gefühl haben,
    177 sich prosituieren zu müssen. Auch dieses könnte man als
    178 Zwangsprostitution im weitesten Sinne verstehen.“ @Kilian
    179 meint: „Prostitution aus einer Zwangslage heraus wollen wir
    180 nicht und wir wissen, das Zwang sehr früh anfangen kann.“
    181 @Emil verweist auf die Sichtweise des schwedischen
    182 Gesetzgebers, wonach es einen selbstbestimmten Sexarbeiter
    183 nicht geben könne, da immer ein Abhängigkeitsverhältnis
    184 zwischen Käufer und Dienstleister bestehe.
    185
    186 @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER
    187 ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und
    188 Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution
    189 für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht
    190 mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen,
    191 solange kein Zwang im Spiel ist?“
    192
    193 @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der
    194 Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und
    195 staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs,
    196 Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen
    197 Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(...) wenn
    198 (...) Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest
    199 von Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich
    200 ein Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin
    201 kämen wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte
    202 Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst
    203 vorbehalten würden?“
    204
    205 **Darf der Staat eingreifen?**
    206
    207 Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der
    208 Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der
    209 "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der
    210 Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung
    211 abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder
    212 Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf
    213 meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs)
    214 regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder
    215 nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist
    216 unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg
    217 Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu
    218 reden.“
    219
    220 @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob
    221 der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und
    222 meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“ @Berta
    223 verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution
    224 vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die
    225 Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen.
    226 „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu,
    227 dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware
    228 werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann
    229 und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und
    230 Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben
    231 wird dem etwas entgegenzusetzen?“
    232
    233 Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft:
    234 „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität –
    235 immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele
    236 Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von
    237 einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik
    238 ausgenommen sein?“
    239
    240 @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin,
    241 Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr
    242 Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle
    243 auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution
    244 sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist eine
    245 gesellschaftliche Praxis, die es immer geben wird - in der
    246 einen oder anderen Form. Und sei es in der Form eines
    247 Dates, wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn er sie zu einem
    248 teuren Essen einlädt.“
  • Prostitution gesetzlich verbieten? (Originalversion)

    von admin, angelegt
    1 ***Louisa startete die Diskussion [„Prostitution nun doch
    2 gesetzlich verbieten?“](https://publixphere.de/d/274) (4.
    3 Dezember 2013). Hintergrund ist die politische Debatte um
    4 eine Verschärfung der Prostitiutionsgesetzgebung in
    5 Deutschland. @Louisa fragt, ob das schwedische Modell Sinn
    6 macht, den Kauf sexueller Dienstleistungen zu verbieten
    7 („Freier-Bestrafung“). Alle Politik-Interessierten waren
    8 und sind eingeladen, sich einzubringen. Die folgende
    9 Kurzdarstellung bezieht sich auf die Diskussion bis zum 13.
    10 Juni 2014***
    11
    12 ##Knackpunkte der Diskussion
    13
    14 - muss es das Ziel sein, Prostitution abzuschaffen oder
    15 ihre rechtlichen, gesellschaftlichen und sozialen
    16 Bedingungen zu verbessern?
    17
    18 - gibt es freiwillige, selbstsbestimmte, menschenwürdige
    19 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und
    20 Ausbeutung?
    21
    22 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem
    23 Körper tun?
    24
    25 ##Politischer Kontext
    26
    27 Union und SPD einigten sich in ihrem
    28 [Koalitionsvertrag](https://www.tagesschau.de/inland/koaliti
    29 onsvertrag136.pdf) (Dezember 2013, Seite 104) darauf, die
    30 Gesetzgebung zur Prostitution zu verschärfen. Ein konkreter
    31 Gesetzentwurf wird noch erarbeitet (Stand 11. Juni 2014).
    32 Das Bundesfamilienministerium hat erste Ansatzpunkte
    33 [vorgestellt](http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did
    34 =206114.html). Demnach soll unter anderem das Mindestalter
    35 für Prostituierte von 18 auf 21 angehoben werden.
    36 „Menschenunwürdige Geschäftsmodelle" wie Flatrate-Bordelle
    37 soll es nicht mehr geben.
    38
    39 Die - seinerzeit rot-grüne - Bundesregierung hatte die
    40 Sittenwidrigkeit Prostition 2002
    41 [aufgehoben](http://de.wikipedia.org/wiki/Prostitutionsgeset
    42 z). Das Ziel: die rechtliche und soziale Situation von
    43 Prostitutierten stärken. Frauenrechtlerinnen halten den
    44 Ansatz jedoch für gescheitert. Das Gesetz von 2002 trage
    45 die „Handschrift der Frauenhändler und ihrer
    46 LobbyistInnen“, heißt es in einem „[Appel gegen
    47 Prosititution](http://www.emma.de/thema/der-appell-gegen-pro
    48 stitution-111249)“ (Nobember 2013), initiert von der
    49 feministischen Zeitschrift „Emma“. „Seither ist Deutschland
    50 zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies
    51 der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“
    52
    53 Von der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung fordert die
    54 Initiative unter anderem: „die Ächtung und, wenn nötig,
    55 auch Bestrafung der Freier“. Eine Bestrafung der Freier
    56 wird auch das „nordische“ oder „schwedische“ Modell
    57 genannt. In Schweden ist der Kauf sexueller
    58 Dienstleistungen seit 1998 verboten. Das EU-Parlament
    59 empfiehlt in einer
    60 [Entschließung](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.d
    61 o?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BD
    62 OC%2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) (Februar 2014)
    63 diesen Ansatz. Die deutsche Legalisierung komme einer
    64 "Genehmigung der sexuellen Ausbeutung“ geich.
    65
    66 ##Themen der Publixphere-Diskussion:
    67
    68 **Fehlende Informationen**
    69
    70 Viele Kommentare verweisen auf fehlende Informationen zur
    71 Prostitution in Deutschland und Europa. @Emil fragt
    72 beispielsweise: „Gibt es verlässliche Zahlen und Fakten zu
    73 einem erfolgreichen Verbot? Ist selbstbestimmte und
    74 menschenwürdige Prostitution (...) ein Ausnahmefall?“.
    75 [Patrick
    76 Müller](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Patrick
    77 Mueller/about) meint: „Ich habe den Eindruck, man weiß
    78 besser, wie viel illegale Schwarzarbeit existiert als
    79 legale Prostitution.“
    80
    81 Schon über die Gründe der fehlenden Informationen gibt es
    82 eine Kontroverse. @HekateGT kommentiert: „Das liegt unter
    83 anderem daran, dass viele Sexarbeiterinnen sich nicht
    84 öffentlich outen wollen, weil sie keine Lust darauf haben,
    85 in ihrem privaten Umfeld diskriminiert und ausgegrenzt zu
    86 werden.“ @Berta zufolge fehlen Statistiken, „weil (...) ein
    87 Großteil der Frauen aus armen Ostblockländern zu uns kommen
    88 und sich hier prostituieren bzw. zur Prostitution gezwungen
    89 werden. Wer hat denn ein Interesse daran, dass diese Frauen
    90 irgendwie 'registriert' werden? Die Zuhälter? Die
    91 Bordellbesitzer? Die Frauen? Die Freier vielleicht? Wohl
    92 eher nicht.“
    93
    94 Zur Frage „Wer geht zu Prostituierten?“ hat @HannahDo eine
    95 [eigene Diskussion](https://publixphere.de/d/292)
    96 gestartet. Das Forum sammelt hier verschiedene Artikel zum
    97 Thema.
    98
    99 **Was muss geregelt werden?**
    100
    101 Offen bleibt im Forum, welche Regelungen zu reformieren
    102 sind, um Prostituierte (Frauen und Männer) vor Ausbeutung
    103 zu schützen. @HekateGT kommentiert: „alle die widrigen
    104 Begleitumstände, die immer wieder im Zusammenhang mit
    105 Sexarbeit thematisiert werden - als da sind: sexuelle
    106 Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel - werden bereits
    107 durch das STGB (*„Strafgesetzbuch“, Anm. d. R.*) abgedeckt.”
    108
    109 @sonjdol hält das Prostitutionsgesetz für den falschen
    110 Ansatzpunkt, um Menschenhandel einzudämmen – hierfür gebe
    111 es Gesetze gegen Menschenhandel. „Ich verstehe nicht, warum
    112 alle immer wieder in diese Falle tappen. Als würde man
    113 Vergewaltigung durch eine Regulierung einvernehmlichen
    114 Sexes reduzieren können und nicht durch Paragraphen, die
    115 sich direkt auf Vergewaltigung beziehen.“ @sonjdol
    116 fordert, eher über effektive Gesetze gegen Menschenhandel
    117 zu diskutieren und die Opferrechte zu stärken, woran die
    118 Politik aber kaum Interesse habe.
    119
    120 @Emil verweist dagegen auf den
    121 [Entschluss](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?p
    122 ubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BDOC%
    123 2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) des EU-Parlaments. Ihm
    124 zufolge stellt die Einstufung der Prostitution als legale
    125 „Sexarbeit“ keine Lösung dar, um schutzbedürftige Frauen
    126 und Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. @sonjdol
    127 kritisiert den Parlamentsbeschluss scharf, unter anderem
    128 als „Zeichen der anhaltenden Stigmatisierung“ von
    129 Sexarbeiterinnen.
    130
    131 **Freierbestrafung**
    132
    133 Die Option, die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen
    134 durch Freier zu verbieten („schwedisches Modell"), streift
    135 das Forum nur kurz. @HekateGT hält es für einen „Schuss in
    136 den Ofen: „(...) die Sexarbeit ist dadurch nicht weniger
    137 geworden - aber die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen ist
    138 dramatisch angestiegen.“ @sonjdol meint mit Verweis auf
    139 einen
    140 [Artikel](http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitu
    141 tion-in-schweden-sexkaufverbot/) des Online-Magazins
    142 menschenhandelheute.net: „Das Schwedische Modell basiert
    143 auf der Stigmatisierung und Entrechtung von Prostituierten.
    144 Es hilft ihnen nicht.“ Das Magazin Emma, auf dessen
    145 Kampagne der Diskissionsanstoß Bezug nimmt, kommt dagegen
    146 zu einer anderen
    147 [Einschätzung](http://www.emma.de/artikel/dossier-prostituti
    148 on-abschaffen-modell-schweden-265411): Die schwedische
    149 Regierung könne belegen, „dass das Anti-Freier-Gesetz
    150 Frauen und Mädchen aus dem Osten Europas vor
    151 Zwangsprostitution schützt“.
    152
    153 **Sexarbeit oder Prostitution? Beruf oder Ausbeutung?**
    154
    155 In der Diskussion dominieren grundsätzliche Fragen zur
    156 Prostitution – etwa, ob es sich um einen gesellschaftlich
    157 akzeptierten Beruf handeln kann. @HekateGT sieht es so.
    158 Sexarbeit sei "an sich" kein Problem. „Was wir brauchen
    159 sind nicht zusätzliche Reglementierungen, sondern das
    160 Herausholen der Sexarbeit aus der Grauzone. NICHT die
    161 Sexarbeit ist das Problem, sondern die Art und Weise, in
    162 der die Gesellschaft diesen Beruf wahrnimmt“.
    163
    164 Dagegen schreibt @Berta: „Prostitution ist (...) eine der
    165 ältesten Arten von Ausbeutung von Frauen. Es gab Zeiten und
    166 Gesellschaften (und gibt es noch heute), da gehörten Frauen
    167 quasi zu Haushalt (wie das Vieh).“ @sonjdol meint dagegen,
    168 die meisten Sexarbeiter*innen würden ihre Würde nicht
    169 angegriffen sehen.
    170
    171 **Wo fängt der Zwang an?**
    172
    173 Gerungen wird mit der Frage, ob es eine selbstbestimmte,
    174 freiwilige Prostitution bzw. Sexarbeit geben kann. @Louisa
    175 kommentiert: „Ich denke (...), dass viele durch bestimmte
    176 (nicht frei entschiedene) Situationen das Gefühl haben,
    177 sich prosituieren zu müssen. Auch dieses könnte man als
    178 Zwangsprostitution im weitesten Sinne verstehen.“ @Kilian
    179 meint: „Prostitution aus einer Zwangslage heraus wollen wir
    180 nicht und wir wissen, das Zwang sehr früh anfangen kann.“
    181 @Emil verweist auf die Sichtweise des schwedischen
    182 Gesetzgebers, wonach es einen selbstbestimmten Sexarbeiter
    183 nicht geben könne, da immer ein Abhängigkeitsverhältnis
    184 zwischen Käufer und Dienstleister bestehe.
    185
    186 @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER
    187 ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und
    188 Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution
    189 für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht
    190 mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen,
    191 solange kein Zwang im Spiel ist?“
    192
    193 @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der
    194 Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und
    195 staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs,
    196 Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen
    197 Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(...) wenn
    198 (...) Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest
    199 von Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich
    200 ein Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin
    201 kämen wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte
    202 Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst
    203 vorbehalten würden?“
    204
    205 **Darf der Staat eingreifen?**
    206
    207 Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der
    208 Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der
    209 "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der
    210 Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung
    211 abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder
    212 Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf
    213 meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs)
    214 regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder
    215 nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist
    216 unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg
    217 Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu
    218 reden.“
    219
    220 @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob
    221 der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und
    222 meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“ @Berta
    223 verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution
    224 vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die
    225 Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen.
    226 „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu,
    227 dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware
    228 werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann
    229 und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und
    230 Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben
    231 wird dem etwas entgegenzusetzen?“
    232
    233 Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft:
    234 „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität –
    235 immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele
    236 Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von
    237 einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik
    238 ausgenommen sein?“
    239
    240 @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin,
    241 Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr
    242 Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle
    243 auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution
    244 sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist die politische
    245 Debatte um eine gesellschaftliche Praxis, die es immer
    246 geben wird - in der einen oder anderen Form. Und sei es in
    247 der Form eines Dates, wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn
    248 er sie zu verbieten („Freier-Bestrafung“). Alle
    249 Politik-Interessierten waren und sind eingeladen, sich
    250 einzubringen.***
    251
    252 ##Knackpunkte der Diskussion
    253
    254 - muss es das Ziel sein, Prostitution abzuschaffen oder
    255 ihre rechtlichen, gesellschaftlichen und sozialen
    256 Bedingungen zu verbessern?
    257
    258 - gibt es freiwillige, selbstsbestimmte, menschenwürdige
    259 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und
    260 Ausbeutung?
    261
    262 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem
    263 Körper tun?
    264
    265 ##Politischer Kontext
    266
    267 Union und SPD einigten sich in ihrem
    268 [Koalitionsvertrag](https://www.tagesschau.de/inland/koaliti
    269 onsvertrag136.pdf) (Dezember 2013, Seite 104) darauf, die
    270 Gesetzgebung zur Prostitution zu verschärfen. Ein konkreter
    271 Gesetzentwurf wird noch erarbeitet (Stand 11. Juni 2014).
    272 Das Bundesfamilienministerium hat erste Ansatzpunkte
    273 [vorgestellt](http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did
    274 =206114.html). Demnach soll unter anderem das Mindestalter
    275 für Prostituierte von 18 auf 21 angehoben werden.
    276 „Menschenunwürdige Geschäftsmodelle" wie Flatrate-Bordelle
    277 soll es nicht mehr geben.
    278
    279 Die - seinerzeit rot-grüne - Bundesregierung hatte die
    280 Sittenwidrigkeit Prostition 2002
    281 [aufgehoben](http://de.wikipedia.org/wiki/Prostitutionsgeset
    282 z). Das Ziel: die rechtliche und soziale Situation von
    283 Prostitutierten stärken. Frauenrechtlerinnen halten den
    284 Ansatz jedoch für gescheitert. Das Gesetz von 2002 trage
    285 die „Handschrift der Frauenhändler und ihrer
    286 LobbyistInnen“, heißt es in einem „[Appel gegen
    287 Prosititution](http://www.emma.de/thema/der-appell-gegen-pro
    288 stitution-111249)“ (Nobember 2013), initiert von der
    289 feministischen Zeitschrift „Emma“. „Seither ist Deutschland
    290 zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies
    291 der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“
    292
    293 Von der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung fordert die
    294 Initiative unter anderem: „die Ächtung und, wenn nötig,
    295 auch Bestrafung der Freier“. Eine Bestrafung der Freier
    296 wird auch das „nordische“ oder „schwedische“ Modell
    297 genannt. In Schweden ist der Kauf sexueller
    298 Dienstleistungen seit 1998 verboten. Das EU-Parlament
    299 empfiehlt in einer
    300 [Entschließung](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.d
    301 o?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BD
    302 OC%2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) (Februar 2014)
    303 diesen Ansatz. Die deutsche Legalisierung komme einer
    304 "Genehmigung der sexuellen Ausbeutung“ geich.
    305
    306 ##Themen der Publixphere-Diskussion:
    307
    308 **Fehlende Informationen**
    309
    310 Viele Kommentare verweisen auf fehlende Informationen zur
    311 Prostitution in Deutschland und Europa. @Emil fragt
    312 beispielsweise: „Gibt es verlässliche Zahlen und Fakten zu
    313 einem erfolgreichen Verbot? Ist selbstbestimmte und
    314 menschenwürdige Prostitution (...) ein Ausnahmefall?“.
    315 [Patrick
    316 Müller](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Patrick
    317 Mueller/about) meint: „Ich habe den Eindruck, man weiß
    318 besser, wie viel illegale Schwarzarbeit existiert als
    319 legale Prostitution.“
    320
    321 Schon über die Gründe der fehlenden Informationen gibt es
    322 eine Kontroverse. @HekateGT kommentiert: „Das liegt unter
    323 anderem daran, dass viele Sexarbeiterinnen sich nicht
    324 öffentlich outen wollen, weil sie keine Lust darauf haben,
    325 in ihrem privaten Umfeld diskriminiert und ausgegrenzt zu
    326 werden.“ @Berta zufolge fehlen Statistiken, „weil (...) ein
    327 Großteil der Frauen aus armen Ostblockländern zu uns kommen
    328 und sich hier prostituieren bzw. zur Prostitution gezwungen
    329 werden. Wer hat denn ein Interesse daran, dass diese Frauen
    330 irgendwie 'registriert' werden? Die Zuhälter? Die
    331 Bordellbesitzer? Die Frauen? Die Freier vielleicht? Wohl
    332 eher nicht.“
    333
    334 Zur Frage „Wer geht zu Prostituierten?“ hat @HannahDo eine
    335 [eigene Diskussion](https://publixphere.de/d/292)
    336 gestartet. Das Forum sammelt hier verschiedene Artikel zum
    337 Thema.
    338
    339 **Was muss geregelt werden?**
    340
    341 Offen bleibt im Forum, welche Regelungen zu reformieren
    342 sind, um Prostituierte (Frauen und Männer) vor Ausbeutung
    343 zu schützen. @HekateGT kommentiert: „alle die widrigen
    344 Begleitumstände, die immer wieder im Zusammenhang mit
    345 Sexarbeit thematisiert werden - als da sind: sexuelle
    346 Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel - werden bereits
    347 durch das STGB (*„Strafgesetzbuch“, Anm. d. R.*) abgedeckt.”
    348
    349 @sonjdol hält das Prostitutionsgesetz für den falschen
    350 Ansatzpunkt, um Menschenhandel einzudämmen – hierfür gebe
    351 es Gesetze gegen Menschenhandel. „Ich verstehe nicht, warum
    352 alle immer wieder in diese Falle tappen. Als würde man
    353 Vergewaltigung durch eine Regulierung einvernehmlichen
    354 Sexes reduzieren können und nicht durch Paragraphen, die
    355 sich direkt auf Vergewaltigung beziehen.“ @sonjdol
    356 fordert, eher über effektive Gesetze gegen Menschenhandel
    357 zu diskutieren und die Opferrechte zu stärken, woran die
    358 Politik aber kaum Interesse habe.
    359
    360 @Emil verweist dagegen auf den
    361 [Entschluss](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?p
    362 ubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BDOC%
    363 2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) des EU-Parlaments. Ihm
    364 zufolge stellt die Einstufung der Prostitution als legale
    365 „Sexarbeit“ keine Lösung dar, um schutzbedürftige Frauen
    366 und Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. @sonjdol
    367 kritisiert den Parlamentsbeschluss scharf, unter anderem
    368 als „Zeichen der anhaltenden Stigmatisierung“ von
    369 Sexarbeiterinnen.
    370
    371 **Freierbestrafung**
    372
    373 Die Option, die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen
    374 durch Freier zu verbieten („schwedisches Modell"), streift
    375 das Forum nur kurz. @HekateGT hält es für einen „Schuss in
    376 den Ofen: „(...) die Sexarbeit ist dadurch nicht weniger
    377 geworden - aber die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen ist
    378 dramatisch angestiegen.“ @sonjdol meint mit Verweis auf
    379 einen
    380 [Artikel](http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitu
    381 tion-in-schweden-sexkaufverbot/) des Online-Magazins
    382 menschenhandelheute.net: „Das Schwedische Modell basiert
    383 auf der Stigmatisierung und Entrechtung von Prostituierten.
    384 Es hilft ihnen nicht.“ Das Magazin Emma, auf dessen
    385 Kampagne der Diskissionsanstoß Bezug nimmt, kommt dagegen
    386 zu einer anderen
    387 [Einschätzung](http://www.emma.de/artikel/dossier-prostituti
    388 on-abschaffen-modell-schweden-265411): Die schwedische
    389 Regierung könne belegen, „dass das Anti-Freier-Gesetz
    390 Frauen und Mädchen aus dem Osten Europas vor
    391 Zwangsprostitution schützt“.
    392
    393 **Sexarbeit oder Prostitution? Beruf oder Ausbeutung?**
    394
    395 In der Diskussion dominieren grundsätzliche Fragen zur
    396 Prostitution – etwa, ob es sich um einen gesellschaftlich
    397 akzeptierten Beruf handeln kann. @HekateGT sieht es so.
    398 Sexarbeit sei "an sich" kein Problem. „Was wir brauchen
    399 sind nicht zusätzliche Reglementierungen, sondern das
    400 Herausholen der Sexarbeit aus der Grauzone. NICHT die
    401 Sexarbeit ist das Problem, sondern die Art und Weise, in
    402 der die Gesellschaft diesen Beruf wahrnimmt“.
    403
    404 Dagegen schreibt @Berta: „Prostitution ist (...) eine der
    405 ältesten Arten von Ausbeutung von Frauen. Es gab Zeiten und
    406 Gesellschaften (und gibt es noch heute), da gehörten Frauen
    407 quasi zu Haushalt (wie das Vieh).“ @sonjdol meint dagegen,
    408 die meisten Sexarbeiter*innen würden ihre Würde nicht
    409 angegriffen sehen.
    410
    411 **Wo fängt der Zwang an?**
    412
    413 Gerungen wird mit der Frage, ob es eine selbstbestimmte,
    414 freiwilige Prostitution bzw. Sexarbeit geben kann. @Louisa
    415 kommentiert: „Ich denke (...), dass viele durch bestimmte
    416 (nicht frei entschiedene) Situationen das Gefühl haben,
    417 sich prosituieren zu müssen. Auch dieses könnte man als
    418 Zwangsprostitution im weitesten Sinne verstehen.“ @Kilian
    419 meint: „Prostitution aus einer Zwangslage heraus wollen wir
    420 nicht und wir wissen, das Zwang sehr früh anfangen kann.“
    421 @Emil verweist auf die Sichtweise des schwedischen
    422 Gesetzgebers, wonach es einen selbstbestimmten Sexarbeiter
    423 nicht geben könne, da immer ein Abhängigkeitsverhältnis
    424 zwischen Käufer und Dienstleister bestehe.
    425
    426 @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER
    427 ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und
    428 Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution
    429 für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht
    430 mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen,
    431 solange kein Zwang im Spiel ist?“
    432
    433 @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der
    434 Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und
    435 staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs,
    436 Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen
    437 Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(...) wenn
    438 (...) Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest
    439 von Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich
    440 ein Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin
    441 kämen wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte
    442 Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst
    443 vorbehalten würden?“
    444
    445 **Darf der Staat eingreifen?**
    446
    447 Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der
    448 Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der
    449 "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der
    450 Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung
    451 abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder
    452 Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf
    453 meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs)
    454 regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder
    455 nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist
    456 unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg
    457 Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu
    458 reden.“
    459
    460 @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob
    461 der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und
    462 meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“ @Berta
    463 verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution
    464 vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die
    465 Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen.
    466 „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu,
    467 dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware
    468 werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann
    469 und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und
    470 Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben
    471 wird dem etwas entgegenzusetzen?“
    472
    473 Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft:
    474 „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität –
    475 immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele
    476 Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von
    477 einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik
    478 ausgenommen sein?“
    479
    480 @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin,
    481 Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr
    482 Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle
    483 auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution
    484 sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist eine
    485 gesellschaftliche Praxis, die es immer geben wird - in der
    486 einen oder anderen Form. Und sei es in der Form eines
    487 Dates, wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn er sie zu einem
    488 teuren Essen einlädt.“
  • Prostitution gesetzlich verbieten? (Originalversion)

    von admin, angelegt
    1 ##Stand: 13. Juni 2014
    2
    3 ***@Louisa startete die Diskussion [„Prostitution nun doch
    4 gesetzlich verbieten?“](https://publixphere.de/d/274) (4.
    5 Dezember 2013). Hintergrund ist die politische Debatte um
    6 eine Verschärfung der Prostitiutionsgesetzgebung in
    7 Deutschland. @Louisa fragt, ob das schwedische Modell Sinn
    8 macht, den Kauf sexueller Dienstleistungen zu verbieten
    9 („Freier-Bestrafung“). Alle Politik-Interessierten waren
    10 und sind eingeladen, sich einzubringen.***
    11
    12 ##Was sind die Knackpunkte der Diskussion?
    13
    14 - muss es das Ziel sein, Prostitution abzuschaffen oder
    15 ihre rechtlichen, gesellschaftlichen und sozialen
    16 Bedingungen zu verbessern?
    17
    18 - gibt es freiwillige, selbstsbestimmte, menschenwürdige
    19 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und
    20 Ausbeutung?
    21
    22 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem
    23 Körper tun?
    24
    25 ##Politischer Kontext
    26
    27 Union und SPD einigten sich in ihrem
    28 [Koalitionsvertrag](https://www.tagesschau.de/inland/koaliti
    29 onsvertrag136.pdf) (Dezember 2013, Seite 104) darauf, die
    30 Gesetzgebung zur Prostitution zu verschärfen. Ein konkreter
    31 Gesetzentwurf wird noch erarbeitet (Stand 11. Juni 2014).
    32 Das Bundesfamilienministerium hat erste Ansatzpunkte
    33 [vorgestellt](http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did
    34 =206114.html). Demnach soll unter anderem das Mindestalter
    35 für Prostituierte von 18 auf 21 angehoben werden.
    36 „Menschenunwürdige Geschäftsmodelle" wie Flatrate-Bordelle
    37 soll es nicht mehr geben.
    38
    39 Die - seinerzeit rot-grüne - Bundesregierung hatte die
    40 Sittenwidrigkeit Prostition 2002
    41 [aufgehoben](http://de.wikipedia.org/wiki/Prostitutionsgeset
    42 z). Das Ziel: die rechtliche und soziale Situation von
    43 Prostitutierten stärken. Frauenrechtlerinnen halten den
    44 Ansatz jedoch für gescheitert. Das Gesetz von 2002 trage
    45 trägt die „Handschrift der Frauenhändler und ihrer
    46 LobbyistInnen“, heißt es in einem „[Appel gegen
    47 Prosititution](http://www.emma.de/thema/der-appell-gegen-pro
    48 stitution-111249)“ (Nobember 2013), initiert von der
    49 feministischen Zeitschrift „Emma“. „Seither ist Deutschland
    50 zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies
    51 der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“
    52
    53 Von der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung fordert die
    54 Initiative unter anderem: „die Ächtung und, wenn nötig,
    55 auch Bestrafung der Freier“. Eine Bestrafung der Freier
    56 wird auch das „nordische“ oder „schwedische“ Modell
    57 genannt. In Schweden ist der Kauf sexueller
    58 Dienstleistungen seit 1998 verboten. Das EU-Parlament
    59 empfiehlt in einer
    60 [Entschließung](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.d
    61 o?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BD
    62 OC%2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) (Februar 2014)
    63 diesen Ansatz. Die deutsche Legalisierung komme einer
    64 "Genehmigung der sexuellen Ausbeutung“ geich.
    65
    66 ##Themen der Publixphere-Diskussion:
    67
    68 **Fehlende Informationen**
    69
    70 Viele Kommentare verweisen auf fehlende Informationen zur
    71 Prostitution in Deutschland und Europa. @Emil fragt
    72 beispielsweise: „Gibt es verlässliche Zahlen und Fakten zu
    73 einem erfolgreichen Verbot? Ist selbstbestimmte und
    74 menschenwürdige Prostitution (...) ein Ausnahmefall?“.
    75 [Patrick
    76 Müller](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Patrick
    77 Mueller/about) meint: „Ich habe den Eindruck, man weiß
    78 besser, wie viel illegale Schwarzarbeit existiert als
    79 legale Prostitution.“
    80
    81 Schon über die Gründe der fehlenden Informationen gibt es
    82 eine Kontroverse. @HekateGT kommentiert: „Das liegt unter
    83 anderem daran, dass viele Sexarbeiterinnen sich nicht
    84 öffentlich outen wollen, weil sie keine Lust darauf haben,
    85 in ihrem privaten Umfeld diskriminiert und ausgegrenzt zu
    86 werden.“ @Berta zufolge fehlen Statistiken, „weil (...) ein
    87 Großteil der Frauen aus armen Ostblockländern zu uns kommen
    88 und sich hier prostituieren bzw. zur Prostitution gezwungen
    89 werden. Wer hat denn ein Interesse daran, dass diese Frauen
    90 irgendwie 'registriert' werden? Die Zuhälter? Die
    91 Bordellbesitzer? Die Frauen? Die Freier vielleicht? Wohl
    92 eher nicht.“
    93
    94 Zur Frage „Wer geht zu Prostituierten?“ hat @HannahDo eine
    95 [eigene Diskussion](https://publixphere.de/d/292)
    96 gestartet. Das Forum sammelt hier verschiedene Artikel zum
    97 Thema.
    98
    99 **Was muss geregelt werden?**
    100
    101 Offen bleibt im Forum, welche Regelungen zu reformieren
    102 sind, um Prostituierte (Frauen und Männer) vor Ausbeutung
    103 zu schützen. @HekateGT kommentiert: „alle die widrigen
    104 Begleitumstände, die immer wieder im Zusammenhang mit
    105 Sexarbeit thematisiert werden - als da sind: sexuelle
    106 Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel - werden bereits
    107 durch das STGB (*„Strafgesetzbuch“, Anm. d. R.*) abgedeckt.”
    108
    109 @sonjdol hält das Prostitutionsgesetz für den falschen
    110 Ansatzpunkt, um Menschenhandel einzudämmen – hierfür gebe
    111 es Gesetze gegen Menschenhandel. „Ich verstehe nicht, warum
    112 alle immer wieder in diese Falle tappen. Als würde man
    113 Vergewaltigung durch eine Regulierung einvernehmlichen
    114 Sexes reduzieren können und nicht durch Paragraphen, die
    115 sich direkt auf Vergewaltigung beziehen.“ @sonjdol
    116 fordert, eher über effektive Gesetze gegen Menschenhandel
    117 zu diskutieren und die Opferrechte zu stärken, woran die
    118 Politik aber kaum Interesse habe.
    119
    120 @Emil verweist dagegen auf den
    121 [Entschluss](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?p
    122 ubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BDOC%
    123 2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) des EU-Parlaments. Ihm
    124 zufolge stellt die Einstufung der Prostitution als legale
    125 „Sexarbeit“ keine Lösung dar, um schutzbedürftige Frauen
    126 und Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. @sonjdol
    127 kritisiert den Parlamentsbeschluss scharf, unter anderem
    128 als „Zeichen der anhaltenden Stigmatisierung“ von
    129 Sexarbeiterinnen.
    130
    131 **Freierbestrafung**
    132
    133 Die Option, die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen
    134 durch Freier zu verbieten („schwedisches Modell"), streift
    135 das Forum nur kurz. @HekateGT hält es für einen „Schuss in
    136 den Ofen: „(...) die Sexarbeit ist dadurch nicht weniger
    137 geworden - aber die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen ist
    138 dramatisch angestiegen.“ @sonjdol meint mit Verweis auf
    139 einen
    140 [Artikel](http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitu
    141 tion-in-schweden-sexkaufverbot/) des Online-Magazins
    142 menschenhandelheute.net: „Das Schwedische Modell basiert
    143 auf der Stigmatisierung und Entrechtung von Prostituierten.
    144 Es hilft ihnen nicht.“ Das Magazin Emma, auf dessen
    145 Kampagne der Diskissionsanstoß Bezug nimmt, kommt dagegen
    146 zu einer anderen
    147 [Einschätzung](http://www.emma.de/artikel/dossier-prostituti
    148 on-abschaffen-modell-schweden-265411): Die schwedische
    149 Regierung könne belegen, „dass das Anti-Freier-Gesetz
    150 Frauen und Mädchen aus dem Osten Europas vor
    151 Zwangsprostitution schützt“.
    152
    153 **Sexarbeit oder Prostitution? Beruf oder Ausbeutung?**
    154
    155 In der Diskussion dominieren grundsätzliche Fragen zur
    156 Prostitution – etwa, ob es sich um einen gesellschaftlich
    157 akzeptierten Beruf handeln kann. @HekateGT sieht es so.
    158 Sexarbeit sei "an sich" kein Problem. „Was wir brauchen
    159 sind nicht zusätzliche Reglementierungen, sondern das
    160 Herausholen der Sexarbeit aus der Grauzone. NICHT die
    161 Sexarbeit ist das Problem, sondern die Art und Weise, in
    162 der die Gesellschaft diesen Beruf wahrnimmt“.
    163
    164 Dagegen schreibt @Berta: „Prostitution ist (...) eine der
    165 ältesten Arten von Ausbeutung von Frauen. Es gab Zeiten und
    166 Gesellschaften (und gibt es noch heute), da gehörten Frauen
    167 quasi zu Haushalt (wie das Vieh).“ @sonjdol meint dagegen,
    168 die meisten Sexarbeiter*innen würden ihre Würde nicht
    169 angegriffen sehen.
    170
    171 **Selbstbestimmung oder Zwang**
    172
    173 Gerungen wird mit der Frage, ob es eine selbstbestimmte,
    174 freiwilige Prostitution bzw. Sexarbeit geben kann. @Louisa
    175 kommentiert: „Ich denke (...), dass viele durch bestimmte
    176 (nicht frei entschiedene) Situationen das Gefühl haben,
    177 sich prosituieren zu müssen. Auch dieses könnte man als
    178 Zwangsprostitution im weitesten Sinne verstehen.“ @Kilian
    179 meint: „Prostitution aus einer Zwangslage heraus wollen wir
    180 nicht und wir wissen, das Zwang sehr früh anfangen kann.“
    181 @Emil verweist auf die Sichtweise des schwedischen
    182 Gesetzgebers, wonach es einen selbstbestimmten Sexarbeiter
    183 nicht geben könne, da immer ein Abhängigkeitsverhältnis
    184 zwischen Käufer und Dienstleister bestehe.
    185
    186 @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER
    187 ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und
    188 Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution
    189 für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht
    190 mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen,
    191 solange kein Zwang im Spiel ist?“
    192
    193 @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der
    194 Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und
    195 staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs,
    196 Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen
    197 Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(...) wenn
    198 (...) Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest
    199 von Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich
    200 ein Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin
    201 kämen wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte
    202 Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst
    203 vorbehalten würden?“
    204
    205 **Darf der Staat eingreifen?**
    206
    207 Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der
    208 Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der
    209 "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der
    210 Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung
    211 abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder
    212 Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf
    213 meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs)
    214 regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder
    215 nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist
    216 unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg
    217 Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu
    218 reden.“
    219
    220 @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob
    221 der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und
    222 meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“ @Berta
    223 verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution
    224 vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die
    225 Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen.
    226 „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu,
    227 dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware
    228 werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann
    229 und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und
    230 Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben
    231 wird dem etwas entgegenzusetzen?“
    232
    233 Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft:
    234 „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität –
    235 immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele
    236 Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von
    237 einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik
    238 ausgenommen sein?“
    239
    240 @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin,
    241 Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr
    242 Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle
    243 auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution
    244 sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist eine
    245 gesellschaftliche Praxis, die es immer geben wird - in der
    246 einen oder anderen Form. Und sei es in der Form eines
    247 Dates, wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn er sie zu
    248 verschärfen. Ein konkreter Gesetzentwurf wird noch
    249 erarbeitet (Stand 11. Juni 2014). Das
    250 Bundesfamilienministerium hat erste Ansatzpunkte
    251 [vorgestellt](http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did
    252 =206114.html). Demnach soll unter anderem das Mindestalter
    253 für Prostituierte von 18 auf 21 angehoben werden.
    254 „Menschenunwürdige Geschäftsmodelle" wie Flatrate-Bordelle
    255 soll es nicht mehr geben.
    256
    257 Die - seinerzeit rot-grüne - Bundesregierung hatte die
    258 Sittenwidrigkeit Prostition 2002
    259 [aufgehoben](http://de.wikipedia.org/wiki/Prostitutionsgeset
    260 z). Das Ziel: die rechtliche und soziale Situation von
    261 Prostitutierten stärken. Frauenrechtlerinnen halten den
    262 Ansatz jedoch für gescheitert. Das Gesetz von 2002 trage
    263 trägt die „Handschrift der Frauenhändler und ihrer
    264 LobbyistInnen“, heißt es in einem „[Appel gegen
    265 Prosititution](http://www.emma.de/thema/der-appell-gegen-pro
    266 stitution-111249)“ (Nobember 2013), initiert von der
    267 feministischen Zeitschrift „Emma“. „Seither ist Deutschland
    268 zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies
    269 der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“
    270
    271 Von der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung fordert die
    272 Initiative unter anderem: „die Ächtung und, wenn nötig,
    273 auch Bestrafung der Freier“. Eine Bestrafung der Freier
    274 wird auch das „nordische“ oder „schwedische“ Modell
    275 genannt. In Schweden ist der Kauf sexueller
    276 Dienstleistungen seit 1998 verboten. Das EU-Parlament
    277 empfiehlt in einer
    278 [Entschließung](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.d
    279 o?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BD
    280 OC%2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) (Februar 2014)
    281 diesen Ansatz. Die deutsche Legalisierung komme einer
    282 "Genehmigung der sexuellen Ausbeutung“ geich.
    283
    284 ##Themen der Publixphere-Diskussion:
    285
    286 **Fehlende Informationen**
    287
    288 Viele Kommentare verweisen auf fehlende Informationen zur
    289 Prostitution in Deutschland und Europa. @Emil fragt
    290 beispielsweise: „Gibt es verlässliche Zahlen und Fakten zu
    291 einem erfolgreichen Verbot? Ist selbstbestimmte und
    292 menschenwürdige Prostitution (...) ein Ausnahmefall?“.
    293 [Patrick
    294 Müller](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Patrick
    295 Mueller/about) meint: „Ich habe den Eindruck, man weiß
    296 besser, wie viel illegale Schwarzarbeit existiert als
    297 legale Prostitution.“
    298
    299 Schon über die Gründe der fehlenden Informationen gibt es
    300 eine Kontroverse. @HekateGT kommentiert: „Das liegt unter
    301 anderem daran, dass viele Sexarbeiterinnen sich nicht
    302 öffentlich outen wollen, weil sie keine Lust darauf haben,
    303 in ihrem privaten Umfeld diskriminiert und ausgegrenzt zu
    304 werden.“ @Berta zufolge fehlen Statistiken, „weil (...) ein
    305 Großteil der Frauen aus armen Ostblockländern zu uns kommen
    306 und sich hier prostituieren bzw. zur Prostitution gezwungen
    307 werden. Wer hat denn ein Interesse daran, dass diese Frauen
    308 irgendwie 'registriert' werden? Die Zuhälter? Die
    309 Bordellbesitzer? Die Frauen? Die Freier vielleicht? Wohl
    310 eher nicht.“
    311
    312 Zur Frage „Wer geht zu Prostituierten?“ hat @HannahDo eine
    313 [eigene Diskussion](https://publixphere.de/d/292)
    314 gestartet. Das Forum sammelt hier verschiedene Artikel zum
    315 Thema.
    316
    317 **Was muss geregelt werden?**
    318
    319 Offen bleibt im Forum, welche Regelungen zu reformieren
    320 sind, um Prostituierte (Frauen und Männer) vor Ausbeutung
    321 zu schützen. @HekateGT kommentiert: „alle die widrigen
    322 Begleitumstände, die immer wieder im Zusammenhang mit
    323 Sexarbeit thematisiert werden - als da sind: sexuelle
    324 Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel - werden bereits
    325 durch das STGB (*„Strafgesetzbuch“, Anm. d. R.*) abgedeckt.”
    326
    327 @sonjdol hält das Prostitutionsgesetz für den falschen
    328 Ansatzpunkt, um Menschenhandel einzudämmen – hierfür gebe
    329 es Gesetze gegen Menschenhandel. „Ich verstehe nicht, warum
    330 alle immer wieder in diese Falle tappen. Als würde man
    331 Vergewaltigung durch eine Regulierung einvernehmlichen
    332 Sexes reduzieren können und nicht durch Paragraphen, die
    333 sich direkt auf Vergewaltigung beziehen.“ @sonjdol
    334 fordert, eher über effektive Gesetze gegen Menschenhandel
    335 zu diskutieren und die Opferrechte zu stärken, woran die
    336 Politik aber kaum Interesse habe.
    337
    338 @Emil verweist dagegen auf den
    339 [Entschluss](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?p
    340 ubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BDOC%
    341 2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) des EU-Parlaments. Ihm
    342 zufolge stellt die Einstufung der Prostitution als legale
    343 „Sexarbeit“ keine Lösung dar, um schutzbedürftige Frauen
    344 und Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. @sonjdol
    345 kritisiert den Parlamentsbeschluss scharf, unter anderem
    346 als „Zeichen der anhaltenden Stigmatisierung“ von
    347 Sexarbeiterinnen.
    348
    349 **Freierbestrafung**
    350
    351 Die Option, die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen
    352 durch Freier zu verbieten („schwedisches Modell"), streift
    353 das Forum nur kurz. @HekateGT hält es für einen „Schuss in
    354 den Ofen: „(...) die Sexarbeit ist dadurch nicht weniger
    355 geworden - aber die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen ist
    356 dramatisch angestiegen.“ @sonjdol meint mit Verweis auf
    357 einen
    358 [Artikel](http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitu
    359 tion-in-schweden-sexkaufverbot/) des Online-Magazins
    360 menschenhandelheute.net: „Das Schwedische Modell basiert
    361 auf der Stigmatisierung und Entrechtung von Prostituierten.
    362 Es hilft ihnen nicht.“ Das Magazin Emma, auf dessen
    363 Kampagne der Diskissionsanstoß Bezug nimmt, kommt dagegen
    364 zu einer anderen
    365 [Einschätzung](http://www.emma.de/artikel/dossier-prostituti
    366 on-abschaffen-modell-schweden-265411): Die schwedische
    367 Regierung könne belegen, „dass das Anti-Freier-Gesetz
    368 Frauen und Mädchen aus dem Osten Europas vor
    369 Zwangsprostitution schützt“.
    370
    371 **Sexarbeit oder Prostitution? Beruf oder Ausbeutung?**
    372
    373 In der Diskussion dominieren grundsätzliche Fragen zur
    374 Prostitution – etwa, ob es sich um einen gesellschaftlich
    375 akzeptierten Beruf handeln kann. @HekateGT sieht es so.
    376 Sexarbeit sei "an sich" kein Problem. „Was wir brauchen
    377 sind nicht zusätzliche Reglementierungen, sondern das
    378 Herausholen der Sexarbeit aus der Grauzone. NICHT die
    379 Sexarbeit ist das Problem, sondern die Art und Weise, in
    380 der die Gesellschaft diesen Beruf wahrnimmt“.
    381
    382 Dagegen schreibt @Berta: „Prostitution ist (...) eine der
    383 ältesten Arten von Ausbeutung von Frauen. Es gab Zeiten und
    384 Gesellschaften (und gibt es noch heute), da gehörten Frauen
    385 quasi zu Haushalt (wie das Vieh).“ @sonjdol meint dagegen,
    386 die meisten Sexarbeiter*innen würden ihre Würde nicht
    387 angegriffen sehen.
    388
    389 **Selbstbestimmung oder Zwang**
    390
    391 Gerungen wird mit der Frage, ob es eine selbstbestimmte,
    392 freiwilige Prostitution bzw. Sexarbeit geben kann. @Louisa
    393 kommentiert: „Ich denke (...), dass viele durch bestimmte
    394 (nicht frei entschiedene) Situationen das Gefühl haben,
    395 sich prosituieren zu müssen. Auch dieses könnte man als
    396 Zwangsprostitution im weitesten Sinne verstehen.“ @Kilian
    397 meint: „Prostitution aus einer Zwangslage heraus wollen wir
    398 nicht und wir wissen, das Zwang sehr früh anfangen kann.“
    399 @Emil verweist auf die Sichtweise des schwedischen
    400 Gesetzgebers, wonach es einen selbstbestimmten Sexarbeiter
    401 nicht geben könne, da immer ein Abhängigkeitsverhältnis
    402 zwischen Käufer und Dienstleister bestehe.
    403
    404 @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER
    405 ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und
    406 Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution
    407 für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht
    408 mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen,
    409 solange kein Zwang im Spiel ist?“
    410
    411 @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der
    412 Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und
    413 staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs,
    414 Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen
    415 Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(...) wenn
    416 (...) Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest
    417 von Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich
    418 ein Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin
    419 kämen wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte
    420 Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst
    421 vorbehalten würden?“
    422
    423 **Darf der Staat eingreifen?**
    424
    425 Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der
    426 Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der
    427 "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der
    428 Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung
    429 abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder
    430 Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf
    431 meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs)
    432 regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder
    433 nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist
    434 unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg
    435 Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu
    436 reden.“
    437
    438 @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob
    439 der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und
    440 meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“ @Berta
    441 verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution
    442 vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die
    443 Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen.
    444 „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu,
    445 dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware
    446 werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann
    447 und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und
    448 Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben
    449 wird dem etwas entgegenzusetzen?“
    450
    451 Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft:
    452 „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität –
    453 immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele
    454 Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von
    455 einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik
    456 ausgenommen sein?“
    457
    458 @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin,
    459 Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr
    460 Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle
    461 auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution
    462 sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist eine
    463 gesellschaftliche Praxis, die es immer geben wird - in der
    464 einen oder anderen Form. Und sei es in der Form eines
    465 Dates, wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn er sie zu einem
    466 teuren Essen einlädt.“
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