1 | ![Foto: Jake Guild (CC BY |
2 | 2.0)](https://publixphere-cms.publixphere.de/de/bilder/prost |
3 | ution_gross.bmp/@@images/image.bmp) |
4 | |
5 | ***Louisa startete die Diskussion [„Prostitution nun doch |
6 | gesetzlich verbieten?“](https://publixphere.de/d/274) (4. |
7 | Dezember 2013). Hintergrund ist die politische Debatte um |
8 | eine Verschärfung der Prostitutionsgesetzgebung in |
9 | Deutschland. @Louisa fragt, ob das schwedische Modell Sinn |
10 | macht, welches den Kauf sexueller Dienstleistungen |
11 | verbietet („Freier-Bestrafung“). Alle |
12 | Politik-Interessierten waren und sind eingeladen, sich |
13 | einzubringen. Die folgende |
14 | [Kurzdarstellung](https://publixphere.de/i/publixphere-de/pa |
15 | ge/1_Was_sind_Kurzdarstellungen) bezieht sich auf die |
16 | Kommentare und Beiträge bis zum 13. Juni 2014*** |
17 | |
18 | ##Knackpunkte der Diskussion |
19 | |
20 | - muss es das Ziel sein, Prostitution abzuschaffen oder |
21 | geht es darum rechtliche, gesellschaftliche und soziale |
22 | Bedingungen zu verbessern? |
23 | |
24 | - gibt es freiwillige, selbstbestimmte, menschenwürdige |
25 | Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und |
26 | Ausbeutung? |
27 | |
28 | - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem |
29 | Körper tun? |
30 | |
31 | ##Politischer Kontext |
32 | |
33 | Union und SPD einigten sich in ihrem |
34 | [Koalitionsvertrag](https://www.tagesschau.de/inland/koaliti |
35 | onsvertrag136.pdf) (Dezember 2013, Seite 104) darauf, die |
36 | Gesetzgebung zur Prostitution zu verschärfen. Ein konkreter |
37 | Gesetzentwurf wird noch erarbeitet (Stand 11. Juni 2014). |
38 | Das Bundesfamilienministerium hat erste Ansatzpunkte |
39 | [vorgestellt](http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did |
40 | =206114.html). Demnach soll unter anderem das Mindestalter |
41 | für Prostituierte von 18 auf 21 angehoben werden. |
42 | „Menschenunwürdige Geschäftsmodelle" wie Flatrate-Bordelle |
43 | soll es nicht mehr geben. |
44 | |
45 | Die - seinerzeit rot-grüne - Bundesregierung hatte die |
46 | *Sittenwidrigkeit* von Prostitution 2002 |
47 | [aufgehoben](http://de.wikipedia.org/wiki/Prostitutionsgeset |
48 | z). Das Ziel: die rechtliche und soziale Situation von |
49 | Prostituierten stärken. Frauenrechtlerinnen halten den |
50 | Ansatz jedoch für gescheitert. Das Gesetz von 2002 trage |
51 | die „Handschrift der Frauenhändler und ihrer |
52 | LobbyistInnen“, heißt es in einem „[Appel gegen |
53 | Prostitution](http://www.emma.de/thema/der-appell-gegen-pros |
54 | titution-111249)“ (Nobember 2013), initiiert von der |
55 | feministischen Zeitschrift „Emma“: „Seither ist Deutschland |
56 | zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies |
57 | der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“ |
58 | |
59 | Von der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung fordert die |
60 | Initiative unter anderem: „die Ächtung und, wenn nötig, |
61 | auch Bestrafung der Freier“. Eine Bestrafung der Freier |
62 | findet sich auch im „nordischen“ oder „schwedischen“ |
63 | Modell. In Schweden ist der Kauf sexueller Dienstleistungen |
64 | seit 1998 verboten. Das EU-Parlament empfiehlt in einer |
65 | [Entschließung](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.d |
66 | o?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BD |
67 | OC%2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) (Februar 2014) |
68 | diesen Ansatz. Die deutsche Legalisierung komme einer |
69 | "Genehmigung der sexuellen Ausbeutung“ geich. |
70 | |
71 | ##Themen der Publixphere-Diskussion: |
72 | |
73 | **Fehlende Informationen** |
74 | |
75 | Viele Kommentare verweisen auf fehlende Informationen zur |
76 | Prostitution in Deutschland und Europa. @Emil fragt |
77 | beispielsweise: „Gibt es verlässliche Zahlen und Fakten zu |
78 | einem erfolgreichen Verbot? Ist selbstbestimmte und |
79 | menschenwürdige Prostitution (...) ein Ausnahmefall?“. |
80 | [Patrick |
81 | Müller](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Patrick |
82 | Mueller/about) meint: „Ich habe den Eindruck, man weiß |
83 | besser, wie viel illegale Schwarzarbeit existiert als |
84 | legale Prostitution.“ |
85 | |
86 | Schon über die Gründe der fehlenden Informationen gibt es |
87 | eine Kontroverse. @HekateGT kommentiert: „Das liegt unter |
88 | anderem daran, dass viele Sexarbeiterinnen sich nicht |
89 | öffentlich outen wollen, weil sie keine Lust darauf haben, |
90 | in ihrem privaten Umfeld diskriminiert und ausgegrenzt zu |
91 | werden.“ |
92 | [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a |
93 | bout) zufolge fehlen Statistiken, „weil (...) ein Großteil |
94 | der Frauen aus armen Ostblockländern zu uns kommen und sich |
95 | hier prostituieren bzw. zur Prostitution gezwungen werden. |
96 | Wer hat denn ein Interesse daran, dass diese Frauen |
97 | irgendwie 'registriert' werden? Die Zuhälter? Die |
98 | Bordellbesitzer? Die Frauen? Die Freier vielleicht? Wohl |
99 | eher nicht.“ |
100 | |
101 | Zur Frage „Wer geht zu Prostituierten?“ hat @HannahDo eine |
102 | [eigene Diskussion](https://publixphere.de/d/292) |
103 | gestartet. Das Forum sammelt hier verschiedene Artikel zum |
104 | Thema. |
105 | |
106 | **Was muss geregelt werden?** |
107 | |
108 | Offen bleibt im Forum, welche Regelungen zu reformieren |
109 | sind, um Prostituierte (Frauen und Männer) vor Ausbeutung |
110 | zu schützen. @HekateGT kommentiert: „alle die widrigen |
111 | Begleitumstände, die immer wieder im Zusammenhang mit |
112 | Sexarbeit thematisiert werden - als da sind: sexuelle |
113 | Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel - werden bereits |
114 | durch das STGB (*„Strafgesetzbuch“, Anm. d. R.*) abgedeckt.” |
115 | |
116 | @sonjdol hält das Prostitutionsgesetz für den falschen |
117 | Ansatzpunkt, um Menschenhandel einzudämmen – hierfür gebe |
118 | es Gesetze gegen Menschenhandel. „Ich verstehe nicht, warum |
119 | alle immer wieder in diese Falle tappen. Als würde man |
120 | Vergewaltigung durch eine Regulierung einvernehmlichen |
121 | Sexes reduzieren können und nicht durch Paragraphen, die |
122 | sich direkt auf Vergewaltigung beziehen.“ @sonjdol |
123 | fordert, eher über effektive Gesetze gegen Menschenhandel |
124 | zu diskutieren und die Opferrechte zu stärken, woran die |
125 | Politik aber kaum Interesse habe. |
126 | |
127 | @Emil verweist dagegen auf den |
128 | [Entschluss](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?p |
129 | ubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BDOC% |
130 | 2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) des EU-Parlaments. Ihm |
131 | zufolge stellt die Einstufung der Prostitution als legale |
132 | „Sexarbeit“ keine Lösung dar, um schutzbedürftige Frauen |
133 | und Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. @sonjdol |
134 | kritisiert den Parlamentsbeschluss scharf, unter anderem |
135 | als „Zeichen der anhaltenden Stigmatisierung“ von |
136 | Sexarbeiterinnen. |
137 | |
138 | **Freierbestrafung** |
139 | |
140 | Die Option, die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen |
141 | durch Freier zu verbieten („schwedisches Modell"), streift |
142 | das Forum nur kurz. @HekateGT hält es für einen „Schuss in |
143 | den Ofen: „(...) die Sexarbeit ist dadurch nicht weniger |
144 | geworden - aber die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen ist |
145 | dramatisch angestiegen.“ @sonjdol meint mit Verweis auf |
146 | einen |
147 | [Artikel](http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitu |
148 | tion-in-schweden-sexkaufverbot/) des Online-Magazins |
149 | menschenhandelheute.net: „Das Schwedische Modell basiert |
150 | auf der Stigmatisierung und Entrechtung von Prostituierten. |
151 | Es hilft ihnen nicht.“ Das Magazin Emma, auf dessen |
152 | Kampagne der Diskussionsanstoß Bezug nimmt, kommt dagegen |
153 | zu einer anderen |
154 | [Einschätzung](http://www.emma.de/artikel/dossier-prostituti |
155 | on-abschaffen-modell-schweden-265411): Die schwedische |
156 | Regierung könne belegen, „dass das Anti-Freier-Gesetz |
157 | Frauen und Mädchen aus dem Osten Europas vor |
158 | Zwangsprostitution schützt“. |
159 | |
160 | **Sexarbeit oder Prostitution? Beruf oder Ausbeutung?** |
161 | |
162 | In der Diskussion dominieren grundsätzliche Fragen zur |
163 | Prostitution – etwa, ob es sich um einen gesellschaftlich |
164 | akzeptierten Beruf handeln kann. @HekateGT sieht es so. |
165 | Sexarbeit sei "an sich" kein Problem. „Was wir brauchen |
166 | sind nicht zusätzliche Reglementierungen, sondern das |
167 | Herausholen der Sexarbeit aus der Grauzone. NICHT die |
168 | Sexarbeit ist das Problem, sondern die Art und Weise, in |
169 | der die Gesellschaft diesen Beruf wahrnimmt“. |
170 | |
171 | Dagegen schreibt |
172 | [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a |
173 | bout): „Prostitution ist (...) eine der ältesten Arten von |
174 | Ausbeutung von Frauen. Es gab Zeiten und Gesellschaften |
175 | (und gibt es noch heute), da gehörten Frauen quasi zu |
176 | Haushalt (wie das Vieh).“ @sonjdol meint dagegen, die |
177 | meisten Sexarbeiter*innen würden ihre Würde nicht |
178 | angegriffen sehen. |
179 | |
180 | **Wo fängt der Zwang an?** |
181 | |
182 | Gerungen wird mit der Frage, ob es eine selbstbestimmte, |
183 | freiwilige Prostitution bzw. Sexarbeit geben kann. @Louisa |
184 | kommentiert: „Ich denke (...), dass viele durch bestimmte |
185 | (nicht frei entschiedene) Situationen das Gefühl haben, |
186 | sich prosituieren zu müssen. Auch dieses könnte man als |
187 | Zwangsprostitution im weitesten Sinne verstehen.“ |
188 | [Kilian](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Donkey |
189 | /about) meint: „Prostitution aus einer Zwangslage heraus |
190 | wollen wir nicht und wir wissen, das Zwang sehr früh |
191 | anfangen kann.“ @Emil verweist auf die Sichtweise des |
192 | schwedischen Gesetzgebers, wonach es einen selbstbestimmten |
193 | Sexarbeiter nicht geben könne, da immer ein |
194 | Abhängigkeitsverhältnis zwischen Käufer und Dienstleister |
195 | bestehe. |
196 | |
197 | @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER |
198 | ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und |
199 | Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution |
200 | für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht |
201 | mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen, |
202 | solange kein Zwang im Spiel ist?“ |
203 | |
204 | @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der |
205 | Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und |
206 | staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs, |
207 | Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen |
208 | Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(...) wenn |
209 | (...) Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest |
210 | von Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich |
211 | ein Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin |
212 | kämen wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte |
213 | Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst |
214 | vorbehalten würden?“ |
215 | |
216 | **Darf der Staat eingreifen?** |
217 | |
218 | Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der |
219 | Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der |
220 | "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der |
221 | Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung |
222 | abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder |
223 | Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf |
224 | meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs) |
225 | regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder |
226 | nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist |
227 | unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg |
228 | Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu |
229 | reden.“ |
230 | |
231 | @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob |
232 | der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und |
233 | meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“ |
234 | [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a |
235 | bout) verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution |
236 | vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die |
237 | Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. |
238 | „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu, |
239 | dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware |
240 | werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann |
241 | und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und |
242 | Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben |
243 | wird dem etwas entgegenzusetzen?“ |
244 | |
245 | Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft: |
246 | „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität – |
247 | immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele |
248 | Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von |
249 | einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik |
250 | ausgenommen sein?“ |
251 | |
252 | @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin, |
253 | Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr |
254 | Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle |
255 | auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution |
256 | sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist eine |
257 | gesellschaftliche Praxis, die es immer geben wird - in der |
258 | einen oder anderen Form. Und sei es in der Form eines |
259 | Dates, wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn er sie zu einem |
260 | teuren Essen einlädt.“ |
261 | |
262 | ------------------------------------------------------------ |
263 | --------------------------------- |
264 | |
265 | ##Links |
266 | |
267 | - [Hintergrundtext: |
268 | Prostitution](https://publixphere.de/i/publixphere-de/catego |
269 | ry/45) |
270 | |
271 | - [Diskussion: Prostitution nun doch gesetzlich |
272 | verbieten?](https://publixphere.de/d/274) |
273 | |
274 | - [Diskussion: Wer geht |
275 | |
276 | |
277 | |
278 | |
279 | |
280 | |
281 | |
282 | |
283 | |
284 | |
285 | |
286 | |
287 | |
288 | |
289 | |
290 | |
291 | |
292 | |
293 | |
294 | |
295 | |
296 | |
297 | |
298 | |
299 | |
300 | |
301 | |
302 | |
303 | |
304 | |
305 | |
306 | |
307 | |
308 | |
309 | |
310 | |
311 | |
312 | |
313 | |
314 | |
315 | |
316 | |
317 | |
318 | |
319 | |
320 | |
321 | |
322 | |
323 | |
324 | |
325 | |
326 | |
327 | |
328 | |
329 | |
330 | |
331 | |
332 | |
333 | |
334 | |
335 | |
336 | |
337 | |
338 | |
339 | |
340 | |
341 | |
342 | |
343 | |
344 | |
345 | |
346 | |
347 | |
348 | |
349 | |
350 | |
351 | |
352 | |
353 | |
354 | |
355 | |
356 | |
357 | |
358 | |
359 | |
360 | |
361 | |
362 | |
363 | |
364 | |
365 | |
366 | |
367 | |
368 | |
369 | |
370 | |
371 | |
372 | |
373 | |
374 | |
375 | |
376 | |
377 | |
378 | |
379 | |
380 | |
381 | |
382 | |
383 | |
384 | |
385 | |
386 | |
387 | |
388 | |
389 | |
390 | |
391 | |
392 | |
393 | |
394 | |
395 | |
396 | |
397 | |
398 | |
399 | |
400 | |
401 | |
402 | |
403 | |
404 | |
405 | |
406 | |
407 | |
408 | |
409 | |
410 | |
411 | |
412 | |
413 | |
414 | |
415 | |
416 | |
417 | |
418 | |
419 | |
420 | |
421 | |
422 | |
423 | |
424 | |
425 | |
426 | |
427 | |
428 | |
429 | |
430 | |
431 | |
432 | |
433 | |
434 | |
435 | |
436 | |
437 | |
438 | |
439 | |
440 | |
441 | |
442 | |
443 | |
444 | |
445 | |
446 | |
447 | |
448 | |
449 | |
450 | |
451 | |
452 | |
453 | |
454 | |
455 | |
456 | |
457 | |
458 | |
459 | |
460 | |
461 | |
462 | |
463 | |
464 | |
465 | |
466 | |
467 | |
468 | |
469 | |
470 | |
471 | |
472 | |
473 | |
474 | |
475 | |
476 | |
477 | |
478 | |
479 | |
480 | |
481 | |
482 | |
483 | |
484 | |
485 | |
486 | |
487 | |
488 | |
489 | |
490 | |
491 | |
492 | |
493 | |
494 | |
495 | |
496 | |
497 | |
498 | |
499 | |
500 | |
501 | |
502 | |
503 | |
504 | |
505 | |
506 | |
507 | |
508 | |
509 | |
510 | |
511 | |
512 | |
513 | |
514 | |
515 | |
516 | |
517 | |
518 | |
519 | |
520 | |
521 | |
522 | |
523 | |
524 | |
525 | |
526 | |
527 | |
528 |
1-10 von 29
-
Prostitution gesetzlich verbieten? (Originalversion)
von admin, angelegt -
Prostitution gesetzlich verbieten? (Originalversion)
von admin, angelegt1 ![Foto: Jake Guild (CC BY 2 2.0)](https://publixphere-cms.publixphere.de/de/bilder/prost 3 ution_gross.bmp/@@images/image.bmp) 4 5 ***Louisa startete die Diskussion [„Prostitution nun doch 6 gesetzlich verbieten?“](https://publixphere.de/d/274) (4. 7 Dezember 2013). Hintergrund ist die politische Debatte um 8 eine Verschärfung der Prostitutionsgesetzgebung in 9 Deutschland. @Louisa fragt, ob das schwedische Modell Sinn 10 macht, welches den Kauf sexueller Dienstleistungen 11 verbietet („Freier-Bestrafung“). Alle 12 Politik-Interessierten waren und sind eingeladen, sich 13 einzubringen. Die folgende 14 [Kurzdarstellung](https://publixphere.de/i/publixphere-de/pa 15 ge/1_Was_sind_Kurzdarstellungen) bezieht sich auf die 16 Kommentare und Beiträge bis zum 13. Juni 2014*** 17 18 ##Knackpunkte der Diskussion 19 20 - muss es das Ziel sein, Prostitution abzuschaffen oder 21 geht es darum rechtliche, gesellschaftliche und soziale 22 Bedingungen zu verbessern? 23 24 - gibt es freiwillige, selbstbestimmte, menschenwürdige 25 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und 26 Ausbeutung? 27 28 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem 29 Körper tun? -
Prostitution gesetzlich verbieten? (Originalversion)
von admin, angelegt1 ##Stand: 13. Juni 2014 2 3 ***@Louisa startete die Diskussion [„Prostitution nun doch 4 gesetzlich verbieten?“](https://publixphere.de/d/274) (4. 5 Dezember 2013). Hintergrund ist die politische Debatte um 6 eine Verschärfung der Prostitiutionsgesetzgebung in 7 Deutschland. @Louisa fragt, ob das schwedische Modell Sinn 8 macht, den Kauf sexueller Dienstleistungen zu verbieten 9 („Freier-Bestrafung“). Alle Politik-Interessierten waren 10 und sind eingeladen, sich einzubringen.*** 11 12 ##Was sind die Knackpunkte der Diskussion? 13 14 - muss es das Ziel sein, Prostitution abzuschaffen oder 15 ihre rechtlichen, gesellschaftlichen und sozialen 16 Bedingungen zu verbessern? 17 18 - gibt es freiwillige, selbstsbestimmte, menschenwürdige 19 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und 20 Ausbeutung? 21 22 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem 23 Körper tun? 24 25 ##Politischer Kontext 26 27 Union und SPD einigten sich in ihrem 28 [Koalitionsvertrag](https://www.tagesschau.de/inland/koaliti 29 onsvertrag136.pdf) (Dezember 2013, Seite 104) darauf, die 30 Gesetzgebung zur Prostitution zu verschärfen. Ein konkreter 31 Gesetzentwurf wird noch erarbeitet (Stand 11. Juni 2014). 32 Das Bundesfamilienministerium hat erste Ansatzpunkte 33 [vorgestellt](http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did 34 =206114.html). Demnach soll unter anderem das Mindestalter 35 für Prostituierte von 18 auf 21 angehoben werden. 36 „Menschenunwürdige Geschäftsmodelle" wie Flatrate-Bordelle 37 soll es nicht mehr geben. 38 39 Die - seinerzeit rot-grüne - Bundesregierung hatte die 40 Sittenwidrigkeit Prostition 2002 41 [aufgehoben](http://de.wikipedia.org/wiki/Prostitutionsgeset 42 z). Das Ziel: die rechtliche und soziale Situation von 43 Prostitutierten stärken. Frauenrechtlerinnen halten den 44 Ansatz jedoch für gescheitert. Das Gesetz von 2002 trage 45 die „Handschrift der Frauenhändler und ihrer 46 LobbyistInnen“, heißt es in einem „[Appel gegen 47 Prosititution](http://www.emma.de/thema/der-appell-gegen-pro 48 stitution-111249)“ (Nobember 2013), initiert von der 49 feministischen Zeitschrift „Emma“. „Seither ist Deutschland 50 zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies 51 der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“ 52 53 Von der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung fordert die 54 Initiative unter anderem: „die Ächtung und, wenn nötig, 55 auch Bestrafung der Freier“. Eine Bestrafung der Freier 56 wird auch das „nordische“ oder „schwedische“ Modell 57 genannt. In Schweden ist der Kauf sexueller 58 Dienstleistungen seit 1998 verboten. Das EU-Parlament 59 empfiehlt in einer 60 [Entschließung](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.d 61 o?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BD 62 OC%2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) (Februar 2014) 63 diesen Ansatz. Die deutsche Legalisierung komme einer 64 "Genehmigung der sexuellen Ausbeutung“ geich. 65 66 ##Themen der Publixphere-Diskussion: 67 68 **Fehlende Informationen** 69 70 Viele Kommentare verweisen auf fehlende Informationen zur 71 Prostitution in Deutschland und Europa. @Emil fragt 72 beispielsweise: „Gibt es verlässliche Zahlen und Fakten zu 73 einem erfolgreichen Verbot? Ist selbstbestimmte und 74 menschenwürdige Prostitution (...) ein Ausnahmefall?“. 75 [Patrick 76 Müller](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Patrick 77 Mueller/about) meint: „Ich habe den Eindruck, man weiß 78 besser, wie viel illegale Schwarzarbeit existiert als 79 legale Prostitution.“ 80 81 Schon über die Gründe der fehlenden Informationen gibt es 82 eine Kontroverse. @HekateGT kommentiert: „Das liegt unter 83 anderem daran, dass viele Sexarbeiterinnen sich nicht 84 öffentlich outen wollen, weil sie keine Lust darauf haben, 85 in ihrem privaten Umfeld diskriminiert und ausgegrenzt zu 86 werden.“ @Berta zufolge fehlen Statistiken, „weil (...) ein 87 Großteil der Frauen aus armen Ostblockländern zu uns kommen 88 und sich hier prostituieren bzw. zur Prostitution gezwungen 89 werden. Wer hat denn ein Interesse daran, dass diese Frauen 90 irgendwie 'registriert' werden? Die Zuhälter? Die 91 Bordellbesitzer? Die Frauen? Die Freier vielleicht? Wohl 92 eher nicht.“ 93 94 Zur Frage „Wer geht zu Prostituierten?“ hat @HannahDo eine 95 [eigene Diskussion](https://publixphere.de/d/292) 96 gestartet. Das Forum sammelt hier verschiedene Artikel zum 97 Thema. 98 99 **Was muss geregelt werden?** 100 101 Offen bleibt im Forum, welche Regelungen zu reformieren 102 sind, um Prostituierte (Frauen und Männer) vor Ausbeutung 103 zu schützen. @HekateGT kommentiert: „alle die widrigen 104 Begleitumstände, die immer wieder im Zusammenhang mit 105 Sexarbeit thematisiert werden - als da sind: sexuelle 106 Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel - werden bereits 107 durch das STGB (*„Strafgesetzbuch“, Anm. d. R.*) abgedeckt.” 108 109 @sonjdol hält das Prostitutionsgesetz für den falschen 110 Ansatzpunkt, um Menschenhandel einzudämmen – hierfür gebe 111 es Gesetze gegen Menschenhandel. „Ich verstehe nicht, warum 112 alle immer wieder in diese Falle tappen. Als würde man 113 Vergewaltigung durch eine Regulierung einvernehmlichen 114 Sexes reduzieren können und nicht durch Paragraphen, die 115 sich direkt auf Vergewaltigung beziehen.“ @sonjdol 116 fordert, eher über effektive Gesetze gegen Menschenhandel 117 zu diskutieren und die Opferrechte zu stärken, woran die 118 Politik aber kaum Interesse habe. 119 120 @Emil verweist dagegen auf den 121 [Entschluss](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?p 122 ubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BDOC% 123 2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) des EU-Parlaments. Ihm 124 zufolge stellt die Einstufung der Prostitution als legale 125 „Sexarbeit“ keine Lösung dar, um schutzbedürftige Frauen 126 und Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. @sonjdol 127 kritisiert den Parlamentsbeschluss scharf, unter anderem 128 als „Zeichen der anhaltenden Stigmatisierung“ von 129 Sexarbeiterinnen. 130 131 **Freierbestrafung** 132 133 Die Option, die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen 134 durch Freier zu verbieten („schwedisches Modell"), streift 135 das Forum nur kurz. @HekateGT hält es für einen „Schuss in 136 den Ofen: „(...) die Sexarbeit ist dadurch nicht weniger 137 geworden - aber die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen ist 138 dramatisch angestiegen.“ @sonjdol meint mit Verweis auf 139 einen 140 [Artikel](http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitu 141 tion-in-schweden-sexkaufverbot/) des Online-Magazins 142 menschenhandelheute.net: „Das Schwedische Modell basiert 143 auf der Stigmatisierung und Entrechtung von Prostituierten. 144 Es hilft ihnen nicht.“ Das Magazin Emma, auf dessen 145 Kampagne der Diskissionsanstoß Bezug nimmt, kommt dagegen 146 zu einer anderen 147 [Einschätzung](http://www.emma.de/artikel/dossier-prostituti 148 on-abschaffen-modell-schweden-265411): Die schwedische 149 Regierung könne belegen, „dass das Anti-Freier-Gesetz 150 Frauen und Mädchen aus dem Osten Europas vor 151 Zwangsprostitution schützt“. 152 153 **Sexarbeit oder Prostitution? Beruf oder Ausbeutung?** 154 155 In der Diskussion dominieren grundsätzliche Fragen zur 156 Prostitution – etwa, ob es sich um einen gesellschaftlich 157 akzeptierten Beruf handeln kann. @HekateGT sieht es so. 158 Sexarbeit sei "an sich" kein Problem. „Was wir brauchen 159 sind nicht zusätzliche Reglementierungen, sondern das 160 Herausholen der Sexarbeit aus der Grauzone. NICHT die 161 Sexarbeit ist das Problem, sondern die Art und Weise, in 162 der die Gesellschaft diesen Beruf wahrnimmt“. 163 164 Dagegen schreibt @Berta: „Prostitution ist (...) eine der 165 ältesten Arten von Ausbeutung von Frauen. Es gab Zeiten und 166 Gesellschaften (und gibt es noch heute), da gehörten Frauen 167 quasi zu Haushalt (wie das Vieh).“ @sonjdol meint dagegen, 168 die meisten Sexarbeiter*innen würden ihre Würde nicht 169 angegriffen sehen. 170 171 **Wo fängt der Zwang an?** 172 173 Gerungen wird mit der Frage, ob es eine selbstbestimmte, 174 freiwilige Prostitution bzw. Sexarbeit geben kann. @Louisa 175 kommentiert: „Ich denke (...), dass viele durch bestimmte 176 (nicht frei entschiedene) Situationen das Gefühl haben, 177 sich prosituieren zu müssen. Auch dieses könnte man als 178 Zwangsprostitution im weitesten Sinne verstehen.“ @Kilian 179 meint: „Prostitution aus einer Zwangslage heraus wollen wir 180 nicht und wir wissen, das Zwang sehr früh anfangen kann.“ 181 @Emil verweist auf die Sichtweise des schwedischen 182 Gesetzgebers, wonach es einen selbstbestimmten Sexarbeiter 183 nicht geben könne, da immer ein Abhängigkeitsverhältnis 184 zwischen Käufer und Dienstleister bestehe. 185 186 @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER 187 ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und 188 Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution 189 für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht 190 mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen, 191 solange kein Zwang im Spiel ist?“ 192 193 @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der 194 Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und 195 staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs, 196 Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen 197 Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(...) wenn 198 (...) Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest 199 von Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich 200 ein Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin 201 kämen wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte 202 Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst 203 vorbehalten würden?“ 204 205 **Darf der Staat eingreifen?** 206 207 Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der 208 Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der 209 "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der 210 Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung 211 abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder 212 Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf 213 meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs) 214 regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder 215 nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist 216 unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg 217 Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu 218 reden.“ 219 220 @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob 221 der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und 222 meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“ @Berta 223 verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution 224 vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die 225 Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. 226 „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu, 227 dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware 228 werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann 229 und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und 230 Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben 231 wird dem etwas entgegenzusetzen?“ 232 233 Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft: 234 „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität – 235 immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele 236 Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von 237 einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik 238 ausgenommen sein?“ 239 240 @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin, 241 Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr 242 Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle 243 auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution 244 sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist eine 245 gesellschaftliche Praxis, die es immer geben wird - in der 246 einen oder anderen Form. Und sei es in der Form eines 247 Dates, wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn er sie zu 248 müssen. Auch dieses könnte man als Zwangsprostitution im249 weitesten Sinne verstehen.“ @Kilian meint: „Prostitution250 aus einer Zwangslage heraus wollen wir nicht und wir251 wissen, das Zwang sehr früh anfangen kann.“ @Emil verweist252 auf die Sichtweise des schwedischen Gesetzgebers, wonach es253 einen selbstbestimmten Sexarbeiter nicht geben könne, da254 immer ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Käufer und255 Dienstleister bestehe.256 257 @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER258 ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und259 Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution260 für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht261 mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen,262 solange kein Zwang im Spiel ist?“263 264 @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der265 Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und266 staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs,267 Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen268 Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(...) wenn269 (...) Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest270 von Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich271 ein Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin272 kämen wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte273 Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst274 vorbehalten würden?“275 276 **Darf der Staat eingreifen?**277 278 Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der279 Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der280 "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der281 Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung282 abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder283 Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf284 meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs)285 regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder286 nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist287 unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg288 Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu289 reden.“290 291 @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob292 der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und293 meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“ @Berta294 verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution295 vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die296 Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen.297 „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu,298 dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware299 werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann300 und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und301 Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben302 wird dem etwas entgegenzusetzen?“303 304 Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft:305 „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität –306 immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele307 Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von308 einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik309 ausgenommen sein?“310 311 @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin,312 Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr313 Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle314 auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution315 sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist eine316 gesellschaftliche Praxis, die es immer geben wird - in der317 einen oder anderen Form. Und sei es in der Form eines318 Dates, wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn er sie zueinem319 teuren Essen einlädt.“ -
Prostitution gesetzlich verbieten? (Originalversion)
von admin, angelegt1 ***Louisa startete die Diskussion [„Prostitution nun doch 2 gesetzlich verbieten?“](https://publixphere.de/d/274) (4. 3 Dezember 2013). Hintergrund ist die politische Debatte um 4 eine Verschärfung der Prostitiutionsgesetzgebung in 5 Deutschland. @Louisa fragt, ob das schwedische Modell Sinn 6 macht, den Kauf sexueller Dienstleistungen zu verbieten 7 („Freier-Bestrafung“). Alle Politik-Interessierten waren und 8 sind eingeladen, sich einzubringen. Die folgende 9 Kurzdarstellung bezieht sich auf die Diskussion bis zum 13. 10 Juni 2014*** 11 12 ##Knackpunkte der Diskussion 13 14 - muss es das Ziel sein, Prostitution abzuschaffen oder ihre 15 rechtlichen, gesellschaftlichen und sozialen Bedingungen 16 zu verbessern? 17 18 - gibt es freiwillige, selbstsbestimmte, menschenwürdige 19 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und 20 Ausbeutung? 21 22 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem 23 Körper tun? 24 25 ##Politischer Kontext 26 27 Union und SPD einigten sich in ihrem 28 [Koalitionsvertrag](https://www.tagesschau.de/inland/koaliti 29 onsvertrag136.pdf) (Dezember 2013, Seite 104) darauf, die 30 Gesetzgebung zur Prostitution zu verschärfen. Ein konkreter 31 Gesetzentwurf wird noch erarbeitet (Stand 11. Juni 2014). 32 Das Bundesfamilienministerium hat erste Ansatzpunkte 33 [vorgestellt](http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did 34 =206114.html). Demnach soll unter anderem das Mindestalter 35 für Prostituierte von 18 auf 21 angehoben werden. 36 „Menschenunwürdige Geschäftsmodelle" wie Flatrate-Bordelle 37 soll es nicht mehr geben. 38 39 Die - seinerzeit rot-grüne - Bundesregierung hatte die 40 Sittenwidrigkeit Prostition 2002 41 [aufgehoben](http://de.wikipedia.org/wiki/Prostitutionsgeset 42 z). Das Ziel: die rechtliche und soziale Situation von 43 Prostitutierten stärken. Frauenrechtlerinnen halten den 44 Ansatz jedoch für gescheitert. Das Gesetz von 2002 trage die 45 „Handschrift der Frauenhändler und ihrer LobbyistInnen“, 46 heißt es in einem „[Appel gegen 47 Prosititution](http://www.emma.de/thema/der-appell-gegen-pro 48 stitution-111249)“ (Nobember 2013), initiert von der 49 feministischen Zeitschrift „Emma“. „Seither ist Deutschland 50 zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies der 51 Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“ 52 53 Von der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung fordert die 54 Initiative unter anderem: „die Ächtung und, wenn nötig, auch 55 Bestrafung der Freier“. Eine Bestrafung der Freier wird auch 56 das „nordische“ oder „schwedische“ Modell genannt. In 57 Schweden ist der Kauf sexueller Dienstleistungen seit 1998 58 verboten. Das EU-Parlament empfiehlt in einer 59 [Entschließung](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.d 60 o?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BD 61 OC%2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) (Februar 2014) diesen 62 Ansatz. Die deutsche Legalisierung komme einer "Genehmigung 63 der sexuellen Ausbeutung“ geich. 64 65 ##Themen der Publixphere-Diskussion: 66 67 **Fehlende Informationen** 68 69 Viele Kommentare verweisen auf fehlende Informationen zur 70 Prostitution in Deutschland und Europa. @Emil fragt 71 beispielsweise: „Gibt es verlässliche Zahlen und Fakten zu 72 einem erfolgreichen Verbot? Ist selbstbestimmte und 73 menschenwürdige Prostitution (…) ein Ausnahmefall?“. 74 [Patrick 75 Müller](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Patrick 76 Mueller/about) meint: „Ich habe den Eindruck, man weiß 77 besser, wie viel illegale Schwarzarbeit existiert als legale 78 Prostitution.“ 79 80 Schon über die Gründe der fehlenden Informationen gibt es 81 eine Kontroverse. @HekateGT kommentiert: „Das liegt unter 82 anderem daran, dass viele Sexarbeiterinnen sich nicht 83 öffentlich outen wollen, weil sie keine Lust darauf haben, 84 in ihrem privaten Umfeld diskriminiert und ausgegrenzt zu 85 werden.“ @Berta zufolge fehlen Statistiken, „weil (...) ein 86 Großteil der Frauen aus armen Ostblockländern zu uns kommen 87 und sich hier prostituieren bzw. zur Prostitution gezwungen 88 werden. Wer hat denn ein Interesse daran, dass diese Frauen 89 irgendwie 'registriert' werden? Die Zuhälter? Die 90 Bordellbesitzer? Die Frauen? Die Freier vielleicht? Wohl 91 eher nicht.“ 92 93 Zur Frage „Wer geht zu Prostituierten?“ hat @HannahDo eine 94 [eigene Diskussion](https://publixphere.de/d/292) gestartet. 95 Das Forum sammelt hier verschiedene Artikel zum Thema. 96 97 **Was muss geregelt werden?** 98 99 Offen bleibt im Forum, welche Regelungen zu reformieren 100 sind, um Prostituierte (Frauen und Männer) vor Ausbeutung zu 101 schützen. @HekateGT kommentiert: „alle die widrigen 102 Begleitumstände, die immer wieder im Zusammenhang mit 103 Sexarbeit thematisiert werden - als da sind: sexuelle 104 Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel - werden bereits 105 durch das STGB (*„Strafgesetzbuch“, Anm. d. R.*) abgedeckt.” 106 107 @sonjdol hält das Prostitutionsgesetz für den falschen 108 Ansatzpunkt, um Menschenhandel einzudämmen – hierfür gebe es 109 Gesetze gegen Menschenhandel. „Ich verstehe nicht, warum 110 alle immer wieder in diese Falle tappen. Als würde man 111 Vergewaltigung durch eine Regulierung einvernehmlichen Sexes 112 reduzieren können und nicht durch Paragraphen, die sich 113 direkt auf Vergewaltigung beziehen.“ @sonjdol fordert, eher 114 über effektive Gesetze gegen Menschenhandel zu diskutieren 115 und die Opferrechte zu stärken, woran die Politik aber kaum 116 Interesse habe. 117 118 @Emil verweist dagegen auf den 119 [Entschluss](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?p 120 ubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BDOC% 121 2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) des EU-Parlaments. Ihm 122 zufolge stellt die Einstufung der Prostitution als legale 123 „Sexarbeit“ keine Lösung dar, um schutzbedürftige Frauen und 124 Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. @sonjdol 125 kritisiert den Parlamentsbeschluss scharf, unter anderem als 126 „Zeichen der anhaltenden Stigmatisierung“ von 127 Sexarbeiterinnen. 128 129 **Freierbestrafung** 130 131 Die Option, die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen 132 durch Freier zu verbieten („schwedisches Modell"), streift 133 das Forum nur kurz. @HekateGT hält es für einen „Schuss in 134 den Ofen: „(…) die Sexarbeit ist dadurch nicht weniger 135 geworden - aber die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen ist 136 dramatisch angestiegen.“ @sonjdol meint mit Verweis auf 137 einen 138 [Artikel](http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitu 139 tion-in-schweden-sexkaufverbot/) des Online-Magazins 140 menschenhandelheute.net: „Das Schwedische Modell basiert auf 141 der Stigmatisierung und Entrechtung von Prostituierten. Es 142 hilft ihnen nicht.“ Das Magazin Emma, auf dessen Kampagne 143 der Diskissionsanstoß Bezug nimmt, kommt dagegen zu einer 144 anderen 145 [Einschätzung](http://www.emma.de/artikel/dossier-prostituti 146 on-abschaffen-modell-schweden-265411): Die schwedische 147 Regierung könne belegen, „dass das Anti-Freier-Gesetz Frauen 148 und Mädchen aus dem Osten Europas vor Zwangsprostitution 149 schützt“. 150 151 **Sexarbeit oder Prostitution? Beruf oder Ausbeutung?** 152 153 In der Diskussion dominieren grundsätzliche Fragen zur 154 Prostitution – etwa, ob es sich um einen gesellschaftlich 155 akzeptierten Beruf handeln kann. @HekateGT sieht es so. 156 Sexarbeit sei "an sich" kein Problem. „Was wir brauchen sind 157 nicht zusätzliche Reglementierungen, sondern das Herausholen 158 der Sexarbeit aus der Grauzone. NICHT die Sexarbeit ist das 159 Problem, sondern die Art und Weise, in der die Gesellschaft 160 diesen Beruf wahrnimmt“. 161 162 Dagegen schreibt @Berta: „Prostitution ist (…) eine der 163 ältesten Arten von Ausbeutung von Frauen. Es gab Zeiten und 164 Gesellschaften (und gibt es noch heute), da gehörten Frauen 165 quasi zu Haushalt (wie das Vieh).“ @sonjdol meint dagegen, 166 die meisten Sexarbeiter*innen würden ihre Würde nicht 167 angegriffen sehen. 168 169 **Wo fängt der Zwang an?** 170 171 Gerungen wird mit der Frage, ob es eine selbstbestimmte, 172 freiwilige Prostitution bzw. Sexarbeit geben kann. @Louisa 173 kommentiert: „Ich denke (...), dass viele durch bestimmte 174 (nicht frei entschiedene) Situationen das Gefühl haben, sich 175 prosituieren zu müssen. Auch dieses könnte man als 176 Zwangsprostitution im weitesten Sinne verstehen.“ @Kilian 177 meint: „Prostitution aus einer Zwangslage heraus wollen wir 178 nicht und wir wissen, das Zwang sehr früh anfangen kann.“ 179 @Emil verweist auf die Sichtweise des schwedischen 180 Gesetzgebers, wonach es einen selbstbestimmten Sexarbeiter 181 nicht geben könne, da immer ein Abhängigkeitsverhältnis 182 zwischen Käufer und Dienstleister bestehe. 183 184 @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER 185 ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und 186 Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution 187 für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht 188 mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen, 189 solange kein Zwang im Spiel ist?“ 190 191 @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der 192 Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und 193 staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs, 194 Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen 195 Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(…) wenn (…) 196 Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest von 197 Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich ein 198 Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin kämen 199 wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte 200 Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst 201 vorbehalten würden?“ 202 203 **Darf der Staat eingreifen?** 204 205 Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der 206 Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der 207 "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der 208 Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung 209 abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder 210 Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf 211 meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs) 212 regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder 213 nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist 214 unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg 215 Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu 216 reden.“ 217 218 @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob 219 der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und 220 meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“ @Berta 221 verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution 222 vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die 223 Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. 224 „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu, 225 dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware 226 werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann 227 und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und 228 Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben 229 wird dem etwas entgegenzusetzen?“ 230 231 Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft: 232 „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität – 233 immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele 234 Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von 235 einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik 236 ausgenommen sein?“ 237 238 @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin, 239 Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr 240 Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle 241 auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution 242 sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist eine 243 gesellschaftliche Praxis, die es immer geben wird - in der 244 einen oder anderen Form. Und sei es in der Form eines Dates, 245 wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn er sie zu einem teuren 246 Essen einlädt.“ -
Prostitution gesetzlich verbieten? (Originalversion)
von admin, angelegt1 ![Foto: Jake Guild (CC BY 2 2.0)](https://publixphere-cms.publixphere.de/de/bilder/prost 3 ution_gross.bmp/@@images/image.bmp) 4 5 ***Louisa startete die Diskussion [„Prostitution nun doch 6 gesetzlich verbieten?“](https://publixphere.de/d/274) (4. 7 Dezember 2013). Hintergrund ist die politische Debatte um 8 eine Verschärfung der Prostitutionsgesetzgebung in 9 Deutschland. @Louisa fragt, ob das schwedische Modell Sinn 10 macht, welches den Kauf sexueller Dienstleistungen 11 verbietet („Freier-Bestrafung“). Alle 12 Politik-Interessierten waren und sind eingeladen, sich 13 einzubringen. Die folgende 14 [Kurzdarstellung](https://publixphere.de/i/publixphere-de/pa 15 ge/1_Was_sind_Kurzdarstellungen) bezieht sich auf die 16 Kommentare und Beiträge bis zum 13. Juni 2014*** 17 18 ##Knackpunkte der Diskussion 19 20 - muss es das Ziel sein, Prostitution abzuschaffen oder 21 geht es darum rechtliche, gesellschaftliche und soziale 22 Bedingungen zu verbessern? 23 24 - gibt es freiwillige, selbstbestimmte, menschenwürdige 25 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und 26 Ausbeutung? 27 28 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem 29 Körper tun? 30 31 ##Politischer Kontext 32 33 Union und SPD einigten sich in ihrem 34 [Koalitionsvertrag](https://www.tagesschau.de/inland/koaliti 35 onsvertrag136.pdf) (Dezember 2013, Seite 104) darauf, die 36 Gesetzgebung zur Prostitution zu verschärfen. Ein konkreter 37 Gesetzentwurf wird noch erarbeitet (Stand 11. Juni 2014). 38 Das Bundesfamilienministerium hat erste Ansatzpunkte 39 [vorgestellt](http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did 40 =206114.html). Demnach soll unter anderem das Mindestalter 41 für Prostituierte von 18 auf 21 angehoben werden. 42 „Menschenunwürdige Geschäftsmodelle" wie Flatrate-Bordelle 43 soll es nicht mehr geben. 44 45 Die - seinerzeit rot-grüne - Bundesregierung hatte die 46 *Sittenwidrigkeit* von Prostitution 2002 47 [aufgehoben](http://de.wikipedia.org/wiki/Prostitutionsgeset 48 z). Das Ziel: die rechtliche und soziale Situation von 49 Prostituierten stärken. Frauenrechtlerinnen halten den 50 Ansatz jedoch für gescheitert. Das Gesetz von 2002 trage 51 die „Handschrift der Frauenhändler und ihrer 52 LobbyistInnen“, heißt es in einem „[Appel gegen 53 Prostitution](http://www.emma.de/thema/der-appell-gegen-pros 54 titution-111249)“ (Nobember 2013), initiiert von der 55 feministischen Zeitschrift „Emma“: „Seither ist Deutschland 56 zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies 57 der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“ 58 59 Von der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung fordert die 60 Initiative unter anderem: „die Ächtung und, wenn nötig, 61 auch Bestrafung der Freier“. Eine Bestrafung der Freier 62 findet sich auch im „nordischen“ oder „schwedischen“ 63 Modell. In Schweden ist der Kauf sexueller Dienstleistungen 64 seit 1998 verboten. Das EU-Parlament empfiehlt in einer 65 [Entschließung](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.d 66 o?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BD 67 OC%2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) (Februar 2014) 68 diesen Ansatz. Die deutsche Legalisierung komme einer 69 "Genehmigung der sexuellen Ausbeutung“ geich. 70 71 ##Themen der Publixphere-Diskussion: 72 73 **Fehlende Informationen** 74 75 Viele Kommentare verweisen auf fehlende Informationen zur 76 Prostitution in Deutschland und Europa. @Emil fragt 77 beispielsweise: „Gibt es verlässliche Zahlen und Fakten zu 78 einem erfolgreichen Verbot? Ist selbstbestimmte und 79 menschenwürdige Prostitution (...) ein Ausnahmefall?“. 80 [Patrick 81 Müller](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Patrick 82 Mueller/about) meint: „Ich habe den Eindruck, man weiß 83 besser, wie viel illegale Schwarzarbeit existiert als 84 legale Prostitution.“ 85 86 Schon über die Gründe der fehlenden Informationen gibt es 87 eine Kontroverse. @HekateGT kommentiert: „Das liegt unter 88 anderem daran, dass viele Sexarbeiterinnen sich nicht 89 öffentlich outen wollen, weil sie keine Lust darauf haben, 90 in ihrem privaten Umfeld diskriminiert und ausgegrenzt zu 91 werden.“ 92 [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a 93 bout) zufolge fehlen Statistiken, „weil (...) ein Großteil 94 der Frauen aus armen Ostblockländern zu uns kommen und sich 95 hier prostituieren bzw. zur Prostitution gezwungen werden. 96 Wer hat denn ein Interesse daran, dass diese Frauen 97 irgendwie 'registriert' werden? Die Zuhälter? Die 98 Bordellbesitzer? Die Frauen? Die Freier vielleicht? Wohl 99 eher nicht.“ 100 101 Zur Frage „Wer geht zu Prostituierten?“ hat @HannahDo eine 102 [eigene Diskussion](https://publixphere.de/d/292) 103 gestartet. Das Forum sammelt hier verschiedene Artikel zum 104 Thema. 105 106 **Was muss geregelt werden?** 107 108 Offen bleibt im Forum, welche Regelungen zu reformieren 109 sind, um Prostituierte (Frauen und Männer) vor Ausbeutung 110 zu schützen. @HekateGT kommentiert: „alle die widrigen 111 Begleitumstände, die immer wieder im Zusammenhang mit 112 Sexarbeit thematisiert werden - als da sind: sexuelle 113 Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel - werden bereits 114 durch das STGB (*„Strafgesetzbuch“, Anm. d. R.*) abgedeckt.” 115 116 @sonjdol hält das Prostitutionsgesetz für den falschen 117 Ansatzpunkt, um Menschenhandel einzudämmen – hierfür gebe 118 es Gesetze gegen Menschenhandel. „Ich verstehe nicht, warum 119 alle immer wieder in diese Falle tappen. Als würde man 120 Vergewaltigung durch eine Regulierung einvernehmlichen 121 Sexes reduzieren können und nicht durch Paragraphen, die 122 sich direkt auf Vergewaltigung beziehen.“ @sonjdol 123 fordert, eher über effektive Gesetze gegen Menschenhandel 124 zu diskutieren und die Opferrechte zu stärken, woran die 125 Politik aber kaum Interesse habe. 126 127 @Emil verweist dagegen auf den 128 [Entschluss](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?p 129 ubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BDOC% 130 2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) des EU-Parlaments. Ihm 131 zufolge stellt die Einstufung der Prostitution als legale 132 „Sexarbeit“ keine Lösung dar, um schutzbedürftige Frauen 133 und Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. @sonjdol 134 kritisiert den Parlamentsbeschluss scharf, unter anderem 135 als „Zeichen der anhaltenden Stigmatisierung“ von 136 Sexarbeiterinnen. 137 138 **Freierbestrafung** 139 140 Die Option, die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen 141 durch Freier zu verbieten („schwedisches Modell"), streift 142 das Forum nur kurz. @HekateGT hält es für einen „Schuss in 143 den Ofen: „(...) die Sexarbeit ist dadurch nicht weniger 144 geworden - aber die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen ist 145 dramatisch angestiegen.“ @sonjdol meint mit Verweis auf 146 einen 147 [Artikel](http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitu 148 tion-in-schweden-sexkaufverbot/) des Online-Magazins 149 menschenhandelheute.net: „Das Schwedische Modell basiert 150 auf der Stigmatisierung und Entrechtung von Prostituierten. 151 Es hilft ihnen nicht.“ Das Magazin Emma, auf dessen 152 Kampagne der Diskussionsanstoß Bezug nimmt, kommt dagegen 153 zu einer anderen 154 [Einschätzung](http://www.emma.de/artikel/dossier-prostituti 155 on-abschaffen-modell-schweden-265411): Die schwedische 156 Regierung könne belegen, „dass das Anti-Freier-Gesetz 157 Frauen und Mädchen aus dem Osten Europas vor 158 Zwangsprostitution schützt“. 159 160 **Sexarbeit oder Prostitution? Beruf oder Ausbeutung?** 161 162 In der Diskussion dominieren grundsätzliche Fragen zur 163 Prostitution – etwa, ob es sich um einen gesellschaftlich 164 akzeptierten Beruf handeln kann. @HekateGT sieht es so. 165 Sexarbeit sei "an sich" kein Problem. „Was wir brauchen 166 sind nicht zusätzliche Reglementierungen, sondern das 167 Herausholen der Sexarbeit aus der Grauzone. NICHT die 168 Sexarbeit ist das Problem, sondern die Art und Weise, in 169 der die Gesellschaft diesen Beruf wahrnimmt“. 170 171 Dagegen schreibt 172 [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a 173 bout): „Prostitution ist (...) eine der ältesten Arten von 174 Ausbeutung von Frauen. Es gab Zeiten und Gesellschaften 175 (und gibt es noch heute), da gehörten Frauen quasi zu 176 Haushalt (wie das Vieh).“ @sonjdol meint dagegen, die 177 meisten Sexarbeiter*innen würden ihre Würde nicht 178 angegriffen sehen. 179 180 **Wo fängt der Zwang an?** 181 182 Gerungen wird mit der Frage, ob es eine selbstbestimmte, 183 freiwilige Prostitution bzw. Sexarbeit geben kann. @Louisa 184 kommentiert: „Ich denke (...), dass viele durch bestimmte 185 (nicht frei entschiedene) Situationen das Gefühl haben, 186 sich prosituieren zu müssen. Auch dieses könnte man als 187 Zwangsprostitution im weitesten Sinne verstehen.“ 188 [Kilian](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Donkey 189 /about) meint: „Prostitution aus einer Zwangslage heraus 190 wollen wir nicht und wir wissen, das Zwang sehr früh 191 anfangen kann.“ @Emil verweist auf die Sichtweise des 192 schwedischen Gesetzgebers, wonach es einen selbstbestimmten 193 Sexarbeiter nicht geben könne, da immer ein 194 Abhängigkeitsverhältnis zwischen Käufer und Dienstleister 195 bestehe. 196 197 @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER 198 ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und 199 Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution 200 für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht 201 mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen, 202 solange kein Zwang im Spiel ist?“ 203 204 @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der 205 Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und 206 staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs, 207 Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen 208 Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(...) wenn 209 (...) Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest 210 von Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich 211 ein Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin 212 kämen wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte 213 Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst 214 vorbehalten würden?“ 215 216 **Darf der Staat eingreifen?** 217 218 Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der 219 Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der 220 "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der 221 Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung 222 abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder 223 Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf 224 meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs) 225 regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder 226 nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist 227 unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg 228 Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu 229 reden.“ 230 231 @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob 232 der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und 233 meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“ 234 [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a 235 bout) verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution 236 vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die 237 Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. 238 „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu, 239 dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware 240 werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann 241 und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und 242 Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben 243 wird dem etwas entgegenzusetzen?“ 244 245 Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft: 246 „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität – 247 immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele 248 Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von 249 einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik 250 ausgenommen sein?“ 251 252 @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin, 253 Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr 254 Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle 255 auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution 256 sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist eine 257 gesellschaftliche Praxis, die es immer geben wird - in der 258 einen oder anderen Form. Und sei es in der Form eines 259 Dates, wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn er sie zu einem 260 teuren Essen einlädt.“ 261 262 ------------------------------------------------------------ 263 --------------------------------- 264 265 *Dieser Text kann abschnittsweise kommentiert werden. Eine 266 neue Diskussion zum Thema Prostitution könnt ihr 267 (eingeloggt) unter diesem 268 [Link](https://publixphere.de/i/publixphere-de/proposal/new? 269 category=45) anlegen.* 270 271 272 ##Links 273 274 - [Hintergrundtext: 275 Prostitution](https://publixphere.de/i/publixphere-de/catego 276 ry/45) 277 278 - [Diskussion: Prostitution nun doch gesetzlich 279 verbieten?](https://publixphere.de/d/274) 280 281 - [Diskussion: Wer geht zu 282 Prostituierten?](https://publixphere.de/d/292) -
Prostitution gesetzlich verbieten? (Originalversion)
von admin, angelegt1 ##Stand: 13. Juni 2014 2 3 ***@Louisa startete die Diskussion [„Prostitution nun doch 4 gesetzlich verbieten?“](https://publixphere.de/d/274) (4. 5 Dezember 2013). Hintergrund ist die politische Debatte um 6 eine Verschärfung der Prostitiutionsgesetzgebung in 7 Deutschland. @Louisa fragt, ob das schwedische Modell Sinn 8 macht, den Kauf sexueller Dienstleistungen zu verbieten 9 („Freier-Bestrafung“). Alle Politik-Interessierten waren 10 und sind eingeladen, sich einzubringen.*** 11 12 ##Was sind die Knackpunkte der Diskussion? 13 14 - muss es das Ziel sein, Prostitution abzuschaffen oder 15 ihre rechtlichen, gesellschaftlichen und sozialen 16 Bedingungen zu verbessern? 17 18 - gibt es freiwillige, selbstsbestimmte, menschenwürdige 19 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und 20 Ausbeutung? 21 22 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem 23 Körper tun? 24 25 ##Politischer Kontext 26 27 Union und SPD einigten sich in ihrem 28 [Koalitionsvertrag](https://www.tagesschau.de/inland/koaliti 29 onsvertrag136.pdf) (Dezember 2013, Seite 104) darauf, die 30 Gesetzgebung zur Prostitution zu verschärfen. Ein konkreter 31 Gesetzentwurf wird noch erarbeitet (Stand 11. Juni 2014). 32 Das Bundesfamilienministerium hat erste Ansatzpunkte 33 [vorgestellt](http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did 34 =206114.html). Demnach soll unter anderem das Mindestalter 35 für Prostituierte von 18 auf 21 angehoben werden. 36 „Menschenunwürdige Geschäftsmodelle" wie Flatrate-Bordelle 37 soll es nicht mehr geben. 38 39 Die - seinerzeit rot-grüne - Bundesregierung hatte die 40 Sittenwidrigkeit Prostition 2002 41 [aufgehoben](http://de.wikipedia.org/wiki/Prostitutionsgeset 42 z). Das Ziel: die rechtliche und soziale Situation von 43 Prostitutierten stärken. Frauenrechtlerinnen halten den 44 Ansatz jedoch für gescheitert. Das Gesetz von 2002 trage 45 trägtdie „Handschrift der Frauenhändler und ihrer46 LobbyistInnen“, heißt es in einem „[Appel gegen 47 Prosititution](http://www.emma.de/thema/der-appell-gegen-pro 48 stitution-111249)“ (Nobember 2013), initiert von der 49 feministischen Zeitschrift „Emma“. „Seither ist Deutschland 50 zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies 51 der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“ 52 53 Von der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung fordert die 54 Initiative unter anderem: „die Ächtung und, wenn nötig, 55 auch Bestrafung der Freier“. Eine Bestrafung der Freier 56 wird auch das „nordische“ oder „schwedische“ Modell 57 genannt. In Schweden ist der Kauf sexueller 58 Dienstleistungen seit 1998 verboten. Das EU-Parlament 59 empfiehlt in einer 60 [Entschließung](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.d 61 o?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BD 62 OC%2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) (Februar 2014) 63 diesen Ansatz. Die deutsche Legalisierung komme einer 64 "Genehmigung der sexuellen Ausbeutung“ geich. 65 66 ##Themen der Publixphere-Diskussion: 67 68 **Fehlende Informationen** 69 70 Viele Kommentare verweisen auf fehlende Informationen zur 71 Prostitution in Deutschland und Europa. @Emil fragt 72 beispielsweise: „Gibt es verlässliche Zahlen und Fakten zu 73 einem erfolgreichen Verbot? Ist selbstbestimmte und 74 menschenwürdige Prostitution (...) ein Ausnahmefall?“. 75 [Patrick 76 Müller](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Patrick 77 Mueller/about) meint: „Ich habe den Eindruck, man weiß 78 besser, wie viel illegale Schwarzarbeit existiert als 79 legale Prostitution.“ 80 81 Schon über die Gründe der fehlenden Informationen gibt es 82 eine Kontroverse. @HekateGT kommentiert: „Das liegt unter 83 anderem daran, dass viele Sexarbeiterinnen sich nicht 84 öffentlich outen wollen, weil sie keine Lust darauf haben, 85 in ihrem privaten Umfeld diskriminiert und ausgegrenzt zu 86 werden.“ @Berta zufolge fehlen Statistiken, „weil (...) ein 87 Großteil der Frauen aus armen Ostblockländern zu uns kommen 88 und sich hier prostituieren bzw. zur Prostitution gezwungen 89 werden. Wer hat denn ein Interesse daran, dass diese Frauen 90 irgendwie 'registriert' werden? Die Zuhälter? Die 91 Bordellbesitzer? Die Frauen? Die Freier vielleicht? Wohl 92 eher nicht.“ 93 94 Zur Frage „Wer geht zu Prostituierten?“ hat @HannahDo eine 95 [eigene Diskussion](https://publixphere.de/d/292) 96 gestartet. Das Forum sammelt hier verschiedene Artikel zum 97 Thema. 98 99 **Was muss geregelt werden?** 100 101 Offen bleibt im Forum, welche Regelungen zu reformieren 102 sind, um Prostituierte (Frauen und Männer) vor Ausbeutung 103 zu schützen. @HekateGT kommentiert: „alle die widrigen 104 Begleitumstände, die immer wieder im Zusammenhang mit 105 Sexarbeit thematisiert werden - als da sind: sexuelle 106 Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel - werden bereits 107 durch das STGB (*„Strafgesetzbuch“, Anm. d. R.*) abgedeckt.” 108 109 @sonjdol hält das Prostitutionsgesetz für den falschen 110 Ansatzpunkt, um Menschenhandel einzudämmen – hierfür gebe 111 es Gesetze gegen Menschenhandel. „Ich verstehe nicht, warum 112 alle immer wieder in diese Falle tappen. Als würde man 113 Vergewaltigung durch eine Regulierung einvernehmlichen 114 Sexes reduzieren können und nicht durch Paragraphen, die 115 sich direkt auf Vergewaltigung beziehen.“ @sonjdol 116 fordert, eher über effektive Gesetze gegen Menschenhandel 117 zu diskutieren und die Opferrechte zu stärken, woran die 118 Politik aber kaum Interesse habe. 119 120 @Emil verweist dagegen auf den 121 [Entschluss](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?p 122 ubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BDOC% 123 2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) des EU-Parlaments. Ihm 124 zufolge stellt die Einstufung der Prostitution als legale 125 „Sexarbeit“ keine Lösung dar, um schutzbedürftige Frauen 126 und Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. @sonjdol 127 kritisiert den Parlamentsbeschluss scharf, unter anderem 128 als „Zeichen der anhaltenden Stigmatisierung“ von 129 Sexarbeiterinnen. 130 131 **Freierbestrafung** 132 133 Die Option, die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen 134 durch Freier zu verbieten („schwedisches Modell"), streift 135 das Forum nur kurz. @HekateGT hält es für einen „Schuss in 136 den Ofen: „(...) die Sexarbeit ist dadurch nicht weniger 137 geworden - aber die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen ist 138 dramatisch angestiegen.“ @sonjdol meint mit Verweis auf 139 einen 140 [Artikel](http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitu 141 tion-in-schweden-sexkaufverbot/) des Online-Magazins 142 menschenhandelheute.net: „Das Schwedische Modell basiert 143 auf der Stigmatisierung und Entrechtung von Prostituierten. 144 Es hilft ihnen nicht.“ Das Magazin Emma, auf dessen 145 Kampagne der Diskissionsanstoß Bezug nimmt, kommt dagegen 146 zu einer anderen 147 [Einschätzung](http://www.emma.de/artikel/dossier-prostituti 148 on-abschaffen-modell-schweden-265411): Die schwedische 149 Regierung könne belegen, „dass das Anti-Freier-Gesetz 150 Frauen und Mädchen aus dem Osten Europas vor 151 Zwangsprostitution schützt“. 152 153 **Sexarbeit oder Prostitution? Beruf oder Ausbeutung?** 154 155 In der Diskussion dominieren grundsätzliche Fragen zur 156 Prostitution – etwa, ob es sich um einen gesellschaftlich 157 akzeptierten Beruf handeln kann. @HekateGT sieht es so. 158 Sexarbeit sei "an sich" kein Problem. „Was wir brauchen 159 sind nicht zusätzliche Reglementierungen, sondern das 160 Herausholen der Sexarbeit aus der Grauzone. NICHT die 161 Sexarbeit ist das Problem, sondern die Art und Weise, in 162 der die Gesellschaft diesen Beruf wahrnimmt“. 163 164 Dagegen schreibt @Berta: „Prostitution ist (...) eine der 165 ältesten Arten von Ausbeutung von Frauen. Es gab Zeiten und 166 Gesellschaften (und gibt es noch heute), da gehörten Frauen 167 quasi zu Haushalt (wie das Vieh).“ @sonjdol meint dagegen, 168 die meisten Sexarbeiter*innen würden ihre Würde nicht 169 angegriffen sehen. 170 171 **Selbstbestimmung oder Zwang** 172 173 Gerungen wird mit der Frage, ob es eine selbstbestimmte, 174 freiwilige Prostitution bzw. Sexarbeit geben kann. @Louisa 175 kommentiert: „Ich denke (...), dass viele durch bestimmte 176 (nicht frei entschiedene) Situationen das Gefühl haben, 177 sich prosituieren zu müssen. Auch dieses könnte man als 178 Zwangsprostitution im weitesten Sinne verstehen.“ @Kilian 179 meint: „Prostitution aus einer Zwangslage heraus wollen wir 180 nicht und wir wissen, das Zwang sehr früh anfangen kann.“ 181 @Emil verweist auf die Sichtweise des schwedischen 182 Gesetzgebers, wonach es einen selbstbestimmten Sexarbeiter 183 nicht geben könne, da immer ein Abhängigkeitsverhältnis 184 zwischen Käufer und Dienstleister bestehe. 185 186 @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER 187 ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und 188 Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution 189 für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht 190 mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen, 191 solange kein Zwang im Spiel ist?“ 192 193 @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der 194 Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und 195 staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs, 196 Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen 197 Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(...) wenn 198 (...) Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest 199 von Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich 200 ein Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin 201 kämen wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte 202 Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst 203 vorbehalten würden?“ 204 205 **Darf der Staat eingreifen?** 206 207 Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der 208 Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der 209 "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der 210 Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung 211 abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder 212 Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf 213 meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs) 214 regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder 215 nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist 216 unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg 217 Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu 218 reden.“ 219 220 @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob 221 der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und 222 meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“ @Berta 223 verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution 224 vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die 225 Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. 226 „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu, 227 dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware 228 werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann 229 und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und 230 Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben 231 wird dem etwas entgegenzusetzen?“ 232 233 Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft: 234 „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität – 235 immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele 236 Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von 237 einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik 238 ausgenommen sein?“ 239 240 @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin, 241 Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr 242 Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle 243 auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution 244 sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist eine 245 gesellschaftliche Praxis, die es immer geben wird - in der 246 einen oder anderen Form. Und sei es in der Form eines 247 Dates, wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn er sie zu einem 248 teuren Essen einlädt.“ -
Prostitution gesetzlich verbieten? (Originalversion)
von admin, angelegt1 ![Foto: Jake Guild (CC BY 2 2.0)](https://publixphere-cms.publixphere.de/de/bilder/prost 3 ution_gross.bmp/@@images/image.bmp) 4 5 ***Louisa startete die Diskussion [„Prostitution nun doch 6 gesetzlich verbieten?“](https://publixphere.de/d/274) (4. 7 Dezember 2013). Hintergrund ist die politische Debatte um 8 eine Verschärfung der Prostitutionsgesetzgebung in 9 Deutschland. @Louisa fragt, ob das schwedische Modell Sinn 10 macht, welches den Kauf sexueller Dienstleistungen 11 verbietet („Freier-Bestrafung“). Alle 12 Politik-Interessierten waren und sind eingeladen, sich 13 einzubringen. Die folgende Kurzdarstellung bezieht sich auf 14 die Diskussion bis zum 13. Juni 2014*** 15 16 ##Knackpunkte der Diskussion 17 18 - muss es das Ziel sein, Prostitution abzuschaffen oder 19 geht es darum rechtliche, gesellschaftliche und soziale 20 Bedingungen zu verbessern? 21 22 - gibt es freiwillige, selbstbestimmte, menschenwürdige 23 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und 24 Ausbeutung? 25 26 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem 27 Körper tun? 28 29 ##Politischer Kontext 30 31 Union und SPD einigten sich in ihrem 32 [Koalitionsvertrag](https://www.tagesschau.de/inland/koaliti 33 onsvertrag136.pdf) (Dezember 2013, Seite 104) darauf, die 34 Gesetzgebung zur Prostitution zu verschärfen. Ein konkreter 35 Gesetzentwurf wird noch erarbeitet (Stand 11. Juni 2014). 36 Das Bundesfamilienministerium hat erste Ansatzpunkte 37 [vorgestellt](http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did 38 =206114.html). Demnach soll unter anderem das Mindestalter 39 für Prostituierte von 18 auf 21 angehoben werden. 40 „Menschenunwürdige Geschäftsmodelle" wie Flatrate-Bordelle 41 soll es nicht mehr geben. 42 43 Die - seinerzeit rot-grüne - Bundesregierung hatte die 44 *Sittenwidrigkeit* von Prostitution 2002 45 [aufgehoben](http://de.wikipedia.org/wiki/Prostitutionsgeset 46 z). Das Ziel: die rechtliche und soziale Situation von 47 Prostituierten stärken. Frauenrechtlerinnen halten den 48 Ansatz jedoch für gescheitert. Das Gesetz von 2002 trage 49 die „Handschrift der Frauenhändler und ihrer 50 LobbyistInnen“, heißt es in einem „[Appel gegen 51 Prostitution](http://www.emma.de/thema/der-appell-gegen-pros 52 titution-111249)“ (Nobember 2013), initiiert von der 53 feministischen Zeitschrift „Emma“: „Seither ist Deutschland 54 zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies 55 der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“ 56 57 Von der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung fordert die 58 Initiative unter anderem: „die Ächtung und, wenn nötig, 59 auch Bestrafung der Freier“. Eine Bestrafung der Freier 60 findet sich auch im „nordischen“ oder „schwedischen“ 61 Modell. In Schweden ist der Kauf sexueller Dienstleistungen 62 seit 1998 verboten. Das EU-Parlament empfiehlt in einer 63 [Entschließung](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.d 64 o?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BD 65 OC%2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) (Februar 2014) 66 diesen Ansatz. Die deutsche Legalisierung komme einer 67 "Genehmigung der sexuellen Ausbeutung“ geich. 68 69 ##Themen der Publixphere-Diskussion: 70 71 **Fehlende Informationen** 72 73 Viele Kommentare verweisen auf fehlende Informationen zur 74 Prostitution in Deutschland und Europa. @Emil fragt 75 beispielsweise: „Gibt es verlässliche Zahlen und Fakten zu 76 einem erfolgreichen Verbot? Ist selbstbestimmte und 77 menschenwürdige Prostitution (...) ein Ausnahmefall?“. 78 [Patrick 79 Müller](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Patrick 80 Mueller/about) meint: „Ich habe den Eindruck, man weiß 81 besser, wie viel illegale Schwarzarbeit existiert als 82 legale Prostitution.“ 83 84 Schon über die Gründe der fehlenden Informationen gibt es 85 eine Kontroverse. @HekateGT kommentiert: „Das liegt unter 86 anderem daran, dass viele Sexarbeiterinnen sich nicht 87 öffentlich outen wollen, weil sie keine Lust darauf haben, 88 in ihrem privaten Umfeld diskriminiert und ausgegrenzt zu 89 werden.“ 90 [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a 91 bout) zufolge fehlen Statistiken, „weil (...) ein Großteil 92 der Frauen aus armen Ostblockländern zu uns kommen und sich 93 hier prostituieren bzw. zur Prostitution gezwungen werden. 94 Wer hat denn ein Interesse daran, dass diese Frauen 95 irgendwie 'registriert' werden? Die Zuhälter? Die 96 Bordellbesitzer? Die Frauen? Die Freier vielleicht? Wohl 97 eher nicht.“ 98 99 Zur Frage „Wer geht zu Prostituierten?“ hat @HannahDo eine 100 [eigene Diskussion](https://publixphere.de/d/292) 101 gestartet. Das Forum sammelt hier verschiedene Artikel zum 102 Thema. 103 104 **Was muss geregelt werden?** 105 106 Offen bleibt im Forum, welche Regelungen zu reformieren 107 sind, um Prostituierte (Frauen und Männer) vor Ausbeutung 108 zu schützen. @HekateGT kommentiert: „alle die widrigen 109 Begleitumstände, die immer wieder im Zusammenhang mit 110 Sexarbeit thematisiert werden - als da sind: sexuelle 111 Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel - werden bereits 112 durch das STGB (*„Strafgesetzbuch“, Anm. d. R.*) abgedeckt.” 113 114 @sonjdol hält das Prostitutionsgesetz für den falschen 115 Ansatzpunkt, um Menschenhandel einzudämmen – hierfür gebe 116 es Gesetze gegen Menschenhandel. „Ich verstehe nicht, warum 117 alle immer wieder in diese Falle tappen. Als würde man 118 Vergewaltigung durch eine Regulierung einvernehmlichen 119 Sexes reduzieren können und nicht durch Paragraphen, die 120 sich direkt auf Vergewaltigung beziehen.“ @sonjdol 121 fordert, eher über effektive Gesetze gegen Menschenhandel 122 zu diskutieren und die Opferrechte zu stärken, woran die 123 Politik aber kaum Interesse habe. 124 125 @Emil verweist dagegen auf den 126 [Entschluss](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?p 127 ubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BDOC% 128 2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) des EU-Parlaments. Ihm 129 zufolge stellt die Einstufung der Prostitution als legale 130 „Sexarbeit“ keine Lösung dar, um schutzbedürftige Frauen 131 und Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. @sonjdol 132 kritisiert den Parlamentsbeschluss scharf, unter anderem 133 als „Zeichen der anhaltenden Stigmatisierung“ von 134 Sexarbeiterinnen. 135 136 **Freierbestrafung** 137 138 Die Option, die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen 139 durch Freier zu verbieten („schwedisches Modell"), streift 140 das Forum nur kurz. @HekateGT hält es für einen „Schuss in 141 den Ofen: „(...) die Sexarbeit ist dadurch nicht weniger 142 geworden - aber die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen ist 143 dramatisch angestiegen.“ @sonjdol meint mit Verweis auf 144 einen 145 [Artikel](http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitu 146 tion-in-schweden-sexkaufverbot/) des Online-Magazins 147 menschenhandelheute.net: „Das Schwedische Modell basiert 148 auf der Stigmatisierung und Entrechtung von Prostituierten. 149 Es hilft ihnen nicht.“ Das Magazin Emma, auf dessen 150 Kampagne der Diskussionsanstoß Bezug nimmt, kommt dagegen 151 zu einer anderen 152 [Einschätzung](http://www.emma.de/artikel/dossier-prostituti 153 on-abschaffen-modell-schweden-265411): Die schwedische 154 Regierung könne belegen, „dass das Anti-Freier-Gesetz 155 Frauen und Mädchen aus dem Osten Europas vor 156 Zwangsprostitution schützt“. 157 158 **Sexarbeit oder Prostitution? Beruf oder Ausbeutung?** 159 160 In der Diskussion dominieren grundsätzliche Fragen zur 161 Prostitution – etwa, ob es sich um einen gesellschaftlich 162 akzeptierten Beruf handeln kann. @HekateGT sieht es so. 163 Sexarbeit sei "an sich" kein Problem. „Was wir brauchen 164 sind nicht zusätzliche Reglementierungen, sondern das 165 Herausholen der Sexarbeit aus der Grauzone. NICHT die 166 Sexarbeit ist das Problem, sondern die Art und Weise, in 167 der die Gesellschaft diesen Beruf wahrnimmt“. 168 169 Dagegen schreibt 170 [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a 171 bout): „Prostitution ist (...) eine der ältesten Arten von 172 Ausbeutung von Frauen. Es gab Zeiten und Gesellschaften 173 (und gibt es noch heute), da gehörten Frauen quasi zu 174 Haushalt (wie das Vieh).“ @sonjdol meint dagegen, die 175 meisten Sexarbeiter*innen würden ihre Würde nicht 176 angegriffen sehen. 177 178 **Wo fängt der Zwang an?** 179 180 Gerungen wird mit der Frage, ob es eine selbstbestimmte, 181 freiwilige Prostitution bzw. Sexarbeit geben kann. @Louisa 182 kommentiert: „Ich denke (...), dass viele durch bestimmte 183 (nicht frei entschiedene) Situationen das Gefühl haben, 184 sich prosituieren zu müssen. Auch dieses könnte man als 185 Zwangsprostitution im weitesten Sinne verstehen.“ 186 [Kilian](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Donkey 187 /about) meint: „Prostitution aus einer Zwangslage heraus 188 wollen wir nicht und wir wissen, das Zwang sehr früh 189 anfangen kann.“ @Emil verweist auf die Sichtweise des 190 schwedischen Gesetzgebers, wonach es einen selbstbestimmten 191 Sexarbeiter nicht geben könne, da immer ein 192 Abhängigkeitsverhältnis zwischen Käufer und Dienstleister 193 bestehe. 194 195 @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER 196 ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und 197 Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution 198 für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht 199 mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen, 200 solange kein Zwang im Spiel ist?“ 201 202 @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der 203 Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und 204 staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs, 205 Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen 206 Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(...) wenn 207 (...) Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest 208 von Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich 209 ein Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin 210 kämen wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte 211 Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst 212 vorbehalten würden?“ 213 214 **Darf der Staat eingreifen?** 215 216 Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der 217 Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der 218 "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der 219 Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung 220 abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder 221 Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf 222 meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs) 223 regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder 224 nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist 225 unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg 226 Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu 227 reden.“ 228 229 @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob 230 der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und 231 meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“ 232 [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a 233 bout) verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution 234 vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die 235 Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. 236 „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu, 237 dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware 238 werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann 239 und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und 240 Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben 241 wird dem etwas entgegenzusetzen?“ 242 243 Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft: 244 „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität – 245 immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele 246 Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von 247 einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik 248 ausgenommen sein?“ 249 250 @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin, 251 Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr 252 Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle 253 auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution 254 sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist eine 255 gesellschaftliche Praxis, die es immer geben wird - in der 256 einen oder anderen Form. Und sei es in der Form eines 257 Dates, wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn er sie zu einem 258 teuren Essen einlädt.“ 259 260 ------------------------------------------------------------ 261 --------------------------------- 262 263 ##Links 264 265 - [Hintergrundtext: 266 Prostitution](https://publixphere.de/i/publixphere-de/catego 267 ry/45) 268 269 - [Diskussion: Prostitution nun doch gesetzlich 270 verbieten?](https://publixphere.de/d/274) 271 272 - [Diskussion: Wer geht zu 273 Prostituierten?](https://publixphere.de/d/292) -
Prostitution gesetzlich verbieten? (Originalversion)
von admin, angelegt1 ##Stand: 13. Juni 2014 2 3 ***Louisa startete die Diskussion [„Prostitution nun doch 4 gesetzlich verbieten?“](https://publixphere.de/d/274) (4. 5 Dezember 2013). Hintergrund ist die politische Debatte um 6 eine Verschärfung der Prostitiutionsgesetzgebung in 7 Deutschland. @Louisa fragt, ob das schwedische Modell Sinn 8 macht, den Kauf sexueller Dienstleistungen zu verbieten 9 („Freier-Bestrafung“). Alle Politik-Interessierten waren 10 und sind eingeladen, sich einzubringen.*** 11 12 ##Knackpunkte der Diskussion 13 14 - muss es das Ziel sein, Prostitution abzuschaffen oder 15 ihre rechtlichen, gesellschaftlichen und sozialen 16 Bedingungen zu verbessern? 17 18 - gibt es freiwillige, selbstsbestimmte, menschenwürdige 19 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und 20 Ausbeutung? 21 22 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem 23 Körper tun? 24 25 ##Politischer Kontext 26 27 Union und SPD einigten sich in ihrem 28 [Koalitionsvertrag](https://www.tagesschau.de/inland/koaliti 29 onsvertrag136.pdf) (Dezember 2013, Seite 104) darauf, die 30 Gesetzgebung zur Prostitution zu verschärfen. Ein konkreter 31 Gesetzentwurf wird noch erarbeitet (Stand 11. Juni 2014). 32 Das Bundesfamilienministerium hat erste Ansatzpunkte 33 [vorgestellt](http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did 34 =206114.html). Demnach soll unter anderem das Mindestalter 35 für Prostituierte von 18 auf 21 angehoben werden. 36 „Menschenunwürdige Geschäftsmodelle" wie Flatrate-Bordelle 37 soll es nicht mehr geben. 38 39 Die - seinerzeit rot-grüne - Bundesregierung hatte die 40 Sittenwidrigkeit Prostition 2002 41 [aufgehoben](http://de.wikipedia.org/wiki/Prostitutionsgeset 42 z). Das Ziel: die rechtliche und soziale Situation von 43 Prostitutierten stärken. Frauenrechtlerinnen halten den 44 Ansatz jedoch für gescheitert. Das Gesetz von 2002 trage 45 die „Handschrift der Frauenhändler und ihrer 46 LobbyistInnen“, heißt es in einem „[Appel gegen 47 Prosititution](http://www.emma.de/thema/der-appell-gegen-pro 48 stitution-111249)“ (Nobember 2013), initiert von der 49 feministischen Zeitschrift „Emma“. „Seither ist Deutschland 50 zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies 51 der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“ 52 53 Von der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung fordert die 54 Initiative unter anderem: „die Ächtung und, wenn nötig, 55 auch Bestrafung der Freier“. Eine Bestrafung der Freier 56 wird auch das „nordische“ oder „schwedische“ Modell 57 genannt. In Schweden ist der Kauf sexueller 58 Dienstleistungen seit 1998 verboten. Das EU-Parlament 59 empfiehlt in einer 60 [Entschließung](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.d 61 o?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BD 62 OC%2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) (Februar 2014) 63 diesen Ansatz. Die deutsche Legalisierung komme einer 64 "Genehmigung der sexuellen Ausbeutung“ geich. 65 66 ##Themen der Publixphere-Diskussion: 67 68 **Fehlende Informationen** 69 70 Viele Kommentare verweisen auf fehlende Informationen zur 71 Prostitution in Deutschland und Europa. @Emil fragt 72 beispielsweise: „Gibt es verlässliche Zahlen und Fakten zu 73 einem erfolgreichen Verbot? Ist selbstbestimmte und 74 menschenwürdige Prostitution (...) ein Ausnahmefall?“. 75 [Patrick 76 Müller](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Patrick 77 Mueller/about) meint: „Ich habe den Eindruck, man weiß 78 besser, wie viel illegale Schwarzarbeit existiert als 79 legale Prostitution.“ 80 81 Schon über die Gründe der fehlenden Informationen gibt es 82 eine Kontroverse. @HekateGT kommentiert: „Das liegt unter 83 anderem daran, dass viele Sexarbeiterinnen sich nicht 84 öffentlich outen wollen, weil sie keine Lust darauf haben, 85 in ihrem privaten Umfeld diskriminiert und ausgegrenzt zu 86 werden.“ @Berta zufolge fehlen Statistiken, „weil (...) ein 87 Großteil der Frauen aus armen Ostblockländern zu uns kommen 88 und sich hier prostituieren bzw. zur Prostitution gezwungen 89 werden. Wer hat denn ein Interesse daran, dass diese Frauen 90 irgendwie 'registriert' werden? Die Zuhälter? Die 91 Bordellbesitzer? Die Frauen? Die Freier vielleicht? Wohl 92 eher nicht.“ 93 94 Zur Frage „Wer geht zu Prostituierten?“ hat @HannahDo eine 95 [eigene Diskussion](https://publixphere.de/d/292) 96 gestartet. Das Forum sammelt hier verschiedene Artikel zum 97 Thema. 98 99 **Was muss geregelt werden?** 100 101 Offen bleibt im Forum, welche Regelungen zu reformieren 102 sind, um Prostituierte (Frauen und Männer) vor Ausbeutung 103 zu schützen. @HekateGT kommentiert: „alle die widrigen 104 Begleitumstände, die immer wieder im Zusammenhang mit 105 Sexarbeit thematisiert werden - als da sind: sexuelle 106 Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel - werden bereits 107 durch das STGB (*„Strafgesetzbuch“, Anm. d. R.*) abgedeckt.” 108 109 @sonjdol hält das Prostitutionsgesetz für den falschen 110 Ansatzpunkt, um Menschenhandel einzudämmen – hierfür gebe 111 es Gesetze gegen Menschenhandel. „Ich verstehe nicht, warum 112 alle immer wieder in diese Falle tappen. Als würde man 113 Vergewaltigung durch eine Regulierung einvernehmlichen 114 Sexes reduzieren können und nicht durch Paragraphen, die 115 sich direkt auf Vergewaltigung beziehen.“ @sonjdol 116 fordert, eher über effektive Gesetze gegen Menschenhandel 117 zu diskutieren und die Opferrechte zu stärken, woran die 118 Politik aber kaum Interesse habe. 119 120 @Emil verweist dagegen auf den 121 [Entschluss](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?p 122 ubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BDOC% 123 2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) des EU-Parlaments. Ihm 124 zufolge stellt die Einstufung der Prostitution als legale 125 „Sexarbeit“ keine Lösung dar, um schutzbedürftige Frauen 126 und Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. @sonjdol 127 kritisiert den Parlamentsbeschluss scharf, unter anderem 128 als „Zeichen der anhaltenden Stigmatisierung“ von 129 Sexarbeiterinnen. 130 131 **Freierbestrafung** 132 133 Die Option, die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen 134 durch Freier zu verbieten („schwedisches Modell"), streift 135 das Forum nur kurz. @HekateGT hält es für einen „Schuss in 136 den Ofen: „(...) die Sexarbeit ist dadurch nicht weniger 137 geworden - aber die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen ist 138 dramatisch angestiegen.“ @sonjdol meint mit Verweis auf 139 einen 140 [Artikel](http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitu 141 tion-in-schweden-sexkaufverbot/) des Online-Magazins 142 menschenhandelheute.net: „Das Schwedische Modell basiert 143 auf der Stigmatisierung und Entrechtung von Prostituierten. 144 Es hilft ihnen nicht.“ Das Magazin Emma, auf dessen 145 Kampagne der Diskissionsanstoß Bezug nimmt, kommt dagegen 146 zu einer anderen 147 [Einschätzung](http://www.emma.de/artikel/dossier-prostituti 148 on-abschaffen-modell-schweden-265411): Die schwedische 149 Regierung könne belegen, „dass das Anti-Freier-Gesetz 150 Frauen und Mädchen aus dem Osten Europas vor 151 Zwangsprostitution schützt“. 152 153 **Sexarbeit oder Prostitution? Beruf oder Ausbeutung?** 154 155 In der Diskussion dominieren grundsätzliche Fragen zur 156 Prostitution – etwa, ob es sich um einen gesellschaftlich 157 akzeptierten Beruf handeln kann. @HekateGT sieht es so. 158 Sexarbeit sei "an sich" kein Problem. „Was wir brauchen 159 sind nicht zusätzliche Reglementierungen, sondern das 160 Herausholen der Sexarbeit aus der Grauzone. NICHT die 161 Sexarbeit ist das Problem, sondern die Art und Weise, in 162 der die Gesellschaft diesen Beruf wahrnimmt“. 163 164 Dagegen schreibt @Berta: „Prostitution ist (...) eine der 165 ältesten Arten von Ausbeutung von Frauen. Es gab Zeiten und 166 Gesellschaften (und gibt es noch heute), da gehörten Frauen 167 quasi zu Haushalt (wie das Vieh).“ @sonjdol meint dagegen, 168 die meisten Sexarbeiter*innen würden ihre Würde nicht 169 angegriffen sehen. 170 171 **Wo fängt der Zwang an?** 172 173 Gerungen wird mit der Frage, ob es eine selbstbestimmte, 174 freiwilige Prostitution bzw. Sexarbeit geben kann. @Louisa 175 kommentiert: „Ich denke (...), dass viele durch bestimmte 176 (nicht frei entschiedene) Situationen das Gefühl haben, 177 sich prosituieren zu müssen. Auch dieses könnte man als 178 Zwangsprostitution im weitesten Sinne verstehen.“ @Kilian 179 meint: „Prostitution aus einer Zwangslage heraus wollen wir 180 nicht und wir wissen, das Zwang sehr früh anfangen kann.“ 181 @Emil verweist auf die Sichtweise des schwedischen 182 Gesetzgebers, wonach es einen selbstbestimmten Sexarbeiter 183 nicht geben könne, da immer ein Abhängigkeitsverhältnis 184 zwischen Käufer und Dienstleister bestehe. 185 186 @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER 187 ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und 188 Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution 189 für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht 190 mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen, 191 solange kein Zwang im Spiel ist?“ 192 193 @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der 194 Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und 195 staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs, 196 Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen 197 Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(...) wenn 198 (...) Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest 199 von Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich 200 ein Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin 201 kämen wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte 202 Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst 203 vorbehalten würden?“ 204 205 **Darf der Staat eingreifen?** 206 207 Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der 208 Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der 209 "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der 210 Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung 211 abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder 212 Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf 213 meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs) 214 regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder 215 nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist 216 unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg 217 Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu 218 reden.“ 219 220 @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob 221 der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und 222 meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“ @Berta 223 verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution 224 vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die 225 Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. 226 „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu, 227 dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware 228 werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann 229 und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und 230 Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben 231 wird dem etwas entgegenzusetzen?“ 232 233 Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft: 234 „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität – 235 immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele 236 Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von 237 einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik 238 ausgenommen sein?“ 239 240 @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin, 241 Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr 242 Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle 243 auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution 244 sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist eine 245 gesellschaftliche Praxis, die es immer geben wird - in der 246 einen oder anderen Form. Und sei es in der Form eines 247 Dates, wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn er sie zu einem 248 teuren Essen einlädt.“ -
Prostitution gesetzlich verbieten? (Originalversion)
von admin, angelegt1 ***Louisa startete die Diskussion [„Prostitution nun doch 2 gesetzlich verbieten?“](https://publixphere.de/d/274) (4. 3 Dezember 2013). Hintergrund ist die politische Debatte um 4 eine Verschärfung der Prostitiutionsgesetzgebung in 5 Deutschland. @Louisa fragt, ob das schwedische Modell Sinn 6 macht, den Kauf sexueller Dienstleistungen zu verbieten 7 („Freier-Bestrafung“). Alle Politik-Interessierten waren 8 und sind eingeladen, sich einzubringen. Die folgende 9 Kurzdarstellung bezieht sich auf die Diskussion bis zum 13. 10 Juni 2014*** 11 12 ##Knackpunkte der Diskussion 13 14 - muss es das Ziel sein, Prostitution abzuschaffen oder 15 ihre rechtlichen, gesellschaftlichen und sozialen 16 Bedingungen zu verbessern? 17 18 - gibt es freiwillige, selbstsbestimmte, menschenwürdige 19 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und 20 Ausbeutung? 21 22 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem 23 Körper tun? 24 25 ##Politischer Kontext 26 27 Union und SPD einigten sich in ihrem 28 [Koalitionsvertrag](https://www.tagesschau.de/inland/koaliti 29 onsvertrag136.pdf) (Dezember 2013, Seite 104) darauf, die 30 Gesetzgebung zur Prostitution zu verschärfen. Ein konkreter 31 Gesetzentwurf wird noch erarbeitet (Stand 11. Juni 2014). 32 Das Bundesfamilienministerium hat erste Ansatzpunkte 33 [vorgestellt](http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did 34 =206114.html). Demnach soll unter anderem das Mindestalter 35 für Prostituierte von 18 auf 21 angehoben werden. 36 „Menschenunwürdige Geschäftsmodelle" wie Flatrate-Bordelle 37 soll es nicht mehr geben. 38 39 Die - seinerzeit rot-grüne - Bundesregierung hatte die 40 Sittenwidrigkeit Prostition 2002 41 [aufgehoben](http://de.wikipedia.org/wiki/Prostitutionsgeset 42 z). Das Ziel: die rechtliche und soziale Situation von 43 Prostitutierten stärken. Frauenrechtlerinnen halten den 44 Ansatz jedoch für gescheitert. Das Gesetz von 2002 trage 45 die „Handschrift der Frauenhändler und ihrer 46 LobbyistInnen“, heißt es in einem „[Appel gegen 47 Prosititution](http://www.emma.de/thema/der-appell-gegen-pro 48 stitution-111249)“ (Nobember 2013), initiert von der 49 feministischen Zeitschrift „Emma“. „Seither ist Deutschland 50 zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies 51 der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“ 52 53 Von der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung fordert die 54 Initiative unter anderem: „die Ächtung und, wenn nötig, 55 auch Bestrafung der Freier“. Eine Bestrafung der Freier 56 wird auch das „nordische“ oder „schwedische“ Modell 57 genannt. In Schweden ist der Kauf sexueller 58 Dienstleistungen seit 1998 verboten. Das EU-Parlament 59 empfiehlt in einer 60 [Entschließung](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.d 61 o?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BD 62 OC%2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) (Februar 2014) 63 diesen Ansatz. Die deutsche Legalisierung komme einer 64 "Genehmigung der sexuellen Ausbeutung“ geich. 65 66 ##Themen der Publixphere-Diskussion: 67 68 **Fehlende Informationen** 69 70 Viele Kommentare verweisen auf fehlende Informationen zur 71 Prostitution in Deutschland und Europa. @Emil fragt 72 beispielsweise: „Gibt es verlässliche Zahlen und Fakten zu 73 einem erfolgreichen Verbot? Ist selbstbestimmte und 74 menschenwürdige Prostitution (...) ein Ausnahmefall?“. 75 [Patrick 76 Müller](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Patrick 77 Mueller/about) meint: „Ich habe den Eindruck, man weiß 78 besser, wie viel illegale Schwarzarbeit existiert als 79 legale Prostitution.“ 80 81 Schon über die Gründe der fehlenden Informationen gibt es 82 eine Kontroverse. @HekateGT kommentiert: „Das liegt unter 83 anderem daran, dass viele Sexarbeiterinnen sich nicht 84 öffentlich outen wollen, weil sie keine Lust darauf haben, 85 in ihrem privaten Umfeld diskriminiert und ausgegrenzt zu 86 werden.“ @Berta zufolge fehlen Statistiken, „weil (...) ein 87 Großteil der Frauen aus armen Ostblockländern zu uns kommen 88 und sich hier prostituieren bzw. zur Prostitution gezwungen 89 werden. Wer hat denn ein Interesse daran, dass diese Frauen 90 irgendwie 'registriert' werden? Die Zuhälter? Die 91 Bordellbesitzer? Die Frauen? Die Freier vielleicht? Wohl 92 eher nicht.“ 93 94 Zur Frage „Wer geht zu Prostituierten?“ hat @HannahDo eine 95 [eigene Diskussion](https://publixphere.de/d/292) 96 gestartet. Das Forum sammelt hier verschiedene Artikel zum 97 Thema. 98 99 **Was muss geregelt werden?** 100 101 Offen bleibt im Forum, welche Regelungen zu reformieren 102 sind, um Prostituierte (Frauen und Männer) vor Ausbeutung 103 zu schützen. @HekateGT kommentiert: „alle die widrigen 104 Begleitumstände, die immer wieder im Zusammenhang mit 105 Sexarbeit thematisiert werden - als da sind: sexuelle 106 Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel - werden bereits 107 durch das STGB (*„Strafgesetzbuch“, Anm. d. R.*) abgedeckt.” 108 109 @sonjdol hält das Prostitutionsgesetz für den falschen 110 Ansatzpunkt, um Menschenhandel einzudämmen – hierfür gebe 111 es Gesetze gegen Menschenhandel. „Ich verstehe nicht, warum 112 alle immer wieder in diese Falle tappen. Als würde man 113 Vergewaltigung durch eine Regulierung einvernehmlichen 114 Sexes reduzieren können und nicht durch Paragraphen, die 115 sich direkt auf Vergewaltigung beziehen.“ @sonjdol 116 fordert, eher über effektive Gesetze gegen Menschenhandel 117 zu diskutieren und die Opferrechte zu stärken, woran die 118 Politik aber kaum Interesse habe. 119 120 @Emil verweist dagegen auf den 121 [Entschluss](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?p 122 ubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BDOC% 123 2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) des EU-Parlaments. Ihm 124 zufolge stellt die Einstufung der Prostitution als legale 125 „Sexarbeit“ keine Lösung dar, um schutzbedürftige Frauen 126 und Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. @sonjdol 127 kritisiert den Parlamentsbeschluss scharf, unter anderem 128 als „Zeichen der anhaltenden Stigmatisierung“ von 129 Sexarbeiterinnen. 130 131 **Freierbestrafung** 132 133 Die Option, die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen 134 durch Freier zu verbieten („schwedisches Modell"), streift 135 das Forum nur kurz. @HekateGT hält es für einen „Schuss in 136 den Ofen: „(...) die Sexarbeit ist dadurch nicht weniger 137 geworden - aber die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen ist 138 dramatisch angestiegen.“ @sonjdol meint mit Verweis auf 139 einen 140 [Artikel](http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitu 141 tion-in-schweden-sexkaufverbot/) des Online-Magazins 142 menschenhandelheute.net: „Das Schwedische Modell basiert 143 auf der Stigmatisierung und Entrechtung von Prostituierten. 144 Es hilft ihnen nicht.“ Das Magazin Emma, auf dessen 145 Kampagne der Diskissionsanstoß Bezug nimmt, kommt dagegen 146 zu einer anderen 147 [Einschätzung](http://www.emma.de/artikel/dossier-prostituti 148 on-abschaffen-modell-schweden-265411): Die schwedische 149 Regierung könne belegen, „dass das Anti-Freier-Gesetz 150 Frauen und Mädchen aus dem Osten Europas vor 151 Zwangsprostitution schützt“. 152 153 **Sexarbeit oder Prostitution? Beruf oder Ausbeutung?** 154 155 In der Diskussion dominieren grundsätzliche Fragen zur 156 Prostitution – etwa, ob es sich um einen gesellschaftlich 157 akzeptierten Beruf handeln kann. @HekateGT sieht es so. 158 Sexarbeit sei "an sich" kein Problem. „Was wir brauchen 159 sind nicht zusätzliche Reglementierungen, sondern das 160 Herausholen der Sexarbeit aus der Grauzone. NICHT die 161 Sexarbeit ist das Problem, sondern die Art und Weise, in 162 der die Gesellschaft diesen Beruf wahrnimmt“. 163 164 Dagegen schreibt @Berta: „Prostitution ist (...) eine der 165 ältesten Arten von Ausbeutung von Frauen. Es gab Zeiten und 166 Gesellschaften (und gibt es noch heute), da gehörten Frauen 167 quasi zu Haushalt (wie das Vieh).“ @sonjdol meint dagegen, 168 die meisten Sexarbeiter*innen würden ihre Würde nicht 169 angegriffen sehen. 170 171 **Wo fängt der Zwang an?** 172 173 Gerungen wird mit der Frage, ob es eine selbstbestimmte, 174 freiwilige Prostitution bzw. Sexarbeit geben kann. @Louisa 175 kommentiert: „Ich denke (...), dass viele durch bestimmte 176 (nicht frei entschiedene) Situationen das Gefühl haben, 177 sich prosituieren zu müssen. Auch dieses könnte man als 178 Zwangsprostitution im weitesten Sinne verstehen.“ @Kilian 179 meint: „Prostitution aus einer Zwangslage heraus wollen wir 180 nicht und wir wissen, das Zwang sehr früh anfangen kann.“ 181 @Emil verweist auf die Sichtweise des schwedischen 182 Gesetzgebers, wonach es einen selbstbestimmten Sexarbeiter 183 nicht geben könne, da immer ein Abhängigkeitsverhältnis 184 zwischen Käufer und Dienstleister bestehe. 185 186 @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER 187 ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und 188 Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution 189 für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht 190 mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen, 191 solange kein Zwang im Spiel ist?“ 192 193 @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der 194 Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und 195 staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs, 196 Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen 197 Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(...) wenn 198 (...) Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest 199 von Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich 200 ein Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin 201 kämen wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte 202 Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst 203 vorbehalten würden?“ 204 205 **Darf der Staat eingreifen?** 206 207 Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der 208 Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der 209 "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der 210 Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung 211 abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder 212 Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf 213 meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs) 214 regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder 215 nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist 216 unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg 217 Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu 218 reden.“ 219 220 @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob 221 der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und 222 meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“ @Berta 223 verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution 224 vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die 225 Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. 226 „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu, 227 dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware 228 werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann 229 und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und 230 Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben 231 wird dem etwas entgegenzusetzen?“ 232 233 Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft: 234 „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität – 235 immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele 236 Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von 237 einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik 238 ausgenommen sein?“ 239 240 @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin, 241 Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr 242 Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle 243 auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution 244 sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist die politische245 Debatte umeine gesellschaftliche Praxis, die es immer246 geben wird - in der einen oder anderen Form. Und sei es in 247 der Form eines Dates, wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn 248 er sie zu verbieten („Freier-Bestrafung“). Alle249 Politik-Interessierten waren und sind eingeladen, sich250 einzubringen.***251 252 ##Knackpunkte der Diskussion253 254 - muss es das Ziel sein, Prostitution abzuschaffen oder255 ihre rechtlichen, gesellschaftlichen und sozialen256 Bedingungen zu verbessern?257 258 - gibt es freiwillige, selbstsbestimmte, menschenwürdige259 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und260 Ausbeutung?261 262 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem263 Körper tun?264 265 ##Politischer Kontext266 267 Union und SPD einigten sich in ihrem268 [Koalitionsvertrag](https://www.tagesschau.de/inland/koaliti269 onsvertrag136.pdf) (Dezember 2013, Seite 104) darauf, die270 Gesetzgebung zur Prostitution zu verschärfen. Ein konkreter271 Gesetzentwurf wird noch erarbeitet (Stand 11. Juni 2014).272 Das Bundesfamilienministerium hat erste Ansatzpunkte273 [vorgestellt](http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did274 =206114.html). Demnach soll unter anderem das Mindestalter275 für Prostituierte von 18 auf 21 angehoben werden.276 „Menschenunwürdige Geschäftsmodelle" wie Flatrate-Bordelle277 soll es nicht mehr geben.278 279 Die - seinerzeit rot-grüne - Bundesregierung hatte die280 Sittenwidrigkeit Prostition 2002281 [aufgehoben](http://de.wikipedia.org/wiki/Prostitutionsgeset282 z). Das Ziel: die rechtliche und soziale Situation von283 Prostitutierten stärken. Frauenrechtlerinnen halten den284 Ansatz jedoch für gescheitert. Das Gesetz von 2002 trage285 die „Handschrift der Frauenhändler und ihrer286 LobbyistInnen“, heißt es ineinem„[Appel gegen287 Prosititution](http://www.emma.de/thema/der-appell-gegen-pro288 stitution-111249)“ (Nobember 2013), initiert von der289 feministischen Zeitschrift „Emma“. „Seither ist Deutschland290 zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies291 der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“292 293 Von der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung fordert die294 Initiative unter anderem: „die Ächtung und, wenn nötig,295 auch Bestrafung der Freier“. Eine Bestrafung der Freier296 wird auch das „nordische“ oder „schwedische“ Modell297 genannt. In Schweden ist der Kauf sexueller298 Dienstleistungen seit 1998 verboten. Das EU-Parlament299 empfiehlt in einer300 [Entschließung](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.d301 o?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BD302 OC%2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) (Februar 2014)303 diesen Ansatz. Die deutsche Legalisierung komme einer304 "Genehmigung der sexuellen Ausbeutung“ geich.305 306 ##Themen der Publixphere-Diskussion:307 308 **Fehlende Informationen**309 310 Viele Kommentare verweisen auf fehlende Informationen zur311 Prostitution in Deutschland und Europa. @Emil fragt312 beispielsweise: „Gibt es verlässliche Zahlen und Fakten zu313 einem erfolgreichen Verbot? Ist selbstbestimmte und314 menschenwürdige Prostitution (...) ein Ausnahmefall?“.315 [Patrick316 Müller](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Patrick317 Mueller/about) meint: „Ich habe den Eindruck, man weiß318 besser, wie viel illegale Schwarzarbeit existiert als319 legale Prostitution.“320 321 Schon über die Gründe der fehlenden Informationen gibt es322 eine Kontroverse. @HekateGT kommentiert: „Das liegt unter323 anderem daran, dass viele Sexarbeiterinnen sich nicht324 öffentlich outen wollen, weil sie keine Lust darauf haben,325 in ihrem privaten Umfeld diskriminiert und ausgegrenzt zu326 werden.“ @Berta zufolge fehlen Statistiken, „weil (...) ein327 Großteil der Frauen aus armen Ostblockländern zu uns kommen328 und sich hier prostituieren bzw. zur Prostitution gezwungen329 werden. Wer hat denn ein Interesse daran, dass diese Frauen330 irgendwie 'registriert' werden? Die Zuhälter? Die331 Bordellbesitzer? Die Frauen? Die Freier vielleicht? Wohl332 eher nicht.“333 334 Zur Frage „Wer geht zu Prostituierten?“ hat @HannahDo eine335 [eigene Diskussion](https://publixphere.de/d/292)336 gestartet. Das Forum sammelt hier verschiedene Artikel zum337 Thema.338 339 **Was muss geregelt werden?**340 341 Offen bleibt im Forum, welche Regelungen zu reformieren342 sind, um Prostituierte (Frauen und Männer) vor Ausbeutung343 zu schützen. @HekateGT kommentiert: „alle die widrigen344 Begleitumstände, die immer wieder im Zusammenhang mit345 Sexarbeit thematisiert werden - als da sind: sexuelle346 Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel - werden bereits347 durch das STGB (*„Strafgesetzbuch“, Anm. d. R.*) abgedeckt.”348 349 @sonjdol hält das Prostitutionsgesetz für den falschen350 Ansatzpunkt, um Menschenhandel einzudämmen – hierfür gebe351 es Gesetze gegen Menschenhandel. „Ich verstehe nicht, warum352 alle immer wieder in diese Falle tappen. Als würde man353 Vergewaltigung durch eine Regulierung einvernehmlichen354 Sexes reduzieren können und nicht durch Paragraphen, die355 sich direkt auf Vergewaltigung beziehen.“ @sonjdol356 fordert, eher über effektive Gesetze gegen Menschenhandel357 zu diskutieren und die Opferrechte zu stärken, woran die358 Politik aber kaum Interesse habe.359 360 @Emil verweist dagegen auf den361 [Entschluss](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?p362 ubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BDOC%363 2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) des EU-Parlaments. Ihm364 zufolge stellt die Einstufung der Prostitution als legale365 „Sexarbeit“ keine Lösung dar, um schutzbedürftige Frauen366 und Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. @sonjdol367 kritisiert den Parlamentsbeschluss scharf, unter anderem368 als „Zeichen der anhaltenden Stigmatisierung“ von369 Sexarbeiterinnen.370 371 **Freierbestrafung**372 373 Die Option, die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen374 durch Freier zu verbieten („schwedisches Modell"), streift375 das Forum nur kurz. @HekateGT hält es für einen „Schuss in376 den Ofen: „(...) die Sexarbeit ist dadurch nicht weniger377 geworden - aber die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen ist378 dramatisch angestiegen.“ @sonjdol meint mit Verweis auf379 einen380 [Artikel](http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitu381 tion-in-schweden-sexkaufverbot/) des Online-Magazins382 menschenhandelheute.net: „Das Schwedische Modell basiert383 auf der Stigmatisierung und Entrechtung von Prostituierten.384 Es hilft ihnen nicht.“ Das Magazin Emma, auf dessen385 Kampagne der Diskissionsanstoß Bezug nimmt, kommt dagegen386 zu einer anderen387 [Einschätzung](http://www.emma.de/artikel/dossier-prostituti388 on-abschaffen-modell-schweden-265411): Die schwedische389 Regierung könne belegen, „dass das Anti-Freier-Gesetz390 Frauen und Mädchen aus dem Osten Europas vor391 Zwangsprostitution schützt“.392 393 **Sexarbeit oder Prostitution? Beruf oder Ausbeutung?**394 395 In der Diskussion dominieren grundsätzliche Fragen zur396 Prostitution – etwa, ob es sich um einen gesellschaftlich397 akzeptierten Beruf handeln kann. @HekateGT sieht es so.398 Sexarbeit sei "an sich" kein Problem. „Was wir brauchen399 sind nicht zusätzliche Reglementierungen, sondern das400 Herausholen der Sexarbeit aus der Grauzone. NICHT die401 Sexarbeit ist das Problem, sondern die Art und Weise, in402 der die Gesellschaft diesen Beruf wahrnimmt“.403 404 Dagegen schreibt @Berta: „Prostitution ist (...) eine der405 ältesten Arten von Ausbeutung von Frauen. Es gab Zeiten und406 Gesellschaften (und gibt es noch heute), da gehörten Frauen407 quasi zu Haushalt (wie das Vieh).“ @sonjdol meint dagegen,408 die meisten Sexarbeiter*innen würden ihre Würde nicht409 angegriffen sehen.410 411 **Wo fängt der Zwang an?**412 413 Gerungen wird mit der Frage, ob es eine selbstbestimmte,414 freiwilige Prostitution bzw. Sexarbeit geben kann. @Louisa415 kommentiert: „Ich denke (...), dass viele durch bestimmte416 (nicht frei entschiedene) Situationen das Gefühl haben,417 sich prosituieren zu müssen. Auch dieses könnte man als418 Zwangsprostitution im weitesten Sinne verstehen.“ @Kilian419 meint: „Prostitution aus einer Zwangslage heraus wollen wir420 nicht und wir wissen, das Zwang sehr früh anfangen kann.“421 @Emil verweist auf die Sichtweise des schwedischen422 Gesetzgebers, wonach es einen selbstbestimmten Sexarbeiter423 nicht geben könne, da immer ein Abhängigkeitsverhältnis424 zwischen Käufer und Dienstleister bestehe.425 426 @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER427 ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und428 Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution429 für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht430 mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen,431 solange kein Zwang im Spiel ist?“432 433 @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der434 Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und435 staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs,436 Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen437 Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(...) wenn438 (...) Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest439 von Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich440 ein Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin441 kämen wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte442 Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst443 vorbehalten würden?“444 445 **Darf der Staat eingreifen?**446 447 Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der448 Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der449 "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der450 Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung451 abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder452 Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf453 meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs)454 regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder455 nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist456 unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg457 Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu458 reden.“459 460 @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob461 der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und462 meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“ @Berta463 verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution464 vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die465 Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen.466 „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu,467 dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware468 werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann469 und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und470 Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben471 wird dem etwas entgegenzusetzen?“472 473 Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft:474 „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität –475 immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele476 Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von477 einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik478 ausgenommen sein?“479 480 @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin,481 Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr482 Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle483 auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution484 sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist eine485 gesellschaftliche Praxis, die es immer geben wird - in der486 einen oder anderen Form. Und sei es in der Form eines487 Dates, wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn er sie zu einem488 teuren Essen einlädt.“ -
Prostitution gesetzlich verbieten? (Originalversion)
von admin, angelegt1 ##Stand: 13. Juni 2014 2 3 ***@Louisa startete die Diskussion [„Prostitution nun doch 4 gesetzlich verbieten?“](https://publixphere.de/d/274) (4. 5 Dezember 2013). Hintergrund ist die politische Debatte um 6 eine Verschärfung der Prostitiutionsgesetzgebung in 7 Deutschland. @Louisa fragt, ob das schwedische Modell Sinn 8 macht, den Kauf sexueller Dienstleistungen zu verbieten 9 („Freier-Bestrafung“). Alle Politik-Interessierten waren 10 und sind eingeladen, sich einzubringen.*** 11 12 ##Was sind die Knackpunkte der Diskussion? 13 14 - muss es das Ziel sein, Prostitution abzuschaffen oder 15 ihre rechtlichen, gesellschaftlichen und sozialen 16 Bedingungen zu verbessern? 17 18 - gibt es freiwillige, selbstsbestimmte, menschenwürdige 19 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und 20 Ausbeutung? 21 22 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem 23 Körper tun? 24 25 ##Politischer Kontext 26 27 Union und SPD einigten sich in ihrem 28 [Koalitionsvertrag](https://www.tagesschau.de/inland/koaliti 29 onsvertrag136.pdf) (Dezember 2013, Seite 104) darauf, die 30 Gesetzgebung zur Prostitution zu verschärfen. Ein konkreter 31 Gesetzentwurf wird noch erarbeitet (Stand 11. Juni 2014). 32 Das Bundesfamilienministerium hat erste Ansatzpunkte 33 [vorgestellt](http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did 34 =206114.html). Demnach soll unter anderem das Mindestalter 35 für Prostituierte von 18 auf 21 angehoben werden. 36 „Menschenunwürdige Geschäftsmodelle" wie Flatrate-Bordelle 37 soll es nicht mehr geben. 38 39 Die - seinerzeit rot-grüne - Bundesregierung hatte die 40 Sittenwidrigkeit Prostition 2002 41 [aufgehoben](http://de.wikipedia.org/wiki/Prostitutionsgeset 42 z). Das Ziel: die rechtliche und soziale Situation von 43 Prostitutierten stärken. Frauenrechtlerinnen halten den 44 Ansatz jedoch für gescheitert. Das Gesetz von 2002 trage 45 trägt die „Handschrift der Frauenhändler und ihrer 46 LobbyistInnen“, heißt es in einem „[Appel gegen 47 Prosititution](http://www.emma.de/thema/der-appell-gegen-pro 48 stitution-111249)“ (Nobember 2013), initiert von der 49 feministischen Zeitschrift „Emma“. „Seither ist Deutschland 50 zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies 51 der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“ 52 53 Von der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung fordert die 54 Initiative unter anderem: „die Ächtung und, wenn nötig, 55 auch Bestrafung der Freier“. Eine Bestrafung der Freier 56 wird auch das „nordische“ oder „schwedische“ Modell 57 genannt. In Schweden ist der Kauf sexueller 58 Dienstleistungen seit 1998 verboten. Das EU-Parlament 59 empfiehlt in einer 60 [Entschließung](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.d 61 o?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BD 62 OC%2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) (Februar 2014) 63 diesen Ansatz. Die deutsche Legalisierung komme einer 64 "Genehmigung der sexuellen Ausbeutung“ geich. 65 66 ##Themen der Publixphere-Diskussion: 67 68 **Fehlende Informationen** 69 70 Viele Kommentare verweisen auf fehlende Informationen zur 71 Prostitution in Deutschland und Europa. @Emil fragt 72 beispielsweise: „Gibt es verlässliche Zahlen und Fakten zu 73 einem erfolgreichen Verbot? Ist selbstbestimmte und 74 menschenwürdige Prostitution (...) ein Ausnahmefall?“. 75 [Patrick 76 Müller](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Patrick 77 Mueller/about) meint: „Ich habe den Eindruck, man weiß 78 besser, wie viel illegale Schwarzarbeit existiert als 79 legale Prostitution.“ 80 81 Schon über die Gründe der fehlenden Informationen gibt es 82 eine Kontroverse. @HekateGT kommentiert: „Das liegt unter 83 anderem daran, dass viele Sexarbeiterinnen sich nicht 84 öffentlich outen wollen, weil sie keine Lust darauf haben, 85 in ihrem privaten Umfeld diskriminiert und ausgegrenzt zu 86 werden.“ @Berta zufolge fehlen Statistiken, „weil (...) ein 87 Großteil der Frauen aus armen Ostblockländern zu uns kommen 88 und sich hier prostituieren bzw. zur Prostitution gezwungen 89 werden. Wer hat denn ein Interesse daran, dass diese Frauen 90 irgendwie 'registriert' werden? Die Zuhälter? Die 91 Bordellbesitzer? Die Frauen? Die Freier vielleicht? Wohl 92 eher nicht.“ 93 94 Zur Frage „Wer geht zu Prostituierten?“ hat @HannahDo eine 95 [eigene Diskussion](https://publixphere.de/d/292) 96 gestartet. Das Forum sammelt hier verschiedene Artikel zum 97 Thema. 98 99 **Was muss geregelt werden?** 100 101 Offen bleibt im Forum, welche Regelungen zu reformieren 102 sind, um Prostituierte (Frauen und Männer) vor Ausbeutung 103 zu schützen. @HekateGT kommentiert: „alle die widrigen 104 Begleitumstände, die immer wieder im Zusammenhang mit 105 Sexarbeit thematisiert werden - als da sind: sexuelle 106 Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel - werden bereits 107 durch das STGB (*„Strafgesetzbuch“, Anm. d. R.*) abgedeckt.” 108 109 @sonjdol hält das Prostitutionsgesetz für den falschen 110 Ansatzpunkt, um Menschenhandel einzudämmen – hierfür gebe 111 es Gesetze gegen Menschenhandel. „Ich verstehe nicht, warum 112 alle immer wieder in diese Falle tappen. Als würde man 113 Vergewaltigung durch eine Regulierung einvernehmlichen 114 Sexes reduzieren können und nicht durch Paragraphen, die 115 sich direkt auf Vergewaltigung beziehen.“ @sonjdol 116 fordert, eher über effektive Gesetze gegen Menschenhandel 117 zu diskutieren und die Opferrechte zu stärken, woran die 118 Politik aber kaum Interesse habe. 119 120 @Emil verweist dagegen auf den 121 [Entschluss](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?p 122 ubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BDOC% 123 2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) des EU-Parlaments. Ihm 124 zufolge stellt die Einstufung der Prostitution als legale 125 „Sexarbeit“ keine Lösung dar, um schutzbedürftige Frauen 126 und Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. @sonjdol 127 kritisiert den Parlamentsbeschluss scharf, unter anderem 128 als „Zeichen der anhaltenden Stigmatisierung“ von 129 Sexarbeiterinnen. 130 131 **Freierbestrafung** 132 133 Die Option, die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen 134 durch Freier zu verbieten („schwedisches Modell"), streift 135 das Forum nur kurz. @HekateGT hält es für einen „Schuss in 136 den Ofen: „(...) die Sexarbeit ist dadurch nicht weniger 137 geworden - aber die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen ist 138 dramatisch angestiegen.“ @sonjdol meint mit Verweis auf 139 einen 140 [Artikel](http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitu 141 tion-in-schweden-sexkaufverbot/) des Online-Magazins 142 menschenhandelheute.net: „Das Schwedische Modell basiert 143 auf der Stigmatisierung und Entrechtung von Prostituierten. 144 Es hilft ihnen nicht.“ Das Magazin Emma, auf dessen 145 Kampagne der Diskissionsanstoß Bezug nimmt, kommt dagegen 146 zu einer anderen 147 [Einschätzung](http://www.emma.de/artikel/dossier-prostituti 148 on-abschaffen-modell-schweden-265411): Die schwedische 149 Regierung könne belegen, „dass das Anti-Freier-Gesetz 150 Frauen und Mädchen aus dem Osten Europas vor 151 Zwangsprostitution schützt“. 152 153 **Sexarbeit oder Prostitution? Beruf oder Ausbeutung?** 154 155 In der Diskussion dominieren grundsätzliche Fragen zur 156 Prostitution – etwa, ob es sich um einen gesellschaftlich 157 akzeptierten Beruf handeln kann. @HekateGT sieht es so. 158 Sexarbeit sei "an sich" kein Problem. „Was wir brauchen 159 sind nicht zusätzliche Reglementierungen, sondern das 160 Herausholen der Sexarbeit aus der Grauzone. NICHT die 161 Sexarbeit ist das Problem, sondern die Art und Weise, in 162 der die Gesellschaft diesen Beruf wahrnimmt“. 163 164 Dagegen schreibt @Berta: „Prostitution ist (...) eine der 165 ältesten Arten von Ausbeutung von Frauen. Es gab Zeiten und 166 Gesellschaften (und gibt es noch heute), da gehörten Frauen 167 quasi zu Haushalt (wie das Vieh).“ @sonjdol meint dagegen, 168 die meisten Sexarbeiter*innen würden ihre Würde nicht 169 angegriffen sehen. 170 171 **Selbstbestimmung oder Zwang** 172 173 Gerungen wird mit der Frage, ob es eine selbstbestimmte, 174 freiwilige Prostitution bzw. Sexarbeit geben kann. @Louisa 175 kommentiert: „Ich denke (...), dass viele durch bestimmte 176 (nicht frei entschiedene) Situationen das Gefühl haben, 177 sich prosituieren zu müssen. Auch dieses könnte man als 178 Zwangsprostitution im weitesten Sinne verstehen.“ @Kilian 179 meint: „Prostitution aus einer Zwangslage heraus wollen wir 180 nicht und wir wissen, das Zwang sehr früh anfangen kann.“ 181 @Emil verweist auf die Sichtweise des schwedischen 182 Gesetzgebers, wonach es einen selbstbestimmten Sexarbeiter 183 nicht geben könne, da immer ein Abhängigkeitsverhältnis 184 zwischen Käufer und Dienstleister bestehe. 185 186 @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER 187 ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und 188 Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution 189 für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht 190 mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen, 191 solange kein Zwang im Spiel ist?“ 192 193 @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der 194 Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und 195 staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs, 196 Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen 197 Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(...) wenn 198 (...) Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest 199 von Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich 200 ein Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin 201 kämen wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte 202 Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst 203 vorbehalten würden?“ 204 205 **Darf der Staat eingreifen?** 206 207 Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der 208 Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der 209 "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der 210 Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung 211 abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder 212 Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf 213 meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs) 214 regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder 215 nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist 216 unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg 217 Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu 218 reden.“ 219 220 @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob 221 der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und 222 meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“ @Berta 223 verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution 224 vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die 225 Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. 226 „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu, 227 dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware 228 werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann 229 und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und 230 Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben 231 wird dem etwas entgegenzusetzen?“ 232 233 Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft: 234 „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität – 235 immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele 236 Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von 237 einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik 238 ausgenommen sein?“ 239 240 @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin, 241 Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr 242 Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle 243 auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution 244 sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist eine 245 gesellschaftliche Praxis, die es immer geben wird - in der 246 einen oder anderen Form. Und sei es in der Form eines 247 Dates, wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn er sie zu 248 verschärfen. Ein konkreter Gesetzentwurf wird noch249 erarbeitet (Stand 11. Juni 2014). Das250 Bundesfamilienministerium hat erste Ansatzpunkte251 [vorgestellt](http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did252 =206114.html). Demnach soll unter anderem das Mindestalter253 für Prostituierte von 18 auf 21 angehoben werden.254 „Menschenunwürdige Geschäftsmodelle" wie Flatrate-Bordelle255 soll es nicht mehr geben.256 257 Die - seinerzeit rot-grüne - Bundesregierung hatte die258 Sittenwidrigkeit Prostition 2002259 [aufgehoben](http://de.wikipedia.org/wiki/Prostitutionsgeset260 z). Das Ziel: die rechtliche und soziale Situation von261 Prostitutierten stärken. Frauenrechtlerinnen halten den262 Ansatz jedoch für gescheitert. Das Gesetz von 2002 trage263 trägt die „Handschrift der Frauenhändler und ihrer264 LobbyistInnen“, heißt es ineinem„[Appel gegen265 Prosititution](http://www.emma.de/thema/der-appell-gegen-pro266 stitution-111249)“ (Nobember 2013), initiert von der267 feministischen Zeitschrift „Emma“. „Seither ist Deutschland268 zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies269 der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“270 271 Von der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung fordert die272 Initiative unter anderem: „die Ächtung und, wenn nötig,273 auch Bestrafung der Freier“. Eine Bestrafung der Freier274 wird auch das „nordische“ oder „schwedische“ Modell275 genannt. In Schweden ist der Kauf sexueller276 Dienstleistungen seit 1998 verboten. Das EU-Parlament277 empfiehlt in einer278 [Entschließung](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.d279 o?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BD280 OC%2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) (Februar 2014)281 diesen Ansatz. Die deutsche Legalisierung komme einer282 "Genehmigung der sexuellen Ausbeutung“ geich.283 284 ##Themen der Publixphere-Diskussion:285 286 **Fehlende Informationen**287 288 Viele Kommentare verweisen auf fehlende Informationen zur289 Prostitution in Deutschland und Europa. @Emil fragt290 beispielsweise: „Gibt es verlässliche Zahlen und Fakten zu291 einem erfolgreichen Verbot? Ist selbstbestimmte und292 menschenwürdige Prostitution (...) ein Ausnahmefall?“.293 [Patrick294 Müller](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Patrick295 Mueller/about) meint: „Ich habe den Eindruck, man weiß296 besser, wie viel illegale Schwarzarbeit existiert als297 legale Prostitution.“298 299 Schon über die Gründe der fehlenden Informationen gibt es300 eine Kontroverse. @HekateGT kommentiert: „Das liegt unter301 anderem daran, dass viele Sexarbeiterinnen sich nicht302 öffentlich outen wollen, weil sie keine Lust darauf haben,303 in ihrem privaten Umfeld diskriminiert und ausgegrenzt zu304 werden.“ @Berta zufolge fehlen Statistiken, „weil (...) ein305 Großteil der Frauen aus armen Ostblockländern zu uns kommen306 und sich hier prostituieren bzw. zur Prostitution gezwungen307 werden. Wer hat denn ein Interesse daran, dass diese Frauen308 irgendwie 'registriert' werden? Die Zuhälter? Die309 Bordellbesitzer? Die Frauen? Die Freier vielleicht? Wohl310 eher nicht.“311 312 Zur Frage „Wer geht zu Prostituierten?“ hat @HannahDo eine313 [eigene Diskussion](https://publixphere.de/d/292)314 gestartet. Das Forum sammelt hier verschiedene Artikel zum315 Thema.316 317 **Was muss geregelt werden?**318 319 Offen bleibt im Forum, welche Regelungen zu reformieren320 sind, um Prostituierte (Frauen und Männer) vor Ausbeutung321 zu schützen. @HekateGT kommentiert: „alle die widrigen322 Begleitumstände, die immer wieder im Zusammenhang mit323 Sexarbeit thematisiert werden - als da sind: sexuelle324 Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel - werden bereits325 durch das STGB (*„Strafgesetzbuch“, Anm. d. R.*) abgedeckt.”326 327 @sonjdol hält das Prostitutionsgesetz für den falschen328 Ansatzpunkt, um Menschenhandel einzudämmen – hierfür gebe329 es Gesetze gegen Menschenhandel. „Ich verstehe nicht, warum330 alle immer wieder in diese Falle tappen. Als würde man331 Vergewaltigung durch eine Regulierung einvernehmlichen332 Sexes reduzieren können und nicht durch Paragraphen, die333 sich direkt auf Vergewaltigung beziehen.“ @sonjdol334 fordert, eher über effektive Gesetze gegen Menschenhandel335 zu diskutieren und die Opferrechte zu stärken, woran die336 Politik aber kaum Interesse habe.337 338 @Emil verweist dagegen auf den339 [Entschluss](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?p340 ubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BDOC%341 2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) des EU-Parlaments. Ihm342 zufolge stellt die Einstufung der Prostitution als legale343 „Sexarbeit“ keine Lösung dar, um schutzbedürftige Frauen344 und Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. @sonjdol345 kritisiert den Parlamentsbeschluss scharf, unter anderem346 als „Zeichen der anhaltenden Stigmatisierung“ von347 Sexarbeiterinnen.348 349 **Freierbestrafung**350 351 Die Option, die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen352 durch Freier zu verbieten („schwedisches Modell"), streift353 das Forum nur kurz. @HekateGT hält es für einen „Schuss in354 den Ofen: „(...) die Sexarbeit ist dadurch nicht weniger355 geworden - aber die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen ist356 dramatisch angestiegen.“ @sonjdol meint mit Verweis auf357 einen358 [Artikel](http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitu359 tion-in-schweden-sexkaufverbot/) des Online-Magazins360 menschenhandelheute.net: „Das Schwedische Modell basiert361 auf der Stigmatisierung und Entrechtung von Prostituierten.362 Es hilft ihnen nicht.“ Das Magazin Emma, auf dessen363 Kampagne der Diskissionsanstoß Bezug nimmt, kommt dagegen364 zu einer anderen365 [Einschätzung](http://www.emma.de/artikel/dossier-prostituti366 on-abschaffen-modell-schweden-265411): Die schwedische367 Regierung könne belegen, „dass das Anti-Freier-Gesetz368 Frauen und Mädchen aus dem Osten Europas vor369 Zwangsprostitution schützt“.370 371 **Sexarbeit oder Prostitution? Beruf oder Ausbeutung?**372 373 In der Diskussion dominieren grundsätzliche Fragen zur374 Prostitution – etwa, ob es sich um einen gesellschaftlich375 akzeptierten Beruf handeln kann. @HekateGT sieht es so.376 Sexarbeit sei "an sich" kein Problem. „Was wir brauchen377 sind nicht zusätzliche Reglementierungen, sondern das378 Herausholen der Sexarbeit aus der Grauzone. NICHT die379 Sexarbeit ist das Problem, sondern die Art und Weise, in380 der die Gesellschaft diesen Beruf wahrnimmt“.381 382 Dagegen schreibt @Berta: „Prostitution ist (...) eine der383 ältesten Arten von Ausbeutung von Frauen. Es gab Zeiten und384 Gesellschaften (und gibt es noch heute), da gehörten Frauen385 quasi zu Haushalt (wie das Vieh).“ @sonjdol meint dagegen,386 die meisten Sexarbeiter*innen würden ihre Würde nicht387 angegriffen sehen.388 389 **Selbstbestimmung oder Zwang**390 391 Gerungen wird mit der Frage, ob es eine selbstbestimmte,392 freiwilige Prostitution bzw. Sexarbeit geben kann. @Louisa393 kommentiert: „Ich denke (...), dass viele durch bestimmte394 (nicht frei entschiedene) Situationen das Gefühl haben,395 sich prosituieren zu müssen. Auch dieses könnte man als396 Zwangsprostitution im weitesten Sinne verstehen.“ @Kilian397 meint: „Prostitution aus einer Zwangslage heraus wollen wir398 nicht und wir wissen, das Zwang sehr früh anfangen kann.“399 @Emil verweist auf die Sichtweise des schwedischen400 Gesetzgebers, wonach es einen selbstbestimmten Sexarbeiter401 nicht geben könne, da immer ein Abhängigkeitsverhältnis402 zwischen Käufer und Dienstleister bestehe.403 404 @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER405 ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und406 Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution407 für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht408 mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen,409 solange kein Zwang im Spiel ist?“410 411 @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der412 Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und413 staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs,414 Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen415 Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(...) wenn416 (...) Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest417 von Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich418 ein Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin419 kämen wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte420 Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst421 vorbehalten würden?“422 423 **Darf der Staat eingreifen?**424 425 Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der426 Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der427 "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der428 Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung429 abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder430 Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf431 meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs)432 regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder433 nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist434 unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg435 Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu436 reden.“437 438 @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob439 der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und440 meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“ @Berta441 verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution442 vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die443 Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen.444 „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu,445 dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware446 werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann447 und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und448 Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben449 wird dem etwas entgegenzusetzen?“450 451 Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft:452 „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität –453 immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele454 Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von455 einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik456 ausgenommen sein?“457 458 @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin,459 Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr460 Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle461 auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution462 sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist eine463 gesellschaftliche Praxis, die es immer geben wird - in der464 einen oder anderen Form. Und sei es in der Form eines465 Dates, wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn er sie zu einem466 teuren Essen einlädt.“