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Prostitution gesetzlich verbieten? (Originalversion)
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von Community Management , angelegt1 ![Foto: Jake Guild (CC BY 2 2.0)](https://publixphere-cms.publixphere.de/de/bilder/prost 3 ution_gross.bmp/@@images/image.bmp) 4 5 ***Louisa startete die Diskussion [„Prostitution nun doch 6 gesetzlich verbieten?“](https://publixphere.de/d/274) (4. 7 Dezember 2013). Hintergrund ist die politische Debatte um 8 eine Verschärfung der Prostitutionsgesetzgebung in 9 Deutschland. @Louisa fragt, ob das schwedische Modell Sinn 10 macht, welches den Kauf sexueller Dienstleistungen 11 verbietet („Freier-Bestrafung“). Alle 12 Politik-Interessierten waren und sind eingeladen, sich 13 einzubringen. Die folgende 14 [Kurzdarstellung](https://publixphere.de/i/publixphere-de/pa 15 ge/1_Was_sind_Kurzdarstellungen) bezieht sich auf die 16 Kommentare und Beiträge bis zum 13. Juni 2014*** 17 18 ##Knackpunkte der Diskussion 19 20 - muss es das Ziel sein, Prostitution abzuschaffen oder 21 geht es darum rechtliche, gesellschaftliche und soziale 22 Bedingungen zu verbessern? 23 24 - gibt es freiwillige, selbstbestimmte, menschenwürdige 25 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und 26 Ausbeutung? 27 28 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem 29 Körper tun? -
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von Community Management , angelegt1 ![Foto: Jake Guild (CC BY 2 2.0)](https://publixphere-cms.publixphere.de/de/bilder/prost 3 ution_gross.bmp/@@images/image.bmp) 4 5 ***Louisa startete die Diskussion [„Prostitution nun doch 6 gesetzlich verbieten?“](https://publixphere.de/d/274) (4. 7 Dezember 2013). Hintergrund ist die politische Debatte um 8 eine Verschärfung der Prostitutionsgesetzgebung in 9 Deutschland. @Louisa fragt, ob das schwedische Modell Sinn 10 macht, welches den Kauf sexueller Dienstleistungen 11 verbietet („Freier-Bestrafung“). Alle 12 Politik-Interessierten waren und sind eingeladen, sich 13 einzubringen. Die folgende 14 [Kurzdarstellung](https://publixphere.de/i/publixphere-de/pa 15 ge/1_Was_sind_Kurzdarstellungen) bezieht sich auf die 16 Kommentare und Beiträge bis zum 13. Juni 2014*** 17 18 ##Knackpunkte der Diskussion 19 20 - muss es das Ziel sein, Prostitution abzuschaffen oder 21 geht es darum rechtliche, gesellschaftliche und soziale 22 Bedingungen zu verbessern? 23 24 - gibt es freiwillige, selbstbestimmte, menschenwürdige 25 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und 26 Ausbeutung? 27 28 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem 29 Körper tun? -
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Juni 2014*** 17 18 ##Knackpunkte der Diskussion 19 20 - muss es das Ziel sein, Prostitution abzuschaffen oder 21 geht es darum rechtliche, gesellschaftliche und soziale 22 Bedingungen zu verbessern? 23 24 - gibt es freiwillige, selbstbestimmte, menschenwürdige 25 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und 26 Ausbeutung? 27 28 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem 29 Körper tun? 30 31 ##Politischer Kontext 32 33 Union und SPD einigten sich in ihrem 34 [Koalitionsvertrag](https://www.tagesschau.de/inland/koaliti 35 onsvertrag136.pdf) (Dezember 2013, Seite 104) darauf, die 36 Gesetzgebung zur Prostitution zu verschärfen. Ein konkreter 37 Gesetzentwurf wird noch erarbeitet (Stand 11. Juni 2014). 38 Das Bundesfamilienministerium hat erste Ansatzpunkte 39 [vorgestellt](http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did 40 =206114.html). Demnach soll unter anderem das Mindestalter 41 für Prostituierte von 18 auf 21 angehoben werden. 42 „Menschenunwürdige Geschäftsmodelle" wie Flatrate-Bordelle 43 soll es nicht mehr geben. 44 45 Die - seinerzeit rot-grüne - Bundesregierung hatte die 46 *Sittenwidrigkeit* von Prostitution 2002 47 [aufgehoben](http://de.wikipedia.org/wiki/Prostitutionsgeset 48 z). Das Ziel: die rechtliche und soziale Situation von 49 Prostituierten stärken. Frauenrechtlerinnen halten den 50 Ansatz jedoch für gescheitert. Das Gesetz von 2002 trage 51 die „Handschrift der Frauenhändler und ihrer 52 LobbyistInnen“, heißt es in einem „[Appel gegen 53 Prostitution](http://www.emma.de/thema/der-appell-gegen-pros 54 titution-111249)“ (Nobember 2013), initiiert von der 55 feministischen Zeitschrift „Emma“: „Seither ist Deutschland 56 zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies 57 der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“ 58 59 Von der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung fordert die 60 Initiative unter anderem: „die Ächtung und, wenn nötig, 61 auch Bestrafung der Freier“. Eine Bestrafung der Freier 62 findet sich auch im „nordischen“ oder „schwedischen“ 63 Modell. In Schweden ist der Kauf sexueller Dienstleistungen 64 seit 1998 verboten. Das EU-Parlament empfiehlt in einer 65 [Entschließung](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.d 66 o?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BD 67 OC%2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) (Februar 2014) 68 diesen Ansatz. Die deutsche Legalisierung komme einer 69 "Genehmigung der sexuellen Ausbeutung“ geich. 70 71 ##Themen der Publixphere-Diskussion: 72 73 **Fehlende Informationen** 74 75 Viele Kommentare verweisen auf fehlende Informationen zur 76 Prostitution in Deutschland und Europa. @Emil fragt 77 beispielsweise: „Gibt es verlässliche Zahlen und Fakten zu 78 einem erfolgreichen Verbot? Ist selbstbestimmte und 79 menschenwürdige Prostitution (...) ein Ausnahmefall?“. 80 [Patrick 81 Müller](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Patrick 82 Mueller/about) meint: „Ich habe den Eindruck, man weiß 83 besser, wie viel illegale Schwarzarbeit existiert als 84 legale Prostitution.“ 85 86 Schon über die Gründe der fehlenden Informationen gibt es 87 eine Kontroverse. @HekateGT kommentiert: „Das liegt unter 88 anderem daran, dass viele Sexarbeiterinnen sich nicht 89 öffentlich outen wollen, weil sie keine Lust darauf haben, 90 in ihrem privaten Umfeld diskriminiert und ausgegrenzt zu 91 werden.“ 92 [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a 93 bout) zufolge fehlen Statistiken, „weil (...) ein Großteil 94 der Frauen aus armen Ostblockländern zu uns kommen und sich 95 hier prostituieren bzw. zur Prostitution gezwungen werden. 96 Wer hat denn ein Interesse daran, dass diese Frauen 97 irgendwie 'registriert' werden? Die Zuhälter? Die 98 Bordellbesitzer? Die Frauen? Die Freier vielleicht? Wohl 99 eher nicht.“ 100 101 Zur Frage „Wer geht zu Prostituierten?“ hat @HannahDo eine 102 [eigene Diskussion](https://publixphere.de/d/292) 103 gestartet. Das Forum sammelt hier verschiedene Artikel zum 104 Thema. 105 106 **Was muss geregelt werden?** 107 108 Offen bleibt im Forum, welche Regelungen zu reformieren 109 sind, um Prostituierte (Frauen und Männer) vor Ausbeutung 110 zu schützen. @HekateGT kommentiert: „alle die widrigen 111 Begleitumstände, die immer wieder im Zusammenhang mit 112 Sexarbeit thematisiert werden - als da sind: sexuelle 113 Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel - werden bereits 114 durch das STGB (*„Strafgesetzbuch“, Anm. d. R.*) abgedeckt.” 115 116 @sonjdol hält das Prostitutionsgesetz für den falschen 117 Ansatzpunkt, um Menschenhandel einzudämmen – hierfür gebe 118 es Gesetze gegen Menschenhandel. „Ich verstehe nicht, warum 119 alle immer wieder in diese Falle tappen. Als würde man 120 Vergewaltigung durch eine Regulierung einvernehmlichen 121 Sexes reduzieren können und nicht durch Paragraphen, die 122 sich direkt auf Vergewaltigung beziehen.“ @sonjdol 123 fordert, eher über effektive Gesetze gegen Menschenhandel 124 zu diskutieren und die Opferrechte zu stärken, woran die 125 Politik aber kaum Interesse habe. 126 127 @Emil verweist dagegen auf den 128 [Entschluss](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?p 129 ubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BDOC% 130 2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) des EU-Parlaments. Ihm 131 zufolge stellt die Einstufung der Prostitution als legale 132 „Sexarbeit“ keine Lösung dar, um schutzbedürftige Frauen 133 und Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. @sonjdol 134 kritisiert den Parlamentsbeschluss scharf, unter anderem 135 als „Zeichen der anhaltenden Stigmatisierung“ von 136 Sexarbeiterinnen. 137 138 **Freierbestrafung** 139 140 Die Option, die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen 141 durch Freier zu verbieten („schwedisches Modell"), streift 142 das Forum nur kurz. @HekateGT hält es für einen „Schuss in 143 den Ofen: „(...) die Sexarbeit ist dadurch nicht weniger 144 geworden - aber die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen ist 145 dramatisch angestiegen.“ @sonjdol meint mit Verweis auf 146 einen 147 [Artikel](http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitu 148 tion-in-schweden-sexkaufverbot/) des Online-Magazins 149 menschenhandelheute.net: „Das Schwedische Modell basiert 150 auf der Stigmatisierung und Entrechtung von Prostituierten. 151 Es hilft ihnen nicht.“ Das Magazin Emma, auf dessen 152 Kampagne der Diskussionsanstoß Bezug nimmt, kommt dagegen 153 zu einer anderen 154 [Einschätzung](http://www.emma.de/artikel/dossier-prostituti 155 on-abschaffen-modell-schweden-265411): Die schwedische 156 Regierung könne belegen, „dass das Anti-Freier-Gesetz 157 Frauen und Mädchen aus dem Osten Europas vor 158 Zwangsprostitution schützt“. 159 160 **Sexarbeit oder Prostitution? Beruf oder Ausbeutung?** 161 162 In der Diskussion dominieren grundsätzliche Fragen zur 163 Prostitution – etwa, ob es sich um einen gesellschaftlich 164 akzeptierten Beruf handeln kann. @HekateGT sieht es so. 165 Sexarbeit sei "an sich" kein Problem. „Was wir brauchen 166 sind nicht zusätzliche Reglementierungen, sondern das 167 Herausholen der Sexarbeit aus der Grauzone. NICHT die 168 Sexarbeit ist das Problem, sondern die Art und Weise, in 169 der die Gesellschaft diesen Beruf wahrnimmt“. 170 171 Dagegen schreibt 172 [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a 173 bout): „Prostitution ist (...) eine der ältesten Arten von 174 Ausbeutung von Frauen. Es gab Zeiten und Gesellschaften 175 (und gibt es noch heute), da gehörten Frauen quasi zu 176 Haushalt (wie das Vieh).“ @sonjdol meint dagegen, die 177 meisten Sexarbeiter*innen würden ihre Würde nicht 178 angegriffen sehen. 179 180 **Wo fängt der Zwang an?** 181 182 Gerungen wird mit der Frage, ob es eine selbstbestimmte, 183 freiwilige Prostitution bzw. Sexarbeit geben kann. @Louisa 184 kommentiert: „Ich denke (...), dass viele durch bestimmte 185 (nicht frei entschiedene) Situationen das Gefühl haben, 186 sich prosituieren zu müssen. Auch dieses könnte man als 187 Zwangsprostitution im weitesten Sinne verstehen.“ 188 [Kilian](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Donkey 189 /about) meint: „Prostitution aus einer Zwangslage heraus 190 wollen wir nicht und wir wissen, das Zwang sehr früh 191 anfangen kann.“ @Emil verweist auf die Sichtweise des 192 schwedischen Gesetzgebers, wonach es einen selbstbestimmten 193 Sexarbeiter nicht geben könne, da immer ein 194 Abhängigkeitsverhältnis zwischen Käufer und Dienstleister 195 bestehe. 196 197 @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER 198 ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und 199 Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution 200 für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht 201 mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen, 202 solange kein Zwang im Spiel ist?“ 203 204 @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der 205 Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und 206 staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs, 207 Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen 208 Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(...) wenn 209 (...) Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest 210 von Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich 211 ein Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin 212 kämen wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte 213 Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst 214 vorbehalten würden?“ 215 216 **Darf der Staat eingreifen?** 217 218 Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der 219 Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der 220 "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der 221 Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung 222 abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder 223 Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf 224 meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs) 225 regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder 226 nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist 227 unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg 228 Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu 229 reden.“ 230 231 @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob 232 der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und 233 meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“ 234 [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a 235 bout) verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution 236 vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die 237 Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. 238 „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu, 239 dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware 240 werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann 241 und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und 242 Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben 243 wird dem etwas entgegenzusetzen?“ 244 245 Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft: 246 „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität – 247 immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele 248 Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von 249 einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik 250 ausgenommen sein?“ 251 252 @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin, 253 Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr 254 Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle 255 auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution 256 sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist eine 257 gesellschaftliche Praxis, die es immer geben wird - in der 258 einen oder anderen Form. Und sei es in der Form eines 259 Dates, wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn er sie zu einem 260 teuren Essen einlädt.“ 261 262 ------------------------------------------------------------ 263 --------------------------------- 264 265 ##Links 266 267 - [Hintergrundtext: 268 Prostitution](https://publixphere.de/i/publixphere-de/catego 269 ry/45) 270 271 - [Diskussion: Prostitution nun doch gesetzlich 272 verbieten?](https://publixphere.de/d/274) 273 274 - [Diskussion: Wer geht es darum rechtliche,275 gesellschaftliche und soziale Bedingungenzuverbessern?276 277 - gibt es freiwillige, selbstbestimmte, menschenwürdige278 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und279 Ausbeutung?280 281 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem282 Körper tun?283 284 ##Politischer Kontext285 286 Union und SPD einigten sich in ihrem287 [Koalitionsvertrag](https://www.tagesschau.de/inland/koaliti288 onsvertrag136.pdf) (Dezember 2013, Seite 104) darauf, die289 Gesetzgebung zur Prostitution zu verschärfen. Ein konkreter290 Gesetzentwurf wird noch erarbeitet (Stand 11. Juni 2014).291 Das Bundesfamilienministerium hat erste Ansatzpunkte292 [vorgestellt](http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did293 =206114.html). Demnach soll unter anderem das Mindestalter294 für Prostituierte von 18 auf 21 angehoben werden.295 „Menschenunwürdige Geschäftsmodelle" wie Flatrate-Bordelle296 soll es nicht mehr geben.297 298 Die - seinerzeit rot-grüne - Bundesregierung hatte die299 *Sittenwidrigkeit* von Prostitution 2002300 [aufgehoben](http://de.wikipedia.org/wiki/Prostitutionsgeset301 z). Das Ziel: die rechtliche und soziale Situation von302 Prostituierten stärken. Frauenrechtlerinnen halten den303 Ansatz jedoch für gescheitert. Das Gesetz von 2002 trage304 die „Handschrift der Frauenhändler und ihrer305 LobbyistInnen“, heißt es in einem „[Appel gegen306 Prostitution](http://www.emma.de/thema/der-appell-gegen-pros307 titution-111249)“ (Nobember 2013), initiiert von der308 feministischen Zeitschrift „Emma“: „Seither ist Deutschland309 zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies310 der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“311 312 Von der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung fordert die313 Initiative unter anderem: „die Ächtung und, wenn nötig,314 auch Bestrafung der Freier“. Eine Bestrafung der Freier315 findet sich auch im „nordischen“ oder „schwedischen“316 Modell. In Schweden ist der Kauf sexueller Dienstleistungen317 seit 1998 verboten. Das EU-Parlament empfiehlt in einer318 [Entschließung](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.d319 o?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BD320 OC%2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) (Februar 2014)321 diesen Ansatz. Die deutsche Legalisierung komme einer322 "Genehmigung der sexuellen Ausbeutung“ geich.323 324 ##Themen der Publixphere-Diskussion:325 326 **Fehlende Informationen**327 328 Viele Kommentare verweisen auf fehlende Informationen zur329 Prostitution in Deutschland und Europa. @Emil fragt330 beispielsweise: „Gibt es verlässliche Zahlen und Fakten zu331 einem erfolgreichen Verbot? Ist selbstbestimmte und332 menschenwürdige Prostitution (...) ein Ausnahmefall?“.333 [Patrick334 Müller](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Patrick335 Mueller/about) meint: „Ich habe den Eindruck, man weiß336 besser, wie viel illegale Schwarzarbeit existiert als337 legale Prostitution.“338 339 Schon über die Gründe der fehlenden Informationen gibt es340 eine Kontroverse. @HekateGT kommentiert: „Das liegt unter341 anderem daran, dass viele Sexarbeiterinnen sich nicht342 öffentlich outen wollen, weil sie keine Lust darauf haben,343 in ihrem privaten Umfeld diskriminiert und ausgegrenzt zu344 werden.“345 [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a346 bout) zufolge fehlen Statistiken, „weil (...) ein Großteil347 der Frauen aus armen Ostblockländern zu uns kommen und sich348 hier prostituieren bzw. zur Prostitution gezwungen werden.349 Wer hat denn ein Interesse daran, dass diese Frauen350 irgendwie 'registriert' werden? Die Zuhälter? Die351 Bordellbesitzer? Die Frauen? Die Freier vielleicht? Wohl352 eher nicht.“353 354 Zur Frage „Wer geht zu Prostituierten?“ hat @HannahDo eine355 [eigene Diskussion](https://publixphere.de/d/292)356 gestartet. Das Forum sammelt hier verschiedene Artikel zum357 Thema.358 359 **Was muss geregelt werden?**360 361 Offen bleibt im Forum, welche Regelungen zu reformieren362 sind, um Prostituierte (Frauen und Männer) vor Ausbeutung363 zu schützen. @HekateGT kommentiert: „alle die widrigen364 Begleitumstände, die immer wieder im Zusammenhang mit365 Sexarbeit thematisiert werden - als da sind: sexuelle366 Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel - werden bereits367 durch das STGB (*„Strafgesetzbuch“, Anm. d. R.*) abgedeckt.”368 369 @sonjdol hält das Prostitutionsgesetz für den falschen370 Ansatzpunkt, um Menschenhandel einzudämmen – hierfür gebe371 es Gesetze gegen Menschenhandel. „Ich verstehe nicht, warum372 alle immer wieder in diese Falle tappen. Als würde man373 Vergewaltigung durch eine Regulierung einvernehmlichen374 Sexes reduzieren können und nicht durch Paragraphen, die375 sich direkt auf Vergewaltigung beziehen.“ @sonjdol376 fordert, eher über effektive Gesetze gegen Menschenhandel377 zu diskutieren und die Opferrechte zu stärken, woran die378 Politik aber kaum Interesse habe.379 380 @Emil verweist dagegen auf den381 [Entschluss](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?p382 ubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT%2BREPORT%2BA7-2014-0071%2B0%2BDOC%383 2BXML%2BV0%2F%2FDE&language=DE) des EU-Parlaments. Ihm384 zufolge stellt die Einstufung der Prostitution als legale385 „Sexarbeit“ keine Lösung dar, um schutzbedürftige Frauen386 und Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. @sonjdol387 kritisiert den Parlamentsbeschluss scharf, unter anderem388 als „Zeichen der anhaltenden Stigmatisierung“ von389 Sexarbeiterinnen.390 391 **Freierbestrafung**392 393 Die Option, die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen394 durch Freier zu verbieten („schwedisches Modell"), streift395 das Forum nur kurz. @HekateGT hält es für einen „Schuss in396 den Ofen: „(...) die Sexarbeit ist dadurch nicht weniger397 geworden - aber die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen ist398 dramatisch angestiegen.“ @sonjdol meint mit Verweis auf399 einen400 [Artikel](http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitu401 tion-in-schweden-sexkaufverbot/) des Online-Magazins402 menschenhandelheute.net: „Das Schwedische Modell basiert403 auf der Stigmatisierung und Entrechtung von Prostituierten.404 Es hilft ihnen nicht.“ Das Magazin Emma, auf dessen405 Kampagne der Diskussionsanstoß Bezug nimmt, kommt dagegen406 zu einer anderen407 [Einschätzung](http://www.emma.de/artikel/dossier-prostituti408 on-abschaffen-modell-schweden-265411): Die schwedische409 Regierung könne belegen, „dass das Anti-Freier-Gesetz410 Frauen und Mädchen aus dem Osten Europas vor411 Zwangsprostitution schützt“.412 413 **Sexarbeit oder Prostitution? Beruf oder Ausbeutung?**414 415 In der Diskussion dominieren grundsätzliche Fragen zur416 Prostitution – etwa, ob es sich um einen gesellschaftlich417 akzeptierten Beruf handeln kann. @HekateGT sieht es so.418 Sexarbeit sei "an sich" kein Problem. „Was wir brauchen419 sind nicht zusätzliche Reglementierungen, sondern das420 Herausholen der Sexarbeit aus der Grauzone. NICHT die421 Sexarbeit ist das Problem, sondern die Art und Weise, in422 der die Gesellschaft diesen Beruf wahrnimmt“.423 424 Dagegen schreibt425 [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a426 bout): „Prostitution ist (...) eine der ältesten Arten von427 Ausbeutung von Frauen. Es gab Zeiten und Gesellschaften428 (und gibt es noch heute), da gehörten Frauen quasi zu429 Haushalt (wie das Vieh).“ @sonjdol meint dagegen, die430 meisten Sexarbeiter*innen würden ihre Würde nicht431 angegriffen sehen.432 433 **Wo fängt der Zwang an?**434 435 Gerungen wird mit der Frage, ob es eine selbstbestimmte,436 freiwilige Prostitution bzw. Sexarbeit geben kann. @Louisa437 kommentiert: „Ich denke (...), dass viele durch bestimmte438 (nicht frei entschiedene) Situationen das Gefühl haben,439 sich prosituieren zu müssen. Auch dieses könnte man als440 Zwangsprostitution im weitesten Sinne verstehen.“441 [Kilian](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/Donkey442 /about) meint: „Prostitution aus einer Zwangslage heraus443 wollen wir nicht und wir wissen, das Zwang sehr früh444 anfangen kann.“ @Emil verweist auf die Sichtweise des445 schwedischen Gesetzgebers, wonach es einen selbstbestimmten446 Sexarbeiter nicht geben könne, da immer ein447 Abhängigkeitsverhältnis zwischen Käufer und Dienstleister448 bestehe.449 450 @HekateGT verweist hier auf andere Berufe: „Es gibt IMMER451 ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und452 Arbeitnehmer“. @sonjdol hält die freiwillige Prostitution453 für möglich, wenn sie fragt: „Warum sollen Menschen nicht454 mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen,455 solange kein Zwang im Spiel ist?“456 457 @HekateGT dreht das Zwangsargument um, und sieht in der458 Sexarbeit auch eine Befreiung von ökonomischen und459 staatlichen Zwängen (Leiharbeit, Werkverträge, Billigjobs,460 Hartz IV). Ihrer Auffassung zufolge wollen461 Prostitutionsgegner diesen Weg verhindern: „(...) wenn462 (...) Frauen in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest463 von Selbstständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich464 ein Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin465 kämen wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte466 Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst467 vorbehalten würden?“468 469 **Darf der Staat eingreifen?**470 471 Verschiedene Sichtweisen gibt es auch zur Frage, wann der472 Staat sexuelle Aktivitäten regulieren darf. Im Fall der473 "Sexarbeit" lehnt @sonjdol das grundsätzlich ab: „Nein, der474 Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung475 abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder476 Eigentum noch Sklavin des Staates. Der Staat darf477 meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs)478 regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder479 nicht, definitiv nicht.“ @Undine kommentiert: „Es ist480 unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg481 Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu482 reden.“483 484 @Emil meint dagegen: „..bei der grundsätzlichen Frage, ob485 der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und486 meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.“487 [Berta](https://publixphere.de/i/publixphere-de/user/berta/a488 bout) verteidigt den Ansatz, gesetzlich gegen Prostitution489 vorzugehen. Es gehe in der Prostitutionsdebatte um die490 Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen.491 „Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu,492 dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware493 werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann494 und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und495 Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben496 wird dem etwas entgegenzusetzen?“497 498 Auch @Krause fragt nach den Grenzen der Marktwirtschaft:499 „Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität –500 immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele501 Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von502 einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik503 ausgenommen sein?“504 505 @sonjdol kommentiert dagegen: „Kapitalismus hin,506 Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr507 Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle508 auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.“ Prostitution509 sei gesetzlich nicht abzuschaffen. „Es ist eine510 gesellschaftliche Praxis, die es immer geben wird - in der511 einen oder anderen Form. Und sei es in der Form eines512 Dates, wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn er sie zu einem513 teuren Essen einlädt.“514 515 ------------------------------------------------------------516 ---------------------------------517 518 ##Links519 520 - [Hintergrundtext:521 Prostitution](https://publixphere.de/i/publixphere-de/catego522 ry/45)523 524 - [Diskussion: Prostitution nun doch gesetzlich525 verbieten?](https://publixphere.de/d/274)526 527 - [Diskussion: Wer geht zu528 Prostituierten?](https://publixphere.de/d/292) -
Prostitution gesetzlich verbieten? (Originalversion)
von admin, angelegt1 ![Foto: Jake Guild (CC BY 2 2.0)](https://publixphere-cms.publixphere.de/de/bilder/prost 3 ution_gross.bmp/@@images/image.bmp) 4 5 ***Louisa startete die Diskussion [„Prostitution nun doch 6 gesetzlich verbieten?“](https://publixphere.de/d/274) (4. 7 Dezember 2013). Hintergrund ist die politische Debatte um 8 eine Verschärfung der Prostitutionsgesetzgebung in 9 Deutschland. @Louisa fragt, ob das schwedische Modell Sinn 10 macht, welches den Kauf sexueller Dienstleistungen 11 verbietet („Freier-Bestrafung“). Alle 12 Politik-Interessierten waren und sind eingeladen, sich 13 einzubringen. Die folgende 14 [Kurzdarstellung](https://publixphere.de/i/publixphere-de/pa 15 ge/1_Was_sind_Kurzdarstellungen) bezieht sich auf die 16 Kommentare und Beiträge bis zum 13. Juni 2014*** 17 18 ##Knackpunkte der Diskussion 19 20 - muss es das Ziel sein, Prostitution abzuschaffen oder 21 geht es darum rechtliche, gesellschaftliche und soziale 22 Bedingungen zu verbessern? 23 24 - gibt es freiwillige, selbstbestimmte, menschenwürdige 25 Prostitution bzw. Sexarbeit? Wo beginnen Zwang und 26 Ausbeutung? 27 28 - Darf der Staat darüber bestimmen, was Menschen mit ihrem 29 Körper tun?