Das Geschäftsmodell - die fünfte Gewalt im Staate? - Historie

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  • Das Geschäftsmodell - die fünfte Gewalt im Staate?

    von Community Management , angelegt

    Geschäftsmodell Geschäftsmodell Foto & Teaser: Kay Strasser


    Ein Beitrag von Kay Strasser

    Spätestens seit dem NSA-Skandal ist die Datendebatte in aller Munde. Erschreckende Begrifflichkeiten wie staatliche Überwachung und Cloudspionage laufen mit verführerischen Phrasen zu Onlineshopping und Sozialmedien um die Wette. Es ist eine wahre Lust zu skypen, zu tindern und zu twittern - und gleichzeitig überfällt uns plötzlich ein tiefes Misstrauen in alles Digitale. Hilflos kleben wir unsere Webcams ab und hoffen insgeheim, dass doch nicht alles ganz so schlimm ist.

    Aber womöglich hinkt die aktuelle Diskussion über Datensicherheit und die Risiken und Chancen von Big Data den Gegebenheiten schon längst hinterher. Denn mittlerweile gilt es nicht nur das Gewaltmonopol des Staates im Auge zu behalten - mit seinem oft widersprüchlich wahrgenommenen Bestreben nach mehr oder minder kontrollierter Freiheit - sondern eben auch Unternehmen wie Google oder Facebook, die unter dem Radar jeder gesetzlichen Kontrolle fortwährend Mechanismen in unserer Gesellschaft installieren, welche aufgrund ihrer vordergründigen Attraktivität nur noch ansatzweise hinterfragt werden. Wem ist schon bewusst, dass der bequeme Zugang zu allseits wie allzeit verfügbaren Dokumenten in der Cloud nicht nur bequem, sondern auch weit problematischer ist, als es jede Volkszählung oder gar die jahrzehntelange Überwachung durch die Staatssicherheit in der DDR je hätten sein können? Problematisch nicht nur, weil man sich hier gegen böswillige Hacker schützen muss, die womöglich unsere selbstgefertigten Nacktbildchen aus dem grossen Teich der persönlich reproduzierten Eitelkeiten fischen könnten. Sondern eben auch, weil diese Entwicklung die grundsätzliche Frage aufwirft, wem die Daten und Informationen eigentlich gehören, rechtlich aber auch faktisch. Und wem sie nützen. Diese Entwicklung legt einen Finger in jene Wunde, die schon lange vor der Datendebatte prophylaktisch blutete: die des geistigen Eigentums.

    Knapp ein Jahrhundert lang haben wir versucht, alle Schöpfungen und Entwicklungen in unser Raster des Besitzstanddenkens einzuordnen. Haben sie mit Urheberrecht, in Patentämtern und vor Gericht zu verteidigen versucht und damit grosse Apparate an Schutzmechanismen aufgebaut, die spätestens seit der digitalen Revolution immer mehr versagen. Erst traf es die gesamte Musikindustrie, die sich mit einer technischen Erfindung wie der mp3-Datei bis zur restlosen Erschöpfung verausgabte, dann stolperte die Film- und Spieleindustrie im selben Zuge über exponentiell steigende Datenübertragungsraten unserer Netze - und nun stehen womöglich selbst dem produzierenden Gewerbe wie beispielsweise der Textilindustrie mit der Etablierung von 3D-Druckern ähnliche Herausforderungen bevor. Von Kopien und Plagiaten erst gar nicht zu reden. Und es sind keinesfalls die Bastler und die Garagenvisionäre, die den Status Quo derart massiv in Frage stellen, sondern ausgerechnet gewachsene Giganten wie Apple oder Amazon, die nun mit dem Dateneigentum ihrer Kunden virtuos experimentieren. Ganz unscheinbar bauen sie sich als eine Art fünfte Gewalt in unserem Staate auf und werden so nicht nur im internationalen Steuerrecht zu einem einflussreichen Machtfaktor, der so in unserm Gewaltenteilungsmodell aus Gesetzgebung, Vollziehung und Rechtsprechung eigentlich gar nicht vorgesehen war. Sondern sie rivalisieren nun auch mit jener Pressefreiheit, die sich nicht ohne Grund über die vergangenen Jahrzehnte hinweg als kontrollierende Instanz und vierte Kraft noch mit in dieses Modell hineingearbeitet hatte.

    Doch was sind Firmen wie Google oder Amazon eigentlich? Sie sind in erster Linie Geschäftsmodelle: während der einstige Suchmaschinendienst bis heute behauptet, er würde nicht ausschliesslich, aber eben auch im Dienste der Weltgesellschaft stehen, macht der einstige Bücherhändler gar keinen Hehl daraus, dass er vor allem Geld verdienen möchte. Die Wertschöpfung dieser Unternehmen besteht schon lange nicht mehr nur im Sammeln von Daten, sondern viel schlauer in ihrer ergiebigen Vernetzung. Und diese Bündelung ist nicht nur dauerhaft und lukrativ, sondern damit eben auch ein erheblicher Machtfaktor, der weit über jene in der klassischen Kapitalismuskritik betrachtete Konzern- und Bankenmacht hinausgeht. Tagtäglich können wir unsere Volksvertreter dabei beobachten, wie sie sich ratlos wie wir selbst oder zuweilen auch mit kurzsichtigem Eigennutz dieser Dynamik fügen und damit vermutlich unzähligen ähnlichen Geschäftsmodellen auch künftig das Feld überlassen werden. Wollen wir das wirklich?

    Und was kann die pluralistische Gesellschaft, als die wir uns nach wie vor verstehen, dem entgegensetzen? Wollen wir unsere Daten mit den selben Mechanismen schützen, die andernorts nicht nur von der NSA längst ausgehöhlt sind? Hier lohnt es sich zu erinnern, dass Technologien niemals Einbahnstrassen waren. Jedes strategisch entwickelte Produkt liess sich mit entsprechend kreativer Kraft irgendwann auch im gegenteiligen Sinne nutzen - sofern die Gesellschaft ein Gespür dafür zu entwickeln vermochte. Das Digitale ist gut und böse zugleich. So wie sich kein System der Welt vor Missbrauch schützen kann, so ist auch keines resistent dagegen, sinnvoll auf den Kopf gestellt zu werden. Die sogenannten 'Facebookrevolutionen' im verpufften arabischen Frühling geben nur eine blasse Ahnung davon, was möglich wäre, wenn man sich systematisch damit auseinandersetzen würde. Und auch die jungen Musiker haben sich längst darauf besonnen, dass die Essenz ihres Schaffens und Einkommens nicht eine kleine silberne Scheibe ist, sondern der aktive Dienst am Publikum: auf Konzerten, in Fangruppen und nicht zuletzt gerade in dezentralen, aber ehrlichen Crowdfundingaktionen. Eventuell müssen wir uns daran gewöhnen, dass Schöpfungen wie Daten im digitalen Zeitalter nicht mehr exklusiv sein können - und würden wir sie so frei geben wie sie eigentlich schon längst sind, dann liesse sich mit ihrem Besitz auch nicht mehr so viel Geld verdienen. Im Gegenzug könnten wir innovative Mechanismen entwickeln, tatsächlich verantwortlich und gegebenenfalls auch zivilgesellschaftlich mit diesem Phänomen umzugehen - hier gäbe es genug zu forschen und zu verstehen für Universitäten und wahre Humanisten. Hier könnten wir uns schliesslich selbst trainieren, Geschäftsmodelle gemeinschaftlich und konstruktiv zu verändern, sei es als Partner, Mitwirkende oder auch als Konsumenten. Mit der gleichen Lust, mit der wir skypen, tindern und twittern, könnten wir auch diese Herausforderung betrachten: wenn wir begreifen, dass dieses Internet unser Internet ist. Denn eventuell sind solche Formen des positiven Hackings ja die einzige Chance, die wir als Menschen im digitalen Strom noch haben? (Kay Strasser / 6.11.2014)

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    GeschäftsmodellFoto & Teaser: Kay Strasser


    Ein Beitrag von Kay Strasser

    Spätestens seit dem NSA-Skandal ist die Datendebatte in aller Munde. Erschreckende Begrifflichkeiten wie staatliche Überwachung und Cloudspionage laufen mit verführerischen Phrasen zu Onlineshopping und Sozialmedien um die Wette. Es ist eine wahre Lust zu skypen, zu tindern und zu twittern - und gleichzeitig überfällt uns plötzlich ein tiefes Misstrauen in alles Digitale. Hilflos kleben wir unsere Webcams ab und hoffen insgeheim, dass doch nicht alles ganz so schlimm ist.

    Aber womöglich hinkt die aktuelle Diskussion über Datensicherheit und die Risiken und Chancen von Big Data den Gegebenheiten schon längst hinterher. Denn mittlerweile gilt es nicht nur das Gewaltmonopol des Staates im Auge zu behalten - mit seinem oft widersprüchlich wahrgenommenen Bestreben nach mehr oder minder kontrollierter Freiheit - sondern eben auch Unternehmen wie Google oder Facebook, die unter dem Radar jeder gesetzlichen Kontrolle fortwährend Mechanismen in unserer Gesellschaft installieren, welche aufgrund ihrer vordergründigen Attraktivität nur noch ansatzweise hinterfragt werden. Wem ist schon bewusst, dass der bequeme Zugang zu allseits wie allzeit verfügbaren Dokumenten in der Cloud nicht nur bequem, sondern auch weit problematischer ist, als es jede Volkszählung oder gar die jahrzehntelange Überwachung durch die Staatssicherheit in der DDR je hätten sein können? Problematisch nicht nur, weil man sich hier gegen böswillige Hacker schützen muss, die womöglich unsere selbstgefertigten Nacktbildchen aus dem grossen Teich der persönlich reproduzierten Eitelkeiten fischen könnten. Sondern eben auch, weil diese Entwicklung die grundsätzliche Frage aufwirft, wem die Daten und Informationen eigentlich gehören, rechtlich aber auch faktisch. Und wem sie nützen. Diese Entwicklung legt einen Finger in jene Wunde, die schon lange vor der Datendebatte prophylaktisch blutete: die des geistigen Eigentums.

    Knapp ein Jahrhundert lang haben wir versucht, alle Schöpfungen und Entwicklungen in unser Raster des Besitzstanddenkens einzuordnen. Haben sie mit Urheberrecht, in Patentämtern und vor Gericht zu verteidigen versucht und damit grosse Apparate an Schutzmechanismen aufgebaut, die spätestens seit der digitalen Revolution immer mehr versagen. Erst traf es die gesamte Musikindustrie, die sich mit einer technischen Erfindung wie der mp3-Datei bis zur restlosen Erschöpfung verausgabte, dann stolperte die Film- und Spieleindustrie im selben Zuge über exponentiell steigende Datenübertragungsraten unserer Netze - und nun stehen womöglich selbst dem produzierenden Gewerbe wie beispielsweise der Textilindustrie mit der Etablierung von 3D-Druckern ähnliche Herausforderungen bevor. Von Kopien und Plagiaten erst gar nicht zu reden. Und es sind keinesfalls die Bastler und die Garagenvisionäre, die den Status Quo derart massiv in Frage stellen, sondern ausgerechnet gewachsene Giganten wie Apple oder Amazon, die nun mit dem Dateneigentum ihrer Kunden virtuos experimentieren. Ganz unscheinbar bauen sie sich als eine Art fünfte Gewalt in unserem Staate auf und werden so nicht nur im internationalen Steuerrecht zu einem einflussreichen Machtfaktor, der so in unserm Gewaltenteilungsmodell aus Gesetzgebung, Vollziehung und Rechtsprechung eigentlich gar nicht vorgesehen war. Sondern sie rivalisieren nun auch mit jener Pressefreiheit, die sich nicht ohne Grund über die vergangenen Jahrzehnte hinweg als kontrollierende Instanz und vierte Kraft noch mit in dieses Modell hineingearbeitet hatte.

    Doch was sind Firmen wie Google oder Amazon eigentlich? Sie sind in erster Linie Geschäftsmodelle: während der einstige Suchmaschinendienst bis heute behauptet, er würde nicht ausschliesslich, aber eben auch im Dienste der Weltgesellschaft stehen, macht der einstige Bücherhändler gar keinen Hehl daraus, dass er vor allem Geld verdienen möchte. Die Wertschöpfung dieser Unternehmen besteht schon lange nicht mehr nur im Sammeln von Daten, sondern viel schlauer in ihrer ergiebigen Vernetzung. Und diese Bündelung ist nicht nur dauerhaft und lukrativ, sondern damit eben auch ein erheblicher Machtfaktor, der weit über jene in der klassischen Kapitalismuskritik betrachtete Konzern- und Bankenmacht hinausgeht. Tagtäglich können wir unsere Volksvertreter dabei beobachten, wie sie sich ratlos wie wir selbst oder zuweilen auch mit kurzsichtigem Eigennutz dieser Dynamik fügen und damit vermutlich unzähligen ähnlichen Geschäftsmodellen auch künftig das Feld überlassen werden. Wollen wir das wirklich?

    Und was kann die pluralistische Gesellschaft, als die wir uns nach wie vor verstehen, dem entgegensetzen? Wollen wir unsere Daten mit den selben Mechanismen schützen, die andernorts nicht nur von der NSA längst ausgehöhlt sind? Hier lohnt es sich zu erinnern, dass Technologien niemals Einbahnstrassen waren. Jedes strategisch entwickelte Produkt liess sich mit entsprechend kreativer Kraft irgendwann auch im gegenteiligen Sinne nutzen - sofern die Gesellschaft ein Gespür dafür zu entwickeln vermochte. Das Digitale ist gut und böse zugleich. So wie sich kein System der Welt vor Missbrauch schützen kann, so ist auch keines resistent dagegen, sinnvoll auf den Kopf gestellt zu werden. Die sogenannten 'Facebookrevolutionen' im verpufften arabischen Frühling geben nur eine blasse Ahnung davon, was möglich wäre, wenn man sich systematisch damit auseinandersetzen würde. Und auch die jungen Musiker haben sich längst darauf besonnen, dass die Essenz ihres Schaffens und Einkommens nicht eine kleine silberne Scheibe ist, sondern der aktive Dienst dienst am Publikum: auf Konzerten, in Fangruppen und nicht zuletzt gerade in dezentralen, aber ehrlichen Crowdfundingaktionen. Eventuell müssen wir uns daran gewöhnen, dass Schöpfungen wie Daten im digitalen Zeitalter nicht mehr exklusiv sein können - und würden wir sie so frei geben wie sie eigentlich schon längst sind, dann liesse sich mit ihrem Besitz auch nicht mehr so viel Geld verdienen. Im Gegenzug könnten wir innovative Mechanismen entwickeln, tatsächlich verantwortlich und gegebenenfalls auch zivilgesellschaftlich mit diesem Phänomen umzugehen - hier gäbe es genug zu forschen und zu verstehen für Universitäten und wahre Humanisten. Hier könnten wir uns schliesslich selbst trainieren, Geschäftsmodelle gemeinschaftlich und konstruktiv zu verändern, sei es als Partner, Mitwirkende oder auch als Konsumenten. Mit der gleichen Lust, mit der wir skypen, tindern und twittern, könnten wir auch diese Herausforderung betrachten: wenn wir begreifen, dass dieses Internet unser Internet ist. Denn eventuell sind solche Formen des positiven Hackings ja die einzige Chance, die wir als Menschen menschen im digitalen Strom noch haben? (Kay Strasser / 6.11.2014)

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    Spätestens seit dem NSA-Skandal ist die Datendebatte in aller Munde. Erschreckende Begrifflichkeiten wie staatliche Überwachung und Cloudspionage laufen mit verführerischen Phrasen zu Onlineshopping und Sozialmedien um die Wette. Es ist eine wahre Lust zu skypen, zu tindern und zu twittern - und gleichzeitig überfällt uns plötzlich ein tiefes Misstrauen in alles Digitale. Hilflos kleben wir unsere Webcams ab und hoffen insgeheim, dass doch nicht alles ganz so schlimm ist.

    Aber womöglich hinkt die aktuelle Diskussion über Datensicherheit und die Risiken und Chancen von Big Data den Gegebenheiten schon längst hinterher. Denn mittlerweile gilt es nicht nur das Gewaltmonopol des Staates im Auge zu behalten - mit seinem oft widersprüchlich wahrgenommenen Bestreben nach mehr oder minder kontrollierter Freiheit - sondern eben auch Unternehmen wie Google oder Facebook, die unter dem Radar jeder gesetzlichen Kontrolle fortwährend Mechanismen in unserer Gesellschaft installieren, welche aufgrund ihrer vordergründigen Attraktivität nur noch ansatzweise hinterfragt werden. Wem ist schon bewusst, dass der bequeme Zugang zu allseits wie allzeit verfügbaren Dokumenten in der Cloud nicht nur bequem, sondern auch weit problematischer ist, als es jede Volkszählung oder gar die jahrzehntelange Überwachung durch die Staatssicherheit in der DDR je hätten sein können? Problematisch nicht nur, weil man sich hier gegen böswillige Hacker schützen muss, die womöglich unsere selbstgefertigten Nacktbildchen aus dem grossen Teich der persönlich reproduzierten Eitelkeiten fischen könnten. Sondern eben auch, weil diese Entwicklung die grundsätzliche Frage aufwirft, wem die Daten und Informationen eigentlich gehören, rechtlich aber auch faktisch. Und wem sie nützen. Diese Entwicklung legt einen Finger in jene Wunde, die schon lange vor der Datendebatte prophylaktisch blutete: die des geistigen Eigentums.

    Knapp ein Jahrhundert lang haben wir versucht, alle Schöpfungen und Entwicklungen in unser Raster des Besitzstanddenkens einzuordnen. Haben sie mit Urheberrecht, in Patentämtern und vor Gericht zu verteidigen versucht und damit grosse Apparate an Schutzmechanismen aufgebaut, die spätestens seit der digitalen Revolution immer mehr versagen. Erst traf es die gesamte Musikindustrie, die sich mit einer technischen Erfindung wie der mp3-Datei bis zur restlosen Erschöpfung verausgabte, dann stolperte die Film- und Spieleindustrie im selben Zuge über exponentiell steigende Datenübertragungsraten unserer Netze - und nun stehen womöglich selbst dem produzierenden Gewerbe wie beispielsweise der Textilindustrie mit der Etablierung von 3D-Druckern ähnliche Herausforderungen bevor. Von Kopien und Plagiaten erst gar nicht zu reden. Und es sind keinesfalls die Bastler und die Garagenvisionäre, die den Status Quo derart massiv in Frage stellen, sondern ausgerechnet gewachsene Giganten wie Apple oder Amazon, die nun mit dem Dateneigentum ihrer Kunden virtuos experimentieren. Ganz unscheinbar bauen sie sich als eine Art fünfte Gewalt in unserem Staate auf und werden so nicht nur im internationalen Steuerrecht zu einem einflussreichen Machtfaktor, der so in unserm Gewaltenteilungsmodell aus Gesetzgebung, Vollziehung und Rechtsprechung eigentlich gar nicht vorgesehen war. Sondern sie rivalisieren nun auch mit jener Pressefreiheit, die sich nicht ohne Grund über die vergangenen Jahrzehnte hinweg als kontrollierende Instanz und vierte Kraft noch mit in dieses Modell hineingearbeitet hatte.

    Doch was sind Firmen wie Google oder Amazon eigentlich? Sie sind in erster Linie Geschäftsmodelle: während der einstige Suchmaschinendienst bis heute behauptet, er würde nicht ausschliesslich, aber eben auch im Dienste der Weltgesellschaft stehen, macht der einstige Bücherhändler gar keinen Hehl daraus, dass er vor allem Geld verdienen möchte. Die Wertschöpfung dieser Unternehmen besteht schon lange nicht mehr nur im Sammeln von Daten, sondern viel schlauer in ihrer ergiebigen Vernetzung. Und diese Bündelung ist nicht nur dauerhaft und lukrativ, sondern damit eben auch ein erheblicher Machtfaktor, der weit über jene in der klassischen Kapitalismuskritik betrachtete Konzern- und Bankenmacht hinausgeht. Tagtäglich können wir unsere Volksvertreter dabei beobachten, wie sie sich ratlos wie wir selbst oder zuweilen auch mit kurzsichtigem Eigennutz dieser Dynamik fügen und damit vermutlich unzähligen ähnlichen Geschäftsmodellen auch künftig das Feld überlassen werden. Wollen wir das wirklich?

    Und was kann die pluralistische Gesellschaft, als die wir uns nach wie vor verstehen, dem entgegensetzen? Wollen wir unsere Daten mit den selben Mechanismen schützen, die andernorts nicht nur von der NSA längst ausgehöhlt sind? Hier lohnt es sich zu erinnern, dass Technologien niemals Einbahnstrassen waren. Jedes strategisch entwickelte Produkt liess sich mit entsprechend kreativer Kraft irgendwann auch im gegenteiligen Sinne nutzen - sofern die Gesellschaft ein Gespür dafür zu entwickeln vermochte. Das Digitale ist gut und böse zugleich. So wie sich kein System der Welt vor Missbrauch schützen kann, so ist auch keines resistent dagegen, sinnvoll auf den Kopf gestellt zu werden. Die sogenannten 'Facebookrevolutionen' im verpufften arabischen Frühling geben nur eine blasse Ahnung davon, was möglich wäre, wenn man sich systematisch damit auseinandersetzen würde. Und auch die jungen Musiker haben sich längst darauf besonnen, dass die Essenz ihres Schaffens und Einkommens nicht eine kleine silberne Scheibe ist, sondern der aktive dienst am Publikum: auf Konzerten, in Fangruppen und nicht zuletzt gerade in dezentralen, aber ehrlichen Crowdfundingaktionen. Eventuell müssen wir uns daran gewöhnen, dass Schöpfungen wie Daten im digitalen Zeitalter nicht mehr exklusiv sein können - und würden wir sie so frei geben wie sie eigentlich schon längst sind, dann liesse sich mit ihrem Besitz auch nicht mehr so viel Geld verdienen. Im Gegenzug könnten wir innovative Mechanismen entwickeln, tatsächlich verantwortlich und gegebenenfalls auch zivilgesellschaftlich mit diesem Phänomen umzugehen - hier gäbe es genug zu forschen und zu verstehen für Universitäten und wahre Humanisten. Hier könnten wir uns schliesslich selbst trainieren, Geschäftsmodelle gemeinschaftlich und konstruktiv zu verändern, sei es als Partner, Mitwirkende oder auch als Konsumenten. Mit der gleichen Lust, mit der wir skypen, tindern und twittern, könnten wir auch diese Herausforderung betrachten: wenn wir begreifen, dass dieses Internet unser Internet ist. Denn eventuell sind solche Formen des positiven Hackings ja die einzige Chance, die wir als menschen im digitalen Strom noch haben? (Kay Strasser / 6.11.2014)

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  • Das Geschäftsmodell - die fünfte Gewalt im Staate?

    von Community Management , angelegt

    GeschäftsmodellFoto & Teaser: Kay Strasser


    Das Geschäftsmodell - die fünfte Gewalt im Staate?

    Spätestens seit dem NSA-Skandal ist die Datendebatte in aller Munde. Erschreckende Begrifflichkeiten wie staatliche Überwachung und Cloudspionage laufen mit verführerischen Phrasen zu Onlineshopping und Sozialmedien um die Wette. Es ist eine wahre Lust zu skypen, zu tindern und zu twittern - und gleichzeitig überfällt uns plötzlich ein tiefes Misstrauen in alles Digitale. Hilflos kleben wir unsere Webcams ab und hoffen insgeheim, dass doch nicht alles ganz so schlimm ist.

    Aber womöglich hinkt die aktuelle Diskussion über Datensicherheit und die Risiken und Chancen von Big Data den Gegebenheiten schon längst hinterher. Denn mittlerweile gilt es nicht nur das Gewaltmonopol des Staates im Auge zu behalten - mit seinem oft widersprüchlich wahrgenommenen Bestreben nach mehr oder minder kontrollierter Freiheit - sondern eben auch Unternehmen wie Google oder Facebook, die unter dem Radar jeder gesetzlichen Kontrolle fortwährend Mechanismen in unserer Gesellschaft installieren, welche aufgrund ihrer vordergründigen Attraktivität nur noch ansatzweise hinterfragt werden. Wem ist schon bewusst, dass der bequeme Zugang zu allseits wie allzeit verfügbaren Dokumenten in der Cloud nicht nur bequem, sondern auch weit problematischer ist, als es jede Volkszählung oder gar die jahrzehntelange Überwachung durch die Staatssicherheit in der DDR je hätten sein können? Problematisch nicht nur, weil man sich hier gegen böswillige Hacker schützen muss, die womöglich unsere selbstgefertigten Nacktbildchen aus dem grossen Teich der persönlich reproduzierten Eitelkeiten fischen könnten. Sondern eben auch, weil diese Entwicklung die grundsätzliche Frage aufwirft, wem die Daten und Informationen eigentlich gehören, rechtlich aber auch faktisch. Und wem sie nützen. Diese Entwicklung legt einen Finger in jene Wunde, die schon lange vor der Datendebatte prophylaktisch blutete: die des geistigen Eigentums. Knapp ein Jahrhundert lang haben wir versucht, alle Schöpfungen und Entwicklungen in unser Raster des Besitzstanddenkens einzuordnen. Haben sie mit Urheberrecht, in Patentämtern und vor Gericht zu verteidigen versucht und damit grosse Apparate an Schutzmechanismen aufgebaut, die spätestens seit der digitalen Revolution immer mehr versagen. Erst traf es die gesamte Musikindustrie, die sich mit einer technischen Erfindung wie der mp3-Datei bis zur restlosen Erschöpfung verausgabte, dann stolperte die Film- und Spieleindustrie im selben Zuge über exponentiell steigende Datenübertragungsraten unserer Netze - und nun stehen womöglich selbst dem produzierenden Gewerbe wie beispielsweise der Textilindustrie mit der Etablierung von 3D-Druckern ähnliche Herausforderungen bevor. Von Kopien und Plagiaten erst gar nicht zu reden. Und es sind keinesfalls die Bastler und die Garagenvisionäre, die den Status Quo derart massiv in Frage stellen, sondern ausgerechnet gewachsene Giganten wie Apple oder Amazon, die nun mit dem Dateneigentum ihrer Kunden virtuos experimentieren. Ganz unscheinbar bauen sie sich als eine Art fünfte Gewalt in unserem Staate auf und werden so nicht nur im internationalen Steuerrecht zu einem einflussreichen Machtfaktor, der so in unserm Gewaltenteilungsmodell aus Gesetzgebung, Vollziehung und Rechtsprechung eigentlich gar nicht vorgesehen war. Sondern sie rivalisieren nun auch mit jener Pressefreiheit, die sich nicht ohne Grund über die vergangenen Jahrzehnte hinweg als kontrollierende Instanz und vierte Kraft noch mit in dieses Modell hineingearbeitet hatte.

    Doch was sind Firmen wie Google oder Amazon eigentlich? Sie sind in erster Linie Geschäftsmodelle: während der einstige Suchmaschinendienst bis heute behauptet, er würde nicht ausschliesslich, aber eben auch im Dienste der Weltgesellschaft stehen, macht der einstige Bücherhändler gar keinen Hehl daraus, dass er vor allem Geld verdienen möchte. Die Wertschöpfung dieser Unternehmen besteht schon lange nicht mehr nur im Sammeln von Daten, sondern viel schlauer in ihrer ergiebigen Vernetzung. Und diese Bündelung ist nicht nur dauerhaft und lukrativ, sondern damit eben auch ein erheblicher Machtfaktor, der weit über jene in der klassischen Kapitalismuskritik betrachtete Konzern- und Bankenmacht hinausgeht. Tagtäglich können wir unsere Volksvertreter dabei beobachten, wie sie sich ratlos wie wir selbst oder zuweilen auch mit kurzsichtigem Eigennutz dieser Dynamik fügen und damit vermutlich unzähligen ähnlichen Geschäftsmodellen auch künftig das Feld überlassen werden. Wollen wir das wirklich?

    Und was kann die pluralistische Gesellschaft, als die wir uns nach wie vor verstehen, dem entgegensetzen? Wollen wir unsere Daten mit den selben Mechanismen schützen, die andernorts nicht nur von der NSA längst ausgehöhlt sind? Hier lohnt es sich zu erinnern, dass Technologien niemals Einbahnstrassen waren. Jedes strategisch entwickelte Produkt liess sich mit entsprechend kreativer Kraft irgendwann auch im gegenteiligen Sinne nutzen - sofern die Gesellschaft ein Gespür dafür zu entwickeln vermochte. Das Digitale ist gut und böse zugleich. So wie sich kein System der Welt vor Missbrauch schützen kann, so ist auch keines resistent dagegen, sinnvoll auf den Kopf gestellt zu werden. Die sogenannten 'Facebookrevolutionen' im verpufften arabischen Frühling geben nur eine blasse Ahnung davon, was möglich wäre, wenn man sich systematisch damit auseinandersetzen würde. Und auch die jungen Musiker haben sich längst darauf besonnen, dass die Essenz ihres Schaffens und Einkommens nicht eine kleine silberne Scheibe ist, sondern der aktive dienst am Publikum: auf Konzerten, in Fangruppen und nicht zuletzt gerade in dezentralen, aber ehrlichen Crowdfundingaktionen. Eventuell müssen wir uns daran gewöhnen, dass Schöpfungen wie Daten im digitalen Zeitalter nicht mehr exklusiv sein können - und würden wir sie so frei geben wie sie eigentlich schon längst sind, dann liesse sich mit ihrem Besitz auch nicht mehr so viel Geld verdienen. Im Gegenzug könnten wir innovative Mechanismen entwickeln, tatsächlich verantwortlich und gegebenenfalls auch zivilgesellschaftlich mit diesem Phänomen umzugehen - hier gäbe es genug zu forschen und zu verstehen für Universitäten und wahre Humanisten. Hier könnten wir uns schliesslich selbst trainieren, Geschäftsmodelle gemeinschaftlich und konstruktiv zu verändern, sei es als Partner, Mitwirkende oder auch als Konsumenten. Mit der gleichen Lust, mit der wir skypen, tindern und twittern, könnten wir auch diese Herausforderung betrachten: wenn wir begreifen, dass dieses Internet unser Internet ist. Denn eventuell sind solche Formen des positiven Hackings ja die einzige Chance, die wir als menschen im digitalen Strom noch haben? (Kay Strasser / 6.11.2014)

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    von Kay Strasser, angelegt

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    Das Geschäftsmodell - die fünfte Gewalt im Staate?

    Spätestens seit dem NSA-Skandal ist die Datendebatte in aller Munde. Erschreckende Begrifflichkeiten wie staatliche Überwachung und Cloudspionage laufen mit verführerischen Phrasen zu Onlineshopping und Sozialmedien um die Wette. Es ist eine wahre Lust zu skypen, zu tindern und zu twittern - und gleichzeitig überfällt uns plötzlich ein tiefes Misstrauen in alles Digitale. Hilflos kleben wir unsere Webcams ab und hoffen insgeheim, dass doch nicht alles ganz so schlimm ist.

    Aber womöglich hinkt die aktuelle Diskussion über Datensicherheit und die Risiken und Chancen von Big Data den Gegebenheiten schon längst hinterher. Denn mittlerweile gilt es nicht nur das Gewaltmonopol des Staates im Auge zu behalten - mit seinem oft widersprüchlich wahrgenommenen Bestreben nach mehr oder minder kontrollierter Freiheit - sondern eben auch Unternehmen wie Google oder Facebook, die unter dem Radar jeder gesetzlichen Kontrolle fortwährend Mechanismen in unserer Gesellschaft installieren, welche aufgrund ihrer vordergründigen Attraktivität nur noch ansatzweise hinterfragt werden. Wem ist schon bewusst, dass der bequeme Zugang zu allseits wie allzeit verfügbaren Dokumenten in der Cloud nicht nur bequem, sondern auch weit problematischer ist, als es jede Volkszählung oder gar die jahrzehntelange Überwachung durch die Staatssicherheit in der DDR je hätten sein können? Problematisch nicht nur, weil man sich hier gegen böswillige Hacker schützen muss, die womöglich unsere selbstgefertigten Nacktbildchen aus dem grossen Teich der persönlich reproduzierten Eitelkeiten fischen könnten. Sondern eben auch, weil diese Entwicklung die grundsätzliche Frage aufwirft, wem die Daten und Informationen eigentlich gehören, rechtlich aber auch faktisch. Und wem sie nützen. Diese Entwicklung legt einen Finger in jene Wunde, die schon lange vor der Datendebatte prophylaktisch blutete: die des geistigen Eigentums. Knapp ein Jahrhundert lang haben wir versucht, alle Schöpfungen und Entwicklungen in unser Raster des Besitzstanddenkens einzuordnen. Haben sie mit Urheberrecht, in Patentämtern und vor Gericht zu verteidigen versucht und damit grosse Apparate an Schutzmechanismen aufgebaut, die spätestens seit der digitalen Revolution immer mehr versagen. Erst traf es die gesamte Musikindustrie, die sich mit einer technischen Erfindung wie der mp3-Datei bis zur restlosen Erschöpfung verausgabte, dann stolperte die Film- und Spieleindustrie im selben Zuge über exponentiell steigende Datenübertragungsraten unserer Netze - und nun stehen womöglich selbst dem produzierenden Gewerbe wie beispielsweise der Textilindustrie mit der Etablierung von 3D-Druckern ähnliche Herausforderungen bevor. Von Kopien und Plagiaten erst gar nicht zu reden. Und es sind keinesfalls die Bastler und die Garagenvisionäre, die den Status Quo derart massiv in Frage stellen, sondern ausgerechnet gewachsene Giganten wie Apple oder Amazon, die nun mit dem Dateneigentum ihrer Kunden virtuos experimentieren. Ganz unscheinbar bauen sie sich als eine Art fünfte Gewalt in unserem Staate auf und werden so nicht nur im internationalen Steuerrecht zu einem einflussreichen Machtfaktor, der so in unserm Gewaltenteilungsmodell aus Gesetzgebung, Vollziehung und Rechtsprechung eigentlich gar nicht vorgesehen war. Sondern sie rivalisieren nun auch mit jener Pressefreiheit, die sich nicht ohne Grund über die vergangenen Jahrzehnte hinweg als kontrollierende Instanz und vierte Kraft noch mit in dieses Modell hineingearbeitet hatte.

    Doch was sind Firmen wie Google oder Amazon eigentlich? Sie sind in erster Linie linie Geschäftsmodelle: während der einstige Suchmaschinendienst bis heute behauptet, er würde nicht ausschliesslich, aber eben auch im Dienste der Weltgesellschaft stehen, macht der einstige Bücherhändler gar keinen Hehl daraus, dass er vor allem Geld verdienen möchte. Die Wertschöpfung dieser Unternehmen besteht schon lange nicht mehr nur im Sammeln von Daten, sondern viel schlauer in ihrer ergiebigen Vernetzung. Und diese Bündelung ist nicht nur dauerhaft und lukrativ, sondern damit eben auch ein erheblicher Machtfaktor, der weit über jene in der klassischen Kapitalismuskritik betrachtete Konzern- und Bankenmacht hinausgeht. Tagtäglich können wir unsere Volksvertreter dabei beobachten, wie sie sich ratlos wie wir selbst oder zuweilen auch mit kurzsichtigem Eigennutz dieser Dynamik fügen und damit vermutlich unzähligen ähnlichen Geschäftsmodellen auch künftig das Feld überlassen werden. Wollen wir das wirklich?

    Und was kann die pluralistische Gesellschaft, als die wir uns nach wie vor verstehen, dem entgegensetzen? Wollen wir unsere Daten mit den selben Mechanismen schützen, die andernorts nicht nur von der NSA längst ausgehöhlt sind? Hier lohnt es sich zu erinnern, dass Technologien niemals Einbahnstrassen waren. Jedes strategisch entwickelte Produkt liess sich mit entsprechend kreativer Kraft irgendwann auch im gegenteiligen Sinne nutzen - sofern die Gesellschaft ein Gespür dafür zu entwickeln vermochte. Das Digitale ist gut und böse zugleich. So wie sich kein System der Welt vor Missbrauch schützen kann, so ist auch keines resistent dagegen, sinnvoll auf den Kopf gestellt zu werden. Die sogenannten 'Facebookrevolutionen' im verpufften arabischen Frühling geben nur eine blasse Ahnung davon, was möglich wäre, wenn man sich systematisch damit auseinandersetzen würde. Und auch die jungen Musiker haben sich längst darauf besonnen, dass die Essenz ihres Schaffens und Einkommens nicht eine kleine silberne Scheibe ist, sondern der aktive dienst am Publikum: auf Konzerten, in Fangruppen und nicht zuletzt gerade in dezentralen, aber ehrlichen Crowdfundingaktionen. Eventuell müssen wir uns daran gewöhnen, dass Schöpfungen wie Daten im digitalen Zeitalter nicht mehr exklusiv sein können - und würden wir sie so frei geben wie sie eigentlich schon längst sind, dann liesse sich mit ihrem Besitz auch nicht mehr so viel Geld verdienen. Im Gegenzug könnten wir innovative Mechanismen entwickeln, tatsächlich verantwortlich und gegebenenfalls auch zivilgesellschaftlich mit diesem Phänomen umzugehen - hier gäbe es genug zu forschen und zu verstehen für Universitäten und wahre Humanisten. Hier könnten wir uns schliesslich selbst trainieren, Geschäftsmodelle gemeinschaftlich und konstruktiv zu verändern, sei es als Partner, Mitwirkende oder auch als Konsumenten. Mit der gleichen Lust, mit der wir skypen, tindern und twittern, könnten wir auch diese Herausforderung betrachten: wenn wir begreifen, dass dieses Internet unser Internet ist. Denn eventuell sind solche Formen des positiven Hackings ja die einzige Chance, die wir als menschen im digitalen Strom noch haben? (Kay Strasser / 6.11.2014)

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  • Das Geschäftsmodell - die fünfte Gewalt im Staate?

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    Das Geschäftsmodell - die fünfte Gewalt im Staate?

    Spätestens seit dem NSA-Skandal ist die Datendebatte in aller Munde. Erschreckende Begrifflichkeiten wie staatliche Überwachung und Cloudspionage laufen mit verführerischen Phrasen zu Onlineshopping und Sozialmedien um die Wette. Es ist eine wahre Lust zu skypen, zu tindern und zu twittern - und gleichzeitig überfällt uns plötzlich ein tiefes Misstrauen in alles Digitale. Hilflos kleben wir unsere Webcams ab und hoffen insgeheim, dass doch nicht alles ganz so schlimm ist.

    Aber womöglich hinkt die aktuelle Diskussion über Datensicherheit und die Risiken und Chancen von Big Data den Gegebenheiten schon längst hinterher. Denn mittlerweile gilt es nicht nur das Gewaltmonopol des Staates im Auge zu behalten - mit seinem oft widersprüchlich wahrgenommenen Bestreben nach mehr oder minder kontrollierter Freiheit - sondern eben auch Unternehmen wie Google oder Facebook, die unter dem Radar jeder gesetzlichen Kontrolle fortwährend Mechanismen in unserer Gesellschaft installieren, welche aufgrund ihrer vordergründigen Attraktivität nur noch ansatzweise hinterfragt werden. Wem ist schon bewusst, dass der bequeme Zugang zu allseits wie allzeit verfügbaren Dokumenten in der Cloud nicht nur bequem, sondern auch weit problematischer ist, als es jede Volkszählung oder gar die jahrzehntelange Überwachung durch die Staatssicherheit in der DDR je hätten sein können? Problematisch nicht nur, weil man sich hier gegen böswillige Hacker schützen muss, die womöglich unsere selbstgefertigten Nacktbildchen aus dem grossen Teich der persönlich reproduzierten Eitelkeiten fischen könnten. Sondern eben auch, weil diese Entwicklung die grundsätzliche Frage aufwirft, wem die Daten und Informationen eigentlich gehören, rechtlich aber auch faktisch. Und wem sie nützen. Diese Entwicklung legt einen Finger in jene Wunde, die schon lange vor der Datendebatte prophylaktisch blutete: die des geistigen Eigentums. Knapp ein Jahrhundert lang haben wir versucht, alle Schöpfungen und Entwicklungen in unser Raster des Besitzstanddenkens einzuordnen. Haben sie mit Urheberrecht, in Patentämtern und vor Gericht zu verteidigen versucht und damit grosse Apparate an Schutzmechanismen aufgebaut, die spätestens seit der digitalen Revolution immer mehr versagen. Erst traf es die gesamte Musikindustrie, die sich mit einer technischen Erfindung wie der mp3-Datei bis zur restlosen Erschöpfung verausgabte, dann stolperte die Film- und Spieleindustrie im selben Zuge über exponentiell steigende Datenübertragungsraten unserer Netze - und nun stehen womöglich selbst dem produzierenden Gewerbe wie beispielsweise der Textilindustrie mit der Etablierung von 3D-Druckern ähnliche Herausforderungen bevor. Von Kopien und Plagiaten erst gar nicht zu reden. Und es sind keinesfalls die Bastler und die Garagenvisionäre, die den Status Quo derart massiv in Frage stellen, sondern ausgerechnet gewachsene Giganten wie Apple oder Amazon, die nun mit dem Dateneigentum ihrer Kunden virtuos experimentieren. Ganz unscheinbar bauen sie sich als eine Art fünfte Gewalt in unserem Staate auf und werden so nicht nur im internationalen Steuerrecht zu einem einflussreichen Machtfaktor, der so in unserm Gewaltenteilungsmodell aus Gesetzgebung, Vollziehung und Rechtsprechung eigentlich gar nicht vorgesehen war. Sondern sie rivalisieren nun auch mit jener Pressefreiheit, die sich nicht ohne Grund über die vergangenen Jahrzehnte hinweg als kontrollierende Instanz und vierte Kraft noch mit in dieses Modell hineingearbeitet hatte.

    Doch was sind Firmen wie Google oder Amazon eigentlich? Sie sind in erster linie Geschäftsmodelle: während der einstige Suchmaschinendienst bis heute behauptet, er würde nicht ausschliesslich, aber eben auch im Dienste der Weltgesellschaft stehen, macht der einstige Bücherhändler gar keinen Hehl daraus, dass er vor allem Geld verdienen möchte. Die Wertschöpfung dieser Unternehmen besteht schon lange nicht mehr nur im Sammeln von Daten, sondern viel schlauer in ihrer ergiebigen Vernetzung. Und diese Bündelung ist nicht nur dauerhaft und lukrativ, sondern damit eben auch ein erheblicher Machtfaktor, der weit über jene in der klassischen Kapitalismuskritik betrachtete Konzern- und Bankenmacht hinausgeht. Tagtäglich können wir unsere Volksvertreter dabei beobachten, wie sie sich ratlos wie wir selbst oder zuweilen auch mit kurzsichtigem Eigennutz dieser Dynamik fügen und damit vermutlich unzähligen ähnlichen Geschäftsmodellen auch künftig das Feld überlassen werden. Wollen wir das wirklich?

    Und was kann die pluralistische Gesellschaft, als die wir uns nach wie vor verstehen, dem entgegensetzen? Wollen wir unsere Daten mit den selben Mechanismen schützen, die andernorts nicht nur von der NSA längst ausgehöhlt sind? Hier lohnt es sich zu erinnern, dass Technologien niemals Einbahnstrassen waren. Jedes strategisch entwickelte Produkt liess sich mit entsprechend kreativer Kraft irgendwann auch im gegenteiligen Sinne nutzen - sofern die Gesellschaft ein Gespür dafür zu entwickeln vermochte. Das Digitale ist gut und böse zugleich. So wie sich kein System der Welt vor Missbrauch schützen kann, so ist auch keines resistent dagegen, sinnvoll auf den Kopf gestellt zu werden. Die sogenannten 'Facebookrevolutionen' im verpufften arabischen Frühling geben nur eine blasse Ahnung davon, was möglich wäre, wenn man sich systematisch damit auseinandersetzen würde. Und auch die jungen Musiker haben sich längst darauf besonnen, dass die Essenz ihres Schaffens und Einkommens nicht eine kleine silberne Scheibe ist, sondern der aktive dienst am Publikum: auf Konzerten, in Fangruppen und nicht zuletzt gerade in dezentralen, aber ehrlichen Crowdfundingaktionen. Eventuell müssen wir uns daran gewöhnen, dass Schöpfungen wie Daten im digitalen Zeitalter nicht mehr exklusiv sein können - und würden wir sie so frei geben wie sie eigentlich schon längst sind, dann liesse sich mit ihrem Besitz auch nicht mehr so viel Geld verdienen. Im Gegenzug könnten wir innovative Mechanismen entwickeln, tatsächlich verantwortlich und gegebenenfalls auch zivilgesellschaftlich mit diesem Phänomen umzugehen - hier gäbe es genug zu forschen und zu verstehen für Universitäten und wahre Humanisten. Hier könnten wir uns schliesslich selbst trainieren, Geschäftsmodelle gemeinschaftlich und konstruktiv zu verändern, sei es als Partner, Mitwirkende oder auch als Konsumenten. Mit der gleichen Lust, mit der wir skypen, tindern und twittern, könnten wir auch diese Herausforderung betrachten: wenn wir begreifen, dass dieses Internet unser Internet ist. Denn eventuell sind solche Formen des positiven Hackings ja die einzige Chance, die wir als menschen im digitalen Strom noch haben? (Kay Strasser / 6.11.2014)

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  • Das Geschäftsmodell - die fünfte Gewalt im Staate?

    von Community Management , angelegt

    GeschäftsmodellFoto & Teaser: Kay Strasser

    Geschäftsmodell


    Das Geschäftsmodell - die fünfte Gewalt im Staate?

    Spätestens seit dem NSA-Skandal ist die Datendebatte in aller Munde. Erschreckende Begrifflichkeiten wie staatliche Überwachung und Cloudspionage laufen mit verführerischen Phrasen zu Onlineshopping und Sozialmedien um die Wette. Es ist eine wahre Lust zu skypen, zu tindern und zu twittern - und gleichzeitig überfällt uns plötzlich ein tiefes Misstrauen in alles Digitale. Hilflos kleben wir unsere Webcams ab und hoffen insgeheim, dass doch nicht alles ganz so schlimm ist.

    Aber womöglich hinkt die aktuelle Diskussion über Datensicherheit und die Risiken und Chancen von Big Data den Gegebenheiten schon längst hinterher. Denn mittlerweile gilt es nicht nur das Gewaltmonopol des Staates im Auge zu behalten - mit seinem oft widersprüchlich wahrgenommenen Bestreben nach mehr oder minder kontrollierter Freiheit - sondern eben auch Unternehmen wie Google oder Facebook, die unter dem Radar jeder gesetzlichen Kontrolle fortwährend Mechanismen in unserer Gesellschaft installieren, welche aufgrund ihrer vordergründigen Attraktivität nur noch ansatzweise hinterfragt werden. Wem ist schon bewusst, dass der bequeme Zugang zu allseits wie allzeit verfügbaren Dokumenten in der Cloud nicht nur bequem, sondern auch weit problematischer ist, als es jede Volkszählung oder gar die jahrzehntelange Überwachung durch die Staatssicherheit in der DDR je hätten sein können? Problematisch nicht nur, weil man sich hier gegen böswillige Hacker schützen muss, die womöglich unsere selbstgefertigten Nacktbildchen aus dem grossen Teich der persönlich reproduzierten Eitelkeiten fischen könnten. Sondern eben auch, weil diese Entwicklung die grundsätzliche Frage aufwirft, wem die Daten und Informationen eigentlich gehören, rechtlich aber auch faktisch. Und wem sie nützen. Diese Entwicklung legt einen Finger in jene Wunde, die schon lange vor der Datendebatte prophylaktisch blutete: die des geistigen Eigentums. Knapp ein Jahrhundert lang haben wir versucht, alle Schöpfungen und Entwicklungen in unser Raster des Besitzstanddenkens einzuordnen. Haben sie mit Urheberrecht, in Patentämtern und vor Gericht zu verteidigen versucht und damit grosse Apparate an Schutzmechanismen aufgebaut, die spätestens seit der digitalen Revolution immer mehr versagen. Erst traf es die gesamte Musikindustrie, die sich mit einer technischen Erfindung wie der mp3-Datei bis zur restlosen Erschöpfung verausgabte, dann stolperte die Film- und Spieleindustrie im selben Zuge über exponentiell steigende Datenübertragungsraten unserer Netze - und nun stehen womöglich selbst dem produzierenden Gewerbe wie beispielsweise der Textilindustrie mit der Etablierung von 3D-Druckern ähnliche Herausforderungen bevor. Von Kopien und Plagiaten erst gar nicht zu reden. Und es sind keinesfalls die Bastler und die Garagenvisionäre, die den Status Quo derart massiv in Frage stellen, sondern ausgerechnet gewachsene Giganten wie Apple oder Amazon, die nun mit dem Dateneigentum ihrer Kunden virtuos experimentieren. Ganz unscheinbar bauen sie sich als eine Art fünfte Gewalt in unserem Staate auf und werden so nicht nur im internationalen Steuerrecht zu einem einflussreichen Machtfaktor, der so in unserm Gewaltenteilungsmodell aus Gesetzgebung, Vollziehung und Rechtsprechung eigentlich gar nicht vorgesehen war. Sondern sie rivalisieren nun auch mit jener Pressefreiheit, die sich nicht ohne Grund über die vergangenen Jahrzehnte hinweg als kontrollierende Instanz und vierte Kraft noch mit in dieses Modell hineingearbeitet hatte.

    Doch was sind Firmen wie Google oder Amazon eigentlich? Sie sind in erster linie Geschäftsmodelle: während der einstige Suchmaschinendienst bis heute behauptet, er würde nicht ausschliesslich, aber eben auch im Dienste der Weltgesellschaft stehen, macht der einstige Bücherhändler gar keinen Hehl daraus, dass er vor allem Geld verdienen möchte. Die Wertschöpfung dieser Unternehmen besteht schon lange nicht mehr nur im Sammeln von Daten, sondern viel schlauer in ihrer ergiebigen Vernetzung. Und diese Bündelung ist nicht nur dauerhaft und lukrativ, sondern damit eben auch ein erheblicher Machtfaktor, der weit über jene in der klassischen Kapitalismuskritik betrachtete Konzern- und Bankenmacht hinausgeht. Tagtäglich können wir unsere Volksvertreter dabei beobachten, wie sie sich ratlos wie wir selbst oder zuweilen auch mit kurzsichtigem Eigennutz dieser Dynamik fügen und damit vermutlich unzähligen ähnlichen Geschäftsmodellen auch künftig das Feld überlassen werden. Wollen wir das wirklich?

    Und was kann die pluralistische Gesellschaft, als die wir uns nach wie vor verstehen, dem entgegensetzen? Wollen wir unsere Daten mit den selben Mechanismen schützen, die andernorts nicht nur von der NSA längst ausgehöhlt sind? Hier lohnt es sich zu erinnern, dass Technologien niemals Einbahnstrassen waren. Jedes strategisch entwickelte Produkt liess sich mit entsprechend kreativer Kraft irgendwann auch im gegenteiligen Sinne nutzen - sofern die Gesellschaft ein Gespür dafür zu entwickeln vermochte. Das Digitale ist gut und böse zugleich. So wie sich kein System der Welt vor Missbrauch schützen kann, so ist auch keines resistent dagegen, sinnvoll auf den Kopf gestellt zu werden. Die sogenannten 'Facebookrevolutionen' im verpufften arabischen Frühling geben nur eine blasse Ahnung davon, was möglich wäre, wenn man sich systematisch damit auseinandersetzen würde. Und auch die jungen Musiker haben sich längst darauf besonnen, dass die Essenz ihres Schaffens und Einkommens nicht eine kleine silberne Scheibe ist, sondern der aktive dienst am Publikum: auf Konzerten, in Fangruppen und nicht zuletzt gerade in dezentralen, aber ehrlichen Crowdfundingaktionen. Eventuell müssen wir uns daran gewöhnen, dass Schöpfungen wie Daten im digitalen Zeitalter nicht mehr exklusiv sein können - und würden wir sie so frei geben wie sie eigentlich schon längst sind, dann liesse sich mit ihrem Besitz auch nicht mehr so viel Geld verdienen. Im Gegenzug könnten wir innovative Mechanismen entwickeln, tatsächlich verantwortlich und gegebenenfalls auch zivilgesellschaftlich mit diesem Phänomen umzugehen - hier gäbe es genug zu forschen und zu verstehen für Universitäten und wahre Humanisten. Hier könnten wir uns schliesslich selbst trainieren, Geschäftsmodelle gemeinschaftlich und konstruktiv zu verändern, sei es als Partner, Mitwirkende oder auch als Konsumenten. Mit der gleichen Lust, mit der wir skypen, tindern und twittern, könnten wir auch diese Herausforderung betrachten: wenn wir begreifen, dass dieses Internet unser Internet ist. Denn eventuell sind solche Formen des positiven Hackings ja die einzige Chance, die wir als menschen im digitalen Strom noch haben? (Kay Strasser / 6.11.2014)

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  • Das Geschäftsmodell - die fünfte Gewalt im Staate?

    von Kay Strasser, angelegt

    Geschäftsmodell

    Das Geschäftsmodell - die fünfte Gewalt im Staate?

    Spätestens seit dem NSA-Skandal ist die Datendebatte in aller Munde. Erschreckende Begrifflichkeiten wie staatliche Überwachung und Cloudspionage laufen mit verführerischen Phrasen zu Onlineshopping und Sozialmedien um die Wette. Es ist eine wahre Lust zu skypen, zu tindern und zu twittern - und gleichzeitig überfällt uns plötzlich ein tiefes Misstrauen in alles Digitale. Hilflos kleben wir unsere Webcams ab und hoffen insgeheim, dass doch nicht alles ganz so schlimm ist.

    Aber womöglich hinkt die aktuelle Diskussion über Datensicherheit und die Risiken und Chancen von Big Data den Gegebenheiten schon längst hinterher. Denn mittlerweile gilt es nicht nur das Gewaltmonopol des Staates im Auge zu behalten - mit seinem oft widersprüchlich wahrgenommenen Bestreben nach mehr oder minder kontrollierter Freiheit - sondern eben auch Unternehmen wie Google oder Facebook, die unter dem Radar jeder gesetzlichen Kontrolle fortwährend Mechanismen in unserer Gesellschaft installieren, welche aufgrund ihrer vordergründigen Attraktivität nur noch ansatzweise hinterfragt werden. Wem ist schon bewusst, dass der bequeme Zugang zu allseits wie allzeit verfügbaren Dokumenten in der Cloud nicht nur bequem, sondern auch weit problematischer ist, als es jede Volkszählung oder gar die jahrzehntelange Überwachung durch die Staatssicherheit in der DDR je hätten sein können? Problematisch nicht nur, weil man sich hier gegen böswillige Hacker schützen muss, die womöglich unsere selbstgefertigten Nacktbildchen aus dem grossen Teich der persönlich reproduzierten Eitelkeiten fischen könnten. Sondern eben auch, weil diese Entwicklung die grundsätzliche Frage aufwirft, wem die Daten und Informationen eigentlich gehören, rechtlich aber auch faktisch. Und wem sie nützen. Diese Entwicklung legt einen Finger in jene Wunde, die schon lange vor der Datendebatte prophylaktisch blutete: die des geistigen Eigentums. Knapp ein Jahrhundert lang haben wir versucht, alle Schöpfungen und Entwicklungen in unser Raster des Besitzstanddenkens einzuordnen. Haben sie mit Urheberrecht, in Patentämtern und vor Gericht zu verteidigen versucht und damit grosse Apparate an Schutzmechanismen aufgebaut, die spätestens seit der digitalen Revolution immer mehr versagen. Erst traf es die gesamte Musikindustrie, die sich mit einer technischen Erfindung wie der mp3-Datei bis zur restlosen Erschöpfung verausgabte, dann stolperte die Film- und Spieleindustrie im selben Zuge über exponentiell steigende Datenübertragungsraten unserer Netze - und nun stehen womöglich selbst dem produzierenden Gewerbe wie beispielsweise der Textilindustrie mit der Etablierung von 3D-Druckern ähnliche Herausforderungen bevor. Von Kopien und Plagiaten erst gar nicht zu reden. Und es sind keinesfalls die Bastler und die Garagenvisionäre, Garagenvisionäre mehr, die den Status Quo derart massiv in Frage stellen, sondern ausgerechnet gewachsene Giganten wie Apple oder Amazon, die nun mit dem Dateneigentum ihrer Kunden virtuos experimentieren. Ganz unscheinbar bauen sie sich als eine Art fünfte Gewalt in unserem Staate auf und werden so nicht nur im internationalen Steuerrecht zu einem einflussreichen Machtfaktor, der so in unserm Gewaltenteilungsmodell aus Gesetzgebung, Vollziehung und Rechtsprechung eigentlich gar nicht vorgesehen war. Sondern sie rivalisieren nun auch mit jener Pressefreiheit, die sich nicht ohne Grund über die vergangenen Jahrzehnte hinweg als kontrollierende Instanz und vierte Kraft noch mit in dieses Modell hineingearbeitet hatte.

    Doch was sind Firmen wie Google oder Amazon eigentlich? Sie sind in erster linie Geschäftsmodelle: während der einstige Suchmaschinendienst bis heute behauptet, er würde nicht ausschliesslich, aber eben auch im Dienste der Weltgesellschaft stehen, macht der einstige Bücherhändler gar keinen Hehl daraus, dass er vor allem Geld verdienen möchte. Die Wertschöpfung dieser Unternehmen besteht schon lange nicht mehr nur im Sammeln von Daten, sondern viel schlauer in ihrer ergiebigen Vernetzung. Und diese Bündelung ist nicht nur dauerhaft und lukrativ, sondern damit eben auch ein erheblicher Machtfaktor, der weit über jene in der klassischen Kapitalismuskritik betrachtete Konzern- und Bankenmacht hinausgeht. Tagtäglich können wir unsere Volksvertreter dabei beobachten, wie sie sich ratlos wie wir selbst oder zuweilen auch mit kurzsichtigem Eigennutz dieser Dynamik fügen und damit vermutlich unzähligen ähnlichen Geschäftsmodellen auch künftig das Feld überlassen werden. Wollen wir das wirklich?

    Und was kann die pluralistische Gesellschaft, als die wir uns nach wie vor verstehen, dem entgegensetzen? Wollen wir unsere Daten mit den selben Mechanismen schützen, die andernorts nicht nur von der NSA längst ausgehöhlt sind? Hier lohnt es sich zu erinnern, dass Technologien niemals Einbahnstrassen waren. Jedes strategisch entwickelte Produkt liess sich mit entsprechend kreativer Kraft irgendwann auch im gegenteiligen Sinne nutzen - sofern die Gesellschaft ein Gespür dafür zu entwickeln vermochte. Das Digitale ist gut und böse zugleich. So wie sich kein System der Welt vor Missbrauch schützen kann, so ist auch keines resistent dagegen, sinnvoll auf den Kopf gestellt zu werden. Die sogenannten 'Facebookrevolutionen' im verpufften arabischen Frühling geben nur eine blasse Ahnung davon, was möglich wäre, wenn man sich systematisch damit auseinandersetzen würde. Und auch die jungen Musiker haben sich längst darauf besonnen, dass die Essenz ihres Schaffens und Einkommens nicht eine kleine silberne Scheibe ist, sondern der aktive dienst am Publikum: auf Konzerten, in Fangruppen und nicht zuletzt gerade in dezentralen, aber ehrlichen Crowdfundingaktionen. Eventuell müssen wir uns daran gewöhnen, dass Schöpfungen wie Daten im digitalen Zeitalter nicht mehr exklusiv sein können - und würden wir sie so frei geben wie sie eigentlich schon längst sind, dann liesse sich mit ihrem Besitz auch nicht mehr so viel Geld verdienen. Im Gegenzug könnten wir innovative Mechanismen entwickeln, tatsächlich verantwortlich und gegebenenfalls auch zivilgesellschaftlich mit diesem Phänomen umzugehen - hier gäbe es genug zu forschen und zu verstehen für Universitäten und wahre Humanisten. Hier könnten wir uns schliesslich selbst trainieren, Geschäftsmodelle gemeinschaftlich und konstruktiv zu verändern, sei es als Partner, Mitwirkende oder auch als Konsumenten. Mit der gleichen Lust, mit der wir skypen, tindern und twittern, könnten wir auch diese Herausforderung betrachten: wenn wir begreifen, dass dieses Internet unser Internet ist. Denn eventuell sind solche Formen des positiven Hackings ja die einzige Chance, die wir als menschen im digitalen Strom noch haben? (Kay Strasser / 6.11.2014)

    -> https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10205477514405574&set=a.10202090707497518.1073741837.1482334816&type=1

  • Das Geschäftsmodell - die fünfte Gewalt im Staate?

    von Kay Strasser, angelegt

    Geschäftsmodell

    Das Geschäftsmodell - die fünfte Gewalt im Staate?

    Spätestens seit dem NSA-Skandal ist die Datendebatte in aller Munde. Erschreckende Begrifflichkeiten wie staatliche Überwachung und Cloudspionage laufen mit verführerischen Phrasen zu Onlineshopping und Sozialmedien um die Wette. Es ist eine wahre Lust zu skypen, zu tindern und zu twittern - und gleichzeitig überfällt uns plötzlich ein tiefes Misstrauen in alles Digitale. Hilflos kleben wir unsere Webcams ab und hoffen insgeheim, dass doch nicht alles ganz so schlimm ist.

    Aber womöglich hinkt die aktuelle Diskussion über Datensicherheit und die Risiken und Chancen von Big Data den Gegebenheiten schon längst hinterher. Denn mittlerweile gilt es nicht nur das Gewaltmonopol des Staates im Auge zu behalten - mit seinem oft widersprüchlich wahrgenommenen Bestreben nach mehr oder minder kontrollierter Freiheit - sondern eben auch Unternehmen wie Google oder Facebook, die unter dem Radar jeder gesetzlichen Kontrolle fortwährend Mechanismen in unserer Gesellschaft installieren, welche aufgrund ihrer vordergründigen Attraktivität nur noch ansatzweise hinterfragt werden. Wem ist schon bewusst, dass der bequeme Zugang zu allseits wie allzeit verfügbaren Dokumenten in der Cloud nicht nur bequem, sondern auch weit problematischer ist, als es jede Volkszählung oder gar die jahrzehntelange Überwachung durch die Staatssicherheit in der DDR je hätten sein können? Problematisch nicht nur, weil man sich hier gegen böswillige Hacker schützen muss, die womöglich unsere selbstgefertigten Nacktbildchen aus dem grossen Teich der persönlich reproduzierten Eitelkeiten fischen könnten. Sondern eben auch, weil diese Entwicklung die grundsätzliche Frage aufwirft, wem die Daten und Informationen eigentlich gehören, rechtlich aber auch faktisch. Und wem sie nützen. Diese Entwicklung legt einen Finger in jene Wunde, die schon lange vor der Datendebatte prophylaktisch blutete: die des geistigen Eigentums. Knapp ein Jahrhundert lang haben wir versucht, alle Schöpfungen und Entwicklungen in unser Raster des Besitzstanddenkens einzuordnen. Haben sie mit Urheberrecht, in Patentämtern und vor Gericht zu verteidigen versucht und damit grosse Apparate an Schutzmechanismen aufgebaut, die spätestens seit der digitalen Revolution immer mehr versagen. Erst traf es die gesamte Musikindustrie, die sich mit einer technischen Erfindung wie der mp3-Datei bis zur restlosen Erschöpfung verausgabte, dann stolperte die Film- und Spieleindustrie im selben Zuge über exponentiell steigende Datenübertragungsraten unserer Netze - und nun stehen womöglich selbst dem produzierenden Gewerbe wie beispielsweise der Textilindustrie mit der Etablierung von 3D-Druckern ähnliche Herausforderungen bevor. Von Kopien und Plagiaten erst gar nicht zu reden. Und es sind keinesfalls die Bastler und die Garagenvisionäre mehr, die den Status Quo derart massiv in Frage stellen, sondern ausgerechnet gewachsene Giganten wie Apple oder Amazon, die nun mit dem Dateneigentum ihrer Kunden virtuos experimentieren. Ganz unscheinbar bauen sie sich als eine Art fünfte Gewalt in unserem Staate auf und werden so nicht nur im internationalen Steuerrecht zu einem einflussreichen Machtfaktor, der so in unserm Gewaltenteilungsmodell aus Gesetzgebung, Vollziehung und Rechtsprechung eigentlich gar nicht vorgesehen war. Sondern sie rivalisieren nun auch mit jener Pressefreiheit, die sich nicht ohne Grund über die vergangenen Jahrzehnte hinweg als kontrollierende Instanz und vierte Kraft noch mit in dieses Modell hineingearbeitet hatte.

    Doch was sind Firmen wie Google oder Amazon eigentlich? Sie sind in erster linie Geschäftsmodelle: während der einstige Suchmaschinendienst bis heute behauptet, er würde nicht ausschliesslich, aber eben auch im Dienste der Weltgesellschaft stehen, macht der einstige Bücherhändler gar keinen Hehl daraus, dass er vor allem Geld verdienen möchte. Die Wertschöpfung dieser Unternehmen besteht schon lange nicht mehr nur im Sammeln von Daten, sondern viel schlauer in ihrer ergiebigen Vernetzung. Und diese Bündelung ist nicht nur dauerhaft und lukrativ, sondern damit eben auch ein erheblicher Machtfaktor, der weit über jene in der klassischen Kapitalismuskritik betrachtete Konzern- und Bankenmacht hinausgeht. Tagtäglich können wir unsere Volksvertreter dabei beobachten, wie sie sich ratlos wie wir selbst oder zuweilen auch mit kurzsichtigem Eigennutz dieser Dynamik fügen und damit vermutlich unzähligen ähnlichen Geschäftsmodellen auch künftig das Feld überlassen werden. Wollen wir das wirklich?

    Und was kann die pluralistische Gesellschaft, als die wir uns nach wie vor verstehen, dem entgegensetzen? Wollen wir unsere Daten mit den selben Mechanismen schützen, die andernorts nicht nur von der NSA längst ausgehöhlt sind? Hier lohnt es sich zu erinnern, dass Technologien niemals Einbahnstrassen waren. Jedes strategisch entwickelte Produkt liess sich mit entsprechend kreativer Kraft irgendwann auch im gegenteiligen Sinne nutzen - sofern die Gesellschaft ein Gespür dafür zu entwickeln vermochte. Das Digitale ist gut und böse zugleich. So wie sich kein System der Welt vor Missbrauch schützen kann, so ist auch keines resistent dagegen, sinnvoll auf den Kopf gestellt zu werden. Die sogenannten 'Facebookrevolutionen' im verpufften arabischen Frühling geben nur eine blasse Ahnung davon, was möglich wäre, wenn man sich systematisch damit auseinandersetzen würde. Und auch die jungen Musiker haben sich längst darauf besonnen, dass die Essenz ihres Schaffens und Einkommens nicht eine kleine silberne Scheibe ist, sondern der aktive dienst am Publikum: auf Konzerten, in Fangruppen und nicht zuletzt gerade in dezentralen, aber ehrlichen Crowdfundingaktionen. Eventuell müssen wir uns daran gewöhnen, dass Schöpfungen wie Daten im digitalen Zeitalter nicht mehr exklusiv sein können - und würden wir sie so frei geben wie sie eigentlich schon längst sind, dann liesse sich mit ihrem Besitz auch nicht mehr so viel Geld verdienen. Im Gegenzug könnten wir innovative Mechanismen entwickeln, tatsächlich verantwortlich und gegebenenfalls auch zivilgesellschaftlich mit diesem Phänomen umzugehen - hier gäbe es genug zu forschen und zu verstehen für Universitäten und wahre Humanisten. Hier könnten wir uns schliesslich selbst trainieren, Geschäftsmodelle gemeinschaftlich und konstruktiv zu verändern, sei es als Partner, Mitwirkende oder auch als Konsumenten. Mit der gleichen Lust, mit der wir skypen, tindern und twittern, könnten wir auch diese Herausforderung betrachten: wenn wir begreifen, dass dieses Internet unser Internet ist. Denn eventuell sind solche Formen des positiven Hackings ja die einzige Chance, die wir als menschen im digitalen Strom noch haben? (Kay Strasser / 6.11.2014)

    -> https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10205477514405574&set=a.10202090707497518.1073741837.1482334816&type=1