Ausschnitt des Gemäldes "The Rape of Europa", 1560-1561. Isabella Stewart Gardner Museum, Boston. Foto & Teaser: Picture Alliance / Heritage Pictures.
Ein Beitrag von nemo
Vom Ende der transatlantischen Wertegemeinschaft
Seien wir einmal ehrlich. Ehrlich mit uns und unseren politischen Freunden jenseits des Atlantiks. Weite Bereiche der amerikanischen politischen Öffentlichkeit, von der Tea Party bis hinein in die republikanische Partei würden in Westeuropa als undemokratisch und rechtsradikal gelten. Die Anwendung der Todesstrafe, die exterritorialen völkerrechtswidrigen Gefangenenlager wie in Guantanamo würden den USA die Mitgliedschaft z.B. in einer Organisation wie dem Europarat verwehren, dem sogar Russland mit seinen dubiosen Rechtsstandards angehört. Dem internationalen Gerichtshof in Den Haag haben sich die USA von Anfang an verweigert, auch hier ging es darum gemeinsamen Werte auch unter denkbar schlechtesten Bedingungen eines Krieges Rechnung zu tragen. Freier Zugang zu Bildung und ein Sozialsystem, das Alters- und Gesundheitsversorgung unabhängig von den Volten der Kapitalmärkte garantiert sind nur rudimentär vorhanden. Alles Werte, die in Westeuropa oder sagen wir der EU nach wie vor die politische Agenda bestimmen und zum festen Wertekonsens gehören. Vertrauen gehört übrigens auch dazu, insbesondere wenn man eng in einem Militärbündnis wir der NATO zusammengeschlossen ist. Das passt Spionage beim Bündnispartner nicht hinein, um ein ganz aktuelles Beispiel zu nennen.
Man könnte dieses Lamento noch über einige Absätze fortführen, es ist aber obsolet weil die USA spätestens seit 9/11 einen einseitigen Paradigmawechsel vollzogen und Freiheit 1:1 mit Sicherheit durch Kontrolle ersetzt haben. Ein Paradigmawechsel, der im Namen des Kampfes gegen den Terror all diese Werte nur noch verbal dazu benutzt eine ganz dezidiert us-amerikanische Interessenpolitik zu verfolgen: Die komplette Kontrolle der weltweiten Internetkommunikation, der Zugang zu Rohstoffresourcen, der Kontrolle der Seewege für die Handelströme, die Kontrolle des freien und unreglementierten Zugangs - zwar für nicht von Menschen, dafür aber für Waren und Kapital an allen Orten der Welt.
Da die USA diesen Schritt zur Instrumentalisierung eines ehemals gemeinsamen transatlantischen Wertekanons für ihre eigenen Interessen vollzogen haben, sollten auch wir nun endgültig zu einer Zusammenarbeit auf der Basis gemeinsamer politischer Interessen zwischen einer starken EU und den USA zuwenden und von der Fiktion eines solchen Wertekanons verabschieden und weiterarbeiten auf der Basis eines rationalen realpolitischen Interessenausgleichs ohne ideologischen Überbau. Unsere Interessen in Europa und der Welt sind ja in der Tat andere als die der USA. Mit dem Konflikt um die Ukraine ist einmal mehr eine der Sollbruchstellen aufgebrochen, die speziell der europäischen Geschichte ( WWI ) geschuldet sind, mit den Folgen muss Europa leben und nicht die USA - auch wenn Senator McCain auf dem Maidan unsinnige Forderungen stellt und falsche Versprechungen macht. Die Folgen für Europa aus einer weiteren Destabilisierung Russlands, die die USA unter dem Deckmantel einer Implentimentierung des sogenannten westlichen Wertekonsenses mit Verve betreibt könnten sich schnell als Alptraum erweisen.