Soziale Essensausgabe in Athen. Foto: picture alliance / dpa
Ein Beitrag von Udo Bullmann
Als Antwort auf Verwerfungen in einigen Ländern der Eurozone hat der Europäische Rat, also die Staats- und Regierungschefs, die Troika – einen Zusammenschluss aus Bürokraten der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds – eingesetzt. Diese Troika hat die Krisenländer seitdem mit einem Kürzungsfeldzug nach dem anderen überzogen. Hinterlassen haben diese Attacken mit der Sense nichts als Brachland, sinkendes Wirtschaftswachstum und unaufhaltsam gestiegene Arbeitslosigkeit. In manchen Ländern Europas wächst gar eine Generation heran, die mehr Arbeitslose als Beschäftigte kennt.
Wie konnte es dazu kommen, noch dazu unter den Augen der kritischen Öffentlichkeit, die dafür von ihren Volksvertretern in der Regel Erklärungen verlangt? Genau hier liegt das Problem: Die Troika hat nationale Parlamente entmachtet und über das Schicksal von Millionen von Menschen entschieden, und unterliegt keinerlei demokratischer oder öffentlicher Kontrolle. So konnten die Bürokraten der Troika auch weitgehend unbemerkt auf fehlerhaften Annahmen beruhende Reformen einfordern. Grundlage der Troika-Sparvorgaben waren optimistische Prognosen zur wirtschaftlichen Zukunft kriselnder Länder. Die griechische Wirtschaft zum Beispiel sollte 2012 und 2013 angeblich um 3 Prozent wachsen - tatsächlich jedoch ist sie um mehr als zehn Prozent geschrumpft. Die Arbeitslosigkeit hingegen ist derzeit fast doppelt so hoch als vormals prognostiziert.
Doch die Funktionäre der Troika scheinen sich diesen Schuh nicht anzuziehen. In einer Anhörung vor dem Europäischen Parlament, die die Sozialdemokraten mitinitiiert haben, offenbarten die Bürokraten ein ganz eigenes Verständnis von Demokratie und Verantwortung. So haben leitende Funktionäre der Troika jegliche Mitschuld an der Misere in den krisengebeutelten Ländern von sich gewiesen. Olli Rehn, seinerzeit Kommissar für Wirtschaft, führte aus, dass die Programmländer selbst verantwortlich für die Kürzungsprogramme gewesen seien. Schließlich hätten sie die entsprechenden Programme unterzeichnet und ihren nationalen Parlamenten zur Abstimmung vorgelegt. Auch Jean-Claude Juncker, seinerzeit Eurogruppenchef, sprach davon, dass, die Entscheider mit den Details der Programmen nicht vertraut gewesen wären
Derartige Aussagen sind Hohn für die betroffenen Menschen. Keine Regierung, die bei Verstand ist, hätte sich in eigener Regie einen derart drastischen Kürzungskurs verordnet, der keinerlei Wachstumsanreize vorsieht. Die Bürokraten sind es den Menschen, die noch immer unter der Krise leiden, schuldig, Verantwortung für das Versagen der Troika zu übernehmen oder die Verantwortlichen klar zu benennen. Grund genug für uns im Europaparlament, die intransparenten Machenschaften der Troika einmal genauer unter die Lupe zu nehmen, um herauszufinden, wer sich für die verheerenden Resultate verantworten muss.
Heute wissen wir: Neben Missmanagement in den Staaten selbst haben die Staats- und Regierungschefs sowie die Troika einen erheblichen Anteil an Lage in Ländern. Einen entsprechenden Untersuchungsbericht haben wir im März diesen Jahres mit fraktionsübergreifender Mehrheit im Europäischen Parlament angenommen.
Diese organisierte Unverantwortlichkeit der Troika muss beendet werden. Nicht zuletzt der Ausgang der Europawahl in einigen europäischen Ländern sollte uns ein Warnschuss gewesen sein. Aus diesem Grund muss das Europäische Parlament Mitsprache- und Kontrollrechte bei der Aufstellung und Umsetzung von Reformprogrammen erhalten. Rechenschaftspflicht ist ein wichtiger Teil der Demokratie, auf den die Bürger ein Anrecht haben. Die Troika hingegen darf nicht weiter tätig werden und sollte durch einen Europäischen Währungsfonds unter Gemeinschaftsrecht ersetzt werden. Daneben brauchen die Krisenländer eine richtige Balance zwischen Konsolidierung und Strukturreformen. Den Bürgerinnen und Bürgern Europas darf – sowohl auf europäischer Ebene wie auch in den Mitgliedstaaten selbst - nicht länger verwehrt bleiben, den richtigen Weg aus der Krise mitzuwählen.
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