Wie lange muss sich Griechenlands Premier Antonis Samaras in Brüssel noch anhören, welche Reformen notwendig sind? Foto: Der Rat der Europäischen Union
Ein Beitrag von Von Dr. Bert Van Roosebeke & Philipp Eckhardt, Centrum für Europäische Politik
Wie viele hier schon detailreich geschildert haben, kann man die Troika sicherlich als undemokratisch, bevormundend und fordernd ansehen. Obwohl wir die von der Troika gemachten inhaltlichen Vorgaben im Großen und Ganzen für richtig halten, ist das Troika-Modell auf Dauer nicht haltbar.
In diesem Beitrag legen wir zuerst dar, warum die Troika bis heute notwendig ist. Anschließend zeigen wir eine bessere Variante auf.
Die Troika ist immer noch notwendig…
Bei aller Kritik: Man sollte Ursache und Wirkung nicht miteinander verwechseln. Dass die Regierungen der Programmländer Griechenland, Irland, Portugal und Spanien unangenehme Verhandlungen mit der Troika führen mussten, daran waren in erster Linie sie selbst schuld. Der immer wachsenden Auslandsverschuldung – sowohl des öffentlichen als auch des privaten Sektors – wurde nicht mit dem notwendigen Anstieg der Wettbewerbsfähigkeit begegnet. Im Gegenteil stiegen die Lohnstückkosten in vielen Programmländern im Vorfeld der Krise dramatisch an. Dies müssen sich Arbeitgeber wie Arbeitnehmer vorhalten lassen. Diskutabel ist darüber hinaus eine Mitschuld in- wie ausländischer Kapitalgeber dieser Länder. Trotz eindeutiger Hinweise (wie das andauernde, sehr hohe Leistungsbilanzdefizit Griechenlands) sahen diese seit der Euro-Einführung keine Notwendigkeit mehr, die Bonität dieser Programmländer kritisch zu hinterfragen.
Vor diesem Hintergrund sind die strengen Auflagen der Troika fachlich wie politisch berechtigt.
Fachlich, weil die Auflagen und dabei insbesondere die Strukturreformen - über das Timing und notwendige Ausmaß der Sparmaßnahmen lässt sich streiten – notwendig sind, um die Kreditfähigkeit dieser Länder wiederherzustellen. Die positiven Entwicklungen in Irland, Spanien und Portugal – Griechenland bleibt dagegen das Sorgenkind der Euro-Zone – belegen das (vgl. cepDefaultIndex).
Politisch, weil die Kreditgeber damit letztlich zu Recht ihre Steuerzahler und die eigene politische Handlungsfähigkeit (Stichwort: Budgetrecht des Bundestages) schützen möchten. Ein Selbstläufer ist das nicht. Zum einen ruht sich die Politik zunehmend auf dem OMT-Versprechen der Europäischen Zentralbank aus. Zum anderen sind die Troika-Verhandlungsführer nur vordergründig in einer guten Verhandlungsposition. Zwar stellen sie die Mittel bereit, die einen akuten Zahlungsausfall abwenden sollen. Gleichzeitig wissen sowohl die Troika als auch die Regierungen der Programmländer, dass ein Ausstieg dieser Staaten aus der Euro-Zone extrem unwahrscheinlich ist. Im Zweifel wird eine ESM-Tranche dann eben doch überwiesen.
Nicht auszuschließen also, dass die Troika – antizipierend, dass nicht alle ihre Auflagen erfüllt werden – daher sehr hohe Anforderungen stellte, was freilich ein zentrales Problem verschärfte: Die Bevölkerung der Programmländer fühlt sich massiv fremdbestimmt. Das ist keine Petitesse: In der Folge nämlich sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass die verlangten und notwendigen Reformen auch tatsächlich durchgeführt werden. Und: Es sinkt die Bereitschaft der Geldgeber, weitere Finanzhilfen bereitzustellen.
… jetzt brauchen wir etwas anderes
Die Euro-Zone braucht also eine Alternative zur Troika, die nicht fremdbestimmt daherkommt, die Reformbereitschaft der Programmländer nicht erlahmen lässt und gleichzeitig die (noch) solventen Euro-Staaten nicht überfordert. Letzteres wäre insbesondere der Fall, wenn Italien und/oder Frankreich Hilfe bedürfen.
Möglich ist das nur mit einer Staateninsolvenzordnung, bei der das Haftungsprinzip wieder Geltung findet, indem die Kreditgeber der Staaten die Lasten einer Staatsinsolvenz selbst tragen. Nur damit kann den Euro-Staaten die Souveränität über ihre Wirtschafts- und Fiskalpolitik zurückgegeben werden.
Dazu hat das cep bereits im Juli 2013 konkrete Vorschläge (siehe cepStudie „Die Euro-Reform“) präsentiert:
1. Automatische Schuldenschnitte:
Erreicht der Schuldenstand eines Euro-Staates 90% des Bruttoinlandsprodukts (BIP), kommt es automatisch zu einem Schuldenschnitt von 10%. Lag bei einem Euro-Staat der Schuldenstand im Jahr 2012 bereits bei über 75% des BIP, greift der Schuldenschnitt sobald er 15%-Punkte über dem Wert von 2012 liegt. Langfristig soll die 90%-Grenze dann für alle Euro-Staaten gelten. Diese verbindliche Schuldenschnittregel ermöglicht es Kapitalanlegern das Risiko einer Insolvenz eines Euro-Staats exakt einzupreisen. Damit sind die Regierungen schon frühzeitig gezwungen, einem weiteren Anstieg der Staatsschuld entgegenzuwirken. Zudem verringert ein Schuldenschnitt im Umfang von „nur“ 10% das Risiko von Ansteckungsgefahren.
2. Regulierung der Finanzinstitute:
Sehr bald muss es eine Unterlegung von Staatsanleihen mit Eigenkapital geben. Die regulatorisch definierte Risikolosigkeit dieser Anleihen lenkt zu viele Mittel in den Staatssektor. Sie würde den automatischen Schuldenschnitt unglaubwürdig machen. Zudem muss ein glaubwürdiges Abwicklungsregime sicherstellen, dass vordergründig Bankeigentümer und -gläubiger Verluste aus Bankpleiten tragen und die Mitgliedstaaten (also die Steuerzahler) erst nachrangig Mittel zuschießen.
3. Schließung des Target-Salden und Verzicht auf OMT-Programm:
Es gilt sicherzustellen, dass über das Target2-System der EZB nicht länger eine Finanzierung der Leistungsbilanzdefizite der sich in der Krise befindlichen Staaten stattfindet. Daher sollten die Target-Salden jährlich durch Übertragung von am Markt handelbaren Wertpapieren ausgeglichen werden. Ferner sollte die EZB ihr OMT-Programm stoppen, da es Reformmaßnahmen verzögert.
Als Konsequenz aus der Umsetzung dieser „Euro-Reform“ kann auch die Diskussion um die Troika beendet werden. Sie wird schlichtweg nicht mehr gebraucht.