Österreichische Presse

Österreich CC BY 2.0 by James Cridland CC BY 2.0 by James Cridland

von Simon Wendelin Burger.

Bei der Durchsicht der österreichischen Tageszeitungen wird offenkundig, dass die österreichische und deutsche Öffentlichkeit weitgehend von den denselben Themen bewogen wird und dass zwischen den deutschsprachigen Medien ein reger Themenaustausch bestehen muss: Die Berichterstattung und Kommentierung der Verhandlungen zu TTIP behandeln größtenteils ähnliche Fragen wie die großen deutschen Medien, wobei natürlich die Berichterstattung über die innenpolitische Stellungnahmen sich hauptsächlich – jedoch nicht nur – auf die Reaktionen österreichischer PolitikerInnen bezieht. Vor allem im Zeitraum vor den Wahlen zum Europäischen Parlament war die mediale Aufmerksamkeit bezüglich TTIP besonders hoch, was sich auch in der, europaweit nur mit den deutschen Medien vergleichbare hohen Anzahl an verfügbaren Artikeln widerspiegelt. Besonders aktiv war demnach der linksliberale Standard, in dessen Print- und Onlineausgaben bis Ende Juni 2014 93 verschiedene Artikel zum Thema TTIP erschienen waren.

«EU-US-Abkommen: Wir wollen keine Chlorhühner», BERICHT IN KRONEN ZEITUNG: PRINT, WIEN, 9. MAI 2014, (MASSENFOKUSSIERT/EUROSKEPTISCH, DICHAND/FUNKE)

Im Zuge der Berichterstattung zum EU-Wahlkampf im Mai 2014 kritisierte die Kronen Zeitung in bekannt provokativer Manier das Vorgehen der Europäischen Kommission bei den Verhandlungen zu TTIP und moniert deren „[...] berüchtigte Schwäche für – besonders amerikanische – Konzerninteressen“, welche dazu führen würde, dass „[…] unter dem Deckmantel der ‚Harmonisierung der Standards und Normen‘ Chlorhühnern, Hormonfleisch oder umweltschädlicher Industrie, wo immer US-Konzerne sie hinstellen wollen, Tür und Tor“ geöffnet würden. Neben einer Aushebeleung europäischer Schutzstandards ortet man die größte Gefahr in den Klauseln zum Investitionsschutz, welche dazu führen würden, dass „[...] bei Streitfällen Sonderschiedsgerichte, bestückt mit käuflichen Lobby-Advokaten, staatliches Recht aushebeln.“ Mit Hinweis auf die in Deutschland anhängige Streitsache zwischen dem Energiekonzern Vattenfall und dem Bund wird dabei davor gewarnt, dass amerikanische Unternehmen dieses Instrument dazu nutzen könnten, „[...] fernab von den nationalen Gerichtsinstanzen Staaten auf Schadenersatz zu klagen, falls diese etwa schärfere Umwelt- und Sozialgesetze einführen würden.“ Von der Europäischen Kommission fordern die Redakteure der Kronen Zeitung daher, kein Abkommen zu schließen, das europäische Standards aufweichen oder das Investitionsrisiko auf den Steuerzahler abwälzen würde, während gleichzeitig die mangelnde Transparenz der Verhandlungen und der Ausschluss der nationalen Regierungen aus ebendiesen angeklagt wird.

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«TTIP: Kritik an Schiedsgerichten bereits berücksichtigt» KOMMENTAR IN DER STANDARD: PRINT, WIEN, 23. JUNI 2014, (LINKSLIBERAL, BRONNER FAMILIEN-PRIVATSTIFTUNG)

Thomas Petsche und Alexander Obersteiner, beide Juristen in einer namhaften internationalen Kanzlei für Wirtschaftsrecht in Wien, kommentierten in der Montagsausgabe des liberalen Wiener Standards die kürzlich von der Europäischen Kommission veröffentlichten Verhandlungsziele und Referenztexte für TTIP und versuchen damit das „Wettern diverser NGOs gegen die Aufnahme von Schutzstandards für Auslandsinvestitionen von europäischen und amerikanischen Unternehmen“ und die, nach ihren Angaben unbegründeten, Ängste vor diesbezüglichen Investitionsschutzklauseln in TTIP zu entkräften. Demnach seien derartige Vereinbarungen nicht– wie von TTIP-Gegnern kompromittiert – als „Waffe gegen die Demokratie und Superrechte“ für multinationale Konzerne zu verstehen, sondern als gegenseitige Zusicherung der Vertragsstaaten, ausländische „Investoren gerecht und billig zu behandeln, diese nicht gegenüber Inlands- oder Drittstaatsinvestoren zu benachteiligen, nicht entschädigungslos zu enteignen und den freien Kapitalverkehr zu gewährleisten.“ Der Zweck von Investitionsschutzklauseln sei also, ausländischen Investoren effizienten und objektiven Rechtsschutz zu gewährleisten. Derartige Bestimmungen würden seit den Sechzigerjahren angewendet und fänden sich mittlerweile in über 1400 von EU-Staaten geschlossenen Abkommen; auch wenn Österreich noch nie auf einer derartigen Grundlage verklagt worden sei – heimische Unternehmer seien regelmäßig Profiteure von ISDS-Klauseln. Die Mehrzahl an Kritikpunkten hinsichtlich des für TTIP geplanten Investitionsschutzes, in concreto mangelnde Transparenz, die übermäßige Beschränkung der Gesetzgebung, das Fehlen einer Berufungsinstanz, sowie der Vorwurf der investorenfreundlichen Auslegung, lassen die Kommentatoren nicht gelten: „Geht es nach der EU-Kommission, soll sich [...] TTIP nämlich grundlegend von jenem in herkömmlichen Investitionsschutzabkommen unterscheiden. TTIP-Schiedsverfahren sollen durch die Anwendung der neuen Transparenzregeln der UN-Handelsrechtskommission UNCITRAL sogar transparenter werden als Verfahren vor staatlichen Gerichten. Zudem ist ein Ausnahmenkatalog vorgesehen, der den Gesetzgebern ausreichend Spielraum für Gesetze im öffentlichen Interesse (z.B. Umweltschutz) sichert, ohne Angst vor kostspieligen Klagen haben zu müssen. Außerdem sollen die Investorenrechte präziser definiert und eine Berufungsinstanz installiert werden. Ebenso geplant sind ein Mediationsverfahren, strenge Verhaltensrichtlinien für Schiedsrichter sowie eine Beteiligungsmöglichkeit der Zivilbevölkerung. Für Investoren wären diese Regelungen [damit] im Vergleich zu herkömmlichen Investitionsschutzabkommen tendenziell schlechter, weil sie wahrscheinlich zu längeren Verfahren führen werden.“ Nicht nur wären somit die Bedenken der Kritiker in vollem Maße berücksichtigt, die Verbesserung des Investititionsschutzes in TTIP könnte Vorbildwirkung für darauffolgende Abkommen entfalten: „Doch die Kritiker scheinen bereit zu sein, für einen politischen Sieg ihre inhaltlichen Anliegen zu opfern. Sie wittern die Chance, in der bewusst emotional geführten Debatte die Schiedsgerichtsbarkeit als Ganzes aus TTIP zu kippen, und verhindern damit eine wegweisende Weiterentwicklung des Investitionsschutzes.“

» Link zum Artikel « Siehe ebenfalls: «Klagsrecht für Konzerne: Kein Drama», vom 24. Mai 2014

«TTIP – Viele Ängste vor Freihandel mit USA sind unbegründet» BERICHT IN WIRTSCHAFTSBLATT: PRINT, WIEN, 16. JUNI 2014, (WIRTSCHAFTSLIBERAL, STYRIA MEDIA GROUP)

Unter Berufung auf das vom Rat der Europäischen Union an die Kommission gerichtete Verhandlungsmandat versucht der EU-Korrespondent des Wirtschaftsblattes, Österreichs einziger Tageszeitung mit Handelsschwerpunkt, notorische Kritikpunkte an TTIP zu entkräften. Demnach seien EU-Standards in den Bereichen Lebensmittelsicherheit und Umweltschutz nicht durch das Abkommen gefährdet, da das Mandat die Aushandlung eines Rechts auf autonome Festlegung von gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen vorsehe; ebenso soll in TTIP das Recht verankert werden, dass, was das Gemeinwohl betrifft, beide Parteien das Schutzniveau für Gesundheit, Verbraucher und die Förderung kultureller Vielfalt selbst festlegen können. Auch in Hinblick auf den Investitionsschutz wird versucht, die Aussagen anderer Medien zu relativieren: Im Sinne des Verhandlungsauftrags seien Investitionsschutzklauseln zum Schutz US-amerikanischer Investoren demzufolge nur insoweit in Abkommen aufzunehmen, als sie diese vor Diskriminierungen gegenüber europäischen Unternehmen schützen. Da für Investoren generell das Recht des Ziellandes gelten soll, könne nach Ansicht des Wirtschaftsblattes daher nicht „gegen Gesetze wie Umwelt- und Gesundheitsschutzregeln, die alle Firmen gleichermaßen betreffen, [...] geklagt werden.“ Das im Mandat gesicherte Berücksichtigungsgebot hinsichtlich der „Empfindlichkeit von bestimmten Wirtschaftssektoren“ wird vom Wirtschaftsblatt dahingehend ausgelegt, dass eine Privatisierung der Trinkwasserversorgung durch TTIP ausgeschlossen werden könne, womit sich das Medium letztlich noch explizit eines Themas annimmt, das in Österreich bereits während des EU-Wahlkampfs als besonders sensibel wahrgenommen wurde.

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«Wie aus einem harmlosen Huhn ein Kampftier wurde» KOMMENTAR IN DIE PRESSE: PRINT, WIEN, 16. JUNI 2014, (BÜRGERLICH-LIBERAL, STYRIA MEDIA GROUP)

Zufolge des Kommentators böte das Thema TTIP verlockende Möglichkeiten um „alte Ressentiments aufzuwärmen und neue Ängste zu schüren“ (i.e. Antiamerikanismus und Euroskeptizismus, Anm.), und käme somit gerade gelegen für die „Allianz von äußerster Rechter und der Linken, die beide liebevoll ihre Verschwörungstheorien schüren.“ Während dem Wahlkampf hätten demnach sowohl europäische Populisten, als auch etablierte Parteien die Ungewissheit über die gesundheitlichen Auswirkungen von in Chlor desinfiziertem Geflügel, Fracking, und gentechnisch veränderten Organismen dazu genutzt, sich billig Wählerstimmen zu sichern. Durch ebendiese Stimmungsmache gegen eine, durch eine Harmonisierung bedingte, angebliche Untergrabung europäischer Sozial-, Umwelt- und Gesundheitsstandards hätten die wahlwerbenden Parteien Feindbilder in den Köpfen der EuropäerInnen geschaffen und hätten dadurch dem „nicht zu unterschätzenden Konjunkturprogramm“ in Form des transatlantischen Freihandels zugleich schwer überwindbare Steine in den Weg gelegt.
Dabei sei gerade den EuropäerInnen das „Thema Harmonisierung von Standards vom Binnenmarkt durchaus vertraut. [...] Die Kommission hat Regeln geschaffen, die den Handel zwischen Sizilien und Lappland erleichtern sollen. Generell gilt, dass Waren, die die Standards im Land ihrer Produktion erfüllen, auch in allen anderen EU-Ländern verkauft werden dürfen, auch wenn dort andere, möglicherweise strengere Standards gelten. Ein bekanntes Beispiel dafür ist französischer Käse, der aus nicht pasteurisierter Milch erzeugt wird, was anderswo nicht üblich und verschiedentlich auch nicht erlaubt ist. Dennoch kann man in jedem österreichischen Supermarkt diesen französischen Käse kaufen.“ Jedoch seien nicht nur diese „Schreckgespenste“ zu überwinden; EU und USA seien sich noch in vielen Detailfragen uneinig, weswegen ein Abschluss der transatlantischen Partnerschaft eher längerfristig zu erwarten sei. Dass die Vertragspartner ihre Differenzen schlussendlich überwinden würden sei allerdings gewiss, denn: „Aber Freihandel ist ein Geschäft für beide Seiten. Das haben nicht nur die Klassiker der Nationalökonomie bewiesen, die Europäer haben es durch die Existenz der EU erfahren.“

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«Die Globalisierung hat ihre Feinde im eigenen Lager»,
KOMMENTAR IN SALZBURGER NACHRICHTEN: PRINT, SALZBURG, 9. MAI 2014, (CHRISTL.-KONSERVATIV, SN VERLAG)

Dass der Einigungsprozess über die Ausgestaltung des transatlantischen Freihandels während der vierten Verhandlungsrunde weniger dynamisch voranschritt als noch im Sommer des vergangenen Jahres, liegt nach der Ansicht der Redaktion der Salzburger Nachrichten nicht nur daran, dass bei EU und USA doch mehr protektionistische Tendenzen vorhanden seien, als zur Einleitung der Verhandlungen angegeben wurde, sondern vor allem daran, dass es für die Vertreter der Verhandlungspartner immer schwieriger werde, die Bevölkerung von den Vorteilen des Freihandels und der Öffnung der Märkte zu überzeugen: „TTIP [...] ist zum Synonym dafür geworden, dass Qualitätsstandards ausgehöhlt werden, Produkte auf den Markt kommen, die man ablehnt, öffentliche Dienstleistungen zur Ware werden, der Druck auf die Löhne steigt. [...] Die Ursachen für die große Skepsis liegen aber tiefer. Es wird immer klarer, dass die Globalisierung nicht nur Kostenvorteile, sondern auch Kosten bringt, die nicht einkalkuliert wurden.“ Dass diese Skepsis gegenüber offenen Märkten steige, hätten sich die Verfechter des Freihandels teils selbst zuzuschreiben: „Gerade die reichen Industrienationen nehmen es mit dem ungehinderten Zutritt nicht so genau, wenn es darum geht, den Heimmarkt gegen die Billigkonkurrenz aus Entwicklungs- und Schwellenländern abzuschotten. Zudem laufen bilaterale Handelsabkommen eigentlich der Idee des Freihandels und der Globalisierung zuwider, weil man sich auf Kosten Dritter Vorteile verschafft.“ Dabei werde nicht bestritten, dass Freihandel den Wohlstand grundsätzlich erhöhen würde – problematisch sei jedoch die Tatsache, dass die daraus resultierenden Gewinne unterschiedlich hoch und ungleich verteilt seien. Das Ziel der Skeptiker und Gegner des Freihandels solle demnach nicht sein, die Globalisierung aufgehalten, sondern vielmehr, auf die federführenden Kräfte einzuwirken, dass die Globalisierung möglichst positiv ausgestaltet werde. „Freihandelsabkommen wie das, das die USA und die EU anstreben, sind ein Instrument [für eine derartige Gestaltung. Und] selbst Anhänger des Freihandels müssen erkennen, dass es nicht mehr allein darum geht, die letzten paar Prozent beim Preis eines Produkts herauszupressen, sondern auch um Fairness und um Transparenz.“

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Siehe ebenfalls: «Widerstand gegen das Freihandelsabkommen regt sich zu Recht», vom 13. Mai 2014