Bestehende Rechtsakte der EU auf dem Gebiet des Flüchtlings- und Asylrechts

picture allianceIn allen EU-Mitgliedstaaten sollen möglichst gleiche Lebensbedingungen für die Antragsteller herrschen. Foto: picture alliance


Seit Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages 1999 arbeitet die EU an einem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) und somit an der Verbesserung der geltenden Rechtsnormen. Seinen Ursprung hat das GEAS mitunter in der Entwicklung des Schengen-Raums und der damit einhergehenden Notwendigkeit, Migrationsprozesse in diesem Raum ohne Grenzkontrollen einheitlich zu regeln. Bis zum 20. Juli 2015 müssen sämtliche Richtlinien der – oft als zweiten Harmonisierungsphase der Asylrechts bezeichneten Zeit – in nationales Recht der Mitgliedstaaten umgesetzt worden sein.

Eine wichtige Frage, die in der Europäischen Union durch Verordnungserlass geklärt wurde, ist die, welcher Mitgliedstaat für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist. Die im Juni 2013 neu gefasste, sogenannte Dublin-III-Verordnung legt fest, dass für die Bearbeitung eines in der EU, in Norwegen, Island, der Schweiz oder Liechtenstein gestellten Asylantrags nur ein Staat zuständig ist. So soll verhindert werden, dass ein Asylsuchender in mehreren Mitgliedstaaten gleichzeitig oder nacheinander Anträge auf die Gewährung von Asyl stellt (sog. “Asylshopping”). Nach den Regeln der Verordnung ist zunächst der Mitgliedstaat zuständig, der „verantwortlich“ ist für die Einreise des Antragstellers, etwa weil er ein Visum erteilt oder die illegale Einreise nicht verhindert hat.

Um diese Zuständigkeitsregel durchsetzen zu können, wurde im Jahr 2000 ein Informationssystem eingerichtet, mit dem die Fingerabdrücke von Asylbewerbern und irregulär Eingereisten zentral erfasst werden („Eurodac“-Verordnung 2725/2000). Mit der Neufassung von 2013 haben das Europäische Parlament und der Rat beschlossen, dass auch Strafverfolgungsbehörden Zugriff auf die gesammelten Daten haben sollen. Kann jedoch nicht ermittelt werden, welcher Staat für die Einreise verantwortlich gemacht werden kann, ist stattdessen der Staat zuständig, in dem der erste Asylantrag gestellt worden ist. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass sich ein Staat aus humanitären Gründen der Prüfung des Asylantrags annimmt, z.B. bei minderjährigen Antragstellern oder in Fällen der Familienzusammenführung. So übernimmt derzeit die Bundesrepublik die Durchführung der Asylverfahren von Syrerinnen und Syrern, die in Deutschland Familienangehörige haben sowie der Personen, für die nach der Grundregel Bulgarien zuständig wäre.[1] Der UNHCR hatte die dortigen Bedingungen im Asylverfahren kritisiert.[2]

Nur jedoch, wenn in allen Staaten möglichst gleiche Aufnahmebedingungen, Verfahren und Kriterien für die Gewährung von Asyl gelten, ist dieses System der ausschließlichen Zuständigkeit legitim.[3]

So wurde 2003 mit Erlass der Richtlinie 2003/9 (sog. „Aufnahmerichtlinie“Neufassung von 2013) festgelegt, welche Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern gelten sollen. Die Regelung zielt darauf ab, in allen Mitgliedstaaten möglichst gleiche Lebensbedingungen für die Antragsteller zu schaffen und enthält etwa Bestimmungen zur Unterkunft, zur medizinischen Versorgung, zum Zugang zum Arbeitsmarkt und zur Bildung, sowie zu Haftfragen.[4] Mit der Richtlinie 2001/55 wurde 2001 geregelt, welche Mindestnormen für die Aufnahme Schutzbedürftiger gelten sollen, wenn es einen „Massenzustrom“ geben sollte. Zudem bestimmt die Richtlinie, wie in einem solchen Falle die sich für die Mitgliedstaaten ergebenden Aufgaben ausgewogen unter ihnen zu verteilen sind.

Ein weiteres grundlegendes Regelwerk ist die Asylverfahrensrichtlinie (Richtlinie 2005/85 – neu gefasst 2013). Sie legt Mindestnormen fest, die für das Asylverfahren vor den Verwaltungsbehörden und in ihren Grundzügen auch vor den Gerichten gelten müssen. Sie sieht vor, welche Rechte und Pflichten die Antragsteller haben, garantiert beispielsweise das Recht auf Dolmetschung und persönliche Anhörung und verpflichtet zum Erscheinen vor Behörden und zur Vorlage von Dokumenten.[5] Auch gibt sie unterschiedliche Entscheidungskategorien (Bsp. Antrag unbegründet/offensichtlich unbegründet) und Verfahrensgrundsätze vor, wie etwa zur Zulassung von Folgeanträgen. Einerseits war bei Erlass dieser Richtlinie kritisiert worden, sie stelle einen Eingriff in einen Kernbereich der mitgliedstaatlichen Souveränität dar. Zugleich wird bemängelt, durch zahlreiche Ausnahmeregelungen lasse sie den Mitgliedstaaten so viel Freiheit bei der Umsetzung, dass ein einheitliches Asylverfahren eben nicht gewährleistet sei. Beispielsweise hätten die Mitgliedstaaten zu viel Spielraum bei der Bewertung eines Drittstaats als „sicher“.[6]

Mit der Richtlinie 2011/95, entweder „Anerkennungsrichtlinie“ oder „Qualifikationsrichtlinie“ ist der Rahmen für die materiell-rechtlichen Voraussetzungen gegeben, unter denen einer Person der Status als Flüchtling, beziehungsweise als subsidiär schutzbedürftige Person zuzuerkennen ist. Auch die an die Schutzgewährung anknüpfenden Statusrechte werden dort geregelt.

Die Flüchtlingseigenschaft wird in der Richtlinie auf Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 definiert. Ist eine Person nicht Flüchtling in diesem Sinne, aber trotz dessen schutzbedürftig, etwa weil ihr in ihrem Herkunftsland schwere Menschenrechtsverletzungen drohen, so ist nach der Qualifikationsrichtlinie „internationaler“ subsidiärer Schutz zu gewähren. Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten aufgrund ihrer nationalen Bestimmungen subsidiären Schutz etwa einem Menschen gewähren, der eine schwere, in seinem Herkunftsstaat nicht behandelbare Krankheit hat.

Zwar liegt damit der Anerkennungsrichtlinie ein weiterentwickelter Flüchtlingsbegriff zugrunde, doch ist sie gleichwohl der Kritik ausgesetzt, nicht weit genug zu reichen. Insbesondere sei nicht einzusehen, warum EU-Bürger vom Recht auf Asyl in einem anderen Mitgliedstaat ausgeschlossen sind. Außerdem wird kritisiert, dass die Mitgliedstaaten es unter Verweis auf das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative ablehnen können, Schutz zu gewähren. So sei ihnen auch hier ein weiter Einschätzungsspielraum eingeräumt und die Anerkennungspraxis in den Mitgliedstaaten könne keine einheitliche werden.[8]

Mit dem Ziel, die Mitgliedstaaten bei der Aufnahme von Geflüchteten zu unterstützen, war im Jahr 2000 der Europäische Flüchtlingsfonds (EFF) eingerichtet worden. Für die Förderperiode 2014 bis 2020 besteht er als Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) fort, aus dem Fördergelder auch in die Integration von Drittstaatlern, sowie in Rückführungsprogramme fließen sollen.

Mit der Verordnung 439/2010 wurde 2011 das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen in Valletta auf Malta eingerichtet. Es soll die praktische Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Bereich Asyl und insbesondere die Mitgliedstaaten stärken, die mit Schutzgesuchen besonders belastet sind. Das Unterstützungsbüro wird etwa bei innerhalb der EU tätig, sammelt Informationen über die Herkunftsländer und führt Schulungen für die Mitarbeiter der nationalen Asylbehörden durch.[9]