Dokumentation: Bericht über den dritten Europäischen Salon

Joana ScheffelDer dritte Europäische Salon in der Saarländischen Landesvertretung beim Bund. Foto: ©Joanna Scheffel Photography

Das zwischen den USA und der Europäischen Union verhandelte Freihandelsabkommen TTIP sorgt allerorts für heftige Kontroversen. So widmete sich der dritte Europäische Salon am 20. November 2014 der Frage “Auf dem Weg zur transatlantischen Wirtschaftsgemeinschaft mit TTIP?”. Ganz verschiedene Antworten gaben auf dem Podium David Krappitz, Jurastudent und Young Expert in der Jungen Europäischen Bewegung, Andreas Povel, Geschäftsführer der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland, Dieter Janecek, Mitglied des Deutschen Bundestages und wirtschaftspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Dr. Jan Schmitz, TTIP Koordinator der Europäischen Kommission, Generaldirektion Handel, sowie Prof. Dr. Steffen Hindelang, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht mit internationalen Bezügen an der Freien Universität Berlin. Prof. Dr. Christian Calliess moderierte die Podiumsdiskussion, in der auch intensiv Beiträge aus dem Publikum eingebracht wurden.

Joana ScheffelProf. Dr. Christian Calliess (Mitte) moderierte die Diskussion. Foto: ©Joanna Scheffel Photography

In der Landesvertretung des Saarlandes beim Bund waren Studierende sowie Interessierte aus der Fachöffentlichkeit dazu eingeladen, über folgende Fragen nachzudenken: Ist es erstrebenswert, eine transatlantische Wirtschaftsgemeinschaft zu schaffen und darin TTIP einzubetten? Stellen die intransparente Verhandlungsführung und etwaige Investitionsschutzklauseln einen Widerspruch zu gemeinsamen europäischen Grundwerten wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit dar? Oder auch: Brauchen wir für TTIP einen institutionellen Rahmen ähnlich dem europäischen Modell? Werden sich europäische Schutzstandards und Handelsregeln ihrem US-amerikanischen Gegenüber anpassen müssen und werden dadurch europäische Schutzniveaus gesenkt?

Entsprechend der Idee des Projekts “Europäischer Salon” waren diese Fragen zuvor bereits online diskutiert worden. Auf salon.publixphere.de hatten auch die Podiumsgäste ihre Positionen in Statements und Hintergrundtexten geteilt und beteiligten sich an der Onlinedebatte.

Die Podiumsdiskussion leitete Prof. Calliess mit dem Appell ein, sich dem Thema TTIP von einer wissenschaftlichen und vor allen Dingen rechtlichen Perspektive aus zu nähern. In seinem Eingangsstatement verwies Dr. Jan Schmitz jedoch auch auf eine mit TTIP verbundene Vision, nämlich von Anfang an mit den USA steuernd auf die Globalisierung einzuwirken. Das Freihandelsabkommen böte die Möglichkeit, gemeinsame Mindeststandards global festzusetzen.

Joana ScheffelDr. Jan Schmitz, TTIP Koordinator der Europäischen Kommission, Generaldirektion Handel. Foto: ©Joanna Scheffel Photography

Dieter Janecek schloss sich mit seiner Vision an, ein gutes Freihandelsabkommen mit ökologischen und sozialen Standards zu schaffen. Beide Vertragspartner folgten in ihren Wirtschaftsräumen erklärtermaßen Nachhaltigkeitszielen. Dies gelte es zu nutzen. Ein Investorenschutz jedoch berge die Gefahr, dass Souveränitätsrechte demokratischer Staaten ausgehebelt werden und sei zwischen zwei entwickelten Rechtsordnungen wie der EU und den USA nicht notwendig.

Joana ScheffelDieter Janecek, Mitglied des Deutschen Bundestages und wirtschaftspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Foto: ©Joanna Scheffel Photography

Andreas Povel wiederum verwies auf “nackte Zahlen”: Zusammen seien EU und USA momentan Weltwirtschaftsmacht. Noch könne also mit TTIP aus einer Position der Stärke heraus gehandelt werden, um Standards im internationalen Handel zu setzen. Doch sprach er auch die mit TTIP verbundenen Bedenken und Ängste, beispielsweise die Vorbehalte gegenüber Investitionsschutzklauseln, an. Diese seien im Übrigen für die Europäer in den USA viel wichtiger als umgekehrt: Nicht zuletzt die Zeit- und Kostenintensität US-amerikanischer Gerichtsverfahren mache eine Schiedsgerichtsbarkeit aus europäischer Sicht attraktiv.

Joanna ScheffelAndreas Povel (links), Geschäftsführer der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland. Foto: ©Joanna Scheffel Photography

David Krappitz von der Jungen Europäischen Bewegung sprach die oftmals kritisierte Art der Verhandlungsführung an. Er widersprach Povel im Hinblick auf die Transparenzfrage vehement. Während jener Transparenzeinbußen damit rechtfertigte, dass erfolgreiche Verhandlungen streckenweise geheim verlaufen müssten, vertrat Krappitz die Einschätzung, der Kollateralschaden für die Demokratie stünde in keinem Verhältnis zu strategischen Überlegungen.

Joanna ScheffelDavid Krappitz, Jurastudent und Young Expert in der Jungen Europäischen Bewegung. Foto: ©Joanna Scheffel Photography

Prof. Hindelang stellte u.a. die Frage, wozu es zwischen der EU und den USA eines völkerrechtlichen Investitionsschutzes bedürfe. Sei dieser doch im Vergleich zu nationalen Rechtsordnungen immer eher grobschlächtig und lückenhaft. Lediglich Rettungsboot könne er sein für den Fall, dass eine nationale Rechtsordnung im Einzelfall versage.

Joanna ScheffelProf. Dr. Steffen Hindelang, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht mit internationalen Bezügen an der Freien Universität Berlin. Foto: ©Joanna Scheffel Photography

Povel entgegnete, aus Sicht der USA sei die EU immer noch ein Zusammenschluss aus 28 unterschiedlichen Rechtsordnungen. In der ein oder anderen sei ein Versagen der Rechtsordnung vorstellbar und also die Notwendigkeit für Schiedsgerichte gegeben. “Das ist interessant, wo doch in der EU davon ausgegangen wird, ja als Beitrittsvoraussetzung verlangt wird, dass jeder Mitgliedsstaat Rechtsstaatlichkeit, namentlich eine funktionierende Gerichtsbarkeit gewährleisten kann”, bemerkte Prof. Calliess. Povel begegnete dem wiederum mit einem Bild. “Investition ist ein scheues Reh, dem man rechtlich und politisch einen guten und vor allem sicheren Rahmen bieten muss, damit es kommt und bleibt.”

Eine ganz andere Idee, wie man Unsicherheiten für Investoren ausräumen könnte, stellte Janecek zur Diskussion, und zwar, ob nicht ein internationaler Wirtschaftsgerichtshof eingerichtet werden könne. Ein solcher Gerichtshof könne dann auch Gemeinwohlinteressen besser in die Abwägung miteinbeziehen, wurde aus dem Publikum ergänzt.

Joanna ScheffelFoto: ©Joanna Scheffel Photography

Ebenfalls aus dem Publikum kam die kritische Nachfrage, ob nicht für die an der Wirtschaftsgemeinschaft unbeteiligten Staaten Handel verdrängt und sich TTIP also beispielsweise in Lateinamerika negativ auswirken werde. Auch wurde zu Bedenken gegeben, nicht in allen Bereichen könne man die US-amerikanischen mit europäischen Standards vergleichen. Gerade europäische Umweltstandards drohten zu sinken, wenn europäische Produkte in direkte Konkurrenz zu Produkten gerieten, die billiger produziert worden wären und so billiger angeboten werden könnten.

Joanna ScheffelFoto: ©Joanna Scheffel Photography

Eine Stimme aus dem Publikum merkte zudem an, es lohne in der Debatte der Blick in andere Länder der EU: Einige Staaten Osteuropas etwa befürworteten den Abschluss des Freihandelsabkommens, weil sie zuvor bereits Handelsabkommen mit den USA geschlossen hätten, die für sie nachteiliger seien.

Joanna ScheffelFoto: ©Joanna Scheffel Photography

Sowohl vonseiten des Publikums als auch auf dem Podium wurde übereinstimmend gewürdigt, dass das geplante Abkommen eine intensive und wichtige Debatte losgetreten habe. David Krappitz betonte, dass sowohl die EU als auch die USA als Demokratien ihre jeweilige Position zu TTIP aus der Bevölkerung ziehen müssten. Also muss die Diskussion um das Freihandelsabkommen lebhaft bleiben - auch im Europäischen Salon.