Französische Presse
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von Susanne Knotz.
Die französischen Medien haben die Kontroverse um das geplante Freihandelsabkommen vor allem im Hinblick auf die Wahlen zum Europäischen Parlament am 25. Mai aufgearbeitet. Die Zeitungen skizzierten die Haltungen der Parteien, die sich um Sitze bewarben. Namentlich vonseiten des Linksbündnisses Front de Gauche und den europäischen Grünen Europe Ecologie-Les Verts (EE-LV) sei versucht worden, gegen das TTIP zu mobilisieren. Kritik an dem geplanten Abkommen findet sich in den Medien Frankreichs unter den bekannten Stichworten Chlorhühnchen und Hormonrindfleisch. Zudem wird die Furcht vor dem Absinken der europäischen Standards etwa im Verbraucher- und Gesundheitsschutz dargestellt. Darüber hinaus wird in den französischen Zeitungen stellenweise die Befürchtung laut, mit dem TTIP werde die landwirtschaftliche Produktion in Europa unrentabel. Die überregionale Tageszeitung Le Figaro veröffentlichte im Mai dieses Jahres eine Umfrage, in der sich die Haltung der Franzosen zum TTIP abbildet.
« Halte aux fantasmes sur le traité transatlantique » « Den Mythen um das Transatlantische Abkommen Einhalt gebieten » Kommentar in Le Monde: Print, Paris, 15. Mai 2014 (linksliberal, Groupe La Vie-Le Monde)
Die linksliberale Zeitung le Monde erörtert nüchtern die Vor- und Nachteile, die das Freihandelsabkommen mit sich bringen könnte. Sie räumt ein, es gäbe durchaus berechtigte Sorgen, im Verhandlungsergebnis werden die europäischen Werte letztendlich nicht ausreichend zur Geltung kommen. Sie macht aber zugleich darauf aufmerksam, noch sei weder beschlossen die Einfuhr von Chlorhühnchen zu erlauben, noch das umstrittene Fracking zuzulassen. Le Monde kritisiert, dass die Verhandlungen im Geheimen geführt werden. Dies befeuere Spekulationen und Panikmache. Schließlich fragt die Tageszeitung nach den Vorteilen, die vom Abschluss des Freihandelsabkommens erwartet werden. Mit Prognosen zum Wirtschaftswachstum und indem sie die Vorteile des Freihandels betone, könne die europäische Kommission nicht überzeugen. Der Zeitung zufolge gehe es bei dem Freihandelsabkommen weniger darum, einige Zölle abzubauen, sondern um die Frage, wer Standards für weltweit anzubietende Produkte und Dienstleistungen schafft. "Die Entscheidung ist einfach : Entweder das 21te Jahrhundert wird am Pazifik von Amerikanern und Chinesen verhandelt, oder aber Europa bringt sich als zentraler Akteur ein, um seine Standards durchzusetzen und seine Lebensweise zu beschützen."
« Opacité » « Intransparenz » Kommentar in Libération: Print, Paris, 18. Mai 2014 (linksliberal, SARL Libération)
Die linksliberale Libération zeichnet ein klares Bild von den Verhandlungspartnern. Um das TTIP abschließen zu können, müsste Europa den Verbraucherschutz und die USA die Unternehmensinteressen einem Kompromiss preisgeben. Die überregional erscheinende Zeitung beklagt die Intransparenz bei den Verhandlungen. Wären Parteien und Öffentlichkeit besser informiert gewesen, hätte sich so manche Polemik und Radikalisierung im Europawahlkampf vermeiden lassen können.
« TAFTA, l’ombre d’un traité hors norme » « TAFTA, der Schatten eines Abkommens außerhalb der Norm » Kommentar in Libération: Print, Paris, 18. Mai 2014 (linksliberal, SARL Libération)
Die französische Tageszeitung bemisst zugleich die Vorteile, die das TTIP mit sich bringen soll. Sie nimmt Bezug auf die Prognosen der EU-Kommission, denen zufolge sich mit dem TTIP ein Wirtschafts-wachstum einstellen soll, das sich in 545 Euro pro Jahr und Haushalt niederschlagen werde. Doch merkt die Zeitung an, Deutschland und England würden letztlich doppelt so stark vom Freihandel profitieren als Frankreich, wo gar mit einem Einbruch im agrarindustriellen/landwirtschaftlichen Sektor gerechnet werden müsse. Die Libération bewertet den mit Abschluss des TTIP erwarteten finanziellen Gewinn als minimal und folgert, das Interesse der Verhandlungspartner an dem Projekt sei eher mit deren Wunsch zu erklären, mit dem Abkommen globale Standards zu schaffen. Vordergründig habe man dabei im Blick, China an diese Standards zu binden. „Selbstverständlich handelt es sich in der amerikanischen Vorstellung darum, dass ihre Standards übernommen werden; nicht die der Europäer, die man für zu streng hält.“
Bei dem Vertragsprojekt habe es sich um eine der großen Kontroversen im Wahlkampf gehandelt. So gab die Libération rechtzeitig vor der Wahl zum Europäischen Parlament einen Überblick über die Hal-tung der größten französischen Parteien zu dem geplanten Abkommen:
« Libre-échange : qui pense quoi sur le Tafta? » « Freihandel : Wer denkt was über das TTIP ? » Bericht in Libération: Print, Paris, 12. Mai 2014 (linksliberal, SARL Libération)
Die Libération berichtet, die Front de Gauche (dt : Linksfront), ein 2008 gegründeter Zusammenschluss linker Parteien, sowie die EE-LV (Europa Ökologie-Die Grünen) hätten den Wahlkampf im Vorlauf der Europawahl genutzt, um gegen das Abkommen zu mobilisieren. Ihre Gründe erklärten Vertreter der Parteien gegenüber der Zeitung mit den im Geheimen geführten Verhandlungen und äußerten zudem ihre Furcht, Sozial-, Gesundheits- und Umweltstandards würden mit Abschluss des Abkommens absinken. Zudem wird Raquel Garrido, Kandidat der Front de Gauche, mit der Einschätzung zitiert, das TTIP stelle für die französischen Kleinbauern eine Bedrohung dar: „Eine amerikanische Farm hat durchschnittlich 180 Hektar - dagegen 13 Hektar in Europa, 1000 Kühe in den Vereinigten Staaten, 50 in Europa. Wie sollen sie miteinander konkurrieren können? Die Übereinkunft droht, die europäischen Betriebe zu zerstören.“
Die Libération berichtet, die Parti Socialiste stehe dem TTIP skeptisch gegenüber, bleibe in der Öffentlichkeit jedoch unauffällig. Ihre Vertreter wiederum erklären gegenüber der Zeitung, Front de Gauche und Grüne seien darauf angewiesen die Diskussion anzuheizen, um in der Parteienlandschaft bestehen zu können. Auch die Sozialisten hätten einige Vorbehalte gegen das TTIP, wenn es zu einem Übereinkommen werde, mit dem die europäischen Standards abgesenkt würden. Besonders Kultur- und Medienpolitik, Verteidigungspolitik, den Schutz personenbezogener Daten und europäische Umweltstandards dürfe das Abkommen nicht modifzieren. Auch gehört zu den Bedingungen der Sozialisten, das Abkommen dürfe keine Schiedsgerichte mit sich bringen.
Als Vertreter für die konservative UMP lässt die Libération Alain Lamassoure zu Wort kommen, der die Partei im Europäischen Parlament vertritt. Dieser verteidigt, was die linken Parteien einhellig kritisieren: Die im Geheimen stattfindenen Verhandlungen. Die Verhandlungen glichen einer Partie Poker – man dürfe sich nicht in die Karten schauen lassen, nicht im Vorhinein bekannt geben, welche Vereinbarun g man zu akzeptieren bereit sei. Der UMP-Abgeordnete fürchtet auch nicht, europäische Standards könnten dem Abkommen zum Opfer fallen. Die EU stünde den USA in starker Position gegenüber; immerhin habe sie 30 Jahre Erfahrung mit der Harmonisierung von Normen und Standards. Lediglich was die Einrichtung von Schiedsgerichten angeht, gleicht die Position der UMP derjenigen der anderen Parteien: Lamassoure lehnt es ab, solche einzurichten.
« Le TTIP peu connu des Français (sondage) » « Das unter den Franzosen wenig bekannte TTIP (Umfrage) » Bericht in Le Figaro: Print, 20. Mai 2014 (konservativ, Socpresse)
Der Figaro veröffentlichte Mitte Mai 2014 eine Umfrage zum TTIP, die wiederum von der Tageszeitung L‘Humanité in Auftrag gegeben und von dem Meinungsumfrage- und Marktforschungsinstitut CSA durchgeführt worden war. Die französische Bevölkerung war danach gefragt worden, wie viel sie über das geplante Abkommen wisse und was sie von ihm halte. Weniger als die Hälfte der Franzosen (44%) hat dem Umfrageergebnis zufolge bislang überhaupt von dem TTIP ge-hört. 68 % der französischen Bevölkerung sehen die Aufhebung der zwischen den USA und der EU zu entrichtenden Zölle und die Schaffung eines gemeinsamen Marktes aber grundsätzlich positiv. Gleichzeitig denken 76% derer, die von dem geplanten Abkommen gehört haben, es werde eher den USA als der Europäischen Union Nutzen bringen. Die Hälfte der Franzosen sehen im TTIP eher eine Be-drohung für die EU (45 %), sowie für Frankreich (50%).
74 % derjenigen, die schon einmal von dem geplanten Freihandelsabkommen gehört haben, sind dage-gen einem US-amerikanischen Unternehmen oder einem Investor die Möglichkeit einzuräumen, vor einem Schiedsgericht etwa gegen den französischen Staat zu klagen. Schließlich halten es 70 % der Franzosen für "nicht normal", dass die Verhandlungen über das TTIP im Geheimen statfinden und nur 29 % haben Verständnis für strategische Erwägungen, wegen derer die Verhandlungen geheim bleiben.
« Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) : des réserves sérieuses » « Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP): Ernsthafte Vorbehalte » Kommentar in Les Echos: Print, Paris, 19. Mai 2014 (Wirtschaftsmagazin, Groupe Les Échos)
Das Wirtschaftsmagazin Les Echos gesteht dem vorhergesagten makroökonomischen Nutzen des TTIP angesichts der so unterschiedlichen Prognosen einen geringen Wert zu. Zudem führt es eine Liste an Kritikpunkten an dem Abkommen. Beispielsweise sieht es die Einrichtung von Schiedsgerichten äußerst kritisch, beklagt das Anliegen der USA, die Finanzmärkte von einer Harmonisierung auszunehmen, sowie die US-amerikanische Zurückhaltung beim Schutz von Herkunftsbezeichnungen. Das Konzept der USA für das Abkommen werde dem großen Interesse Frankreichs an bindenden Regeln in diesem Bereich nicht gerecht. Während nämlich US-amerikanische Weine und solche aus der südlichen Halbkugel (Argentinien, Chile, Südafrika, Australien und Neuseeland) im Jahr 2011 25% Anteil am Markt hatten (im Vergleich zu 3 % im Jahr 1990), sei Wein aus Frankreich von einem Marktanteil von 25 % auf 4 % gefallen. Auch nimmt Les Echos Bezug auf die Spionage-Skandale: „Ausgehend von den dank Snowden bekannt gewordenen Spionagefällen würde man denken, dass das TTIP an allererster Stelle eine einfache, klare und transparente Gesetzgebung zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger hervorbringt. Außerdem ist der Wirtschaftszeitung aus Frankreich wichtig, dass auch mit Abschluss des Abkommens der Schutz des Kulturbereiches gewahrt bleibt. Für Les Echos handelt es sich beim Kulturbereich um das Pendant zur Diversität von Flora und Fauna.