Spanische Presse
CC BY-NC 2.0 by Tim Ellis
von Susanne Knotz.
Auch in Spanien wird die Intransparenz bei den Verhandlungen über das TTIP beklagt und das Europäische Parlament in der Verantwortung gesehen, die Bürgerinteressen einzubringen. Im Wahlkampf vor der Wahl zum Europäischen Parlament scheint, den Berichten zufolge, das Freihandelsabkommen eine weniger große Rolle gespielt zu haben als beispielsweise in Frankreich. Die Medien betonen aber auch die Vorzüge des Abkommens: 150.000 neue Arbeitsplätze in Spanien, Arbeitnehmerfreizügigkeit in Richtung der USA und die Möglichkeit für spanische Firmen, an öffentlichen Aufträgen in den USA beteiligt zu werden. In dem europäischen Land herrscht eine Arbeitslosigkeit von 25 %. Darüber hinaus wird berichtet, einige spanische Erzeugnisse wie Textilien, Schuhe, und Keramik seien derzeit noch mit einem Zollsatz von 10 bis zu 30 % belegt. Deren Vertrieb könne das TTIP zu Gute kommen. In den Zeitungen finden sich Mutmaßungen zu der Frage, ob das Freihandelsabkommen Regeln für den Finanzsektor beinhalten wird und wenn ja, wie streng diese sein werden.
« Europa alboroza a Wall Street » « Europa sorgt für Freude an der Wall Street » Bericht in El País: Print, Madrid, 6. Juli 2014 (linksliberal, Prisa)
In Spanien scheint die Festlegung gemeinsamer Regeln für den Bankensektor im Rahmen des TTIP von einigem Interesse zu ein. So berichtet etwa El País über die Verhandlungen zu diesem Thema. Während hinsichtlich Verbraucher- oder etwa Umweltschutz meist zu lesen ist, die EU werde im Kompromiss mit den USA eigene Standards absenken müssen, berichtet El País, die Regeln, mit denen man in der EU eine erneute Bankenkrise verhindern wolle, seien weit weniger streng als in den USA. In Europa habe die Finanzwelt eben mehr Einfluss auf den Gesetzgeber. So freuten sich die Akteure an der Wall Street stets über die europäischen Vorschläge in den Verhandlungen über das TTIP.
El País unterstreicht, die europäischen Verhandlungsführer seien dem Ziel verpflichtet, eine Benachteiligung der europäischen Finanzakteure bei ihrem Handeln in den USA zu vermeiden. Trotz dessen dürften sie nicht versuchen, mit dem Freihandelsabkommen lasche Regeln zu etablieren, die von den großen europäischen Banken diktiert wurden, so die Zeitung scharf. Schließlich habe die Erfahrung gezeigt, dass niemals die Banken selbst entscheiden dürften, welche Regeln notwendig sind.
« ‘Efecto Drácula’ transatlántico » « Transatlantischer ’Drakula-Effekt‘ » Kommentar in El Paìs, Print, Madrid, 16. Juni 2014 (linksliberal, Prisa)
Die Zeitung beklagt die Intransparenz der Verhandlungen, die sich sogar auf das zugrundeliegende Ver-handlungsmandat erstrecke. Die Heimlichtuerei provoziere die Bürger derart, dass es am Ende nicht überraschen dürfe, wenn das TTIP dasselbe Schicksal ereile wie das Multilaterale Investitionsabkommen (MAI) 1998. Gegen selbiges hätte sich angesichts der kompletten Intransparenz weltweiter Protest erhoben.
Die Zeitung beschwichtigt, das TTIP müsse natürlich auch vom Europäischen Parlament angenommen werden. Erstaunlicherweise habe es aber nur eine zweitrangige Rolle im Wahlkampf gespielt, urteilt die Zeitung - ganz im Gegensatz zu dem, was aus Frankreich berichtet wird.
Dabei sei der Wahlkampf die Gelegenheit gewesen, offenzulegen worüber verhandelt wird und ob die etwa von US-Präsident Obama gemachten Prognosen stimmen, das Abkommen werde den Export um ein Vielfaches steigern, zur Schaffung zahlreicher Arbeitsplätze beitragen, das Wirtschaftswachstum stimulieren. Doch das geplante Freihandelsabkommen sei wie Drakula in der Filmversion Coppolas: Es zeige sich nicht im Tageslicht.
Demgemäß meint die Zeitung, ein abschließendes Urteil über das Abkommen könne erst gefällt werden, wenn das Kleingedruckte bekannt werde.
Zum Schluss benennt auch El País die geopolitischen Aspekte des Abkommens: Eine Allianz Europas mit den USA würde einerseits ein Gegengewicht zum asiatischen Wirtschaftsraum bilden können, der in wenigen Jahren vergleichsweise mehr Investition in Technologie und Militär, ein höheres Bruttoinlandsprodukt und eine größere Bevölkerung aufweisen würde. Andererseits stünden dem Abschluss des Abkommens die Enthüllungen Edward Snowdens entgegen, die die Ausspähung Hunderter Millionen Bürger, unter ihnen Europas politische Führungskräfte belege.
Siehe auch: « Libre comercio a hurtadillas » / « Freihandel auf leisen Sohlen » vom 21. April 2014
« Temas que vuelan bajo el radar ciudadano » « Themen, die den Radar der Bürger unterfliegen » Kommentar in El País, Print, Madrid, 25. April 2014 (linksliberal, Prisa)
Die Kommentatorin in El País weist dem neuen Europäischen Parlament die Aufgabe zu, den Abschluss des TTIP zu überwachen. Schließlich sei das Europäische Parlament die Institution, die die Bürgerinteressen zu verteidigen habe. Zwar würden die Verhandlungen nicht gänzlich im Geheimen geführt, aber solange mit gedämpfter Bedeutung und Belanglosigkeit, dass die Ergebnisse den Bürgern entgingen, bis das Abkommen zur Annahme stünde und es zu spät sei, Einfluss zu nehmen. Dabei werde das Verhandlungsergebnis die Bürger in ihrem täglichen Leben stark beeinflussen. Es fehle im Verlauf der Verhandlungen an Transparenz – vor allem da für gewöhnlich das Ergebnis derartiger Verhandlungen ein Kompromiss im “Trialog“ sei: Für die größten Kontroversen würde im Rahmen von informellen Treffen zwischen Funktionären der Kommission, des Europäischen Rates und Mitgliedern des jeweils mit dem Thema befassten Ausschusses des EP eine Lösung gesucht. Diese Gruppierung sorge für Furore in Brüssel, obwohl es sie theoretisch gar nicht geben dürfe.
« García-Legaz fija los contratos públicos y la movilidad como base en el acuerdo EU-EEUU » « García-Legaz erklärt die öffentlichen Verträge und die Arbeitnehmerfreizügigkeit zur Grundlage der Vereinbarung zwischen den USA und der EU » Bericht in El País: Print, Madrid, 28. Februar 2014 (linksliberal, Prisa)
Die Tageszeitung aus Madrid stellt dar, welche Neuerungen in den Wirtschaftsbeziehungen zwischen den USA und Europa sich die spanische Regierung von dem Freihandelsabkommen verspricht. El País berichtet, der spanische Staatssekretär für Handel, Jaime García-Legaz, habe für unverzichtbar zum einen die Beteiligung spanischer Firmen an öffentlichen Verträgen in den USA erklärt. Zum anderen wäre ihm zufolge erstrebenswert, dass spanische Arbeitskräfte Zutritt zum US-amerikanischen Arbeitsmarkt erhalten. El País zitiert García-Legaz mit der Aussage, es sei das Anliegen der europäischen Verhandlungsführer, schnell eine Einigung über das Freihandelsabkommen zu finden.
« El Gobierno afirma que el tratado de libre comercio con EEUU podría generar 150.000 empleos en España » « Die Regierung erklärt, das Freihandelsabkommen mit den USA könnte 150.000 neue Arbeitsplätze in Spanien schaffen » Bericht in El Mundo: Print, Madrid, 5. Juni 2014 (konservativ und wirtschaftsliberal, Unidad Editorial)
Auch El Mundo räumt den Worten Jaime García-Legaz‘ einigen Platz ein. Die Zeitung berichtet, der spanische Staatssekretär für Handel habe erklärt, das Freihandelsabkommen zwischen EU und USA könne in Spanien zur Entstehung von 150.000 neuen Arbeitsplätzen und auf lange Sicht zu einer Steigerung des Pro-Kopf-Einkommens um 6,6, % führen. El Mundo zitiert den Staatssekretär mit der Prognose, in den kommenden zehn Jahren würden 90 % des Wirtschaftswachstums außerhalb Europas stattfinden. Vor diesem Hintergrund sei Spaniens einzige Möglichkeit zukünftig erfolgreich zu wirtschaften, sich der Globalisierung zu öffnen und eine gemeinsame Handelspolitik mit anderen Staaten zu betreiben. Die Handelsbeziehung zwischen den USA und Asien sei bereits so weit entwickelt, dass es unverzichtbar sei, das Freihandelsabkommen abzuschließen um verhindern zu können, dass die asiatischen Firmen sich vor den europäischen auf dem amerikanischen Markt ansiedeln und so ihnen gegenüber einen Vorteil erhalten. Auch der britische Minister für Handel und Investitionen, Lord Livianos, wird mit den Worten zitiert, das Freihandelsabkommen sei von grundlegender Bedeutung und könne der europäischen Wirtschaft ein Plus von 100.000 Millionen Euro jährlich bescheren. So sei es wichtig, die Zweifel, die das Abkommen betreffen auszuräumen; schließlich gehe es nicht darum, Standards abzusenken, sondern Herstellung und Vertrieb von Produkten zwischen den Partnern zu vereinfachen.
« Los miedos al acuerdo de libre comercio » « Angst vor dem Freihandelsabkommen » Bericht in La Vanguardia: Print, Barcelona, 27.Juli 2014 (liberal bis konservativ, gemäßigt regionalistisch, monarchistisch, Godó)
Die Tageszeitung aus dem katalonischen Barcelona räumt Gegnern und Befürwortern des Abkommens mit ihren jeweiligen Argumenten Platz ein. Etwa nennt sie die Berechnungen der EU-Kommission zum erwarteten Wirtschaftszuwachs durch das TTIP. Die Kritiker zitiert sie mit der Einschätzung, es handle sich bei den veröffentlichten Zahlen zum einen stets um das Best-Case-Szenario, zum anderen könne mit einem derartigen Wirtschafszuwachs frühestens 10 Jahre nach Abschluss des Abkommens gerechnet werden. Den Befürworten zufolge könne gerade Spanien zu denjenigen Ländern gehören, die am meisten vom TTIP profitieren würden: Die meisten Zölle zwischen USA und EU seien bereits abgeschafft; einige für Spanien bedeutsame Wirtschaftssektoren, wie das Textilgewerbe, die Schuhindustrie, Thunfischkonserven und Keramik unterfielen aber noch Zollsätzen von 10 bis 30 %. Auch La Vanguardia stellt die Angst der Kritiker dar, es würden mit Abschluss des TTIP Normen und Standards abgesenkt. Diese Angst könne der spanische Staatssekretär für Handel auch mit der Stellungnahme nicht zerstreuen, es gebe rote Linien, die im Rahmen der Verhandlungen nicht überschritten würden. Denn, so die Kritiker, solch rote Linien gebe es auch für die Amerikaner; etwa betreffend den Export ihres Kalbs- und Hühnchenfleisches. Ein europäisches Importverbot würden sie nicht akzeptieren. Müssten sie aber die europäischen Normen nicht einhalten, könnten die Amerikaner Lebensmittel zu Niedrigpreisen anbieten, was wiederum Druck auf die europäischen Firmen entstehen lasse. Um mithalten zu können, würden diese ebenfalls Abstand von den bis dato geltenden Standards nehmen. Die Einrichtung von Schiedsgerichten ist auch in Spanien Kontroverse. La Vanguardia lässt Gegner des Abkommens mit der Einschätzung zu Wort kommen, die Schiedsgerichtsverfahren stellten eine Bedrohung für die Demokratie dar, denn sie schränkten die Macht der Staaten und der Parlamente als Vertreter des öffentlichen Interesses ein. Genauso findet sich in der Zeitung jedoch die Einschätzung derer, die für die Einrichtung von Schiedsgerichten sprechen. Sie mahnen, die Gerichte in den USA seien nicht dazu verpflichtet, im Rahmen ihrer Rechtsprechung das Verbot der Diskriminierung ausländischer Firmen und Anbieter zu beachten. Der Kritik an der Intransparenz der Verhandlungen entgegnet Marcus Beyrer, Vertreter des Arbeitgeberverbands Business Europe in La Vanguardia, er habe noch nie Verhandlungen erlebt, die so transparent geführt worden seien. Dabei sei für erfolgreiche Verhandlungen ein bestimmter Grad an Verschwiegenheit sogar notwendig.