Gibt es ein Demokratiedefizit in der EU? Und wenn ja, worin liegt der maßgebliche Aspekt des Demokratiedefizits?
Prof. Dr. Heining: Mir erscheint es sinnvoller, von einem „Demokratiedilemma“ zu sprechen. Demokratiedilemma meint eine im Grunde tragische Situation, in der trotz hinreichender förmlicher demokratischer Legitimation gleichwohl wichtige Elemente demokratischer Willensbildung nur defizitär ausgebildet sind oder erscheinen.
In der Literatur wird diese Situation zuweilen auch als „demokratisch legitimiertes Demokratiedefizit“ (Stefan Kadelbach) beschrieben. Das klingt paradox, ist aber zutreffend, wenn man im Hinterkopf behält, dass hier zwei Demokratiebegriffe eingeführt werden: ein formeller Legitimationsbegriff und ein anspruchsvolles Demokratieideal, das normativ nicht hinreichend zu garantierende, faktische Elemente (eine lebendige, für Grund- und Alltagsfragen des Gemeinwesens gleichermaßen aufgeschlossene Öffentlichkeit, ein pluralistisches Parteienwesen, eine virile politische Kultur) umfasst.
Ein Demokratiedilemma besteht deshalb, weil weder über die Arenen nationalstaatlicher Politikformulierung noch über die Institutionen der EU eine Demokratisierung im anspruchsvollen Sinne gelingen will.
Wir haben die Podiumsgäste des zweiten Europäischen Salons zum Thema "Vor der Wahl zum Europäischen Parlament: Europa der Bürger – Europa der Eliten?" vorab um ihre Meinung zu unterschiedlichen Fragen gebeten, um sie online zu diskutieren. Alle Online-Beiträge und Kommentare haben die Chance, am 30. April auf dem Podium direkt in die Diskussion mit den Experten einzufließen.