“Was freilich als europäisches Demokratiedefizit erscheint, ist das Fehlen einer Opposition, also der politischen Organisation von nicht mehrheitsfähigen Auffassungen,” sagt Prof. Dr. Armin Nassehi (Soziologe an der LMU). Diese Lücke wird zunehmend von euroskeptischen Parteien ausgefüllt. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Jon Worth: Die politische Entwicklung der Europäischen Union ist halbwegs abgeschlossen. Niemand beschwert sich über eine fehlende Opposition innerhalb der Vereinten Nationen oder der NATO. Diese Frage ist nur deshalb so wichtig für die EU, weil diese schon eine höhere Ebene von Partizipation und Debatte erreicht hat als andere internationale Organisationen. Wir müssen irgendwann den Punkt erreichen, an dem nicht jede Kritik an der Politik der EU als Kritik an der gesamten Institution gesehen wird, und an dem ein ideologischer Streit innerhalb der EU völlig normal und auch möglich ist. Aus diesen Gründen sehe ich den Prozess um die Spitzenkandidaten der Parteienfamilien als sehr vorteilhaft: eine politisierte EU und Kommission empfinde ich als etwas sehr positives. Die Tage des reinen Neofunktionalismus liegen glücklicherweise nun hinter uns.
Wir haben die Podiumsgäste des zweiten Europäischen Salons zum Thema "Vor der Wahl zum Europäischen Parlament: Europa der Bürger – Europa der Eliten?" vorab um ihre Meinung zu unterschiedlichen Fragen gebeten, um sie online zu diskutieren. Alle Online-Beiträge und Kommentare haben die Chance, am 30. April auf dem Podium direkt in die Diskussion mit den Experten einzufließen.