Europa und der Euro.
Die europäische Gemeinschaftswärung beherrschte in den vergangenen Jahren die politische Agenda
©picture alliance/dpa: Uli Deck

Seit 2002 bezahlen wir mit dem Euro, der Gemeinschaftswährung von 17 EU-Staaten. In den vergangenen Jahren ist deutlich geworden, dass die Eurozone währungspolitisch ein fragiles Gebilde ist. Europas Spitzenpolitiker versuchen seither die Gemeinschaftswährung zu stabilisieren.

Von Alexander Matschke

Seit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/2008 ist unsolide Haushaltsführung in mehereren Ländern der Eurozone offen zu Tage getreten, allen voran in Griechenland. Die wirtschaftliche Verunsicherung führte zu stark steigenden Zinsen für Staatsanleihen etlicher Euro-Länder. Die Folge: eine verbreitete Angst vor Staatspleiten und vor einem Austritt einzelner Länder aus der Gemeinschaftswährung, deren Folgen unabsehbar wären.


Euro-Rettungsschirm

Die Staats- und Regierungschefs der EU haben im Zusammenspiel mit der sogenannten "Troika" aus Europäischer Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) in einer Reihe von Krisengipfeln versucht, Staatsbankrotte und ein Auseinanderbrechen des Währungsgebiets zu verhindern.

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Zunächst stellte die Troika dem hochverschuldeten Griechenland Milliardenkredite in Aussicht. Dafür forderte sie Reformen im Land. Weitere Euro-Staaten folgten unter einen "Euro-Rettungsschirm": Irland 2010, Portugal 2011, Spanien und Zypern 2012. Zudem schuf die EU den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), der klamme Euro-Staaten mit Krediten versorgen soll – unter Auflagen. Damit ein Land ESM-Kredite bekommen kann, muss es beispielsweise dem Fiskalpakt beitreten. Der Pakt soll Eurostaaten zu mehr Haushaltsdisziplin anhalten.

Nach Meinung von Beobachtern trug im Juli 2012 die Ankündigung von EZB-Präsident Mario Draghi, den Euro in jedem Fall mit Zentralbankgeld zu stützen, zur Beruhigung der Lage an den Finanzmärkten bei. Eine wenige Wochen darauf erfolgte Erklärung der EZB, notfalls auch unbegrenzt Staatsanleihen von Euro-Staaten kaufen zu wollen, löste in Deutschland teils heftige Reaktionen aus. [weniger anzeigen]


Niedrigzinspolitik der EZB

Die EZB will mit einem niedrigen Leitzins der Wirtschaft in der Eurozone wieder auf die Sprünge helfen. Im August 2013 entschied man, den Leitzins auf dem Rekordtief von 0,5 Prozent zu belassen. Zentralbankchef Mario Draghi deutete an, den Zinssatz auch 2014 nicht wesentlich erhöhen zu wollen. Im November folgte dann sogar eine Senkung des Leitzinses auf 0,25 Prozent. Die Wirtschaft im Euro-Raum erholte sich zuletzt leicht: Laut europäischem Statistikamt Eurostat wuchs sie im dritten Quartal 2013 Vergleich zum Vorquartal um 0,1 Prozent. Im zweiten Quartal 2013 hatte es ein Wachstum von 0,3 Prozent gegeben.


Debatten um Finanzkrise, Demokratie und Europa

Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat intensive Debatten über das Verhältnis von Finanzmärkten und Demokratie und die Zukunft der europäischen Einigung ausgelöst. Kritiker merkten an, dass beispielsweise dem Bundestag wichtige Vorlagen im Zusammenhang mit Krisenbeschlüssen der Staats- und Regierungschefs nur sehr kurzfristig übermittelt wurden.

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Das Bundesverfassungsgericht urteilte in diesem Zusammenhang, die Bundesregierung habe das Unterrichtungsrecht des Parlaments in europäischen Angelegenheiten missachtet. Auch das Diktum von Bundeskanzlerin Angela Merkel, parlamentarische Mitbestimmung in Budgetfragen solle "marktkonform" sein, nährte Befürchtungen, demokratische Standards könnten in der Krise leiden.

Die Frage nach der Bewältigung der Krise steht zudem im Zentrum einer Debatte, in der es um die Zukunft der Europäischen Union geht. Im Frühjahr 2013 plädierte der Politikwissenschaftler Wolfgang Streek für eine stärkere Autonomie der Mitgliedstaaten in der EU – um die Demokratie zu retten. Für Streek würde die Vollendung der Währungsunion "das Ende der nationalen Demokratie in Europa besiegeln." Dem widersprach der Philosoph Jürgen Habermas. Zwar teilt er Streeks Analyse, dass die Demokratie in Gefahr sei. Die Lösung bestehe jedoch in einer vertieften europäischen Einigung, um einzelne Staaten vor globalen Finanzmarkt-Akteuren zu schützen. Den Rückzug in nationalstaatliches Denken hält Habermas für nostalgisch.

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, forderte im August 2013 in einem Interview mehr Transparenz und mehr Demokratie in der EU-Krisenpolitik:

"Es gibt eine Idee, die hinter der europäischen Integration steckt: Einzelne Staaten arbeiten zusammen, weil sie wissen, gemeinsam sind sie stärker. Diese Idee ist nach wie vor unbestritten. Nur wird die EU, so wie sie heute organisiert ist, von den Bürgern ganz anders wahrgenommen: als eine riesige undurchsichtige Bürokratie. Eine Ursache dafür ist mangelnde Transparenz. Daran müssen wir arbeiten, und zwar schnell."

Auf die Frage, ob das Europäische Parlament über die Rettungspolitik entscheiden solle und nicht die Euro-Gruppe antwortete Schulz:

"Es kann nicht sein, dass die Euro-Gruppe mitten in der Nacht auf diese Art und Weise die Rettung Zyperns beschließt. Das ist genau das Gegenteil von Transparenz. Wer legitimiert das? Im Moment werden Entscheidungen zu häufig hinter verschlossenen Türen getroffen. So werden die Bürger die EU nie akzeptieren." [weniger anzeigen]



Zuletzt aktualisiert am 24. Oktober 2013.

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