Die künftige Bürgerbeteiligung war im November 2013 Gegenstand der Koalitionsverhandlungen von SPD und Union. Die zuständige Arbeitsgruppe unter Vorsitz von Hans-Peter Friedrich (CSU) und Thomas Oppermann (SPD) machte einen Vorschlag, den die Süddeutsche Zeitung
in Auszügen veröffentlicht hat.
Demnach sollen die Bürger in bundesweiten Volksabstimmungen insbesondere über Fragen der europäischen Einigung entscheiden können - etwa über die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten in die EU, Kredite an andere EU-Staaten oder neue Kompetenzen für Brüssel. Auch spielten Friedrich und Oppermann mit dem Gedanken, dass deutsche Gesetze per Referendum gekippt werden können. Voraussetzung: eine Million Bürger setzen sich per Unterschrift für eine Volksabstimmung ein, bei der eine Mehrheit gegen das Gesetz votiert. Ein Referendum über beschlossene Gesetze sei ein "behutsamer Einstieg in direktdemokratische Teilhabe", zitiert die Süddeutsche Zeitung das interne Papier von Friedrich und Oppermann. Bislang sieht das Grundgesetz Volksabstimmungen nur bei der Neugliederung des Bundesgebietes (Art. 29 Abs. 2 GG) und im Fall einer neuen Verfassung (Art. 146 GG) vor.
Für die Umsetzung der Vorschläge von Friedrich und Oppermann müsste das Grundgesetz geändert werden. Eine Koalition aus CDU, CSU und SPD hätte in Bundestag und Bundesrat die dafür erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit.
Die CDU hat sich allerdings von den Vorschlägen der Arbeitsgruppe in den Koalitionsverhandlungen distanziert. "Wir sind gegen solche bundesweite Volksabstimmungen. Wir werden dem Vorschlag nicht zustimmen. Demzufolge wird die nächste Koalition dies auch nicht einführen", erklärte Unionsfraktionsvize Günter Krings (CDU).
Im Koalitionsvertrag von Union und SPD sind die konkreten Vorschläge der Arbeitsgruppe nicht enthalten. Stattdessen findet sich auf Seite 151 der allgemein gehaltene Satz: "Wir wollen neue Formen der Bürgerbeteiligung und der Wissenschaftskommunikation entwickeln und in einem Gesamtkonzept zusammenführen."
Die CSU hatte sich bereits im Wahlkampf dafür eingesetzt, Volksabstimmungen über wichtige Europafragen einzuführen. Auch SPD, Grüne, Linke, FDP und AfD werben für mehr direkte Demokratie auf Bundesebene. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi begründet: „Die Menschen wollen nicht nur alle vier Jahre ihr Kreuz machen, sondern sich immer mehr in grundsätzliche Entscheidungen einbringen.“ FDP-Chef Christian Lindner erklärt: „In unserer gereiften Demokratie sind Volksentscheide keine Gefahr, sondern eine sinnvolle Ergänzung der Parlamente. Als Liberaler habe ich keine Angst vor unserem Volk.“
Die CDU bleibt bei bundesweiten Volksentscheiden allerdings skeptisch. „Volksentscheide auf kommunaler oder Landesebene sind eine gute Sache, weil es dort um Fragen geht, die die Menschen in ihrem unmittelbaren Umfeld betreffen", so CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Auf Bundesebene lehne die CDU sie aber ab, „da es dort um sehr schwierige Fragen geht, die nicht einfach auf ein Ja oder Nein reduziert werden können“. CSU-Chef Horst Seehofer kündigte dagegen Ende 2013 an: "Wir werden für Volksentscheide kämpfen, bis sie Realität sind."
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