Hallo nemo, hallo anne-marie, Ich habe aus Ihren Kommentaren für mich 3 Themenfelder identifiziert, auf die ich gern eingehen möchte.

1) Tätigkeit von Nachrichtendiensten und Regelungsbedarf

In der zunehmenden „Entgrenzung“, die der digitalen Entwicklung zueigen ist, liegt eine neue Herausforderung für unser Demokratieverständnis. Das gegenüber privaten Akteuren dem Nationalstaat zur Durchsetzung zur Verfügung stehende Grenz- und Zollregime verliert gegenüber dem digitalen Kommunikations- und Informationsfluss und den darauf aufbauenden Dienstleistungen und Geschäftsmodellen zunehmend seine Wirksamkeit. Die dem Nationalstaat zum Schutz seiner Bürger gegen fremde staatliche Gewalt zur Verfügung stehende Landesverteidigung ist gegenüber der massenweise Ausspähung und Überwachung im internationalen Kommunikationsnetz völlig hilflos.

Die Aushebelung nationaler Souveränität und nationaler Gesetze gelingt der Digitalen Wirtschaft nur, weil sie auf den reinen Erhebungs- Verarbeitungs- und Verwertungsprozess im Netz abhebt und die Politik sich auf dieses Paradigma, das ihre Machtlosigkeit implizit in sich trägt, sich weitestgehend einlässt. Darin besteht sozusagen die selbst gewählte „digitale Knechtschaft“. Sie ist aber nicht zwangsweise. Die Politik muss sich nicht auf das von der Wirtschaft aus ökonomischem Eigeninteresse gesetzte Paradigma einlassen. Denn ausgeblendet bleibt dabei, dass auch der Wertschöpfung im digitalen Raum ein realer physischer Vorgang im Zielraum (z.B. Werbekunde – Umsatz) entspricht. Hier kann gesetzgeberisch und mit der Etablierung einer Haftungskette angesetzt werden. In die richtige Richtung geht deshalb die EU-Datenschutzgrundverordnung beispielsweise mit dem „Marktort-Prinzip“.

Bei der Debatte um die illegalen Ausspähungen durch z.B. die NSA wird ebenfalls ausgeblendet, dass sie den überwiegenden Teil der von ihr gesammelten und ausgewerteten Daten auf Grund amerikanischer Gesetze von Unternehmen erhält, die diese an den nationalen Gesetzen vorbei und teilweise unter deren Missachtung von europäischen Bürgern aus wirtschaftlichen Gründen erhebt. Es reicht deshalb heute nicht mehr aus, Bürgerinnen und Bürger vor staatlicher Übermacht (z.B. durch die Tätigkeit von Nachrichtendiensten) zu schützen. Daten müssen auch im privaten Bereich geschützt werden. Eine starke europäische Datenschutz-Grundverordnung, auch wenn diese nicht unmittelbar auf die Tätigkeit von Nachrichtendiensten, dafür aber auf alle Unternehmen, die sich an europäische Bürgerinnen und Bürger wenden, Anwendung findet, ist ein erster wichtiger Schritt.

Demokratie bedeutet für mich auch im digitalen Zeitalter Freiheit des Einzelnen. Und wer glaubt, die Freiheit des Einzelnen durch immer mehr Überwachung schützen zu können, zerstört gleichzeitig die Grundwerte, die er eigentlich schützen möchte. Immer mehr Überwachung ist der falsche Weg. Wir brauchen sinnvolle nationale, europäische und internationale Regelungen, die einen Ausgleich zwischen Sicherheitsinteressen und den Persönlichkeitsrechten des Einzelnen schaffen.

Bei der Datenschutz-Grundverordnung ist in der Konsequenz darauf zu achten, dass die Daten weiter unter dem europäischen Rechtsschutz bleiben und nicht aufgrund anderer Abkommen erneut ohne Kontrolle (Safe Harbour Abkommen) außer Landes gebracht oder unter unzureichender Kontrolle (SWIFT-Abkommen, PNR-Abkommen) abgerufen werden können. Verhandlungen über weitere internationale Abkommen wie das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA sollten m.E. ausgesetzt beziehungsweise darf ein solches –völkerrechtliches- Abkommen nur geschlossen werden, wenn europäische Grundrechte ausreichend geschützt werden. Die bestehenden Abkommen wie Safe Harbor, SWIFT, das transatlantische Abkommen zum Transfer von Flugpassagierdaten (PNR) müssen auf die Vereinbarkeit mit europäischen Grundrechten und ihre Einhaltung hin überprüft und im Zweifelsfall gekündigt und neuverhandelt werden.

2) Datenschutz als Wettbewerbsfaktor

Es geht nicht um eine „wettbewerbsrechtliche Zerlegung großer, mächtiger und marktbeherrschender Einheiten wie Google, Apple oder Microsoft“. Dafür sind wir bereits ein paar Jahre zu spät dran. Es geht darum, insbesondere durch die Spionagevorwürfe verloren gegangenes Vertrauen der Menschen ins Internet bzw. der Sicherheit im Internet durch die Etablierung neuer Geschäftsmodelle, die Datenschutz und Datensicherheit nicht als Hindernis sondern als Schwerpunkt ihres Geschäftsmodells sehen, zurückzuerlangen. Wenn die europäischen Unternehmen diesen Zeitpunkt nicht ungenutzt verstreichen lassen, können Sie in diesem Bereich neue Schwerpunkte setzen.

3) Zeitfaktor bei den Ratsverhandlungen

Abschließend möchte ich feststellen, dass Deutschland sich in den letzten 2 ½ Jahren in der Tat wiederholt dem Vorwurf ausgesetzt sah, in den Ratsverhandlungen zur DS-GVO zu mauern. Insofern begrüße ich die Ankündigung von Bundesinnenminister De Maizière, durch den Vorschlag einer „Roadmap“ wieder Bewegung in die Ratverhandlungen zu bringen (vgl. auch https://netzpolitik.org/2014/de-maizieres-datenschutzinitiative-alter-wein-in-neuen-schlaeuchen-wir-veroeffentlichen-die-original-vorschlaege/)