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    Andreas Povel Podiumsgast EU-Salon #3 · angelegt
     

    Sehr geehrte Frau Tausch, vielen Dank für Ihren Beitrag. Hierzu möchten wir Ihnen gerne antworten:

    Ein race to the bottom wird es aber nicht geben. Die Verhandlungsführer beider Seiten haben sich zur Beibehaltung bestehender Standards verpflichtet und auch das einstimmig beschlossene Verhandlungsmandat der 28 EU-Staaten schließt eine Senkung aktueller Schutzniveaus ausdrücklich aus. Dieser „Bestandsschutz“ betrifft insbesondere Umwelt-, Arbeitsschutz- und Gesundheitsstandards. Auch EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström machte in der Vergangenheit mehrfach deutlich, dass es durch TTIP zu keiner Senkung der hohen europäischen Standards komme. Die regulatorische Kooperation, die von Kritikern oftmals für die angeblich zu befürchtende Absenkung von Normen verantwortlich gemacht wird, betrifft dabei insbesondere technische Handelshürden – doppelte Zertifizierungsvorgänge, unterschiedliche Vorschriften und dergleichen. Dabei wird außer Acht gelassen, dass die EU und die USA zwar bei der Regelsetzung oft unterschiedliche Wege gehen, das Ziel – der Schutz der Bürger – aber dasselbe ist. Auch die bislang veröffentlichten Texte – ein übrigens einmaliger Vorgang in der Geschichte von Freihandelsabkommensverhandlungen – zeigen keineswegs „klar in Richtung hin zu geringerem Verbraucherschutz“, wie behauptet. Mit TTIP wird es zudem auch nicht zum oft heraufbeschworenen Einfall von „Hormonfleisch“, „Chlorhühnchen“ oder genmodifizierten Organismen in die EU kommen. Der Bereich Lebensmittel unterliegt weiterhin der EU- und nationalen Gesetzgebung. Und so bleibt der kommerzielle Gebrauch/Anbau/Aufzucht gentechnisch veränderter Samen in Deutschland nur mit besonderer Zulassung erlaubt – denn dies ist ja bereits heute, ganz ohne TTIP, gängige Praxis. Das wird sich durch TTIP aber auch nicht ändern. In einem Punkt stimmen wir jedoch überein: Beim Investorenschutz ist eindeutig unsere Wachsamkeit gefordert. Der Schutz von Investitionen ist ein berechtigtes Interesse der Industrie. Ausländische Investitionen – egal ob europäische, amerikanische oder sonstige – benötigen stabile rechtliche Grundlagen um ein Klima des Vertrauens herzustellen. Bei ausländischen Direktinvestitionen fließt nicht nur Kapital, sondern auch Ideen, Technologie und Arbeitsplätze. Um diesen Fluss zu gewährleisten, braucht es regulatorische Sicherheit. Ein völkerrechtlicher Vertrag schafft diese Sicherheit. Ein, oft umstrittenes, Instrument dieser Regulation ist das Investor-Staats-Schiedsverfahren ISDS, auf das hier vermutlich angespielt wird. Bei aller Kritik an der vermeintlichen Aushöhlung von Rechtssystemen sollte eines nicht vergessen werden: Schiedsgerichte sind eine apolitische, neutrale und faktenbasierte Form der Streitschlichtung. Überdies ist zu bedenken, dass der Investitionsschutz in TTIP nicht nur in Deutschland gilt, sondern auch in EU-Ländern mit weniger standfestem Justizsystem, die häufig von Korruption geprägt sind. Zudem bietet ein Investorenschutzkapitel in TTIP die Möglichkeit, das mittlerweile jahrzehntealte System grundlegend zu überarbeiten und auch hier globale Standards zu etablieren. Solch eine Reform haben die USA bereits im Jahr 2012 ins Spiel gebracht und ihr Angebot auch nicht zurückgenommen. AmCham Germany setzt sich dafür ein, dass die Klauseln im ISDS an einigen Stellen klarer definiert werden, um eine Balance zwischen dem Handlungsspielraum der Staaten und dem Schutz ausländischer Investoren zu erreichen. Zudem muss die regulatorische Autonomie („right to regulate“) aller beteiligten Staaten gewährleistet werden. Dies ist aber sowohl im Sinne der EU als auch der USA. Das Verhandlungsmandat legt fest, dass TTIP „Transparenz und Unabhängigkeit der Schiedsrichter und die Berechenbarkeit des Abkommens“ gewährleistet. Außerdem soll der „Schutz vor offensichtlich ungerechtfertigten oder leichtfertigen Klagen“ enthalten sein sowie ein Berufungsmechanismus geprüft werden. Beim öffentlichen Auftragswesen vertreten wir wieder eine andere Meinung. Die kommunale Daseinsvorsorge – Wasserversorgung, öffentliche Bildung und ähnliches – ist nicht Gegenstand der TTIP-Verhandlungen. Auch das Recht der Kommunen auf Rekommunalisierung, wie beispielsweise der Wasserwerke in Berlin, bleibt bestehen. Zudem begrüßt die deutsche Industrie die Öffnung der öffentlichen Auftragsvergabe explizit. Die geplante Öffnung des US-Marktes (und natürlich auch des europäischen Marktes) ermöglicht die diskriminierungsfreie Teilnahme an öffentlichen Aufträgen. Das ist vor allem im Interesse der EU, da es europäische Unternehmen bisher sehr schwer haben, sich um öffentliche Aufträge in den USA zu bewerben („Buy American Clause“). Mit TTIP sollen Einschränkungen für kommerzielle Dienstleistungen verringert, Investitionssicherheit und Wettbewerbschancen verbessert und ein gleichberechtigter Zugang zu öffentlichen Aufträgen auf allen staatlichen Ebenen ermöglicht werden. Dies geschah übrigens auch schon vor über 20 Jahren im Zuge des EU-Binnenmarktes – ohne gravierende Nachteile für Bürger europäischer Nationen.