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    Christian Meißner EAK CDU/CSU · angelegt
     

    Sehr geehrte Doro,

    ich versuche alles zu beantworten, aber das wird zeitlich etwas schwierig. Aber es ist spannend und ich bin dankbar für viele anregende Gedanken. Ich sehe aber auch die Gefahr eines großen Missverständisses in Ihren Ausführungen: Das C sorgt in meinen Augen gerade dafür, dass gute versöhnliche und ausgleichende Kompromisse, nach bestem Wissen und Gewissen, aber auch nach Lage der Dinge, zustande kommen. Demokratie basiert auf Kompromissen! Radikalen aller Couleur - immer Ideologen - können damit nichts anfangen, aber für diese ist die freie Parlamentarische Demokratie auch nicht gemacht. Als evangelischer Theologe möchte ich Sie auf Luthers Erkenntnis hinweisen, dass kein Mensch auf Erden wohl jemals für sich beanspruchen kann, die rechte Christusnachfolge gelebt zu haben. Verstehen Sie, diese demütig-selbstkritische Grunderkenntnis über unseren wahren Stand in der Welt ist mir sehr wichtig, weil ich hierin die befreiende Grundlage für wirkliche Toleranz und Annahme des anderen sehe, ohne alle Unterschiede immer sofort einseitig (radikal) einebenen oder nivellieren zu müssen. Keiner von uns hat den Stein der Weisen, in der Politik schon gar nicht! Hier liegt für mich aber auch ein befreiender Zugang für die Politik: Während ich Ihnen diese Zeilen schreibe, und wir uns über Gott und die Welt und die Politik unterhalten, warm und genüsslich vom Sofa aus, sterben in Afrika unzählige Kinder an Hunger, Durst und Krankheit!!! Haben Sie jetzt gerade an diese Kinder gedacht? Ich frage Sie in diesem Augenblick: Was tun Sie persönlich, dass das nicht geschieht? Was tue ich gerade? - Während wir um all das hier also so schön intellektuell ringen und doch wissen, dass wir selbst letztlich nichtig und unser Tun, Sprechen und Handeln Stückwerk sind, kommen wir immerhin doch ganz schnell von unserem moralischen Hoch-Rössern herunter und begreifen, wie einst Luther im Ringen um einen gnädigen Gott: Wir können nur versuchen, in einer immer schon hochkomplexen und notvoll gefallenen Welt die richtigen Wege und Orientierungsmarken zu finden, oft aber verrennen wir uns dabei (wenn wir wirklich ehrlich zu uns selbst und den anderen sind) und immer bleiben wir vor Gott und unseren Nächsten etwas schuldig - immer! Ganz praktisch heißt das: Erst die Erkenntnis, dass Gott mich trotz all meiner Fehler und Unvollkommenheiten annimmt, befreit mich überhaupt, vom Sofa aufstehen zu können und meinen winzigen Beitrag in dieser Welt zu leisten. Oder zumindest es zu versuchen. Ich wünsche mir deshalb eine Politik auf der Basis eines solch existentiellen Verständisses und keine selbstgerechten, großspurigen Parolen. Dazu bin ich übrigens bei den "Alt 68ern" zu lange in die Schule gegangen, sie waren überall meine Lehrer, ob in der Schule oder der Universität: Ich sah, wie sie lebten und was sie anderen predigten, und was sie - oft im schreienden Gegensatz zu ihren großspurigen politischen Bekenntnissen - tatsächlich taten. Und ich sah letztlich in einen Spiegel - und darin mich selbst und jeden anderen Menschen! War es zu irgendeiner Zeit in der Weltgeschichte etwa anders...? Soviel von meiner Seite zum Thema "Glaubwürdigkeit" .....