Sehr geehrte Europäerinnen und Europäer! 500 Millionen Europäerinnen und Europäer sind der Souverän in einer europäischen Demokratie. Sie könnten ihre Macht durch Wahlen auf Repräsentanten übertragen und auch direkt Einfluss nehmen. Beides ist zurzeit nicht wirklich möglich. Zurzeit ist das Machtzentrum Europas die Europäische Kommission. Ihre Mitglieder sind nicht von einem einzigen der 500 Millionen Europäerinnen und Europäer gewählt. Die Mitglieder des Europäischen Parlaments werden zwar gewählt, aber nur von einer kleinen Anzahl Menschen in ihren Ländern. Sie haben wenig Einfluss. Eine Grundlegende Kompetenz eines Parlaments fehlt ihnen, sie dürfen selbst keine Gesetze initiieren. Es handelt sich sozusagen um ein kastriertes Parlament. Die EU hat ein großes Legitimationsdefizit. TTIP und CETA sollen völkerrechtliche Verträge werden. Alles was darin festgeschrieben würde wäre bindend und könnte nur noch im Einvernehmen mit den USA bzw. Kanada geändert werden. Bei ISDS würden Unternehmen zu völkerrechtlichen Rechtssubjekten, d.h. ihnen würde ein Teil unserer Souveränität übertragen. Damit könnten sie gegen uns klagen. Eine solche außerstaatliche Gerichtsbarkeit würde unsere ordentlichen Gerichte, das grundlegende demokratische Prinzip der Gewaltenteilung und unsere Gesetzgebung beschädigen. TTIP und CETA sind von ihrem Konzept geeignet die Kontrolle der Wirtschaft durch den Souverän umzukehren. Dagegen haben sich in Deutschland mehr als 250 Kommunen ausgesprochen, auch hier in Leipzig. In anderen Ländern wie Frankreich ist dies ebenso. http://www.attac.de/kampagnen/freihandelsfalle-ttip/aktionen/ttip-in-kommunen Die Ratsmitglieder der Kommunen sind im Gegensatz zur Europäischen Kommission durch demokratische Wahlen legitimiert. Ein Bündnis aus mehr als 480 zivilgesellschaftlichen Organisationen in allen 28 EU-Ländern hat inzwischen 2,3 Millionen Unterschriften gegen TTIP und CETA gesammelt. In 16 EU-Ländern ist das Quorum für eine ECI überschritten. https://stop-ttip.org/de/?noredirect=de_DE Erstmals in der Geschichte entsteht eine europäische Öffentlichkeit. Sie wächst täglich! Auf der anderen Seite werden, wie in „Rhinocéros“ von Eugène Ionesco, zunehmend Menschen zu Rechtspopulisten und Europagegnern. Die jüngste Wahl in Dänemark bestätigt dies. Es ist Zeit für eine Demokratisierung der EU: Welches Europa wollen wir? Der Art. 48 des Lissabon-Vertrags sollte angewendet werden und ein Konvent zur Änderung der EU-Verträge ausgerufen werden. Dabei wird eine breite und erschöpfende Beteiligung der 500 Millionen Europäerinnen und Europäer Garant für einen Erfolg sein. TTIP und CETA sollten so lange auf Eis gelegt werden.

Franz Botens, Mehr Demokratie e.V. Sachsen, Leipzig 02. Juli 2015