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    Doro · angelegt
     

    Hallo Thorsten,

    Ich sehe es auch so wie Du. "Die Forderungen nach mehr Bildung sind schön und gut."

    Es ist ja auch nicht so, dass in Sachsen oder in anderen Bundesländern der ehem. DDR keine Bildung vermittelt würde. Im Religions- oder Ethik-Unterricht wird dort wie in den alten Bundesländern das Gebot der Nächstenliebe traktiert. Doch der zweite Punkt " Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst" - das "wie Dich selbst" kommt in der Regel zu kurz. Die Schüler/innen werden in der Regel als die Starken, aus gefestigten Familien stammenden, mit allen Chancen ausgestatteten jungen Menschen angesprochen, was sie nicht sind. Wo wird ihr Selbstbewußtsein gestärkt?

    Es gibt ein aufschlussreiches Buch mit dem Titel "In Deutschland freut sich niemand, dass du lebst". Es ist eine Sammlung von Aussprüchen straffällig gewordener, überwiegend durch eine DDR-Sozialisation geprägter junger Menschen. Ihre Nazi-Aussprüche klingen im Gefängnis hilflos wie von Leuten, die sich krampfhaft an ihrer Identität als Deutsche festklammern (ich brauche nicht dazu zu sagen, dass ich Nazi-Aufmärsche draußen ekelhaft finde!) und nicht verstehen, dass noch nicht einmal das noch was gilt, wo sie schon auf ihre famliäre Herkunft nicht stolz sein können.

    Bildung im Sinne von "Einbläuen von Moral" ist leider Standard, sie bewirkt das Gegenteil, ein Sich-Nicht-Verstanden-Fühlen dieser Jugendlichen und ein Aufbegehren und Sich-Zusammenschließen in rechtsradikalen Gruppen.

    Ich war kürzlich in einer Kleinstadt in Sachsen. In den Schaukästen der Kirchengemeinden hingen Aufrufe, sich als anständige Deutsche und Christen sich an Demos für eine "weltoffene Gesellschaft" gegen Demos des "braunen Terrors" zu beteiligen. Ich habe das Gefühl, das greift nicht. Und vor allem schien es mir, dass sich die Kirchengemeinden selbst als "gute Deutsche und Christen" darstellen wollten. Ich weiß nicht, ob sie überhaupt noch einen Dialog wollen. Reicht es ihnen vielleicht schon, sich mit einem solchen Aufruf positioniert zu haben?

    Das Ideal intellektueller junger Menschen in Deutschland, nämlich eine "weltoffene Gesellschaft" , möglichst postnational, ist hoch und hehr. Aber man muss sich dieses Ideal auch leisten können.

    Und ich sehe ein Deutschland der "zwei Geschwindigkeiten": die Einen auf dem Wege der Entgrenzung alles Nationalen, die Andern rückwärts gewandt, beharrend. Wie kann es überhaupt noch zu einem Dialog kommen, wenn man sich gegenseitig auf die "Couch" schicken möchte?