Irgendwo zwischen Staatenbund und Staat

Lieber Felix! Die einfachste Methode wäre natürlich ein gemeinsamer europäischer Staat, in dem alle dasselbe Stimmrecht haben, vielleicht kombiniert mit einer Länderkammer, damit die Regionen nicht zu kurz kommen. Dann wäre es wie in Deutschland. Da es mehr Bayern als Bremer gibt, haben Bayern mehr Einfluss auf die Bundestagswahl. Trotzdem kann Bremen via Bundesrat das Zünglein an der Waage spielen.

So würde auch sichtbar werden, wie wahlentscheidend die Nationalität eigentlich wirklich ist. Wenn ich in einer ländlichen Region lebe, habe ich vielleicht besonderes Interesse an einer ökologischen, industriellen oder wie auch immer designten EU-Agrarwirtschaft. Dann spielt mein Aufenthaltsort vielleicht wirklich eine Rolle. Beim Thema Datenschutz hat der litauische Bauer aber vielleicht diesselben Interessen wie die spanische Unternehmerin. Die Nationalität ist herzlich egal, es geht um uns als EU-VerbraucherInnen.

Da wir aber mit der EU noch immer irgendwo zwischen losem Staatenbund und EU-Staatlichkeit feststecken, musste ein Weg gefunden werden, die Interessen kleiner EU-Staaten zu wahren. Da gebe ich Dir Recht! Es wäre fatal, könnten kleine Staaten niemanden ins EU-Parlament schicken. Diese Notwendigkeit eines Kompromisses könnte noch viel stärker kommuniziert werden, wenn sich Menschen mal wieder drüber empören, dass der 'Malteke' die 12-fach 'gewichtigere' Stimme hat als der Deutsche (sehe ich zum Beispiel im SPON-Forum immer mal wieder). Nebenbei, ich sehe nicht, wie deutsche Interessen in der EU diskriminiert werden, im Gegenteil.

Sehr viel zu Reformen des Wahlrechts geschrieben hat übrigens Manuel Müller Der (europäische) Föderalist . Es ist sau kompliziert, aber wen's wirklich interessiert, die Transnationalen Listen wären eine Möglichkeit.

Das Demokratie-Problem der Populisten

Am meisten gefällt mir das Ende Deines Textes.

"Liegt die Wurzel der populistischen Bestrebungen nicht vor allem darin, dass viele Menschen sich nicht beteiligt fühlen weil ihre Stimme so wenig wiegt, da die Vorgänge demokratisch sind?"

Genau das trifft den Punkt, zum Beispiel bei Pegida. Ständig werden dort "die" BürgerInnen oder "das" Volk gegen die "Altparteien", Eliten und "Volksverräter" in Stellung gebracht. Nur mit welcher Legitimation? Pegida oder die AfD repräsentieren nicht das Volk oder die BürgerInnen. Das müssten sie bei demokratischen Wahlen erst noch beweisen. Also wer so protesiert hat meines Erachtens das kleine 1 x 1 der Demokratie noch nicht begriffen. Der vereinahmt mit großem Tamtam einfach alle "Bürger" für seine Sache, und meint in Wahrheit nur eine Minderheit, die nicht damit klarkommt, nicht in der Mehrheit zu sein. Und nebenbei: Politiker und Eliten sind auch Bürger, bei dieser konstruierten Frontstellung ist immer ein wenig aufzupassen.

Und ja, Kompromisse müssen erlernt werden. Dahingehend bleibt die EU ein historisch beispielloses Wunder. 28 Staaten machen gemeinsam Gesetze. Und das funktioniert!