Hallo Felix,
keine Eile und viel Erfolg.
Zu den Außengrenzen:
Was die Grenzen zu den Nicht-EU-Ländern auf dem Balkan anbelangt, bin ich ganz bei Dir. Und bei Rumänien und Bulgarien auch, insbesondere vom zeitlichen Ablauf her. Mein Gedanke ist auch nicht, Bulgarien und Rumänien direkt in Schengen aufzunehmen (das bedeutet ja auch Kontrollfreiheit z.B. zwischen Ungarn und Rumänien), sondern beide erst mal nur bei der Sicherung der Außengrenzen einzubinden, gerne als eine Art Katalysator für einen Schengen-Beitritt. Wichtig ist mir einfach, den Balkan, ob EU oder nicht, in den europäischen Prozess einzubauen, statt sich davon abzugrenzen. Aber das scheint mir mit Deinem Vorschlag auch gut vereinbar.
Die zweite Frage ist dann aber, wie die Sicherung der Außengrenze abseits von Rückführungsabkommen inhaltlich aussehen soll: Nationale Zuständigkeit, Europäische Zuständigkeit, ein Mix? Ich stelle mir am ehesten eine zentrale EU-Grenzschutzbehörde mit ausreichender Kapazität (z.B. Ausbau von Frontex) vor, die dann auch z.B. von Deutschland personell und finanziell mitgetragen wird. Allerdings bräuchte diese Behörde dann auch entsprechende Befugnisse und genau daran scheiden sich die Geister. Auch ich bin mir nicht sicher, ob dafür nicht dann doch irgendwann mal eine echte Verfassung notwendige wäre, an die dann z.B. die Grenzschützer gebunden sind.
Im Rahmen einer EU der unterschiedlichen Geschwindigkeiten könnte ein solcher zentraler Grenzschutz in Kerneuropa umgesetzt werden, während im Rest der EU die Grenzsicherung unverändert in nationaler Zuständigkeit verbleibt.
Eine Backup-Lösung, also nationale Zuständigkeit und bei Bedarf kann EU-Unterstützung angefordert werden, halte ich übrigens nicht für wünschenswert. Es muss darum gehen, kontinuierlich im „Tagesgeschäft“ zusammenzuarbeiten, um im Krisenfall handlungsfähig zu sein und nicht erst mühsam Polizeibeamte aus den Nationalstaaten einsammeln zu müssen. Außerdem weiß bei einer Backup-Lösung niemand, ob sich der Aufwand lohnt oder ob das am Ende nie genutzt wird.
Lastenverteilung in der EU:
Meines Erachtens müssen die Herausforderungen aus Flucht und Vertreibung von der gesamten Welt gelöst werden und zwar insbesondere von den „starken“ Ländern und Regionen, z.B. Europa, Nordamerika, Japan oder Australien. Entsprechend gehe ich dann die Ebenen hinunter und betrachte es in der EU auch wieder als eine Gesamtaufgabe, die vor allem von den „Starken“ Ländern gemeistert werden muss. Genauso fordere ich für Deutschland, dass der Bund die Kosten der Flüchtlingsversorgung trägt, nicht Länder oder Kommunen.
Auf die EU bezogen heißt das aber, dass ich schwächere Länder, zu denen ich auch z.B. Polen zähle, gar nicht so wirklich in der Pflicht sehe. Ich habe deshalb mal eine Flüchtlingsquote erstellt, die nach meiner Ansicht fair ist. So wie es bei der Einkommensteuer einen Freibetrag gibt, der nicht versteuert wird, habe ich z.B. einen BIP-Freibetrag angesetzt, bis zu dem ein Land keine Flüchtlinge aufnehmen muss, z.B. 10.000 Euro pro Einwohner. Auch die Arbeitslosigkeit wird bei dieser Quote berücksichtigt (Beispielrechner für eine faire Flüchtlingsquote). Polen müsste nach diesem Verteilungsschlüssel nur 0,38% der Flüchtlinge aufnehmen.
Insgesamt bin ich im Moment aber sowieso wieder etwas weg von einer Quotenlösung und eher bei einer Art Entschädigungszahlung aus einem gemeinsam finanzierten Topf.
Aufnahme von Schutzsuchenden in Osteuropa:
Ich kann deine Intention absolut nachvollziehen, aber ich sehe kaum Chancen, Polen oder Ungarn, oder auch Dänemark oder Großbritannien zur Aufnahme größerer Kontingente von Schutzsuchenden per Quote zu bewegen. Meine Befürchtung ist daher, wenn daran festgehalten wird, dass auch diese Länder bei der Flüchtlingsaufnahme mitmachen, dann wird der erste Flüchtling an dem Tag aufgenommen, an dem die erste Finanztransaktion einer europaweiten Steuer unterliegt – nämlich am Sankt-Nimmerleins-Tag.
Ich befürworte deshalb zwar den Gedanken, dass möglichst alle dabei sind – nach meiner Quote müsste ja auch Polen ein paar Flüchtlinge aufnehmen – aber ich lehne es ab, wenn sich die starken Länder mit Verweis auf Polen aus der Verantwortung stehlen. Mein Vorschlag wäre daher, nun erst mal die freiwilligen Kontingente zu schaffen, auch ohne Polen oder Ungarn. Gegebenenfalls kann hier der Familiennachzug mit einfließen, um schnell reguläre Wege zu schaffen. Im Anschluss muss natürlich weiterhin ein dauerhafter Mechanismus etabliert werden.
Unterschiedliche Geschwindigkeiten:
Meine Vorstellung ist, dass Kerneuropa auch ein Vorreiter und ein Vorbild sein kann, um in anderen Ländern ein Umdenken zu bewirken. Und man bliebe ja weiterhin auf Basis der EU eng miteinander verbunden, das würde sich ja nicht auflösen. Im Gegenteil, ich könnte mir vorstellen, dass das manche Auflösungstendenzen abschwächt und auch die EU insgesamt neue Kraft schöpft.
Umverteilung von Schutzsuchenden:
Momentan bin ich eher weg von Quoten, weil ich es ganz gut fände, wenn sich jene, die z.B. Anspruch auf politisches Asyl haben, so wie es unser GG kennt, sich das Schutzland selbst raussuchen dürfen. Das führt dann aber dazu, dass natürlich nicht eine Quote entscheidet, ob ein solcher Schutzsuchender nach Deutschland oder Polen geht, sondern der Schutzsuchende selbst.
Was Bürgerkrieg und Ähnliches anbelangt, bin ich hingegen eher bei Gerd Müller (CSU), der jüngst einen eigenen EU-Flüchtlingskommissar und schon lange die Verbesserung der Flüchtlingsversorgung vor Ort gefordert hat. In diesem Rahmen könnten dann zwar auch Kontingente geschaffen werden, aber diese können auch je nach Situation ausgestaltet werden.