Hallo MisterEde,
bei den Außengrenzen sind wir uns einig. Ich habe im Originaltext den Eckpunkt 1 präzisiert, weil es mir weniger um die Sicherung als um die Kontrolle der Außengrenze geht. Außerdem stimme ich dir zu, dass politisches Asyl im engeren Sinne nicht von festen Quoten abhängig sein sollte. Ich werde nicht mehr darauf eingehen, damit sich diese Diskussion nicht im Kreis bewegt.
Wenn man die Bilder von Idomeni oder den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln sieht, dann ist das für mich Überforderung pur. Und das, obwohl sogar bei der Kaufkraftparität (ich mag diesen Vergleichswert nicht so sehr) Griechenland ein Stück vor Polen liegt.
Ich habe die Kaufkraft und das BNE als einfaches Beispiel zur Quantifizierung der Wirtschaftskraft gewählt. Viel relevanter für die Integration von Flüchtlingen erscheint mir aber der Anteil der Beschäftigten in der Landwirtschaft und der Industrie (http://de.statista.com/statistik/daten/studie/249086/umfrage/erwerbstaetige-nach-wirtschaftssektoren-in-den-eu-laendern/): Im Dienstleistungssektor und insbesondere im darunter gezählten Informationssektor bestehen oft große sprachliche Hindernisse für die Beschäftigung von Flüchtlingen. In den ehemaligen "Arbeiter- und Bauernstaaten" des Ostblocks ist der Anteil des ersten und zweiten Sektors bis heute höher als in deindustrialisierten westeuropäischen Ländern wie Frankreich oder Großbritannien!
Natürlich bemisst sich die Aufnahmefähigkeit eines Landes nicht nur dessen ökonomischer Leistungsfähigkeit. Die Aufnahme, Versorgung und Integration von Flüchtlingen erfordert einen effizienten Staat. Griechenland und im geringerem Maße Italien sind aber für einen ineffizienten Staat bekannt, der auch zur Staatsschulden- und Wirtschaftskrise führte. Damals standen die ostmitteleuropäischen Länder sogar noch an der Seite Deutschlands! Die Demokratiedefizite der osteuropäischen Länder erklären sich eher durch einen zu "starken" als einen zu "schwachen" Staat.
Die Szenen in Griechenland entstanden durch die unangekündigte und ungeordnete Ankunft von Flüchtlingen in der Grenzregion bzw. durch die Schließung der mazedonischen Grenze bei Idomeni und treten bei einer festgelegten Verteilung und einer geordneten Aufnahme erst gar nicht auf!
Außerdem betrachte ich die Flüchtlingsversorgung eben als gesamteuropäische Aufgabe, weshalb ich Polen nicht mit der Türkei, sondern mit Deutschland, Österreich oder den Niederlanden vergleiche und nur die EU insgesamt mit der Türkei. Und gerade wenn du die Zahl der Flüchtlinge im reichen Deutschland senken willst, widerspricht es meinem Gerechtigkeitsempfinden, dann vom armen Polen einen großen Beitrag einzufordern.
Nach der BNE-Quote würde Polen 3% der neu ankommenden Flüchtlinge aufnehmen, genauso viel wie das jetzt schon überlastete Schweden mit einem Viertel der Einwohner Polens. Darin sehe ich keinen zu "großen Beitrag". Ich würde trotz der verbleibenden wirtschaftlichen Unterschiede auch nicht vom "armen Polen" sprechen. Ein Flüchtling aus der Türkei wird in Polen wirtschaftlich sogar besser gestellt, nur dazu dient der Vergleich beider Länder. Den Flüchtlingsschutz verstehe ich auch als gesamteuropäische Aufgabe, aber für mich bedeutet das, dass sich eine große Mehrheit der EU-Mitglieder wirklich aktiv daran beteiligt!
Damit Rückführungen in die Nachbarländer der EU rechtlich zulässig sind, muss der allgemeine Flüchtlingsschutz dort auch gewährleistet sein. Und wenn die EU ihren Verpflichtungen diesbezüglich nachkommt, z.B. mit einem eigenen Flüchtlingskommissar und gut ausgestattetem EU-Flüchtlingshilfswerk, wäre das für mich ein großer Schritt.
Ich würde das auch als großen Schritt werten.
Entsprechend würde ich den Flüchtlingsschutz in der EU dann aber auf jene beschränken, die ein besonderes Schutzbedürfnis (Waisen, Verwundete, Traumatisierte) haben oder die unter das politische Asyl fallen. Eine Prüfung hierzu müsste in einem von der EU geführten rechtsstaatlichen Verfahren vor Ort, z.B. in der Türkei, stattfinden. In diesem Fall gibt es dann aber auch weder Push- noch Pull-Faktoren, sondern ein rechtsstaatliches Verfahren. Insofern sollen sich die Schutzberechtigten dann einfach raussuchen in welches Land sie wollen und das Land soll dann aus einer Gemeinschaftskasse eine Entschädigung erhalten.
Du willst also nach Sicherstellung des Flüchtlingsschutzes in außereuropäischen Ländern durch ein europäisches Flüchtlingshilfswerk nur noch Menschen mit besonderem Schutzbedürfnis aufnehmen? Ich würde im Sinne einer fairen Lastenteilung auch zwischen den außereuropäischen und den europäischen Staaten nicht ganz so weit gehen. Ähnlich wie beim politischen Asyl im engeren Sinne kann ich mir aber vorstellen, dass den von dir genannten Personengruppen ein gewisser Personen Vorrang bei der Aufnahme und der Verteilung oder gar eine freie Wahl des Aufnahmelandes eingeräumt wird.