Hallo MisterEde!
Dein Vorschlag mit Nationaleinkommen ist schon deutlich besser als die EU-Variante, die zur Hälfte einfach auf die Einwohnerzahl eines Landes abstellt. Die Berücksichtigung der Arbeitslosigkeit halte ich allerdings auch für sinnvoll. Das spiegelt zumindest zum Teil die Arbeitsmarktsituation wider, wie bei deinem Ansatz, einzelne Sektoren zu untersuchen.
Eine praktische Eigenschaft der BNE-Quote liegt darin, dass sie auch auf die Verteilung innerhalb der Staaten anwenden lässt und es für die Verteilung über die EU fast keine Rolle spielt, wie die Grenzen verlaufen. Eine intelligente Quote sollte natürlich auch die Arbeitslosenquote und die Sektoren berücksichtigen. Hier kann aber das Problem auftreten, dass große Staaten wie Spanien wegen einer insgesamt hohen Arbeitslosenquote gar keine Flüchtlinge aufnehmen, obwohl reiche Regionen wie Katalonien durchaus dazu in der Lage wären und Städte wie Barcelona das bereits heute freiwillig tun.
Doch statt das zu thematisieren ist ja in der deutschen Öffentlichkeit nur Erdogan in den Schlagzeilen. Was für ein Glück, dass Merkel versehentlich Böhmermann in die Schusslinie gebracht hat. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Böhmermann hat sich vor allem erstmal selbst in die Schlagzeilen Schusslinie gebracht. Merkel hat das durch eine etwas unglückliche Verurteilung noch zugespitzt, aber aus meiner Sicht letztendlich richtig entschieden. Aber genau wie du schreibst, es wird viel zu viel über Böhmermann als über die echten Probleme diskutiert. Kehren wir also zurück zur Asylkrise!
Vermutlich werden aber zusätzliche Kontingente und die Gewährleistung des politischen Asyls unter den Tisch fallen. Viele EU-Mitgliedsstaaten haben kein Interesse an Kontingenten und die Türkei hat verständlicherweise andere Prioritäten (Visafreiheit, Schutzzone in Syrien).
Leider haben viele EU-Länder kein großes Interesse an Kontingenten, vor allem wenn die Flüchtlinge gerade nicht vor ihrer eigenen Haustür stehen. Die Türkei hat aber ein relativ kontinuierliches Interesse an der Aufnahme von Flüchtlingen durch die EU, auch wenn vielleicht die Prioritäten derzeit woanders liegen.
Das Dublin-System wird vermutlich wieder in Kraft gesetzt und Griechenland und Italien bekommen auf Basis vorhandener Beschlüsse Hilfe (Umverteilung). Bei der gemeinsamen Grenzsicherung wird es auch kaum weitergehen, weil man sich auf nationale Rückführungsabkommen verlagert. Die EU wird Libyen ein wenig auf die Beine helfen und Italien unterstützen, mit Libyen ein Rückführungsabkommen abzuschließen.
In Griechenland ist das Dublin-System faktisch wieder in Kraft, denn die Flüchtlinge können entweder in Griechenland Asyl beantragen oder müssen in in die Türkei zurückkehren. Außerdem ist eine Weiterreise nach Mitteleuropa aufgrund der geschlossenen mazedonischen Grenze fast unmöglich. Die Umsiedlung (Relocation) war aber trotz europäischer Beschlüsse bislang nicht erfolgreich!
Ich glaube allerdings nicht an eine Rückkehr zum Dublin-Abkommen in Italien und auch nicht an einen EU-Libyen-Deal! Eine Rückführung von Flüchtlingen nach Libyen ist aufgrund des Bürgerkriegs unmöglich und das Land wird auch lange nach Ende des Krieges die humanitären Standards nicht erfüllen können. Rückführungen in die Heimatländer wären nur bei wenigen Ländern möglich (z.B. bei Ghana, Senegal und den drei Maghrebstaaten), nicht aber in den Ländern mit dem schlechtesten Lebensstandard (z.B. Südsudan, Eritrea, Somalia). Außerdem liegt die italienische Grenze mitten in der EU und wird sich trotz der etwas hilflosen Versuche am Brenner nicht abdichten lassen. Flüchtlingslager in Italien sind daher keine Alternative.
Eine wirkliche Weiterentwicklung hin zu einem gemeinsamen Asylsystem oder einem gemeinsamen Grenzschutz halte ich für eine Angelegenheit, die sich wohl nur im Rahmen eines tiefer integrierten Kerneuropas umsetzen lässt. In der aktuellen EU-Gestaltung überlagen die Interessen der einzelnen Nationalstaaten einfach zu schnell die Auseinandersetzung mit gemeinsamen Herausforderungen.
Hoffentlich setzt sich langfristig die Einsicht durch, dass von einem gemeinsamen Asylsystem alle Länder profitieren, und zwar auch außerhalb von Kerneuropa. Die reguläre Einwanderung bleibt aber wohl noch sehr lange eine Aufgabe der einzelnen Staaten.