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    Redaktion · angelegt
     

    Ein Ausweg aus der falschen Erzählung

    Lieber David, ich werde mal nicht so tun, als würde ich mich mit den juristischen Anforderungen Deines Vorschlags auskennen :). Aber mir gefällt der Gedanke, "den Bürger zum Zentrum der politischen Macht zu machen" - allein um den EU-Diskurs wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen.

    Im aktuellen Konflikt "EU-Kommission vs. Polnische Regierung" zeigt sich deutlich: So funktioniert das nicht. Nationale Akteure haben es sehr leicht, die eigene Bevölkerung gegen die EU-Institutionen aufzuwiegeln. So meint die Ministerpräsidentin Szydlo: "Wir lösen unsere Probleme im Land in Einklang mit unseren nationalen Interessen. Die Beamten internationaler Institutionen dürfen uns diese Interessen nicht vergewaltigen."

    In diesem Bild werden die Kommission oder der Rat mitnichten als Anwälte der polnischen Bürger wahrgenommen, die ihre europäischen Rechte verteidigen, sondern als ausländische Aggressoren, als 'Vergewaltiger'. Und diese Rhetorik kann deshalb so erfolgreich sein, weil die Identifikation der Bürger mit den eigenen EU-Institutionen - seien wir ehrlich - in breiten Teilen der Bevölkerung (auch in Deutschland) nicht existiert.

    Kleiner Exkurs hierzu: Man konnte dieses Muster auch gut im österreichischen Präsidentschafts-TV-Duell sehen. FPÖ-Mann Hofer warf dem "Pro-Europäer" Van der Bellen vor, eher Martin Schulz und Jean-Claude Juncker gegenüber loyal zu sein, anstatt (wie angeblich er selbst) dem österreichischen Volk. Eigentlich hätten da alle Österreicher laut lachen müssen. Schließlich haben sie selbst das EU-Parlament gewählt, Schulz ist auch "ihr" EU-Parlamentspräsident, und Juncker "ihr" Kommissionschef. Aber wir wissen, dass da kaum einer lacht. Diese Masche funktioniert. Auch Van der Bellen war situativ nicht in der Lage, diese Frontstellung "Das Volk vs. EU-Schickeria" als aberwitzig paradoxe Fiktion Zerrbild zu entlarven.

    Der Fall muss "Polnische Regierung vs. polnische Bürger" heißen

    Also zurück zu Deinem Text. So lange die Identifikation mit der EU-Kommission, dem EU-Parlament oder dem Rat nicht existiert (was ja auch nachvollziehbare Gründe hat, weites Feld), halte ich den Weg über verbriefte europäische Rechte und einen glaubwürdigen Europäischen Gerichtshof für richtig. Unabhängig von den politischen Akteuren oder der aktuellen Politik (man kann ja Juncker, Schulz und ihre Politik mit Fug und Recht ganz furchtbar finden, wir leben in einem freien Europa) könnte ich mich auf jeden Fall mit meinen europäischen Rechten identifizieren, sie auch gegenüber meiner nationalen Regierung selbstbewusst und stolz geltend machen. Dann wäre das eben kein Konflikt "EU-Kommission vs. Polen", sondern "Polens Regierung vs. polnische Bürger", wobei sich letztere als Europäer nicht alles gefallen lassen müssen und notfalls vor den EuGH gehen können.

    Aber hierzu müsste meines Erachtens auch der Europäische Gerichtshof erstmal an Vertrauen gewinnen. Ich erinnere mich an viele Gesprächsrunden, in der laut bei der Vorstellung gelacht wurde, der EuGH könnte auch nur einen EU-Rechtsbruch im Rahmen der Euro-Rettungsmaßnahmen ahnden. Unabhängig von den konkreten Fällen, er steht einfach im Ruf, den dominierenden politischen Kräften nicht in die Parade zu fahren.

    Haben wir noch einen Werte-Konsens?

    Und schließlich: wir nehmen jetzt einfach so an, dass wenigstens über das Grundgesetz und die EU-Charta kompletter Konsens herrscht. Aber (ich musste das mit Erschrecken feststellen): das ist nicht so. Manche Pegiden identifizieren sich auch nicht mehr mit dem Asylrecht im Grundgesetz (das in manchen Augen der DDR übergestülpt wurde), und die Charta würden sie vielleicht auch anders schreiben, würde man sie fragen. Speziell im 'Osten' (Europas) scheint mir die 'ownership'-stiftende Partizipation bei unserer europäischen Wertefindung doch recht spärlich ausgefallen zu sein. Ist das jetzt irgendwie gemeinsam nachzuholen, im lauten Getose der Populisten?

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    Lieber David, ich werde mal nicht so tun, als würde ich mich mit den juristischen Anforderungen Deines Vorschlags auskennen :). Aber mir gefällt der Gedanke, "den Bürger zum Zentrum der politischen Macht zu machen" - allein um den EU-Diskurs wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen.

    Im aktuellen Konflikt "EU-Kommission vs. Polnische Regierung" zeigt sich deutlich: So funktioniert das nicht. Nationale Akteure haben es sehr leicht, die eigene Bevölkerung gegen die EU-Institutionen aufzuwiegeln. So meint die Ministerpräsidentin Szydlo: "Wir lösen unsere Probleme im Land in Einklang mit unseren nationalen Interessen. Die Beamten internationaler Institutionen dürfen uns diese Interessen nicht vergewaltigen."

    In diesem Bild werden die Kommission oder der Rat mitnichten als Anwälte der polnischen Bürger wahrgenommen, die ihre europäischen Rechte verteidigen, sondern als ausländische Aggressoren, als 'Vergewaltiger'. Und diese Rhetorik kann deshalb so erfolgreich sein, weil die Identifikation der Bürger mit den eigenen EU-Institutionen - seien wir ehrlich - in breiten Teilen der Bevölkerung (auch in Deutschland) nicht existiert.

    Kleiner Exkurs hierzu: Man konnte dieses Muster auch gut im österreichischen Präsidentschafts-TV-Duell sehen. FPÖ-Mann Hofer warf dem "Pro-Europäer" warf Van der Bellen vor, eher Martin Schulz und Jean-Claude Juncker gegenüber loyal zu sein, anstatt (wie angeblich er selbst) dem österreichischen Volk. Eigentlich hätten da alle Österreicher laut lachen müssen. Schließlich haben sie selbst das EU-Parlament gewählt, Schulz ist auch "ihr" EU-Parlamentspräsident, und Juncker "ihr" Kommissionschef. Aber wir wissen, dass da kaum einer lacht. Diese Masche funktioniert. Auch Van der Bellen war situativ nicht in der Lage, diese Frontstellung "Das Volk vs. EU-Schickeria" als Zerrbild zu entlarven.

    Der Fall muss "Polnische Regierung vs. polnische Bürger" heißen

    Also zurück zu Deinem Text. So lange die Identifikation mit der EU-Kommission, dem EU-Parlament oder dem Rat nicht existiert (was ja auch nachvollziehbare Gründe hat, weites Feld), halte ich den Weg über verbriefte europäische Rechte und einen glaubwürdigen Europäischen Gerichtshof für richtig. Unabhängig von den politischen Akteuren oder der aktuellen Politik (man kann ja Juncker, Schulz und ihre Politik mit Fug und Recht ganz furchtbar finden, wir leben in einem freien Europa) könnte ich mich auf jeden Fall mit meinen europäischen Rechten identifizieren, sie auch gegenüber meiner nationalen Regierung selbstbewusst und stolz geltend machen. Dann wäre das eben kein Konflikt "EU-Kommission vs. Polen", sondern "Polens Regierung vs. polnische Bürger", wobei sich letztere als Europäer nicht alles gefallen lassen müssen und notfalls vor den EuGH gehen können.

    Aber hierzu müsste meines Erachtens auch der Europäische Gerichtshof erstmal an Vertrauen gewinnen. Ich erinnere mich an viele Gesprächsrunden, in der laut bei der Vorstellung gelacht wurde, der EuGH könnte auch nur einen EU-Rechtsbruch im Rahmen der Euro-Rettungsmaßnahmen ahnden. Unabhängig von den konkreten Fällen, er steht einfach im Ruf, den dominierenden politischen Kräften nicht in die Parade zu fahren.

    Haben wir noch einen Werte-Konsens?

    Und schließlich: wir nehmen jetzt einfach so an, dass wenigstens über das Grundgesetz und die EU-Charta kompletter Konsens herrscht. Aber (ich musste das mit Erschrecken feststellen): das ist nicht so. Manche Pegiden identifizieren sich auch nicht mehr mit dem Asylrecht im Grundgesetz (das in manchen Augen der DDR übergestülpt wurde), und die Charta würden sie vielleicht auch anders schreiben, würde man sie fragen. Speziell im 'Osten' (Europas) scheint mir die 'ownership'-stiftende Partizipation bei unserer europäischen Wertefindung doch recht spärlich ausgefallen zu sein. Ist das jetzt irgendwie gemeinsam nachzuholen, im lauten Getose der Populisten?

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    Ein Ausweg aus der falschen Erzählung

    Lieber David, ich werde mal nicht so tun, als würde ich mich mit den juristischen Anforderungen Deines Vorschlags auskennen :). Aber mir gefällt der Gedanke, "den Bürger zum Zentrum der politischen Macht zu machen" - allein um den EU-Diskurs wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen.

    Im aktuellen Konflikt "EU-Kommission vs. Polnische Regierung" zeigt sich deutlich: So funktioniert das nicht. Nationale Akteure haben es sehr leicht, die eigene Bevölkerung gegen die EU-Institutionen aufzuwiegeln. So meint die Ministerpräsidentin Szydlo: "Wir lösen unsere Probleme im Land in Einklang mit unseren nationalen Interessen. Die Beamten internationaler Institutionen dürfen uns diese Interessen nicht vergewaltigen."

    In diesem Bild werden die Kommission oder der Rat mitnichten als Anwälte der polnischen Bürger wahrgenommen, die ihre europäischen Rechte verteidigen, sondern als ausländische Aggressoren, als 'Vergewaltiger'. Und diese Rhetorik kann deshalb so erfolgreich sein, weil die Identifikation der Bürger mit den eigenen EU-Institutionen - seien wir ehrlich - in breiten Teilen der Bevölkerung (auch in Deutschland) nicht existiert.

    Kleiner Exkurs hierzu: Man konnte dieses Muster auch gut im österreichischen Präsidentschafts-TV-Duell sehen. FPÖ-Mann warf Van der Bellen vor, eher Martin Schulz und Jean-Claude Juncker gegenüber loyal zu sein, anstatt (wie angeblich statt (wie er selbst) dem österreichischen Volk. Eigentlich hätten da alle Österreicher laut lachen müssen. Schließlich haben sie selbst das EU-Parlament gewählt, Schulz ist auch "ihr" EU-Parlamentspräsident, und Juncker "ihr" Kommissionschef. Aber wir wissen, dass da kaum einer lacht. Diese Masche funktioniert. Auch Van der Bellen war situativ nicht in der Lage, diese Frontstellung "Das Volk vs. EU-Schickeria" als Zerrbild zu entlarven.

    Der Fall muss "Polnische Regierung vs. polnische Bürger" heißen

    Also zurück zu Deinem Text. So lange die Identifikation mit der EU-Kommission, dem EU-Parlament oder dem Rat nicht existiert (was ja auch nachvollziehbare Gründe hat, weites Feld), halte ich den Weg über verbriefte europäische Rechte und einen glaubwürdigen Europäischen Gerichtshof für richtig. Unabhängig von den politischen Akteuren oder der aktuellen Politik (man kann ja Juncker, Schulz und ihre Politik mit Fug und Recht ganz furchtbar finden, wir leben in einem freien Europa) könnte ich mich auf jeden Fall mit meinen europäischen Rechten identifizieren, sie auch gegenüber meiner nationalen Regierung selbstbewusst und stolz geltend machen. Dann wäre das eben kein Konflikt "EU-Kommission vs. Polen", sondern "Polens Regierung vs. polnische Bürger", wobei sich letztere als Europäer nicht alles gefallen lassen müssen und notfalls vor den EuGH gehen können.

    Aber hierzu müsste meines Erachtens auch der Europäische Gerichtshof erstmal an Vertrauen gewinnen. Ich erinnere mich an viele Gesprächsrunden, in der laut bei der Vorstellung gelacht wurde, der EuGH könnte auch nur einen EU-Rechtsbruch im Rahmen der Euro-Rettungsmaßnahmen ahnden. Unabhängig von den konkreten Fällen, er steht einfach im Ruf, den dominierenden politischen Kräften nicht in die Parade zu fahren.

    Haben wir noch einen Werte-Konsens?

    Und schließlich: wir nehmen jetzt einfach so an, dass wenigstens über das Grundgesetz und die EU-Charta kompletter Konsens herrscht. Aber (ich musste das mit Erschrecken feststellen): das ist nicht so. Manche Pegiden identifizieren sich auch nicht mehr mit dem Asylrecht im Grundgesetz (das in manchen Augen der DDR übergestülpt wurde), und die Charta würden sie vielleicht auch anders schreiben, würde man sie fragen. Speziell im 'Osten' (Europas) scheint mir die 'ownership'-stiftende Partizipation bei unserer europäischen Wertefindung doch recht spärlich ausgefallen zu sein. Ist das jetzt irgendwie gemeinsam nachzuholen, im lauten Getose der Populisten?

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    Lieber David, ich werde mal nicht so tun, als würde ich mich mit den juristischen Anforderungen Deines Vorschlags auskennen :). Aber mir gefällt der Gedanke, "den Bürger zum Zentrum der politischen Macht zu machen" - allein um den EU-Diskurs wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen.

    Im aktuellen Konflikt "EU-Kommission vs. Polnische Regierung" zeigt sich deutlich: So funktioniert das nicht. Nationale Akteure haben es sehr leicht, die eigene Bevölkerung gegen die EU-Institutionen aufzuwiegeln. So meint die Ministerpräsidentin Szydlo: "Wir lösen unsere Probleme im Land in Einklang mit unseren nationalen Interessen. Die Beamten internationaler Institutionen dürfen uns diese Interessen nicht vergewaltigen."

    In diesem Bild werden die Kommission oder der Rat mitnichten als Anwälte der polnischen Bürger wahrgenommen, die ihre europäischen Rechte verteidigen, sondern als ausländische ausländischer Aggressoren, als 'Vergewaltiger'. Und diese Rhetorik kann deshalb so erfolgreich sein, weil die Identifikation der Bürger mit den eigenen EU-Institutionen - seien wir ehrlich - in breiten Teilen der Bevölkerung (auch in Deutschland) nicht existiert.

    Kleiner Exkurs hierzu: Man konnte dieses Muster auch gut im österreichischen Präsidentschafts-TV-Duell sehen. FPÖ-Mann warf Van der Bellen vor, eher Martin Schulz und Jean-Claude Juncker gegenüber loyal zu sein, statt (wie er selbst) dem österreichischen Volk. Eigentlich hätten da alle Österreicher laut lachen müssen. Schließlich haben sie selbst das EU-Parlament gewählt, Schulz ist auch "ihr" EU-Parlamentspräsident, und Juncker "ihr" Kommissionschef. Aber wir wissen, dass da kaum einer lacht. Diese Masche funktioniert. Auch Van der Bellen war situativ nicht in der Lage, diese Frontstellung "Das Volk vs. EU-Schickeria" als Zerrbild zu entlarven.

    Der Fall muss "Polnische Regierung vs. polnische Bürger" heißen

    Also zurück zu Deinem Text. So lange die Identifikation mit der EU-Kommission, dem EU-Parlament oder dem Rat nicht existiert (was ja auch nachvollziehbare Gründe hat, weites Feld), halte ich den Weg über verbriefte europäische Rechte und einen glaubwürdigen Europäischen Gerichtshof für richtig. Unabhängig von den politischen Akteuren oder der aktuellen Politik (man kann ja Juncker, Schulz und ihre Politik mit Fug und Recht ganz furchtbar finden, wir leben in einem freien Europa) könnte ich mich auf jeden Fall mit meinen europäischen Rechten identifizieren, sie auch gegenüber meiner nationalen Regierung selbstbewusst und stolz geltend machen. Dann wäre das eben kein Konflikt "EU-Kommission vs. Polen", sondern "Polens Regierung vs. polnische Bürger", wobei sich letztere als Europäer nicht alles gefallen lassen müssen und notfalls vor den EuGH gehen können.

    Aber hierzu müsste meines Erachtens auch der Europäische Gerichtshof erstmal an Vertrauen gewinnen. Ich erinnere mich an viele Gesprächsrunden, in der laut bei der Vorstellung gelacht wurde, der EuGH könnte auch nur einen EU-Rechtsbruch im Rahmen der Euro-Rettungsmaßnahmen ahnden. Unabhängig von den konkreten Fällen, er steht einfach im Ruf, den dominierenden politischen Kräften nicht in die Parade zu fahren.

    Haben wir noch einen Werte-Konsens?

    Und schließlich: wir nehmen jetzt einfach so an, dass wenigstens über das Grundgesetz und die EU-Charta kompletter Konsens herrscht. Aber (ich musste das mit Erschrecken feststellen): das ist nicht so. Manche Pegiden identifizieren sich auch nicht mehr mit dem Asylrecht im Grundgesetz (das in manchen Augen der DDR übergestülpt wurde), und die Charta würden sie vielleicht auch anders schreiben, würde man sie fragen. Speziell im 'Osten' (Europas) scheint mir die 'ownership'-stiftende Partizipation bei unserer europäischen Wertefindung doch recht spärlich ausgefallen zu sein. Ist das jetzt irgendwie gemeinsam nachzuholen, im lauten Getose der Populisten?

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    Lieber David, ich werde mal nicht so tun, als würde ich mich mit den juristischen Anforderungen Deines Vorschlags auskennen :). Aber mir gefällt der Gedanke, "den Bürger zum Zentrum der politischen Macht zu machen" - allein um den EU-Diskurs wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen.

    Im aktuellen Konflikt "EU-Kommission vs. Polnische Regierung" zeigt sich deutlich: So funktioniert das nicht. Nationale Akteure haben es sehr leicht, die eigene Bevölkerung gegen die EU-Institutionen aufzuwiegeln. So meint die Ministerpräsidentin Szydlo: "Wir lösen unsere Probleme im Land in Einklang mit unseren nationalen Interessen. Die Beamten internationaler Institutionen dürfen uns diese Interessen nicht vergewaltigen."

    In diesem Bild werden die Kommission oder der Rat mitnichten als Anwälte der polnischen Bürger wahrgenommen, die ihre europäischen Rechte verteidigen, verteidigt, sondern als ausländischer Aggressoren, als 'Vergewaltiger'. Aggressor. Und diese Rhetorik kann deshalb so erfolgreich sein, weil die Identifikation der Bürger mit den eigenen EU-Institutionen - seien wir ehrlich - in breiten Teilen der Bevölkerung (auch in Deutschland) nicht existiert.

    Kleiner Exkurs hierzu: Man konnte dieses Muster auch gut im österreichischen Präsidentschafts-TV-Duell sehen. FPÖ-Mann warf Van der Bellen vor, eher Martin Schulz und Jean-Claude Juncker gegenüber loyal zu sein, statt (wie er selbst) dem österreichischen Volk. Eigentlich hätten da alle Österreicher laut lachen müssen. Schließlich haben sie selbst das EU-Parlament gewählt, Schulz ist auch "ihr" EU-Parlamentspräsident, und Juncker "ihr" Kommissionschef. Aber wir wissen, dass da kaum einer lacht. Diese Masche funktioniert. Auch Van der Bellen war situativ nicht in der Lage, diese Frontstellung "Das Volk vs. EU-Schickeria" als Zerrbild zu entlarven.

    Der Fall muss "Polnische Regierung vs. polnische Bürger" heißen

    Also zurück zu Deinem Text. So lange die Identifikation mit der EU-Kommission, dem EU-Parlament oder dem Rat nicht existiert (was ja auch nachvollziehbare Gründe hat, weites Feld), halte ich den Weg über verbriefte europäische Rechte und einen glaubwürdigen Europäischen Gerichtshof für richtig. Unabhängig von den politischen Akteuren oder der aktuellen Politik (man kann ja Juncker, Schulz und ihre Politik mit Fug und Recht ganz furchtbar finden, wir leben in einem freien Europa) könnte ich mich auf jeden Fall mit meinen europäischen Rechten identifizieren, sie auch gegenüber meiner nationalen Regierung selbstbewusst und stolz geltend machen. Dann wäre das eben kein Konflikt "EU-Kommission vs. Polen", sondern "Polens Regierung vs. polnische Bürger", wobei sich letztere als Europäer nicht alles gefallen lassen müssen und notfalls vor den EuGH gehen können.

    Aber hierzu müsste meines Erachtens auch der Europäische Gerichtshof erstmal an Vertrauen gewinnen. Ich erinnere mich an viele Gesprächsrunden, in der laut bei der Vorstellung gelacht wurde, der EuGH könnte auch nur einen EU-Rechtsbruch im Rahmen der Euro-Rettungsmaßnahmen ahnden. Unabhängig von den konkreten Fällen, er steht einfach im Ruf, den dominierenden politischen Kräften nicht in die Parade zu fahren.

    Haben wir noch einen Werte-Konsens?

    Und schließlich: wir nehmen jetzt einfach so an, dass wenigstens über das Grundgesetz und die EU-Charta kompletter Konsens herrscht. Aber (ich musste das mit Erschrecken feststellen): das ist nicht so. Manche Pegiden identifizieren sich auch nicht mehr mit dem Asylrecht im Grundgesetz (das in manchen Augen der DDR übergestülpt wurde), und die Charta würden sie vielleicht auch anders schreiben, würde man sie fragen. Speziell im 'Osten' (Europas) scheint mir die 'ownership'-stiftende Partizipation bei unserer europäischen Wertefindung doch recht spärlich ausgefallen zu sein. Ist das jetzt irgendwie gemeinsam nachzuholen, im lauten Getose der Populisten?

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    Ein Ausweg aus der falschen Erzählung

    Lieber David, ich werde mal nicht so tun, als würde ich mich mit den juristischen Anforderungen Deines Vorschlags auskennen :). Aber mir gefällt der Gedanke, "den Bürger zum Zentrum der politischen Macht zu machen" - allein um den EU-Diskurs wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen.

    Im aktuellen Konflikt "EU-Kommission vs. Polnische Regierung" zeigt sich deutlich: So funktioniert das nicht. Nationale Akteure haben es sehr leicht, die eigene Bevölkerung gegen die EU-Institutionen aufzuwiegeln. So meint die Ministerpräsidentin Szydlo: "Wir lösen unsere Probleme im Land in Einklang mit unseren nationalen Interessen. Die Beamten internationaler Institutionen dürfen uns diese Interessen nicht vergewaltigen."

    In diesem Bild werden die Kommission oder der Rat mitnichten als Anwälte Anwalt der polnischen Bürger wahrgenommen, die der ihre europäischen Rechte verteidigt, sondern als ausländischer Aggressor. Und diese Rhetorik kann deshalb so erfolgreich sein, weil die Identifikation der Bürger mit den eigenen EU-Institutionen - seien wir ehrlich - in breiten Teilen der Bevölkerung (auch in Deutschland) nicht existiert.

    Kleiner Exkurs hierzu: Man konnte dieses Muster auch gut im österreichischen Präsidentschafts-TV-Duell sehen. FPÖ-Mann warf Van der Bellen vor, eher Martin Schulz und Jean-Claude Juncker gegenüber loyal zu sein, statt (wie er selbst) dem österreichischen Volk. Eigentlich hätten da alle Österreicher laut lachen müssen. Schließlich haben sie selbst das EU-Parlament gewählt, Schulz ist auch "ihr" EU-Parlamentspräsident, und Juncker "ihr" Kommissionschef. Aber wir wissen, dass da kaum einer lacht. Diese Masche funktioniert. Auch Van der Bellen war situativ nicht in der Lage, diese Frontstellung "Das Volk vs. EU-Schickeria" als Zerrbild zu entlarven.

    Der Fall muss "Polnische Regierung vs. polnische Bürger" heißen

    Also zurück zu Deinem Text. So lange die Identifikation mit der EU-Kommission, dem EU-Parlament oder dem Rat nicht existiert (was ja auch nachvollziehbare Gründe hat, weites Feld), halte ich den Weg über verbriefte europäische Rechte und einen glaubwürdigen Europäischen Gerichtshof für richtig. Unabhängig von den politischen Akteuren oder der aktuellen Politik (man kann ja Juncker, Schulz und ihre Politik mit Fug und Recht ganz furchtbar finden, wir leben in einem freien Europa) könnte ich mich auf jeden Fall mit meinen europäischen Rechten identifizieren, sie auch gegenüber meiner nationalen Regierung selbstbewusst und stolz geltend machen. Dann wäre das eben kein Konflikt "EU-Kommission vs. Polen", sondern "Polens Regierung vs. polnische Bürger", wobei sich letztere als Europäer nicht alles gefallen lassen müssen und notfalls vor den EuGH gehen können.

    Aber hierzu müsste meines Erachtens auch der Europäische Gerichtshof erstmal an Vertrauen gewinnen. Ich erinnere mich an viele Gesprächsrunden, in der laut bei der Vorstellung gelacht wurde, der EuGH könnte auch nur einen EU-Rechtsbruch im Rahmen der Euro-Rettungsmaßnahmen ahnden. Unabhängig von den konkreten Fällen, er steht einfach im Ruf, den dominierenden politischen Kräften nicht in die Parade zu fahren.

    Haben wir noch einen Werte-Konsens?

    Und schließlich: wir nehmen jetzt einfach so an, dass wenigstens über das Grundgesetz und die EU-Charta kompletter Konsens herrscht. Aber (ich musste das mit Erschrecken feststellen): das ist nicht so. Manche Pegiden identifizieren sich auch nicht mehr mit dem Asylrecht im Grundgesetz (das in manchen Augen der DDR übergestülpt wurde), und die Charta würden sie vielleicht auch anders schreiben, würde man sie fragen. Speziell im 'Osten' (Europas) scheint mir die 'ownership'-stiftende Partizipation bei unserer europäischen Wertefindung doch recht spärlich ausgefallen zu sein. Ist das jetzt irgendwie gemeinsam nachzuholen, im lauten Getose der Populisten?

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    Ein Ausweg aus der falschen Erzählung

    Lieber David, ich werde mal nicht so tun, als würde ich mich mit den juristischen Anforderungen Deines Vorschlags auskennen :). Aber mir gefällt der Gedanke, "den Bürger zum Zentrum der politischen Macht zu machen" - allein um den EU-Diskurs wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen.

    Im aktuellen Konflikt "EU-Kommission vs. Polnische Regierung" zeigt sich deutlich: So funktioniert das nicht. Nationale Akteure haben es sehr leicht, die eigene Bevölkerung gegen die EU-Institutionen aufzuwiegeln. So meint die Ministerpräsidentin Szydlo: "Wir lösen unsere Probleme im Land in Einklang mit unseren nationalen Interessen. Die Beamten internationaler Institutionen dürfen uns diese Interessen nicht vergewaltigen."

    In diesem Bild werden die Kommission oder der Rat mitnichten als Anwalt der polnischen Bürger wahrgenommen, der ihre europäischen Rechte verteidigt, sondern als ausländischer Aggressor. Und diese Rhetorik kann deshalb so erfolgreich sein, weil die Identifikation der Bürger mit den eigenen EU-Institutionen - seien wir ehrlich - in breiten Teilen der Bevölkerung (auch in Deutschland) nicht existiert.

    Kleiner Exkurs hierzu: Man konnte dieses Muster auch gut im österreichischen Präsidentschafts-TV-Duell sehen. FPÖ-Mann warf Van der Bellen vor, eher Martin Schulz und Jean-Claude Juncker gegenüber loyal zu sein, statt (wie er selbst) dem österreichischen Volk. Eigentlich hätten da alle Österreicher laut lachen müssen. Schließlich haben sie selbst das EU-Parlament gewählt, Schulz ist auch "ihr" EU-Parlamentspräsident, und Juncker "ihr" Kommissionschef. Aber wir wissen, dass da kaum einer lacht. Diese Masche funktioniert. Auch Van der Bellen war situativ nicht in der Lage, diese Frontstellung "Das Volk vs. EU-Schickeria" als Zerrbild zu entlarven.

    Der Fall muss "Polnische Regierung vs. polnische Bürger" heißen

    Also zurück zu Deinem Text. So lange die Identifikation mit der EU-Kommission, dem EU-Parlament oder dem Rat nicht existiert (was ja auch nachvollziehbare Gründe hat, weites Feld), halte ich den Weg über verbriefte europäische Rechte und einen glaubwürdigen Europäischen Gerichtshof für richtig. Unabhängig von den politischen Akteuren oder der aktuellen Politik (man kann ja Juncker, Schulz und ihre Politik mit Fug und Recht ganz furchtbar finden, wir leben in einem freien Europa) könnte ich mich auf jeden Fall mit meinen europäischen Rechten identifizieren, sie auch gegenüber meiner nationalen Regierung selbstbewusst und stolz geltend machen. Dann wäre das eben kein Konflikt "EU-Kommission vs. Polen", sondern "Polens Regierung vs. polnische Bürger", wobei sich letztere als Europäer nicht alles gefallen lassen müssen und notfalls vor den EuGH gehen können.

    Aber hierzu müsste meines Erachtens auch der Europäische Gerichtshof erstmal an Vertrauen gewinnen. Ich erinnere mich an viele Gesprächsrunden, in der laut bei der Vorstellung gelacht wurde, der EuGH könnte auch nur einen EU-Rechtsbruch im Rahmen der Euro-Rettungsmaßnahmen ahnden. Unabhängig von den konkreten Fällen, er steht einfach im Ruf, den dominierenden politischen Kräften nicht in die Parade zu fahren.

    Haben wir noch einen Werte-Konsens?

    Und schließlich: wir nehmen jetzt einfach so an, dass wenigstens über das Grundgesetz und die EU-Charta kompletter Konsens herrscht. Aber (ich musste das mit Erschrecken feststellen): das ist nicht so. Manche Pegiden identifizieren sich auch nicht mehr mit dem Asylrecht im Grundgesetz (das in manchen Augen der DDR übergestülpt wurde), und die Charta würden sie vielleicht auch anders schreiben, würde man sie fragen. Speziell im 'Osten' (Europas) scheint mir die 'ownership'-stiftende Partizipation bei unserer europäischen Wertefindung doch recht spärlich ausgefallen zu sein. Ist das jetzt irgendwie gemeinsam nachzuholen, im lauten Getose der Populisten?

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    Lieber David, ich werde mal nicht so als würde ich mich mit den juristischen Anforderungen Deines Vorschlags auskennen :). Aber mir gefällt der Gedanke, "den Bürger zum Zentrum der politischen Macht zu machen" - allein um den EU-Diskurs wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen.

    Im aktuellen Konflikt "EU-Kommission vs. Polnische Regierung" zeigt sich deutlich: So funktioniert das nicht. Nationale Akteure haben es sehr leicht, die eigene Bevölkerung gegen die EU-Institutionen aufzuwiegeln. So meint die Ministerpräsidentin Szydlo: "Wir lösen unsere Probleme im Land in Einklang mit unseren nationalen Interessen. Die Beamten internationaler Institutionen dürfen uns diese Interessen nicht vergewaltigen."

    In diesem Bild werden die Kommission oder der Rat mitnichten als Anwalt der polnischen Bürger wahrgenommen, der ihre europäischen Rechte verteidigt, sondern als ausländischer Aggressor. Und diese Rhetorik kann deshalb so erfolgreich sein, weil die Identifikation der Bürger mit den eigenen EU-Institutionen - seien wir ehrlich - in breiten Teilen der Bevölkerung (auch in Deutschland) nicht existiert.

    Kleiner Exkurs hierzu: Man konnte dieses Muster auch gut im österreichischen Präsidentschafts-TV-Duell sehen. FPÖ-Mann warf Van der Bellen vor, eher Martin Schulz und Jean-Claude Juncker gegenüber loyal zu sein, statt (wie er selbst) dem österreichischen Volk. Eigentlich hätten da alle Österreicher laut lachen müssen. Schließlich haben sie selbst das EU-Parlament gewählt, Schulz ist auch "ihr" EU-Parlamentspräsident, und Juncker "ihr" Kommissionschef. Aber wir wissen, dass da kaum einer lacht. Diese Masche funktioniert. Auch Van der Bellen war situativ nicht in der Lage, diese Frontstellung "Das Volk vs. EU-Schickeria" als Zerrbild zu entlarven.

    Der Fall muss "Polnische Regierung vs. polnische Bürger" heißen

    Also zurück zu Deinem Text. So lange die Identifikation mit der EU-Kommission, dem EU-Parlament oder dem Rat nicht existiert (was ja auch nachvollziehbare Gründe hat, weites Feld), halte ich den Weg über verbriefte europäische Rechte und einen glaubwürdigen Europäischen Gerichtshof für richtig. Unabhängig Unabgängig von den politischen Akteuren oder der aktuellen Politik (man kann ja Juncker, Schulz und ihre Politik mit Fug und Recht ganz furchtbar finden, wir leben in einem freien Europa) könnte ich mich auf jeden Fall mit meinen europäischen Rechten identifizieren, sie auch gegenüber meiner nationalen Regierung selbstbewusst und stolz geltend machen. Dann wäre das eben kein Konflikt "EU-Kommission vs. Polen", sondern "Polens Regierung vs. polnische Bürger", wobei sich letztere als Europäer nicht alles gefallen lassen müssen und notfalls vor den EuGH gehen können.

    Aber hierzu müsste meines Erachtens auch der Europäische Gerichtshof erstmal an Vertrauen gewinnen. Ich erinnere mich an viele Gesprächsrunden, in der laut bei der Vorstellung gelacht wurde, der EuGH könnte auch nur einen EU-Rechtsbruch im Rahmen der Euro-Rettungsmaßnahmen ahnden. Unabhängig von den konkreten Fällen, er steht einfach im Ruf, den dominierenden politischen Kräften nicht in die Parade zu fahren.

    Haben wir noch einen Werte-Konsens?

    Und schließlich: wir nehmen jetzt einfach so an, dass wenigstens über das Grundgesetz und die EU-Charta kompletter Konsens herrscht. Aber (ich musste das mit Erschrecken feststellen): das ist nicht so. Manche Pegiden identifizieren sich auch nicht mehr mit dem Asylrecht im Grundgesetz (das in manchen Augen der DDR übergestülpt wurde), und die Charta würden sie vielleicht auch anders schreiben, würde man sie fragen. Speziell im 'Osten' (Europas) scheint mir die 'ownership'-stiftende Partizipation bei unserer europäischen Wertefindung doch recht spärlich ausgefallen zu sein. Ist das jetzt irgendwie gemeinsam nachzuholen, im lauten Getose der Populisten?

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    Lieber David, ich werde mal nicht so als würde ich mich mit den juristischen Anforderungen Deines Vorschlags auskennen :). Aber mir gefällt der Gedanke, "den Bürger zum Zentrum der politischen Macht zu machen" - allein um den EU-Diskurs wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen.

    Im aktuellen Konflikt "EU-Kommission vs. Polnische Regierung" zeigt sich deutlich: So funktioniert das nicht. Nationale Akteure haben es sehr leicht, die eigene Bevölkerung gegen die EU-Institutionen aufzuwiegeln. So meint die Ministerpräsidentin Szydlo: "Wir lösen unsere Probleme im Land in Einklang mit unseren nationalen Interessen. Die Beamten internationaler Institutionen dürfen uns diese Interessen nicht vergewaltigen."

    In diesem Bild werden die Kommission oder der Rat mitnichten als Anwalt der polnischen Bürger wahrgenommen, der ihre europäischen Rechte verteidigt, sondern als ausländischer Aggressor. Und diese Rhetorik kann deshalb so erfolgreich sein, weil die Identifikation der Bürger mit den eigenen EU-Institutionen - seien wir ehrlich - in breiten Teilen der Bevölkerung (auch in Deutschland) nicht existiert.

    Kleiner Exkurs hierzu: Man konnte dieses Muster auch gut im österreichischen Präsidentschafts-TV-Duell sehen. FPÖ-Mann warf Van der Bellen vor, eher Martin Schulz und Jean-Claude Juncker gegenüber loyal zu sein, statt (wie er selbst) dem österreichischen Volk. Eigentlich hätten da alle Österreicher laut lachen müssen. Schließlich haben sie selbst das EU-Parlament gewählt, Schulz ist auch "ihr" EU-Parlamentspräsident, und Juncker "ihr" Kommissionschef. Aber wir wissen, dass da kaum einer lacht. Diese Masche funktioniert. Auch Van der Bellen war situativ nicht in der Lage, diese Frontstellung "Das Volk vs. EU-Schickeria" als Zerrbild zu entlarven.

    Der Fall muss "Polnische Regierung vs. polnische Bürger" heißen

    Also zurück zu Deinem Text. So lange die Identifikation mit der EU-Kommission, dem EU-Parlament EU-Kommission oder dem Rat nicht existiert (was ja auch nachvollziehbare Gründe hat, weites Feld), halte ich den Weg über verbriefte europäische Rechte und einen glaubwürdigen Europäischen Gerichtshof für richtig. Unabgängig von den politischen Akteuren oder der aktuellen Politik könnte ich mich auf jeden Fall mit meinen europäischen Rechten identifizieren, sie auch gegenüber meiner nationalen Regierung selbstbewusst und stolz geltend machen. Dann wäre das eben kein Konflikt "EU-Kommission vs. Polen", sondern "Polens Regierung vs. polnische Bürger", wobei sich letztere als Europäer nicht alles gefallen lassen müssen und notfalls vor den EuGH gehen können.

    Aber hierzu müsste meines Erachtens auch der Europäische Gerichtshof erstmal an Vertrauen gewinnen. Ich erinnere mich an viele Gesprächsrunden, in der laut bei der Vorstellung gelacht wurde, der EuGH könnte auch nur einen EU-Rechtsbruch im Rahmen der Euro-Rettungsmaßnahmen ahnden. Unabhängig von den konkreten Fällen, er steht einfach im Ruf, den dominierenden politischen Kräften nicht in die Parade zu fahren.

    Haben wir noch einen Werte-Konsens?

    Und schließlich: wir nehmen jetzt einfach so an, dass wenigstens über das Grundgesetz und die EU-Charta kompletter Konsens herrscht. Aber (ich musste das mit Erschrecken feststellen): das ist nicht so. Manche Pegiden identifizieren sich auch nicht mehr mit dem Asylrecht im Grundgesetz (das in manchen Augen der DDR übergestülpt wurde), und die Charta würden sie vielleicht auch anders schreiben, würde man sie fragen. Speziell im 'Osten' (Europas) scheint mir die 'ownership'-stiftende Partizipation bei unserer europäischen Wertefindung doch recht spärlich ausgefallen zu sein. Ist das jetzt irgendwie gemeinsam nachzuholen, im lauten Getose der Populisten?

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    Alexander Wragge · angelegt
     

    Ein Ausweg aus der falschen Erzählung

    Lieber David, ich werde mal nicht so als würde ich mich mit den juristischen Anforderungen Deines Vorschlags auskennen :). Aber mir gefällt der Gedanke, "den Bürger zum Zentrum der politischen Macht zu machen" - allein um den EU-Diskurs wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen.

    Im aktuellen Konflikt "EU-Kommission vs. Polnische Regierung" zeigt sich deutlich: So funktioniert das nicht. Nationale Akteure haben es sehr leicht, die eigene Bevölkerung gegen die EU-Institutionen aufzuwiegeln. So meint die Ministerpräsidentin Szydlo: "Wir lösen unsere Probleme im Land in Einklang mit unseren nationalen Interessen. Die Beamten internationaler Institutionen dürfen uns diese Interessen nicht vergewaltigen."

    In diesem Bild werden die Kommission oder der Rat mitnichten als Anwalt der polnischen Bürger wahrgenommen, der ihre europäischen Rechte verteidigt, sondern als ausländischer Aggressor. Und diese Rhetorik kann deshalb so erfolgreich sein, weil die Identifikation der Bürger mit den eigenen EU-Institutionen - seien wir ehrlich - in breiten Teilen der Bevölkerung (auch in Deutschland) nicht existiert.

    Kleiner Exkurs hierzu: Man konnte dieses Muster auch gut im österreichischen Präsidentschafts-TV-Duell sehen. FPÖ-Mann warf Van der Bellen vor, vor eher Martin Schulz und Jean-Claude Juncker gegenüber loyal zu sein, statt (wie er selbst) dem österreichischen Volk. Eigentlich hätten da alle Österreicher laut lachen müssen. Schließlich haben sie selbst das EU-Parlament gewählt, Schulz ist auch "ihr" EU-Parlamentspräsident, und Juncker "ihr" Kommissionschef. Aber wir wissen, dass da kaum einer lacht. Diese Masche funktioniert. Auch Van der Bellen war situativ nicht in der Lage, diese Frontstellung "Das Volk vs. EU-Schickeria" als Zerrbild zu entlarven. verzerrte Darstellung unserer EU gerade zu rücken.

    Der Fall muss "Polnische Regierung vs. polnische Bürger" heißen

    Also zurück zu Deinem Text. So lange die Identifikation mit der EU-Kommission oder dem Rat nicht existiert (was ja auch nachvollziehbare Gründe hat, weites Feld), halte ich den Weg über verbriefte europäische Rechte und einen glaubwürdigen Europäischen Gerichtshof für richtig. Unabgängig von den politischen Akteuren oder der aktuellen Politik könnte ich mich auf jeden Fall mit meinen europäischen Rechten identifizieren, sie auch gegenüber meiner nationalen Regierung selbstbewusst und stolz geltend machen. Dann wäre das eben kein Konflikt "EU-Kommission vs. Polen", sondern "Polens Regierung vs. polnische Bürger", wobei sich letztere als Europäer nicht alles gefallen lassen müssen und notfalls vor den EuGH gehen können.

    Aber hierzu müsste meines Erachtens auch der Europäische Gerichtshof erstmal an Vertrauen gewinnen. Ich erinnere mich an viele Gesprächsrunden, in der laut bei der Vorstellung gelacht wurde, der EuGH könnte auch nur einen EU-Rechtsbruch im Rahmen der Euro-Rettungsmaßnahmen ahnden. Unabhängig von den konkreten Fällen, er steht einfach im Ruf, den dominierenden politischen Kräften nicht in die Parade zu fahren.

    Haben wir noch einen Werte-Konsens?

    Und schließlich: wir nehmen jetzt einfach so an, dass wenigstens über das Grundgesetz und die EU-Charta kompletter Konsens herrscht. Aber (ich musste das mit Erschrecken feststellen): das ist nicht so. Manche Pegiden identifizieren sich auch nicht mehr mit dem Asylrecht im Grundgesetz (das in manchen Augen der DDR übergestülpt wurde), und die Charta würden sie vielleicht auch anders schreiben, würde man sie fragen. Speziell im 'Osten' (Europas) scheint mir die 'ownership'-stiftende Partizipation bei unserer europäischen Wertefindung doch recht spärlich ausgefallen zu sein. Ist das jetzt irgendwie gemeinsam nachzuholen, im lauten Getose der Populisten?

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