Lieber Herr Wragge,
schlimm finde ich, wenn EU-Populisten rufen, wir haben eine EU-Grundrechtecharta. Ich bin informiert, deshalb weiß ich, dass z.B. Polen für diese Charta eine Opt-Out-Regelung hat. Aber die meisten Menschen lesen einfach nur Ihre Aussage und bleiben dann uninformiert in diesem Postfaktischen hängen.
Mit einem Fahrrad kann man nicht zum Mond fliegen, auch wenn man sich noch so sehr anstrengt, noch so sehr in die Pedale tritt. Und das liegt nicht daran, dass ein Fahrrad nicht perfekt ist, sondern daran, dass es für diesen Zweck das völlig falsche Instrument ist. Genauso wird man mit der EU niemals ein humanes und soziales Europa erreichen, nicht weil die EU nicht perfekt ist, sondern weil sie das völlig falsche Instrument hierfür ist.
Anderes Beispiel: Das Dt. Kaiserreich war monarchisch und nicht demokratisch. Und egal wie es weiterentwickelt wurde (Sozialgesetzgebung, Schulpflicht), eine Demokratie wurde Deutschland erst, als der Kaiser abdankte und die Republik ausgerufen wurde. Und genauso muss endlich verstanden werden, dass für ein soziales und humanes Europa erst die EU, diese hässliche Fratze der neoliberalen Ideologie, überwunden werden muss. Allerdings heißt „EU überwinden“ für mich lediglich, der EU nur noch diejenigen Aufgaben zuzuweisen, für die sie geeignet ist. Für alles andere, was für ein Zusammenwachsen Europas auf Basis europäischer Werte notwendig ist, soll hingegen eine verfassungsgebundene Europäische Föderation implementiert werden.
Ich mag Sie und glaube Ihnen, dass Sie es nur gut meinen. Aber Ihre Einstellung (man muss das Kaiserreich nur verbessern, dann wird es demokratisch) ist m.E. genau das, was eine ernsthafte, linksorientierte Diskussion zur EU im Prinzip unmöglich macht.
Beste Grüße, Mister Ede