Zur Schieflage in der Datenhoheit - Historie

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  • Zur Schieflage in der Datenhoheit

    von Community Management , angelegt

    Matt Brown CC BY 2.0 Matt Brown CC BY 2.0 Datenbrillen könnten ein neuer Trend werden. Doch was, wenn Menschen sie aus Angst vor Überwachung nicht tragen wollen? Thomas F. Dapp, Big-Data-Experte des Think Tanks Deutsche Bank Research, warnt in seinem Diskussions-Anstoß zum #pxp_thema Überwachte Welt vor den ökonomischen Folgen eines Vertrauensverlustes. Foto: Ted Eytan CC BY-SA 2.0


    Ein Beitrag von Thomas F. Dapp, Deutsche Bank Research

    Ich nutze das Internet jeden Tag, beruflich wie privat. Tägliche, routinemäßige Handlungen mit modernen, web-basierten Technologien zu verbinden, erleichtert mir mein Leben. Mit jedem Klick auf Online-Portalen, mit jedem Sprachbefehl auf mobilen Endgeräten oder jeder GPS-Ortung spare ich wertvolle Zeit. Viele Internet-Dienste erhöhen meine Effizienz, meine Produktivität und meinen Komfort im Alltag. Meine Nachfrage ist bis jetzt auch (noch) ungebrochen. Die Nutzung dieser Dienste ist aber nicht umsonst, sondern hat einen durchaus hohen Preis. Sie kostet mich zwar kein Geld, sie wird aber mit der mehr oder weniger freiwilligen Preisgabe meiner persönlichen digitalisierten Daten bezahlt.

    Daten werden zunehmend zu einem entscheidenden volkswirtschaftlichen Produktionsfaktor. Gerade die Nutzung personenbezogener Daten hat einen ökonomischen Wert und weckt bei vielen Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik Begehrlichkeiten mit unterschiedlichem Fokus. Primär nähren die Daten bei Vielen die Hoffnung auf steigende Umsätze, aber auch eine bessere Datengrundlage für Prognosen in der Wirtschaft oder die professionelle Erstellung umfassender Profile der Menschen können Treiber sein.

    Prinzipiell geht es darum, unterschiedliche Datenmengen und -strukturen mit neuen Datensätzen zu kombinieren, eventuelle Muster in diesen kumulierten Daten mit intelligenten Softwareprogrammen aufzuspüren, um anschließend die richtigen (möglichst lukrativen) Schlüsse aus den Ergebnissen zu ziehen.

    Neue Geschäftsideen, Prozesse, Dienste

    All das wird unter dem Begriff „Big Data“ oder „Data Analytics“ diskutiert. Einmal erhobene Primärdatensätze können zu unterschiedlichen Zwecken und für unterschiedliche Akteure zwei-, drei- oder x-fach ausgewertet werden. Dadurch erweisen sich die Daten einerseits als Quelle für Innovation, Kreativität sowie „Out-of-the-box-Denken“ und münden idealerweise in neue Geschäftsideen, Prozesse, Produkte oder Dienste. Andererseits können und werden sie Vielen aber auch Sorgen und Ängste bereiten, weil die eigene Datenhoheit, also die informationelle Selbstbestimmung, schnell verlorengehen kann.

    Aus innovations-und wirtschaftspolitischer Sicht kann mit Besorgnis beobachtet werden, mit welcher Ohnmacht viele Entscheidungsträger, aber auch viele Internetnutzer in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft zusehen, wie sich das Internet allmählich in eine Spielwiese von nur noch wenigen Akteuren wandelt. Diese dominieren den Markt, umzäunen ihre schönen und viel genutzten Gärten und bestimmen für große Teile der Internetnutzer den Innovations- bzw. Technologiekurs. Eine zu Beginn des Internetzeitalters von Vielen erwartete oder gar erhoffte Konsumenten- bzw. Bürgersouveränität im Netz sieht wahrlich anders aus. Die Diskussion wird zusätzlich angeheizt durch die seit Sommer 2013 veröffentlichten Snowden-Dokumente zur Datensammelpraxis von Geheimdiensten.

    Bei all den Wachstumschancen, die das Internet mit sich bringt, werden damit einhergehende Risiken und Probleme, vor allem bezüglich des Datenschutzes und potenziellen Datenmissbrauchs, gerne ausgeblendet. Insbesondere in die neuen, hochgehandelten Algorithmen zur Reduzierung von Komplexitäten oder zur Erstellung von Berechenbarkeitsanalysen werden hohe Erwartungen gesteckt. Die Realität zeigt jedoch, dass Fragen hinsichtlich dahinterliegender Interessen, Machtverhältnisse, ethische und moralische Gesichtspunkte, Kontrolle, Rechte und Pflichten oftmals nur eine untergeordnete Rolle spielen.

    Verunsicherung könnte der Volkswirtschaft schaden

    Meine Verunsicherung als aktiver Internetnutzer steigt, weil ich jeden Tag mit weiteren Ausspähpraktiken oder sonstigem Missbrauch personenbezogener Daten auf On- und Offlinekanälen konfrontiert werde. Mittlerweile achte ich vermehrt darauf, welche Aussagen, Botschaften und Meinungen ich via E-Mail, Messenger, SMS oder sonstige digitale Kanäle von mir gebe. Zuletzt habe ich auch die Webcam am oberen Ende meines Notebooks zugeklebt, weil ein Fremdzugriff technisch möglich ist und Missbräuche bereits diskutiert wurden.

    Es stellt sich mir die Frage, ob sich die digitalen Ökosysteme, die Geheimdienste oder sonstige Akteure im Internet durch ihre Geschäftspraktiken mittel- bis langfristig nicht selbst schaden (für Unternehmen: „ihre Geschäftsgrundlage unterminieren“), weil das Misstrauen steigt und die Bereitschaft, sich unbehelligt (oder ungeschützt) in digitalen Kanälen aufzuhalten, allmählich sinken könnte. Einige Studien können die zunehmende Verunsicherung der Internet-Nutzer bereits belegen. Die mittelfristig daraus resultierende Konsequenz ist ein sich allmählich anpassendes und sich veränderndes Mediennutzungs- und Konsumverhalten vieler Internetnutzer. Der volkswirtschaftliche Schaden könnte branchenübergreifend und für alle Anbieter web-basierter Technologien spürbar werden. Denn die größten Hürden für jede neu in den Markt eintretende Technologie sind mangelnde Akzeptanz und sinkendes Vertrauen der Nutzer. Letzteres ist bereits angekratzt.

    Grafik: DappGrafik: Oliver Ullmann. Deutsche Bank Research. Quelle: Dapp, T. (2014). Big Data – die ungezähmte Macht. Deutsche Bank Research. Frankfurt am Main.

    Worst Case: Vertrauensverlust

    Einige Akteure im Netz sollten sich die Frage stellen, welche Folgen es haben könnte, wenn immer mehr Internetnutzer anfangen, die angebotenen Produkte und Dienste zu meiden oder sie zu substituieren mangels Vertrauen. Was, wenn internetaffine Menschen ihre Haushaltsgegenstände vielleicht miteinander, aber nicht mit dem Internet und somit mit einem einzigen Akteur verbinden möchten, weil sie eben doch dauerhaft Wert auf ihre Privatsphäre legen? Was, wenn die Menschen keine automatisierten und selbstlenkenden Fahrzeuge nachfragen, weil sie nicht möchten, dass ihnen somit vielleicht der Fahrspaß verlorengeht oder weitaus beunruhigender, einige Akteure permanent wissen, wohin man fährt, wer im Auto sitzt und was während der Fahrt passiert? Was, wenn die Menschen keine web-basierten Brillen tragen wollen, weil sie nicht möchten, dass einige Akteure 1:1 sehen, was sie sehen? Was, wenn die Menschen keine web-basierten Uhren, Armbänder oder Ringe nachfragen, weil sie nicht möchten, dass einige Akteure durch ihre intelligent platzierten Sensoren ihre Schwächen und Krankheiten aus den rund um die Uhr gesammelten Biodaten erkennen können?

    Was also, wenn wir allmählich erkennen, dass uns einige Akteure auf Schritt und Tritt im Alltag folgen, uns beobachten und uns mit individuellen Werbebotschaften manipulieren. Mittelfristig könnte es aufgrund der gesammelten und angelegten persönlichen Profile auch soweit kommen, dass wir diskriminiert werden von Versicherungen oder sonstigen Dienstleistern. Sollten die Datensammel-Aktivitäten einiger Akteure ungebändigt weitergehen, könnten wir früher oder später erkennen, dass wir allmählich selbst zum gehandelten Gut geworden sind, dass wir permanent mit intransparenten Strukturen zu kämpfen haben, keine Kontrolle mehr über die Sicherheit der angebotenen Systeme, über eventuelle Zugriffe oder Löschung unserer persönlichen Daten haben.

    Dann wird sich die Erkenntnis durchsetzen, dass es zu einer massiven Schieflage in der Datenhoheit gekommen ist. Für einige Akteure im Netz wird es dann immer schwieriger, ihre Geschäftsmodelle auszubauen. Denn einige Menschen werden ihr Mediennutzungs- und Konsumverhalten aufgrund des Datenmissbrauchs bereits angepasst haben. Im gleichen Atemzug wird das Bedürfnis nach sicheren digitalen Kanälen außergewöhnlich stark zunehmen. Nur mit dem Unterschied, dass viele Menschen einigen Akteuren kein Vertrauen mehr schenken, selbst wenn sie versprechen, sorgfältig und sparsam mit personenbezogenen Daten umzugehen. Denn, wer einmal lügt...

    Hinweis: Von Thomas F. Dapp erschien jüngst die DB-Research-Studie "Big Data - die ungezähmte Macht" (4. März 2014)


  • Zur Schieflage in der Datenhoheit

    von Community Management , angelegt

    Matt Brown CC BY 2.0Datenbrillen könnten ein neuer Trend werden. Doch was, wenn Menschen sie aus Angst vor Überwachung nicht tragen wollen? Thomas F. Dapp, Big-Data-Experte des Think Tanks Deutsche Bank Research, warnt in seinem Diskussions-Anstoß zum #pxp_thema Überwachte Welt vor den ökonomischen Folgen eines Vertrauensverlustes. Foto: Ted Eytan CC BY-SA 2.0 Link: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/de/ (CC BY-SA 2.0)


    Ein Beitrag von Thomas F. Dapp, Deutsche Bank Research

    Ich nutze das Internet jeden Tag, beruflich wie privat. Tägliche, routinemäßige Handlungen mit modernen, web-basierten Technologien zu verbinden, erleichtert mir mein Leben. Mit jedem Klick auf Online-Portalen, mit jedem Sprachbefehl auf mobilen Endgeräten oder jeder GPS-Ortung spare ich wertvolle Zeit. Viele Internet-Dienste erhöhen meine Effizienz, meine Produktivität und meinen Komfort im Alltag. Meine Nachfrage ist bis jetzt auch (noch) ungebrochen. Die Nutzung dieser Dienste ist aber nicht umsonst, sondern hat einen durchaus hohen Preis. Sie kostet mich zwar kein Geld, sie wird aber mit der mehr oder weniger freiwilligen Preisgabe meiner persönlichen digitalisierten Daten bezahlt.

    Daten werden zunehmend zu einem entscheidenden volkswirtschaftlichen Produktionsfaktor. Gerade die Nutzung personenbezogener Daten hat einen ökonomischen Wert und weckt bei vielen Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik Begehrlichkeiten mit unterschiedlichem Fokus. Primär nähren die Daten bei Vielen die Hoffnung auf steigende Umsätze, aber auch eine bessere Datengrundlage für Prognosen in der Wirtschaft oder die professionelle Erstellung umfassender Profile der Menschen können Treiber sein.

    Prinzipiell geht es darum, unterschiedliche Datenmengen und -strukturen mit neuen Datensätzen zu kombinieren, eventuelle Muster in diesen kumulierten Daten mit intelligenten Softwareprogrammen aufzuspüren, um anschließend die richtigen (möglichst lukrativen) Schlüsse aus den Ergebnissen zu ziehen.

    Neue Geschäftsideen, Prozesse, Dienste

    All das wird unter dem Begriff „Big Data“ oder „Data Analytics“ diskutiert. Einmal erhobene Primärdatensätze können zu unterschiedlichen Zwecken und für unterschiedliche Akteure zwei-, drei- oder x-fach ausgewertet werden. Dadurch erweisen sich die Daten einerseits als Quelle für Innovation, Kreativität sowie „Out-of-the-box-Denken“ und münden idealerweise in neue Geschäftsideen, Prozesse, Produkte oder Dienste. Andererseits können und werden sie Vielen aber auch Sorgen und Ängste bereiten, weil die eigene Datenhoheit, also die informationelle Selbstbestimmung, schnell verlorengehen kann.

    Aus innovations-und wirtschaftspolitischer Sicht kann mit Besorgnis beobachtet werden, mit welcher Ohnmacht viele Entscheidungsträger, aber auch viele Internetnutzer in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft zusehen, wie sich das Internet allmählich in eine Spielwiese von nur noch wenigen Akteuren wandelt. Diese dominieren den Markt, umzäunen ihre schönen und viel genutzten Gärten und bestimmen für große Teile der Internetnutzer den Innovations- bzw. Technologiekurs. Eine zu Beginn des Internetzeitalters von Vielen erwartete oder gar erhoffte Konsumenten- bzw. Bürgersouveränität im Netz sieht wahrlich anders aus. Die Diskussion wird zusätzlich angeheizt durch die seit Sommer 2013 veröffentlichten Snowden-Dokumente zur Datensammelpraxis von Geheimdiensten.

    Bei all den Wachstumschancen, die das Internet mit sich bringt, werden damit einhergehende Risiken und Probleme, vor allem bezüglich des Datenschutzes und potenziellen Datenmissbrauchs, gerne ausgeblendet. Insbesondere in die neuen, hochgehandelten Algorithmen zur Reduzierung von Komplexitäten oder zur Erstellung von Berechenbarkeitsanalysen werden hohe Erwartungen gesteckt. Die Realität zeigt jedoch, dass Fragen hinsichtlich dahinterliegender Interessen, Machtverhältnisse, ethische und moralische Gesichtspunkte, Kontrolle, Rechte und Pflichten oftmals nur eine untergeordnete Rolle spielen.

    Verunsicherung könnte der Volkswirtschaft schaden

    Meine Verunsicherung als aktiver Internetnutzer steigt, weil ich jeden Tag mit weiteren Ausspähpraktiken oder sonstigem Missbrauch personenbezogener Daten auf On- und Offlinekanälen konfrontiert werde. Mittlerweile achte ich vermehrt darauf, welche Aussagen, Botschaften und Meinungen ich via E-Mail, Messenger, SMS oder sonstige digitale Kanäle von mir gebe. Zuletzt habe ich auch die Webcam am oberen Ende meines Notebooks zugeklebt, weil ein Fremdzugriff technisch möglich ist und Missbräuche bereits diskutiert wurden.

    Es stellt sich mir die Frage, ob sich die digitalen Ökosysteme, die Geheimdienste oder sonstige Akteure im Internet durch ihre Geschäftspraktiken mittel- bis langfristig nicht selbst schaden (für Unternehmen: „ihre Geschäftsgrundlage unterminieren“), weil das Misstrauen steigt und die Bereitschaft, sich unbehelligt (oder ungeschützt) in digitalen Kanälen aufzuhalten, allmählich sinken könnte. Einige Studien können die zunehmende Verunsicherung der Internet-Nutzer bereits belegen. Die mittelfristig daraus resultierende Konsequenz ist ein sich allmählich anpassendes und sich veränderndes Mediennutzungs- und Konsumverhalten vieler Internetnutzer. Der volkswirtschaftliche Schaden könnte branchenübergreifend und für alle Anbieter web-basierter Technologien spürbar werden. Denn die größten Hürden für jede neu in den Markt eintretende Technologie sind mangelnde Akzeptanz und sinkendes Vertrauen der Nutzer. Letzteres ist bereits angekratzt.

    Grafik: DappGrafik: Oliver Ullmann. Deutsche Bank Research. Quelle: Dapp, T. (2014). Big Data – die ungezähmte Macht. Deutsche Bank Research. Frankfurt am Main.

    Worst Case: Vertrauensverlust

    Einige Akteure im Netz sollten sich die Frage stellen, welche Folgen es haben könnte, wenn immer mehr Internetnutzer anfangen, die angebotenen Produkte und Dienste zu meiden oder sie zu substituieren mangels Vertrauen. Was, wenn internetaffine Menschen ihre Haushaltsgegenstände vielleicht miteinander, aber nicht mit dem Internet und somit mit einem einzigen Akteur verbinden möchten, weil sie eben doch dauerhaft Wert auf ihre Privatsphäre legen? Was, wenn die Menschen keine automatisierten und selbstlenkenden Fahrzeuge nachfragen, weil sie nicht möchten, dass ihnen somit vielleicht der Fahrspaß verlorengeht oder weitaus beunruhigender, einige Akteure permanent wissen, wohin man fährt, wer im Auto sitzt und was während der Fahrt passiert? Was, wenn die Menschen keine web-basierten Brillen tragen wollen, weil sie nicht möchten, dass einige Akteure 1:1 sehen, was sie sehen? Was, wenn die Menschen keine web-basierten Uhren, Armbänder oder Ringe nachfragen, weil sie nicht möchten, dass einige Akteure durch ihre intelligent platzierten Sensoren ihre Schwächen und Krankheiten aus den rund um die Uhr gesammelten Biodaten erkennen können?

    Was also, wenn wir allmählich erkennen, dass uns einige Akteure auf Schritt und Tritt im Alltag folgen, uns beobachten und uns mit individuellen Werbebotschaften manipulieren. Mittelfristig könnte es aufgrund der gesammelten und angelegten persönlichen Profile auch soweit kommen, dass wir diskriminiert werden von Versicherungen oder sonstigen Dienstleistern. Sollten die Datensammel-Aktivitäten einiger Akteure ungebändigt weitergehen, könnten wir früher oder später erkennen, dass wir allmählich selbst zum gehandelten Gut geworden sind, dass wir permanent mit intransparenten Strukturen zu kämpfen haben, keine Kontrolle mehr über die Sicherheit der angebotenen Systeme, über eventuelle Zugriffe oder Löschung unserer persönlichen Daten haben.

    Dann wird sich die Erkenntnis durchsetzen, dass es zu einer massiven Schieflage in der Datenhoheit gekommen ist. Für einige Akteure im Netz wird es dann immer schwieriger, ihre Geschäftsmodelle auszubauen. Denn einige Menschen werden ihr Mediennutzungs- und Konsumverhalten aufgrund des Datenmissbrauchs bereits angepasst haben. Im gleichen Atemzug wird das Bedürfnis nach sicheren digitalen Kanälen außergewöhnlich stark zunehmen. Nur mit dem Unterschied, dass viele Menschen einigen Akteuren kein Vertrauen mehr schenken, selbst wenn sie versprechen, sorgfältig und sparsam mit personenbezogenen Daten umzugehen. Denn, wer einmal lügt...

    Hinweis: Von Thomas F. Dapp erschien jüngst die DB-Research-Studie "Big Data - die ungezähmte Macht" (4. März 2014)


  • Zur Schieflage in der Datenhoheit

    von Redaktion, angelegt

    Matt Brown CC BY 2.0Datenbrillen Matt Brown CC BY 2.0Web-basierte Brillen könnten ein neuer Trend werden. Doch was, wenn Menschen sie aus Angst vor Überwachung nicht tragen wollen? Thomas F. Dapp, Big-Data-Experte des Think Tanks Deutsche Bank Research, warnt in seinem Diskussions-Anstoß zum #pxp_thema Überwachte Welt vor den ökonomischen Folgen eines Vertrauensverlustes. Foto: Ted Eytan (CC BY-SA 2.0)


    Ein Beitrag von Thomas F. Dapp, Deutsche Bank Research

    Ich nutze das Internet jeden Tag, beruflich wie privat. Tägliche, routinemäßige Handlungen mit modernen, web-basierten Technologien zu verbinden, erleichtert mir mein Leben. Mit jedem Klick auf Online-Portalen, mit jedem Sprachbefehl auf mobilen Endgeräten oder jeder GPS-Ortung spare ich wertvolle Zeit. Viele Internet-Dienste erhöhen meine Effizienz, meine Produktivität und meinen Komfort im Alltag. Meine Nachfrage ist bis jetzt auch (noch) ungebrochen. Die Nutzung dieser Dienste ist aber nicht umsonst, sondern hat einen durchaus hohen Preis. Sie kostet mich zwar kein Geld, sie wird aber mit der mehr oder weniger freiwilligen Preisgabe meiner persönlichen digitalisierten Daten bezahlt.

    Daten werden zunehmend zu einem entscheidenden volkswirtschaftlichen Produktionsfaktor. Gerade die Nutzung personenbezogener Daten hat einen ökonomischen Wert und weckt bei vielen Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik Begehrlichkeiten mit unterschiedlichem Fokus. Primär nähren die Daten bei Vielen die Hoffnung auf steigende Umsätze, aber auch eine bessere Datengrundlage für Prognosen in der Wirtschaft oder die professionelle Erstellung umfassender Profile der Menschen können Treiber sein.

    Prinzipiell geht es darum, unterschiedliche Datenmengen und -strukturen mit neuen Datensätzen zu kombinieren, eventuelle Muster in diesen kumulierten Daten mit intelligenten Softwareprogrammen aufzuspüren, um anschließend die richtigen (möglichst lukrativen) Schlüsse aus den Ergebnissen zu ziehen.

    Neue Geschäftsideen, Prozesse, Dienste

    All das wird unter dem Begriff „Big Data“ oder „Data Analytics“ diskutiert. Einmal erhobene Primärdatensätze können zu unterschiedlichen Zwecken und für unterschiedliche Akteure zwei-, drei- oder x-fach ausgewertet werden. Dadurch erweisen sich die Daten einerseits als Quelle für Innovation, Kreativität sowie „Out-of-the-box-Denken“ und münden idealerweise in neue Geschäftsideen, Prozesse, Produkte oder Dienste. Andererseits können und werden sie Vielen aber auch Sorgen und Ängste bereiten, weil die eigene Datenhoheit, also die informationelle Selbstbestimmung, schnell verlorengehen kann.

    Aus innovations-und wirtschaftspolitischer Sicht kann mit Besorgnis beobachtet werden, mit welcher Ohnmacht viele Entscheidungsträger, aber auch viele Internetnutzer in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft zusehen, wie sich das Internet allmählich in eine Spielwiese von nur noch wenigen Akteuren wandelt. Diese dominieren den Markt, umzäunen ihre schönen und viel genutzten Gärten und bestimmen für große Teile der Internetnutzer den Innovations- bzw. Technologiekurs. Eine zu Beginn des Internetzeitalters von Vielen erwartete oder gar erhoffte Konsumenten- bzw. Bürgersouveränität im Netz sieht wahrlich anders aus. Die Diskussion wird zusätzlich angeheizt durch die seit Sommer 2013 veröffentlichten Snowden-Dokumente zur Datensammelpraxis von Geheimdiensten.

    Bei all den Wachstumschancen, die das Internet mit sich bringt, werden damit einhergehende Risiken und Probleme, vor allem bezüglich des Datenschutzes und potenziellen Datenmissbrauchs, gerne ausgeblendet. Insbesondere in die neuen, hochgehandelten Algorithmen zur Reduzierung von Komplexitäten oder zur Erstellung von Berechenbarkeitsanalysen werden hohe Erwartungen gesteckt. Die Realität zeigt jedoch, dass Fragen hinsichtlich dahinterliegender Interessen, Machtverhältnisse, ethische und moralische Gesichtspunkte, Kontrolle, Rechte und Pflichten oftmals nur eine untergeordnete Rolle spielen.

    Verunsicherung könnte der Volkswirtschaft schaden

    Meine Verunsicherung als aktiver Internetnutzer steigt, weil ich jeden Tag mit weiteren Ausspähpraktiken oder sonstigem Missbrauch personenbezogener Daten auf On- und Offlinekanälen konfrontiert werde. Mittlerweile achte ich vermehrt darauf, welche Aussagen, Botschaften und Meinungen ich via E-Mail, Messenger, SMS oder sonstige digitale Kanäle von mir gebe. Zuletzt habe ich auch die Webcam am oberen Ende meines Notebooks zugeklebt, weil ein Fremdzugriff technisch möglich ist und Missbräuche bereits diskutiert wurden.

    Es stellt sich mir die Frage, ob sich die digitalen Ökosysteme, die Geheimdienste oder sonstige Akteure im Internet durch ihre Geschäftspraktiken mittel- bis langfristig nicht selbst schaden (für Unternehmen: „ihre Geschäftsgrundlage unterminieren“), weil das Misstrauen steigt und die Bereitschaft, sich unbehelligt (oder ungeschützt) in digitalen Kanälen aufzuhalten, allmählich sinken könnte. Einige Studien können die zunehmende Verunsicherung der Internet-Nutzer bereits belegen. Die mittelfristig daraus resultierende Konsequenz ist ein sich allmählich anpassendes und sich veränderndes Mediennutzungs- und Konsumverhalten vieler Internetnutzer. Der volkswirtschaftliche Schaden könnte branchenübergreifend und für alle Anbieter web-basierter Technologien spürbar werden. Denn die größten Hürden für jede neu in den Markt eintretende Technologie sind mangelnde Akzeptanz und sinkendes Vertrauen der Nutzer. Letzteres ist bereits angekratzt.

    Grafik: DappGrafik: Oliver Ullmann. Deutsche Bank Research. Quelle: Dapp, T. (2014). Big Data – die ungezähmte Macht. Deutsche Bank Research. Frankfurt am Main.

    Worst Case: Vertrauensverlust

    Einige Akteure im Netz sollten sich die Frage stellen, welche Folgen es haben könnte, wenn immer mehr Internetnutzer anfangen, die angebotenen Produkte und Dienste zu meiden oder sie zu substituieren mangels Vertrauen. Was, wenn internetaffine Menschen ihre Haushaltsgegenstände vielleicht miteinander, aber nicht mit dem Internet und somit mit einem einzigen Akteur verbinden möchten, weil sie eben doch dauerhaft Wert auf ihre Privatsphäre legen? Was, wenn die Menschen keine automatisierten und selbstlenkenden Fahrzeuge nachfragen, weil sie nicht möchten, dass ihnen somit vielleicht der Fahrspaß verlorengeht oder weitaus beunruhigender, einige Akteure permanent wissen, wohin man fährt, wer im Auto sitzt und was während der Fahrt passiert? Was, wenn die Menschen keine web-basierten Brillen tragen wollen, weil sie nicht möchten, dass einige Akteure 1:1 sehen, was sie sehen? Was, wenn die Menschen keine web-basierten Uhren, Armbänder oder Ringe nachfragen, weil sie nicht möchten, dass einige Akteure durch ihre intelligent platzierten Sensoren ihre Schwächen und Krankheiten aus den rund um die Uhr gesammelten Biodaten erkennen können?

    Was also, wenn wir allmählich erkennen, dass uns einige Akteure auf Schritt und Tritt im Alltag folgen, uns beobachten und uns mit individuellen Werbebotschaften manipulieren. Mittelfristig könnte es aufgrund der gesammelten und angelegten persönlichen Profile auch soweit kommen, dass wir diskriminiert werden von Versicherungen oder sonstigen Dienstleistern. Sollten die Datensammel-Aktivitäten einiger Akteure ungebändigt weitergehen, könnten wir früher oder später erkennen, dass wir allmählich selbst zum gehandelten Gut geworden sind, dass wir permanent mit intransparenten Strukturen zu kämpfen haben, keine Kontrolle mehr über die Sicherheit der angebotenen Systeme, über eventuelle Zugriffe oder Löschung unserer persönlichen Daten haben.

    Dann wird sich die Erkenntnis durchsetzen, dass es zu einer massiven Schieflage in der Datenhoheit gekommen ist. Für einige Akteure im Netz wird es dann immer schwieriger, ihre Geschäftsmodelle auszubauen. Denn einige Menschen werden ihr Mediennutzungs- und Konsumverhalten aufgrund des Datenmissbrauchs bereits angepasst haben. Im gleichen Atemzug wird das Bedürfnis nach sicheren digitalen Kanälen außergewöhnlich stark zunehmen. Nur mit dem Unterschied, dass viele Menschen einigen Akteuren kein Vertrauen mehr schenken, selbst wenn sie versprechen, sorgfältig und sparsam mit personenbezogenen Daten umzugehen. Denn, wer einmal lügt...

    Hinweis: Von Thomas F. Dapp erschien jüngst die DB-Research-Studie "Big Data - die ungezähmte Macht" (4. März 2014)


  • Zur Schieflage in der Datenhoheit

    von Redaktion, angelegt

    Matt Brown CC BY 2.0Web-basierte Brillen könnten ein neuer Trend werden. Doch was, wenn Menschen sie aus Angst vor uvor Überwachung nicht tragen wollen? Thomas F. Dapp, Big-Data-Experte des Think Tanks Deutsche Bank Research, warnt in seinem Diskussions-Anstoß zum #pxp_thema Überwachte Welt vor den ökonomischen Folgen eines Vertrauensverlustes. Foto: Ted Eytan Link: https://www.flickr.com/photos/taedc/9079966669/in/photolist-eQncKt-pdysQt-oW5Cpd-oW6XYk-pdjmtK-pdyfed-pdytsk-oW5him-oW62p2-oW5Xzt-pdA9nT-oW4iap-pdwAmw-eQyBdN-eQnd12-eQnemc-eQyyY5-eQneT2-eQyyFJ-eQnawe-eQncjp-eQyzmo-eQndHx-eQyBVo-eQndVt-eQneCc-eQnftz-eQyzRY-pdzojn-oW5X2V-oW6mxy-oW6ZQY-pdAatR-oW4GCs-oW6Rrd-jekpmz-jepJiL-jepF87-f3tYzs-f3tYjh-f3eLPr-f3u1cN-f3eMBB-f3u1C9-f8K86U-jemR8a-e4G9L3-fqPKXm-oyJTaH-f8K8hJ (CC BY-SA 2.0) Matt Brown Link: https://www.flickr.com/photos/londonmatt/14960352380/in/photolist-oMZHy1-oQXMkM-oRcNjJ-oyK1aL-oRcNFq-en4VSP-go6AjW-nQxPtD-gpbBbQ-fqzyhn-oyKb2s-fqPUSm-gUZ1cx-kc5SuM-fzQ1XH-e4hKh9-nY9h9g-jBjUdS-oxjuZv-jBkRvY-jBiKPD-jBkKro-em66tj-fyZ2mz-efLTdj-fCkqgN-fC679X-hhCNKR-hhBTHE-hhBBva-fpAxbf-fuGVt7-fBdLVJ-gyiBUn-hhD1T8-efM7CJ-efF2J2-oyJToZ-hhBRmf-hhBPkn-hhCRAR-hhC45s-gyiJNx-fqzy8M-fqPPDL-fqPPPo-fqzDCF-efEZPM-kMNwoM-fqPNT1 (CC BY 2.0).


    Ein Beitrag von Thomas F. Dapp, Deutsche Bank Research

    Ich nutze das Internet jeden Tag, beruflich wie privat. Tägliche, routinemäßige Handlungen mit modernen, web-basierten Technologien zu verbinden, erleichtert mir mein Leben. Mit jedem Klick auf Online-Portalen, mit jedem Sprachbefehl auf mobilen Endgeräten oder jeder GPS-Ortung spare ich wertvolle Zeit. Viele Internet-Dienste erhöhen meine Effizienz, meine Produktivität und meinen Komfort im Alltag. Meine Nachfrage ist bis jetzt auch (noch) ungebrochen. Die Nutzung dieser Dienste ist aber nicht umsonst, sondern hat einen durchaus hohen Preis. Sie kostet mich zwar kein Geld, sie wird aber mit der mehr oder weniger freiwilligen Preisgabe meiner persönlichen digitalisierten Daten bezahlt.

    Daten werden zunehmend zu einem entscheidenden volkswirtschaftlichen Produktionsfaktor. Gerade die Nutzung personenbezogener Daten hat einen ökonomischen Wert und weckt bei vielen Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik Begehrlichkeiten mit unterschiedlichem Fokus. Primär nähren die Daten bei Vielen die Hoffnung auf steigende Umsätze, aber auch eine bessere Datengrundlage für Prognosen in der Wirtschaft oder die professionelle Erstellung umfassender Profile der Menschen können Treiber sein.

    Prinzipiell geht es darum, unterschiedliche Datenmengen und -strukturen mit neuen Datensätzen zu kombinieren, eventuelle Muster in diesen kumulierten Daten mit intelligenten Softwareprogrammen aufzuspüren, um anschließend die richtigen (möglichst lukrativen) Schlüsse aus den Ergebnissen zu ziehen.

    Neue Geschäftsideen, Prozesse, Dienste

    All das wird unter dem Begriff „Big Data“ oder „Data Analytics“ diskutiert. Einmal erhobene Primärdatensätze können zu unterschiedlichen Zwecken und für unterschiedliche Akteure zwei-, drei- oder x-fach ausgewertet werden. Dadurch erweisen sich die Daten einerseits als Quelle für Innovation, Kreativität sowie „Out-of-the-box-Denken“ und münden idealerweise in neue Geschäftsideen, Prozesse, Produkte oder Dienste. Andererseits können und werden sie Vielen aber auch Sorgen und Ängste bereiten, weil die eigene Datenhoheit, also die informationelle Selbstbestimmung, schnell verlorengehen kann.

    Aus innovations-und wirtschaftspolitischer Sicht kann mit Besorgnis beobachtet werden, mit welcher Ohnmacht viele Entscheidungsträger, aber auch viele Internetnutzer in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft zusehen, wie sich das Internet allmählich in eine Spielwiese von nur noch wenigen Akteuren wandelt. Diese dominieren den Markt, umzäunen ihre schönen und viel genutzten Gärten und bestimmen für große Teile der Internetnutzer den Innovations- bzw. Technologiekurs. Eine zu Beginn des Internetzeitalters von Vielen erwartete oder gar erhoffte Konsumenten- bzw. Bürgersouveränität im Netz sieht wahrlich anders aus. Die Diskussion wird zusätzlich angeheizt durch die seit Sommer 2013 veröffentlichten Snowden-Dokumente zur Datensammelpraxis von Geheimdiensten.

    Bei all den Wachstumschancen, die das Internet mit sich bringt, werden damit einhergehende Risiken und Probleme, vor allem bezüglich des Datenschutzes und potenziellen Datenmissbrauchs, gerne ausgeblendet. Insbesondere in die neuen, hochgehandelten Algorithmen zur Reduzierung von Komplexitäten oder zur Erstellung von Berechenbarkeitsanalysen werden hohe Erwartungen gesteckt. Die Realität zeigt jedoch, dass Fragen hinsichtlich dahinterliegender Interessen, Machtverhältnisse, ethische und moralische Gesichtspunkte, Kontrolle, Rechte und Pflichten oftmals nur eine untergeordnete Rolle spielen.

    Verunsicherung könnte der Volkswirtschaft schaden

    Meine Verunsicherung als aktiver Internetnutzer steigt, weil ich jeden Tag mit weiteren Ausspähpraktiken oder sonstigem Missbrauch personenbezogener Daten auf On- und Offlinekanälen konfrontiert werde. Mittlerweile achte ich vermehrt darauf, welche Aussagen, Botschaften und Meinungen ich via E-Mail, Messenger, SMS oder sonstige digitale Kanäle von mir gebe. Zuletzt habe ich auch die Webcam am oberen Ende meines Notebooks zugeklebt, weil ein Fremdzugriff technisch möglich ist und Missbräuche bereits diskutiert wurden.

    Es stellt sich mir die Frage, ob sich die digitalen Ökosysteme, die Geheimdienste oder sonstige Akteure im Internet durch ihre Geschäftspraktiken mittel- bis langfristig nicht selbst schaden (für Unternehmen: „ihre Geschäftsgrundlage unterminieren“), weil das Misstrauen steigt und die Bereitschaft, sich unbehelligt (oder ungeschützt) in digitalen Kanälen aufzuhalten, allmählich sinken könnte. Einige Studien können die zunehmende Verunsicherung der Internet-Nutzer bereits belegen. Die mittelfristig daraus resultierende Konsequenz ist ein sich allmählich anpassendes und sich veränderndes Mediennutzungs- und Konsumverhalten vieler Internetnutzer. Der volkswirtschaftliche Schaden könnte branchenübergreifend und für alle Anbieter web-basierter Technologien spürbar werden. Denn die größten Hürden für jede neu in den Markt eintretende Technologie sind mangelnde Akzeptanz und sinkendes Vertrauen der Nutzer. Letzteres ist bereits angekratzt.

    Grafik: DappGrafik: Oliver Ullmann. Deutsche Bank Research. Quelle: Dapp, T. (2014). Big Data – die ungezähmte Macht. Deutsche Bank Research. Frankfurt am Main.

    Worst Case: Vertrauensverlust

    Einige Akteure im Netz sollten sich die Frage stellen, welche Folgen es haben könnte, wenn immer mehr Internetnutzer anfangen, die angebotenen Produkte und Dienste zu meiden oder sie zu substituieren mangels Vertrauen. Was, wenn internetaffine Menschen ihre Haushaltsgegenstände vielleicht miteinander, aber nicht mit dem Internet und somit mit einem einzigen Akteur verbinden möchten, weil sie eben doch dauerhaft Wert auf ihre Privatsphäre legen? Was, wenn die Menschen keine automatisierten und selbstlenkenden Fahrzeuge nachfragen, weil sie nicht möchten, dass ihnen somit vielleicht der Fahrspaß verlorengeht oder weitaus beunruhigender, einige Akteure permanent wissen, wohin man fährt, wer im Auto sitzt und was während der Fahrt passiert? Was, wenn die Menschen keine web-basierten Brillen tragen wollen, weil sie nicht möchten, dass einige Akteure 1:1 sehen, was sie sehen? Was, wenn die Menschen keine web-basierten Uhren, Armbänder oder Ringe nachfragen, weil sie nicht möchten, dass einige Akteure durch ihre intelligent platzierten Sensoren ihre Schwächen und Krankheiten aus den rund um die Uhr gesammelten Biodaten erkennen können?

    Was also, wenn wir allmählich erkennen, dass uns einige Akteure auf Schritt und Tritt im Alltag folgen, uns beobachten und uns mit individuellen Werbebotschaften manipulieren. Mittelfristig könnte es aufgrund der gesammelten und angelegten persönlichen Profile auch soweit kommen, dass wir diskriminiert werden von Versicherungen oder sonstigen Dienstleistern. Sollten die Datensammel-Aktivitäten einiger Akteure ungebändigt weitergehen, könnten wir früher oder später erkennen, dass wir allmählich selbst zum gehandelten Gut geworden sind, dass wir permanent mit intransparenten Strukturen zu kämpfen haben, keine Kontrolle mehr über die Sicherheit der angebotenen Systeme, über eventuelle Zugriffe oder Löschung unserer persönlichen Daten haben.

    Dann wird sich die Erkenntnis durchsetzen, dass es zu einer massiven Schieflage in der Datenhoheit gekommen ist. Für einige Akteure im Netz wird es dann immer schwieriger, ihre Geschäftsmodelle auszubauen. Denn einige Menschen werden ihr Mediennutzungs- und Konsumverhalten aufgrund des Datenmissbrauchs bereits angepasst haben. Im gleichen Atemzug wird das Bedürfnis nach sicheren digitalen Kanälen außergewöhnlich stark zunehmen. Nur mit dem Unterschied, dass viele Menschen einigen Akteuren kein Vertrauen mehr schenken, selbst wenn sie versprechen, sorgfältig und sparsam mit personenbezogenen Daten umzugehen. Denn, wer einmal lügt...

    Hinweis: Von Thomas F. Dapp erschien jüngst die DB-Research-Studie "Big Data - die ungezähmte Macht" (4. März 2014)


  • Zur Schieflage in der Datenhoheit

    von Redaktion, angelegt

    Matt Brown CC BY 2.0Web-basierte Brillen könnten ein neuer Trend werden. Doch was, wenn Menschen sie aus Angst uvor Überwachung nicht Matt Brown CC BY 2.0Was, wenn die Menschen keine web-basierten Brillen tragen wollen? Thomas F. Dapp, Big-Data-Experte des Think Tanks Deutsche Bank Research, warnt in seinem Diskussions-Anstoß zum #pxp_thema Überwachte Welt vor den ökonomischen Folgen eines Vertrauensverlustes. Folgen, wenn Bürger ihre Datenhoheit verlieren. Foto: Matt Brown (CC BY 2.0).


    Ein Beitrag von Thomas F. Dapp, Deutsche Bank Research

    Ich nutze das Internet jeden Tag, beruflich wie privat. Tägliche, routinemäßige Handlungen mit modernen, web-basierten Technologien zu verbinden, erleichtert mir mein Leben. Mit jedem Klick auf Online-Portalen, mit jedem Sprachbefehl auf mobilen Endgeräten oder jeder GPS-Ortung spare ich wertvolle Zeit. Viele Internet-Dienste erhöhen meine Effizienz, meine Produktivität und meinen Komfort im Alltag. Meine Nachfrage ist bis jetzt auch (noch) ungebrochen. Die Nutzung dieser Dienste ist aber nicht umsonst, sondern hat einen durchaus hohen Preis. Sie kostet mich zwar kein Geld, sie wird aber mit der mehr oder weniger freiwilligen Preisgabe meiner persönlichen digitalisierten Daten bezahlt.

    Daten werden zunehmend zu einem entscheidenden volkswirtschaftlichen Produktionsfaktor. Gerade die Nutzung personenbezogener Daten hat einen ökonomischen Wert und weckt bei vielen Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik Begehrlichkeiten mit unterschiedlichem Fokus. Primär nähren die Daten bei Vielen die Hoffnung auf steigende Umsätze, aber auch eine bessere Datengrundlage für Prognosen in der Wirtschaft oder die professionelle Erstellung umfassender Profile der Menschen können Treiber sein.

    Prinzipiell geht es darum, unterschiedliche Datenmengen und -strukturen mit neuen Datensätzen zu kombinieren, eventuelle Muster in diesen kumulierten Daten mit intelligenten Softwareprogrammen aufzuspüren, um anschließend die richtigen (möglichst lukrativen) Schlüsse aus den Ergebnissen zu ziehen.

    Neue Geschäftsideen, Prozesse, Dienste

    All das wird unter dem Begriff „Big Data“ oder „Data Analytics“ diskutiert. Einmal erhobene Primärdatensätze können zu unterschiedlichen Zwecken und für unterschiedliche Akteure zwei-, drei- oder x-fach ausgewertet werden. Dadurch erweisen sich die Daten einerseits als Quelle für Innovation, Kreativität sowie „Out-of-the-box-Denken“ und münden idealerweise in neue Geschäftsideen, Prozesse, Produkte oder Dienste. Andererseits können und werden sie Vielen aber auch Sorgen und Ängste bereiten, weil die eigene Datenhoheit, also die informationelle Selbstbestimmung, schnell verlorengehen kann.

    Aus innovations-und wirtschaftspolitischer Sicht kann mit Besorgnis beobachtet werden, mit welcher Ohnmacht viele Entscheidungsträger, aber auch viele Internetnutzer in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft zusehen, wie sich das Internet allmählich in eine Spielwiese von nur noch wenigen Akteuren wandelt. Diese dominieren den Markt, umzäunen ihre schönen und viel genutzten Gärten und bestimmen für große Teile der Internetnutzer den Innovations- bzw. Technologiekurs. Eine zu Beginn des Internetzeitalters von Vielen erwartete oder gar erhoffte Konsumenten- bzw. Bürgersouveränität im Netz sieht wahrlich anders aus. Die Diskussion wird zusätzlich angeheizt durch die seit Sommer 2013 veröffentlichten Snowden-Dokumente zur Datensammelpraxis von Geheimdiensten.

    Bei all den Wachstumschancen, die das Internet mit sich bringt, werden damit einhergehende Risiken und Probleme, vor allem bezüglich des Datenschutzes und potenziellen Datenmissbrauchs, gerne ausgeblendet. Insbesondere in die neuen, hochgehandelten Algorithmen zur Reduzierung von Komplexitäten oder zur Erstellung von Berechenbarkeitsanalysen werden hohe Erwartungen gesteckt. Die Realität zeigt jedoch, dass Fragen hinsichtlich dahinterliegender Interessen, Machtverhältnisse, ethische und moralische Gesichtspunkte, Kontrolle, Rechte und Pflichten oftmals nur eine untergeordnete Rolle spielen.

    Verunsicherung könnte der Volkswirtschaft schaden

    Meine Verunsicherung als aktiver Internetnutzer steigt, weil ich jeden Tag mit weiteren Ausspähpraktiken oder sonstigem Missbrauch personenbezogener Daten auf On- und Offlinekanälen konfrontiert werde. Mittlerweile achte ich vermehrt darauf, welche Aussagen, Botschaften und Meinungen ich via E-Mail, Messenger, SMS oder sonstige digitale Kanäle von mir gebe. Zuletzt habe ich auch die Webcam am oberen Ende meines Notebooks zugeklebt, weil ein Fremdzugriff technisch möglich ist und Missbräuche bereits diskutiert wurden.

    Es stellt sich mir die Frage, ob sich die digitalen Ökosysteme, die Geheimdienste oder sonstige Akteure im Internet durch ihre Geschäftspraktiken mittel- bis langfristig nicht selbst schaden (für Unternehmen: „ihre Geschäftsgrundlage unterminieren“), weil das Misstrauen steigt und die Bereitschaft, sich unbehelligt (oder ungeschützt) in digitalen Kanälen aufzuhalten, allmählich sinken könnte. Einige Studien können die zunehmende Verunsicherung der Internet-Nutzer bereits belegen. Die mittelfristig daraus resultierende Konsequenz ist ein sich allmählich anpassendes und sich veränderndes Mediennutzungs- und Konsumverhalten vieler Internetnutzer. Der volkswirtschaftliche Schaden könnte branchenübergreifend und für alle Anbieter web-basierter Technologien spürbar werden. Denn die größten Hürden für jede neu in den Markt eintretende Technologie sind mangelnde Akzeptanz und sinkendes Vertrauen der Nutzer. Letzteres ist bereits angekratzt.

    Grafik: DappGrafik: Oliver Ullmann. Deutsche Bank Research. Quelle: Dapp, T. (2014). Big Data – die ungezähmte Macht. Deutsche Bank Research. Frankfurt am Main.

    Worst Case: Vertrauensverlust

    Einige Akteure im Netz sollten sich die Frage stellen, welche Folgen es haben könnte, wenn immer mehr Internetnutzer anfangen, die angebotenen Produkte und Dienste zu meiden oder sie zu substituieren mangels Vertrauen. Was, wenn internetaffine Menschen ihre Haushaltsgegenstände vielleicht miteinander, aber nicht mit dem Internet und somit mit einem einzigen Akteur verbinden möchten, weil sie eben doch dauerhaft Wert auf ihre Privatsphäre legen? Was, wenn die Menschen keine automatisierten und selbstlenkenden Fahrzeuge nachfragen, weil sie nicht möchten, dass ihnen somit vielleicht der Fahrspaß verlorengeht oder weitaus beunruhigender, einige Akteure permanent wissen, wohin man fährt, wer im Auto sitzt und was während der Fahrt passiert? Was, wenn die Menschen keine web-basierten Brillen tragen wollen, weil sie nicht möchten, dass einige Akteure 1:1 sehen, was sie sehen? Was, wenn die Menschen keine web-basierten Uhren, Armbänder oder Ringe nachfragen, weil sie nicht möchten, dass einige Akteure durch ihre intelligent platzierten Sensoren ihre Schwächen und Krankheiten aus den rund um die Uhr gesammelten Biodaten erkennen können?

    Was also, wenn wir allmählich erkennen, dass uns einige Akteure auf Schritt und Tritt im Alltag folgen, uns beobachten und uns mit individuellen Werbebotschaften manipulieren. Mittelfristig könnte es aufgrund der gesammelten und angelegten persönlichen Profile auch soweit kommen, dass wir diskriminiert werden von Versicherungen oder sonstigen Dienstleistern. Sollten die Datensammel-Aktivitäten einiger Akteure ungebändigt weitergehen, könnten wir früher oder später erkennen, dass wir allmählich selbst zum gehandelten Gut geworden sind, dass wir permanent mit intransparenten Strukturen zu kämpfen haben, keine Kontrolle mehr über die Sicherheit der angebotenen Systeme, über eventuelle Zugriffe oder Löschung unserer persönlichen Daten haben.

    Dann wird sich die Erkenntnis durchsetzen, dass es zu einer massiven Schieflage in der Datenhoheit gekommen ist. Für einige Akteure im Netz wird es dann immer schwieriger, ihre Geschäftsmodelle auszubauen. Denn einige Menschen werden ihr Mediennutzungs- und Konsumverhalten aufgrund des Datenmissbrauchs bereits angepasst haben. Im gleichen Atemzug wird das Bedürfnis nach sicheren digitalen Kanälen außergewöhnlich stark zunehmen. Nur mit dem Unterschied, dass viele Menschen einigen Akteuren kein Vertrauen mehr schenken, selbst wenn sie versprechen, sorgfältig und sparsam mit personenbezogenen Daten umzugehen. Denn, wer einmal lügt...

    Hinweis: Von Thomas F. Dapp erschien jüngst die DB-Research-Studie "Big Data - die ungezähmte Macht" (4. März 2014)


  • Zur Schieflage in der Datenhoheit

    von Redaktion, angelegt

    Matt Brown CC BY 2.0Was, wenn die Menschen keine web-basierten Brillen tragen wollen? Thomas F. Dapp, Big-Data-Experte des Think Tanks Deutsche Bank Research, warnt in seinem Diskussions-Anstoß zum #pxp_thema Überwachte Welt vor den ökonomischen Folgen, wenn Bürger ihre Datenhoheit verlieren. Foto: Matt Brown (CC BY 2.0).


    Ein Beitrag von Thomas F. Dapp, Deutsche Bank Research

    Ich nutze das Internet jeden Tag, beruflich wie privat. Tägliche, routinemäßige Handlungen mit modernen, web-basierten Technologien zu verbinden, erleichtert mir mein Leben. Mit jedem Klick auf Online-Portalen, mit jedem Sprachbefehl auf mobilen Endgeräten oder jeder GPS-Ortung spare ich wertvolle Zeit. Viele Internet-Dienste erhöhen meine Effizienz, meine Produktivität und meinen Komfort im Alltag. Meine Nachfrage ist bis jetzt auch (noch) ungebrochen. Die Nutzung dieser Dienste ist aber nicht umsonst, sondern hat einen durchaus hohen Preis. Sie kostet mich zwar kein Geld, sie wird aber mit der mehr oder weniger freiwilligen Preisgabe meiner persönlichen digitalisierten Daten bezahlt.

    Daten werden zunehmend zu einem entscheidenden volkswirtschaftlichen Produktionsfaktor. Gerade die Nutzung personenbezogener Daten hat einen ökonomischen Wert und weckt bei vielen Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik Begehrlichkeiten mit unterschiedlichem Fokus. Primär nähren die Daten bei Vielen die Hoffnung auf steigende Umsätze, aber auch eine bessere Datengrundlage für Prognosen in der Wirtschaft oder die professionelle Erstellung umfassender Profile der Menschen können Treiber sein.

    Prinzipiell geht es darum, unterschiedliche Datenmengen und -strukturen mit neuen Datensätzen zu kombinieren, eventuelle Muster in diesen kumulierten Daten mit intelligenten Softwareprogrammen aufzuspüren, um anschließend die richtigen (möglichst lukrativen) Schlüsse aus den Ergebnissen zu ziehen.

    Neue Geschäftsideen, Prozesse, Dienste

    All das wird unter dem Begriff „Big Data“ oder „Data Analytics“ diskutiert. Einmal erhobene Primärdatensätze können zu unterschiedlichen Zwecken und für unterschiedliche Akteure zwei-, drei- oder x-fach ausgewertet werden. Dadurch erweisen sich die Daten einerseits als Quelle für Innovation, Kreativität sowie „Out-of-the-box-Denken“ und münden idealerweise in neue Geschäftsideen, Prozesse, Produkte oder Dienste. Andererseits können und werden sie Vielen aber auch Sorgen und Ängste bereiten, weil die eigene Datenhoheit, also die informationelle Selbstbestimmung, schnell verlorengehen kann.

    Aus innovations-und wirtschaftspolitischer Sicht kann mit Besorgnis beobachtet werden, mit welcher Ohnmacht viele Entscheidungsträger, aber auch viele Internetnutzer in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft zusehen, wie sich das Internet allmählich in eine Spielwiese von nur noch wenigen Akteuren wandelt. Diese dominieren den Markt, umzäunen ihre schönen und viel genutzten Gärten und bestimmen für große Teile der Internetnutzer den Innovations- bzw. Technologiekurs. Eine zu Beginn des Internetzeitalters von Vielen erwartete oder gar erhoffte Konsumenten- bzw. Bürgersouveränität im Netz sieht wahrlich anders aus. Die Diskussion wird zusätzlich angeheizt durch die seit Sommer 2013 veröffentlichten Snowden-Dokumente zur Datensammelpraxis von Geheimdiensten.

    Bei all den Wachstumschancen, die das Internet mit sich bringt, werden damit einhergehende Risiken und Probleme, vor allem bezüglich des Datenschutzes und potenziellen Datenmissbrauchs, gerne ausgeblendet. Insbesondere in die neuen, hochgehandelten Algorithmen zur Reduzierung von Komplexitäten oder zur Erstellung von Berechenbarkeitsanalysen werden hohe Erwartungen gesteckt. Die Realität zeigt jedoch, dass Fragen hinsichtlich dahinterliegender Interessen, Machtverhältnisse, ethische und moralische Gesichtspunkte, Kontrolle, Rechte und Pflichten oftmals nur eine untergeordnete Rolle spielen.

    Verunsicherung könnte der Volkswirtschaft schaden

    Meine Verunsicherung als aktiver Internetnutzer steigt, weil ich jeden Tag mit weiteren Ausspähpraktiken oder sonstigem Missbrauch personenbezogener Daten auf On- und Offlinekanälen konfrontiert werde. Mittlerweile achte ich vermehrt darauf, welche Aussagen, Botschaften und Meinungen ich via E-Mail, Messenger, SMS oder sonstige digitale Kanäle von mir gebe. Zuletzt habe ich auch die Webcam am oberen Ende meines Notebooks zugeklebt, weil ein Fremdzugriff technisch möglich ist und Missbräuche bereits diskutiert wurden.

    Es stellt sich mir die Frage, ob sich die digitalen Ökosysteme, die Geheimdienste oder sonstige Akteure im Internet durch ihre Geschäftspraktiken mittel- bis langfristig nicht selbst schaden (für Unternehmen: „ihre Geschäftsgrundlage unterminieren“), weil das Misstrauen steigt und die Bereitschaft, sich unbehelligt (oder ungeschützt) in digitalen Kanälen aufzuhalten, allmählich sinken könnte. Einige Studien können die zunehmende Verunsicherung der Internet-Nutzer bereits belegen. Die mittelfristig daraus resultierende Konsequenz ist ein sich allmählich anpassendes und sich veränderndes Mediennutzungs- und Konsumverhalten vieler Internetnutzer. Der volkswirtschaftliche Schaden könnte branchenübergreifend und für alle Anbieter web-basierter Technologien spürbar werden. Denn die größten Hürden für jede neu in den Markt eintretende Technologie sind mangelnde Akzeptanz und sinkendes Vertrauen der Nutzer. Letzteres ist bereits angekratzt.

    Grafik: DappGrafik: Oliver Ullmann. Deutsche Bank Research. Quelle: Dapp, T. (2014). Big Data – die ungezähmte Macht. Deutsche Bank Research. Frankfurt am Main.

    Worst Case: Vertrauensverlust

    Einige Akteure im Netz sollten sich die Frage stellen, welche Folgen es haben könnte, wenn immer mehr Internetnutzer anfangen, die angebotenen Produkte und Dienste zu meiden oder sie zu substituieren mangels Vertrauen. Was, wenn internetaffine Menschen ihre Haushaltsgegenstände vielleicht miteinander, aber nicht mit dem Internet und somit mit einem einzigen Akteur verbinden möchten, weil sie eben doch dauerhaft Wert auf ihre Privatsphäre legen? Was, wenn die Menschen keine automatisierten und selbstlenkenden Fahrzeuge nachfragen, weil sie nicht möchten, dass ihnen somit vielleicht der Fahrspaß verlorengeht oder weitaus beunruhigender, einige Akteure permanent wissen, wohin man fährt, wer im Auto sitzt und was während der Fahrt passiert? Was, wenn die Menschen keine web-basierten Brillen tragen wollen, weil sie nicht möchten, dass einige Akteure 1:1 sehen, was sie sehen? Was, wenn die Menschen keine web-basierten Uhren, Armbänder oder Ringe nachfragen, weil sie nicht möchten, dass einige Akteure durch ihre intelligent platzierten Sensoren ihre Schwächen und Krankheiten aus den rund um die Uhr gesammelten Biodaten erkennen können?

    Was also, wenn wir allmählich erkennen, dass uns einige Akteure auf Schritt und Tritt im Alltag folgen, uns beobachten und uns mit individuellen Werbebotschaften manipulieren. Mittelfristig könnte es aufgrund der gesammelten und angelegten persönlichen Profile auch soweit kommen, dass wir diskriminiert werden von Versicherungen oder sonstigen Dienstleistern. Sollten die Datensammel-Aktivitäten einiger Akteure ungebändigt weitergehen, könnten wir früher oder später erkennen, dass wir allmählich selbst zum gehandelten Gut geworden sind, dass wir permanent mit intransparenten Strukturen zu kämpfen haben, keine Kontrolle mehr über die Sicherheit der angebotenen Systeme, über eventuelle Zugriffe oder Löschung unserer persönlichen Daten haben.

    Dann wird sich die Erkenntnis durchsetzen, dass es zu einer massiven Schieflage in der Datenhoheit gekommen ist. Für einige Akteure im Netz wird es dann immer schwieriger, ihre Geschäftsmodelle auszubauen. Denn einige Menschen werden ihr Mediennutzungs- und Konsumverhalten aufgrund des Datenmissbrauchs bereits angepasst haben. Im gleichen Atemzug wird das Bedürfnis nach sicheren digitalen Kanälen außergewöhnlich stark zunehmen. Nur mit dem Unterschied, dass viele Menschen einigen Akteuren kein Vertrauen mehr schenken, selbst wenn sie versprechen, sorgfältig und sparsam mit personenbezogenen Daten umzugehen. Denn, wer einmal lügt...

    Hinweis: Von Thomas F. Dapp erschien jüngst die DB-Research-Studie Studie "Big Data - die ungezähmte Macht" (4. März 2014)


  • Zur Schieflage in der Datenhoheit

    von Redaktion, angelegt

    Matt Brown CC BY 2.0Was, wenn die Menschen keine web-basierten Brillen tragen wollen? Thomas F. Dapp, Big-Data-Experte des Think Tanks Deutsche Bank Research, warnt in seinem Diskussions-Anstoß zum #pxp_thema Überwachte Welt vor den ökonomischen Folgen, wenn Bürger ihre Datenhoheit verlieren. Foto: Matt Brown (CC BY 2.0).


    Ein Beitrag von Thomas F. Dapp, Deutsche Bank Research

    Ich nutze das Internet jeden Tag, beruflich wie privat. Tägliche, routinemäßige Handlungen mit modernen, web-basierten Technologien zu verbinden, erleichtert mir mein Leben. Mit jedem Klick auf Online-Portalen, mit jedem Sprachbefehl auf mobilen Endgeräten oder jeder GPS-Ortung spare ich wertvolle Zeit. Viele Internet-Dienste erhöhen meine Effizienz, meine Produktivität und meinen Komfort im Alltag. Meine Nachfrage ist bis jetzt auch (noch) ungebrochen. Die Nutzung dieser Dienste ist aber nicht umsonst, sondern hat einen durchaus hohen Preis. Sie kostet mich zwar kein Geld, sie wird aber mit der mehr oder weniger freiwilligen Preisgabe meiner persönlichen digitalisierten Daten bezahlt.

    Daten werden zunehmend zu einem entscheidenden volkswirtschaftlichen Produktionsfaktor. Gerade die Nutzung personenbezogener Daten hat einen ökonomischen Wert und weckt bei vielen Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik Begehrlichkeiten mit unterschiedlichem Fokus. Primär nähren die Daten bei Vielen die Hoffnung auf steigende Umsätze, aber auch eine bessere Datengrundlage für Prognosen in der Wirtschaft oder die professionelle Erstellung umfassender Profile der Menschen können Treiber sein.

    Prinzipiell geht es darum, unterschiedliche Datenmengen und -strukturen mit neuen Datensätzen zu kombinieren, eventuelle Muster in diesen kumulierten Daten mit intelligenten Softwareprogrammen aufzuspüren, um anschließend die richtigen (möglichst lukrativen) Schlüsse aus den Ergebnissen zu ziehen.

    Neue Geschäftsideen, Prozesse, Dienste

    All das wird unter dem Begriff „Big Data“ oder „Data Analytics“ diskutiert. Einmal erhobene Primärdatensätze können zu unterschiedlichen Zwecken und für unterschiedliche Akteure zwei-, drei- oder x-fach ausgewertet werden. Dadurch erweisen sich die Daten einerseits als Quelle für Innovation, Kreativität sowie „Out-of-the-box-Denken“ und münden idealerweise in neue Geschäftsideen, Prozesse, Produkte oder Dienste. Andererseits können und werden sie Vielen aber auch Sorgen und Ängste bereiten, weil die eigene Datenhoheit, also die informationelle Selbstbestimmung, schnell verlorengehen kann.

    Aus innovations-und wirtschaftspolitischer Sicht kann mit Besorgnis beobachtet werden, mit welcher Ohnmacht viele Entscheidungsträger, aber auch viele Internetnutzer in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft zusehen, wie sich das Internet allmählich in eine Spielwiese von nur noch wenigen Akteuren wandelt. Diese dominieren den Markt, umzäunen ihre schönen und viel genutzten Gärten und bestimmen für große Teile der Internetnutzer den Innovations- bzw. Technologiekurs. Eine zu Beginn des Internetzeitalters von Vielen erwartete oder gar erhoffte Konsumenten- bzw. Bürgersouveränität im Netz sieht wahrlich anders aus. Die Diskussion wird zusätzlich angeheizt durch die seit Sommer 2013 veröffentlichten Snowden-Dokumente zur Datensammelpraxis von Geheimdiensten.

    Bei all den Wachstumschancen, die das Internet mit sich bringt, werden damit einhergehende Risiken und Probleme, vor allem bezüglich des Datenschutzes und potenziellen Datenmissbrauchs, gerne ausgeblendet. Insbesondere in die neuen, hochgehandelten Algorithmen zur Reduzierung von Komplexitäten oder zur Erstellung von Berechenbarkeitsanalysen werden hohe Erwartungen gesteckt. Die Realität zeigt jedoch, dass Fragen hinsichtlich dahinterliegender Interessen, Machtverhältnisse, ethische und moralische Gesichtspunkte, Kontrolle, Rechte und Pflichten oftmals nur eine untergeordnete Rolle spielen.

    Verunsicherung könnte der Volkswirtschaft schaden

    Meine Verunsicherung als aktiver Internetnutzer steigt, weil ich jeden Tag mit weiteren Ausspähpraktiken oder sonstigem Missbrauch personenbezogener Daten auf On- und Offlinekanälen konfrontiert werde. Mittlerweile achte ich vermehrt darauf, welche Aussagen, Botschaften und Meinungen ich via E-Mail, Messenger, SMS oder sonstige digitale Kanäle von mir gebe. Zuletzt habe ich auch die Webcam am oberen Ende meines Notebooks zugeklebt, weil ein Fremdzugriff technisch möglich ist und Missbräuche bereits diskutiert wurden.

    Es stellt sich mir die Frage, ob sich die digitalen Ökosysteme, die Geheimdienste oder sonstige Akteure im Internet durch ihre Geschäftspraktiken mittel- bis langfristig nicht selbst schaden (für Unternehmen: „ihre Geschäftsgrundlage unterminieren“), weil das Misstrauen steigt und die Bereitschaft, sich unbehelligt (oder ungeschützt) in digitalen Kanälen aufzuhalten, allmählich sinken könnte. Einige Studien können die zunehmende Verunsicherung der Internet-Nutzer bereits belegen. Die mittelfristig daraus resultierende Konsequenz ist ein sich allmählich anpassendes und sich veränderndes Mediennutzungs- und Konsumverhalten vieler Internetnutzer. Der volkswirtschaftliche Schaden könnte branchenübergreifend und für alle Anbieter web-basierter Technologien spürbar werden. Denn die größten Hürden für jede neu in den Markt eintretende Technologie sind mangelnde Akzeptanz und sinkendes Vertrauen der Nutzer. Letzteres ist bereits angekratzt.

    Grafik: Dapp

    Worst Case: Vertrauensverlust

    Einige Akteure im Netz sollten sich die Frage stellen, welche Folgen es haben könnte, wenn immer mehr Internetnutzer anfangen, die angebotenen Produkte und Dienste zu meiden oder sie zu substituieren mangels Vertrauen. Was, wenn internetaffine Menschen ihre Haushaltsgegenstände vielleicht miteinander, aber nicht mit dem Internet und somit mit einem einzigen Akteur verbinden möchten, weil sie eben doch dauerhaft Wert auf ihre Privatsphäre legen? Was, wenn die Menschen keine automatisierten und selbstlenkenden Fahrzeuge nachfragen, weil sie nicht möchten, dass ihnen somit vielleicht der Fahrspaß verlorengeht oder weitaus beunruhigender, einige Akteure permanent wissen, wohin man fährt, wer im Auto sitzt und was während der Fahrt passiert? Was, wenn die Menschen keine web-basierten Brillen tragen wollen, weil sie nicht möchten, dass einige Akteure 1:1 sehen, was sie sehen? Was, wenn die Menschen keine web-basierten Uhren, Armbänder oder Ringe nachfragen, weil sie nicht möchten, dass einige Akteure durch ihre intelligent platzierten Sensoren ihre Schwächen und Krankheiten aus den rund um die Uhr gesammelten Biodaten erkennen können?

    Was also, wenn wir allmählich erkennen, dass uns einige Akteure auf Schritt und Tritt im Alltag folgen, uns beobachten und uns mit individuellen Werbebotschaften manipulieren. Mittelfristig könnte es aufgrund der gesammelten und angelegten persönlichen Profile auch soweit kommen, dass wir diskriminiert werden von Versicherungen oder sonstigen Dienstleistern. Sollten die Datensammel-Aktivitäten einiger Akteure ungebändigt weitergehen, könnten wir früher oder später erkennen, dass wir allmählich selbst zum gehandelten Gut geworden sind, dass wir permanent mit intransparenten Strukturen zu kämpfen haben, keine Kontrolle mehr über die Sicherheit der angebotenen Systeme, über eventuelle Zugriffe oder Löschung unserer persönlichen Daten haben.

    Dann wird sich die Erkenntnis durchsetzen, dass es zu einer massiven Schieflage in der Datenhoheit gekommen ist. Für einige Akteure im Netz wird es dann immer schwieriger, ihre Geschäftsmodelle auszubauen. Denn einige Menschen werden ihr Mediennutzungs- und Konsumverhalten aufgrund des Datenmissbrauchs bereits angepasst haben. Im gleichen Atemzug wird das Bedürfnis nach sicheren digitalen Kanälen außergewöhnlich stark zunehmen. Nur mit dem Unterschied, dass viele Menschen einigen Akteuren kein Vertrauen mehr schenken, selbst wenn sie versprechen, sorgfältig und sparsam mit personenbezogenen Daten umzugehen. Denn, wer einmal lügt...

    Hinweis: Von Thomas F. Dapp erschien jüngst die Studie "Big Data - die ungezähmte Macht" (4. März 2014)


  • Zur Schieflage in der Datenhoheit

    von Redaktion, angelegt

    Matt Brown CC BY 2.0Was, wenn die Menschen keine web-basierten Brillen tragen wollen? Thomas F. Dapp, Big-Data-Experte des Think Tanks Deutsche Bank Research, warnt in seinem Diskussions-Anstoß zum #pxp_thema Überwachte Welt vor den ökonomischen Folgen, wenn Bürger ihre Datenhoheit verlieren. Foto: Matt Brown (CC BY 2.0).


    Ein Beitrag von Thomas F. Dapp, Deutsche Bank Research

    Ich nutze das Internet jeden Tag, beruflich wie privat. Tägliche, routinemäßige Handlungen mit modernen, web-basierten Technologien zu verbinden, erleichtert mir mein Leben. Mit jedem Klick auf Online-Portalen, mit jedem Sprachbefehl auf mobilen Endgeräten oder jeder GPS-Ortung spare ich wertvolle Zeit. Viele Internet-Dienste erhöhen meine Effizienz, meine Produktivität und meinen Komfort im Alltag. Meine Nachfrage ist bis jetzt auch (noch) ungebrochen. Die Nutzung dieser Dienste ist aber nicht umsonst, sondern hat einen durchaus hohen Preis. Sie kostet mich zwar kein Geld, sie wird aber mit der mehr oder weniger freiwilligen Preisgabe meiner persönlichen digitalisierten Daten bezahlt.

    Daten werden zunehmend zu einem entscheidenden volkswirtschaftlichen Produktionsfaktor. Gerade die Nutzung personenbezogener Daten hat einen ökonomischen Wert und weckt bei vielen Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik Begehrlichkeiten mit unterschiedlichem Fokus. Primär nähren die Daten bei Vielen die Hoffnung auf steigende Umsätze, aber auch eine bessere Datengrundlage für Prognosen in der Wirtschaft oder die professionelle Erstellung umfassender Profile der Menschen können Treiber sein.

    Prinzipiell geht es darum, unterschiedliche Datenmengen und -strukturen mit neuen Datensätzen zu kombinieren, eventuelle Muster in diesen kumulierten Daten mit intelligenten Softwareprogrammen aufzuspüren, um anschließend die richtigen (möglichst lukrativen) Schlüsse aus den Ergebnissen zu ziehen.

    Neue Geschäftsideen, Prozesse, Dienste

    All das wird unter dem Begriff „Big Data“ oder „Data Analytics“ diskutiert. Einmal erhobene Primärdatensätze können zu unterschiedlichen Zwecken und für unterschiedliche Akteure zwei-, drei- oder x-fach ausgewertet werden. Dadurch erweisen sich die Daten einerseits als Quelle für Innovation, Kreativität sowie „Out-of-the-box-Denken“ und münden idealerweise in neue Geschäftsideen, Prozesse, Produkte oder Dienste. Andererseits können und werden sie Vielen aber auch Sorgen und Ängste bereiten, weil die eigene Datenhoheit, also die informationelle Selbstbestimmung, schnell verlorengehen kann.

    Aus innovations-und wirtschaftspolitischer Sicht kann mit Besorgnis beobachtet werden, mit welcher Ohnmacht viele Entscheidungsträger, aber auch viele Internetnutzer in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft zusehen, wie sich das Internet allmählich in eine Spielwiese von nur noch wenigen Akteuren wandelt. Diese dominieren den Markt, umzäunen ihre schönen und viel genutzten Gärten und bestimmen für große Teile der Internetnutzer den Innovations- bzw. Technologiekurs. Eine zu Beginn des Internetzeitalters von Vielen erwartete oder gar erhoffte Konsumenten- bzw. Bürgersouveränität im Netz sieht wahrlich anders aus. Die Diskussion wird zusätzlich angeheizt durch die seit Sommer 2013 veröffentlichten Snowden-Dokumente zur Datensammelpraxis von Geheimdiensten.

    Bei all den Wachstumschancen, die das Internet mit sich bringt, werden damit einhergehende Risiken und Probleme, vor allem bezüglich des Datenschutzes und potenziellen Datenmissbrauchs, gerne ausgeblendet. Insbesondere in die neuen, hochgehandelten Algorithmen zur Reduzierung von Komplexitäten oder zur Erstellung von Berechenbarkeitsanalysen werden hohe Erwartungen gesteckt. Die Realität zeigt jedoch, dass Fragen hinsichtlich dahinterliegender Interessen, Machtverhältnisse, ethische und moralische Gesichtspunkte, Kontrolle, Rechte und Pflichten oftmals nur eine untergeordnete Rolle spielen.

    Verunsicherung könnte der Volkswirtschaft schaden

    Meine Verunsicherung als aktiver Internetnutzer steigt, weil ich jeden Tag mit weiteren Ausspähpraktiken oder sonstigem Missbrauch personenbezogener Daten auf On- und Offlinekanälen konfrontiert werde. Mittlerweile achte ich vermehrt darauf, welche Aussagen, Botschaften und Meinungen ich via E-Mail, Messenger, SMS oder sonstige digitale Kanäle von mir gebe. Zuletzt habe ich auch die Webcam am oberen Ende meines Notebooks zugeklebt, weil ein Fremdzugriff technisch möglich ist und Missbräuche bereits diskutiert wurden.

    Es stellt sich mir die Frage, ob sich die digitalen Ökosysteme, die Geheimdienste oder sonstige Akteure im Internet durch ihre Geschäftspraktiken mittel- bis langfristig nicht selbst schaden (für Unternehmen: „ihre Geschäftsgrundlage unterminieren“), weil das Misstrauen steigt und die Bereitschaft, sich unbehelligt (oder ungeschützt) in digitalen Kanälen aufzuhalten, allmählich sinken könnte. Einige Studien können die zunehmende Verunsicherung der Internet-Nutzer bereits belegen. Die mittelfristig daraus resultierende Konsequenz ist ein sich allmählich anpassendes und sich veränderndes Mediennutzungs- und Konsumverhalten vieler Internetnutzer. Der volkswirtschaftliche Schaden könnte branchenübergreifend und für alle Anbieter web-basierter Technologien spürbar werden. Denn die größten Hürden für jede neu in den Markt eintretende Technologie sind mangelnde Akzeptanz und sinkendes Vertrauen der Nutzer. Letzteres ist bereits angekratzt.

    Grafik: Dapp

    Worst Case: Vertrauensverlust

    Einige Akteure im Netz sollten sich die Frage stellen, welche Folgen es haben könnte, wenn immer mehr Internetnutzer anfangen, die angebotenen Produkte und Dienste zu meiden oder sie zu substituieren mangels Vertrauen. Was, wenn internetaffine Menschen ihre Haushaltsgegenstände vielleicht miteinander, aber nicht mit dem Internet und somit mit einem einzigen Akteur verbinden möchten, weil sie eben doch dauerhaft Wert auf ihre Privatsphäre legen? Was, wenn die Menschen keine automatisierten und selbstlenkenden Fahrzeuge nachfragen, weil sie nicht möchten, dass ihnen somit vielleicht der Fahrspaß verlorengeht oder weitaus beunruhigender, einige Akteure permanent wissen, wohin man fährt, wer im Auto sitzt und was während der Fahrt passiert? Was, wenn die Menschen keine web-basierten Brillen tragen wollen, weil sie nicht möchten, dass einige Akteure 1:1 sehen, was sie sehen? Was, wenn die Menschen keine web-basierten Uhren, Armbänder oder Ringe nachfragen, weil sie nicht möchten, dass einige Akteure durch ihre intelligent platzierten Sensoren ihre Schwächen und Krankheiten aus den rund um die Uhr gesammelten Biodaten erkennen können?

    Was also, wenn wir allmählich erkennen, dass uns einige Akteure auf Schritt und Tritt im Alltag folgen, uns beobachten und uns mit individuellen Werbebotschaften manipulieren. Mittelfristig könnte es aufgrund der gesammelten und angelegten persönlichen Profile auch soweit kommen, dass wir diskriminiert werden von Versicherungen oder sonstigen Dienstleistern. Sollten die Datensammel-Aktivitäten einiger Akteure ungebändigt weitergehen, könnten wir früher oder später erkennen, dass wir allmählich selbst zum gehandelten Gut geworden sind, dass wir permanent mit intransparenten Strukturen zu kämpfen haben, keine Kontrolle mehr über die Sicherheit der angebotenen Systeme, über eventuelle Zugriffe oder Löschung unserer persönlichen Daten haben.

    Dann wird sich die Erkenntnis durchsetzen, dass es zu einer massiven Schieflage in der Datenhoheit gekommen ist. Für einige Akteure im Netz wird es dann immer schwieriger, ihre Geschäftsmodelle auszubauen. Denn einige Menschen werden ihr Mediennutzungs- und Konsumverhalten aufgrund des Datenmissbrauchs bereits angepasst haben. Im gleichen Atemzug wird das Bedürfnis nach sicheren digitalen Kanälen außergewöhnlich stark zunehmen. Nur mit dem Unterschied, dass viele Menschen einigen Akteuren kein Vertrauen mehr schenken, selbst wenn sie versprechen, sorgfältig und sparsam mit personenbezogenen Daten umzugehen. Denn, wer einmal lügt...

    Hinweis: Von Thomas F. Dapp erschien jüngst die Studie "Big Data - die ungezähmte Macht" (4. März 2014)


  • Zur Schieflage in der Datenhoheit

    von Redaktion, angelegt

    Matt Brown CC BY 2.0 ![Matt Brown CC BY 2.0]https://publixphere-cms.liqd.net/de/bilder/dapp_diskussion.jpg/@@images/image.jpeg) Was, wenn die Menschen keine web-basierten Brillen tragen wollen? Thomas F. Dapp, Big-Data-Experte des Think Tanks Deutsche Bank Research, warnt in seinem Diskussions-Anstoß zum #pxp_thema Überwachte Welt vor den ökonomischen Folgen, wenn Bürger ihre Datenhoheit verlieren. Foto: Matt Brown (CC BY 2.0).


    Ein Beitrag von Thomas F. Dapp, Deutsche Bank Research

    Ich nutze das Internet jeden Tag, beruflich wie privat. Tägliche, routinemäßige Handlungen mit modernen, web-basierten Technologien zu verbinden, erleichtert mir mein Leben. Mit jedem Klick auf Online-Portalen, mit jedem Sprachbefehl auf mobilen Endgeräten oder jeder GPS-Ortung spare ich wertvolle Zeit. Viele Internet-Dienste erhöhen meine Effizienz, meine Produktivität und meinen Komfort im Alltag. Meine Nachfrage ist bis jetzt auch (noch) ungebrochen. Die Nutzung dieser Dienste ist aber nicht umsonst, sondern hat einen durchaus hohen Preis. Sie kostet mich zwar kein Geld, sie wird aber mit der mehr oder weniger freiwilligen Preisgabe meiner persönlichen digitalisierten Daten bezahlt.

    Daten werden zunehmend zu einem entscheidenden volkswirtschaftlichen Produktionsfaktor. Gerade die Nutzung personenbezogener Daten hat einen ökonomischen Wert und weckt bei vielen Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik Begehrlichkeiten mit unterschiedlichem Fokus. Primär nähren die Daten bei Vielen die Hoffnung auf steigende Umsätze, aber auch eine bessere Datengrundlage für Prognosen in der Wirtschaft oder die professionelle Erstellung umfassender Profile der Menschen können Treiber sein.

    Prinzipiell geht es darum, unterschiedliche Datenmengen und -strukturen mit neuen Datensätzen zu kombinieren, eventuelle Muster in diesen kumulierten Daten mit intelligenten Softwareprogrammen aufzuspüren, um anschließend die richtigen (möglichst lukrativen) Schlüsse aus den Ergebnissen zu ziehen.

    Neue Geschäftsideen, Prozesse, Dienste

    All das wird unter dem Begriff „Big Data“ oder „Data Analytics“ diskutiert. Einmal erhobene Primärdatensätze können zu unterschiedlichen Zwecken und für unterschiedliche Akteure zwei-, drei- oder x-fach ausgewertet werden. Dadurch erweisen sich die Daten einerseits als Quelle für Innovation, Kreativität sowie „Out-of-the-box-Denken“ und münden idealerweise in neue Geschäftsideen, Prozesse, Produkte oder Dienste. Andererseits können und werden sie Vielen aber auch Sorgen und Ängste bereiten, weil die eigene Datenhoheit, also die informationelle Selbstbestimmung, schnell verlorengehen kann.

    Aus innovations-und wirtschaftspolitischer Sicht kann mit Besorgnis beobachtet werden, mit welcher Ohnmacht viele Entscheidungsträger, aber auch viele Internetnutzer in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft zusehen, wie sich das Internet allmählich in eine Spielwiese von nur noch wenigen Akteuren wandelt. Diese dominieren den Markt, umzäunen ihre schönen und viel genutzten Gärten und bestimmen für große Teile der Internetnutzer den Innovations- bzw. Technologiekurs. Eine zu Beginn des Internetzeitalters von Vielen erwartete oder gar erhoffte Konsumenten- bzw. Bürgersouveränität im Netz sieht wahrlich anders aus. Die Diskussion wird zusätzlich angeheizt durch die seit Sommer 2013 veröffentlichten Snowden-Dokumente zur Datensammelpraxis von Geheimdiensten.

    Bei all den Wachstumschancen, die das Internet mit sich bringt, werden damit einhergehende Risiken und Probleme, vor allem bezüglich des Datenschutzes und potenziellen Datenmissbrauchs, gerne ausgeblendet. Insbesondere in die neuen, hochgehandelten Algorithmen zur Reduzierung von Komplexitäten oder zur Erstellung von Berechenbarkeitsanalysen werden hohe Erwartungen gesteckt. Die Realität zeigt jedoch, dass Fragen hinsichtlich dahinterliegender Interessen, Machtverhältnisse, ethische und moralische Gesichtspunkte, Kontrolle, Rechte und Pflichten oftmals nur eine untergeordnete Rolle spielen.

    Verunsicherung könnte der Volkswirtschaft schaden

    Meine Verunsicherung als aktiver Internetnutzer steigt, weil ich jeden Tag mit weiteren Ausspähpraktiken oder sonstigem Missbrauch personenbezogener Daten auf On- und Offlinekanälen konfrontiert werde. Mittlerweile achte ich vermehrt darauf, welche Aussagen, Botschaften und Meinungen ich via E-Mail, Messenger, SMS oder sonstige digitale Kanäle von mir gebe. Zuletzt habe ich auch die Webcam am oberen Ende meines Notebooks zugeklebt, weil ein Fremdzugriff technisch möglich ist und Missbräuche bereits diskutiert wurden.

    Es stellt sich mir die Frage, ob sich die digitalen Ökosysteme, die Geheimdienste oder sonstige Akteure im Internet durch ihre Geschäftspraktiken mittel- bis langfristig nicht selbst schaden (für Unternehmen: „ihre Geschäftsgrundlage unterminieren“), weil das Misstrauen steigt und die Bereitschaft, sich unbehelligt (oder ungeschützt) in digitalen Kanälen aufzuhalten, allmählich sinken könnte. Einige Studien können die zunehmende Verunsicherung der Internet-Nutzer bereits belegen. Die mittelfristig daraus resultierende Konsequenz ist ein sich allmählich anpassendes und sich veränderndes Mediennutzungs- und Konsumverhalten vieler Internetnutzer. Der volkswirtschaftliche Schaden könnte branchenübergreifend und für alle Anbieter web-basierter Technologien spürbar werden. Denn die größten Hürden für jede neu in den Markt eintretende Technologie sind mangelnde Akzeptanz und sinkendes Vertrauen der Nutzer. Letzteres ist bereits angekratzt.

    Worst Case: Vertrauensverlust

    Einige Akteure im Netz sollten sich die Frage stellen, welche Folgen es haben könnte, wenn immer mehr Internetnutzer anfangen, die angebotenen Produkte und Dienste zu meiden oder sie zu substituieren mangels Vertrauen. Was, wenn internetaffine Menschen ihre Haushaltsgegenstände vielleicht miteinander, aber nicht mit dem Internet und somit mit einem einzigen Akteur verbinden möchten, weil sie eben doch dauerhaft Wert auf ihre Privatsphäre legen? Was, wenn die Menschen keine automatisierten und selbstlenkenden Fahrzeuge nachfragen, weil sie nicht möchten, dass ihnen somit vielleicht der Fahrspaß verlorengeht oder weitaus beunruhigender, einige Akteure permanent wissen, wohin man fährt, wer im Auto sitzt und was während der Fahrt passiert? Was, wenn die Menschen keine web-basierten Brillen tragen wollen, weil sie nicht möchten, dass einige Akteure 1:1 sehen, was sie sehen? Was, wenn die Menschen keine web-basierten Uhren, Armbänder oder Ringe nachfragen, weil sie nicht möchten, dass einige Akteure durch ihre intelligent platzierten Sensoren ihre Schwächen und Krankheiten aus den rund um die Uhr gesammelten Biodaten erkennen können?

    Was also, wenn wir allmählich erkennen, dass uns einige Akteure auf Schritt und Tritt im Alltag folgen, uns beobachten und uns mit individuellen Werbebotschaften manipulieren. Mittelfristig könnte es aufgrund der gesammelten und angelegten persönlichen Profile auch soweit kommen, dass wir diskriminiert werden von Versicherungen oder sonstigen Dienstleistern. Sollten die Datensammel-Aktivitäten einiger Akteure ungebändigt weitergehen, könnten wir früher oder später erkennen, dass wir allmählich selbst zum gehandelten Gut geworden sind, dass wir permanent mit intransparenten Strukturen zu kämpfen haben, keine Kontrolle mehr über die Sicherheit der angebotenen Systeme, über eventuelle Zugriffe oder Löschung unserer persönlichen Daten haben.

    Dann wird sich die Erkenntnis durchsetzen, dass es zu einer massiven Schieflage in der Datenhoheit gekommen ist. Für einige Akteure im Netz wird es dann immer schwieriger, ihre Geschäftsmodelle auszubauen. Denn einige Menschen werden ihr Mediennutzungs- und Konsumverhalten aufgrund des Datenmissbrauchs bereits angepasst haben. Im gleichen Atemzug wird das Bedürfnis nach sicheren digitalen Kanälen außergewöhnlich stark zunehmen. Nur mit dem Unterschied, dass viele Menschen einigen Akteuren kein Vertrauen mehr schenken, selbst wenn sie versprechen, sorgfältig und sparsam mit personenbezogenen Daten umzugehen. Denn, wer einmal lügt...

    Hinweis: Von Thomas F. Dapp erschien jüngst die Studie "Big Data - die ungezähmte Macht" (4. März 2014)


  • Zur Schieflage in der Datenhoheit

    von Redaktion, angelegt

    ![Matt Brown CC BY 2.0]https://publixphere-cms.liqd.net/de/bilder/dapp_diskussion.jpg/@@images/image.jpeg) Was, wenn die Menschen keine web-basierten Brillen tragen wollen? Thomas F. Dapp Link: https://publixphere.net/i/publixphere-de/user/Thomas_Frank_Dapp , Big-Data-Experte des Think Tanks Deutsche Bank Research, warnt in seinem Diskussions-Anstoß zum #pxp_thema Überwachte Welt Link: https://publixphere.net/i/publixphere-de/category/132 vor den ökonomischen Folgen, wenn Bürger ihre Datenhoheit verlieren. Foto: Matt Brown Link: https://www.flickr.com/photos/londonmatt/14960352380/in/photolist-oMZHy1-oQXMkM-oRcNjJ-oyK1aL-oRcNFq-en4VSP-go6AjW-nQxPtD-gpbBbQ-fqzyhn-oyKb2s-fqPUSm-gUZ1cx-kc5SuM-fzQ1XH-e4hKh9-nY9h9g-jBjUdS-oxjuZv-jBkRvY-jBiKPD-jBkKro-em66tj-fyZ2mz-efLTdj-fCkqgN-fC679X-hhCNKR-hhBTHE-hhBBva-fpAxbf-fuGVt7-fBdLVJ-gyiBUn-hhD1T8-efM7CJ-efF2J2-oyJToZ-hhBRmf-hhBPkn-hhCRAR-hhC45s-gyiJNx-fqzy8M-fqPPDL-fqPPPo-fqzDCF-efEZPM-kMNwoM-fqPNT1 (CC BY 2.0).

    Ein Beitrag von Thomas F. Dapp , Deutsche Bank Research

    Ich nutze das Internet jeden Tag, beruflich wie privat. Tägliche, routinemäßige Handlungen mit modernen, web-basierten Technologien zu verbinden, erleichtert mir mein Leben. Mit jedem Klick auf Online-Portalen, mit jedem Sprachbefehl auf mobilen Endgeräten oder jeder GPS-Ortung spare ich wertvolle Zeit. Viele Internet-Dienste erhöhen meine Effizienz, meine Produktivität und meinen Komfort im Alltag. Meine Nachfrage ist bis jetzt auch (noch) ungebrochen. Die Nutzung dieser Dienste ist aber nicht umsonst, sondern hat einen durchaus hohen Preis. Sie kostet mich zwar kein Geld, sie wird aber mit der mehr oder weniger freiwilligen Preisgabe meiner persönlichen digitalisierten Daten bezahlt.

    Daten werden zunehmend zu einem entscheidenden volkswirtschaftlichen Produktionsfaktor. Gerade die Nutzung personenbezogener Daten hat einen ökonomischen Wert und weckt bei vielen Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik Begehrlichkeiten mit unterschiedlichem Fokus. Primär nähren die Daten bei Vielen die Hoffnung auf steigende Umsätze, aber auch eine bessere Datengrundlage für Prognosen in der Wirtschaft oder die professionelle Erstellung umfassender Profile der Menschen können Treiber sein.

    Prinzipiell geht es darum, unterschiedliche Datenmengen und -strukturen mit neuen Datensätzen zu kombinieren, eventuelle Muster in diesen kumulierten Daten mit intelligenten Softwareprogrammen aufzuspüren, um anschließend die richtigen (möglichst lukrativen) Schlüsse aus den Ergebnissen zu ziehen.

    Neue Geschäftsideen, Prozesse, Dienste

    All das wird unter dem Begriff „Big Data“ oder „Data Analytics“ diskutiert. Einmal erhobene Primärdatensätze können zu unterschiedlichen Zwecken und für unterschiedliche Akteure zwei-, drei- oder x-fach ausgewertet werden. Dadurch erweisen sich die Daten einerseits als Quelle für Innovation, Kreativität sowie „Out-of-the-box-Denken“ und münden idealerweise in neue Geschäftsideen, Prozesse, Produkte oder Dienste. Andererseits können und werden sie Vielen aber auch Sorgen und Ängste bereiten, weil die eigene Datenhoheit, also die informationelle Selbstbestimmung, schnell verlorengehen kann.

    Aus innovations-und wirtschaftspolitischer Sicht kann mit Besorgnis beobachtet werden, mit welcher Ohnmacht viele Entscheidungsträger, aber auch viele Internetnutzer in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft zusehen, wie sich das Internet allmählich in eine Spielwiese von nur noch wenigen Akteuren wandelt. Diese dominieren den Markt, umzäunen ihre schönen und viel genutzten Gärten und bestimmen für große Teile der Internetnutzer den Innovations- bzw. Technologiekurs. Eine zu Beginn des Internetzeitalters von Vielen erwartete oder gar erhoffte Konsumenten- bzw. Bürgersouveränität im Netz sieht wahrlich anders aus. Die Diskussion wird zusätzlich angeheizt durch die seit Sommer 2013 veröffentlichten Snowden-Dokumente zur Datensammelpraxis von Geheimdiensten.

    Bei all den Wachstumschancen, die das Internet mit sich bringt, werden damit einhergehende Risiken und Probleme, vor allem bezüglich des Datenschutzes und potenziellen Datenmissbrauchs, gerne ausgeblendet. Insbesondere in die neuen, hochgehandelten Algorithmen zur Reduzierung von Komplexitäten oder zur Erstellung von Berechenbarkeitsanalysen werden hohe Erwartungen gesteckt. Die Realität zeigt jedoch, dass Fragen hinsichtlich dahinterliegender Interessen, Machtverhältnisse, ethische und moralische Gesichtspunkte, Kontrolle, Rechte und Pflichten oftmals nur eine untergeordnete Rolle spielen.

    Verunsicherung könnte der Volkswirtschaft schaden

    Meine Verunsicherung als aktiver Internetnutzer steigt, weil ich jeden Tag mit weiteren Ausspähpraktiken oder sonstigem Missbrauch personenbezogener Daten auf On- und Offlinekanälen konfrontiert werde. Mittlerweile achte ich vermehrt darauf, welche Aussagen, Botschaften und Meinungen ich via E-Mail, Messenger, SMS oder sonstige digitale Kanäle von mir gebe. Zuletzt habe ich auch die Webcam am oberen Ende meines Notebooks zugeklebt, weil ein Fremdzugriff technisch möglich ist und Missbräuche bereits diskutiert wurden.

    Es stellt sich mir die Frage, ob sich die digitalen Ökosysteme, die Geheimdienste oder sonstige Akteure im Internet durch ihre Geschäftspraktiken mittel- bis langfristig nicht selbst schaden (für Unternehmen: „ihre Geschäftsgrundlage unterminieren“), weil das Misstrauen steigt und die Bereitschaft, sich unbehelligt (oder ungeschützt) in digitalen Kanälen aufzuhalten, allmählich sinken könnte. Einige Studien können die zunehmende Verunsicherung der Internet-Nutzer bereits belegen. Die mittelfristig daraus resultierende Konsequenz ist ein sich allmählich anpassendes und sich veränderndes Mediennutzungs- und Konsumverhalten vieler Internetnutzer. Der volkswirtschaftliche Schaden könnte branchenübergreifend und für alle Anbieter web-basierter Technologien spürbar werden. Denn die größten Hürden für jede neu in den Markt eintretende Technologie sind mangelnde Akzeptanz und sinkendes Vertrauen der Nutzer. Letzteres ist bereits angekratzt.

    Worst Case: Vertrauensverlust

    Einige Akteure im Netz sollten sich die Frage stellen, welche Folgen es haben könnte, wenn immer mehr Internetnutzer anfangen, die angebotenen Produkte und Dienste zu meiden oder sie zu substituieren mangels Vertrauen. Was, wenn internetaffine Menschen ihre Haushaltsgegenstände vielleicht miteinander, aber nicht mit dem Internet und somit mit einem einzigen Akteur verbinden möchten, weil sie eben doch dauerhaft Wert auf ihre Privatsphäre legen? Was, wenn die Menschen keine automatisierten und selbstlenkenden Fahrzeuge nachfragen, weil sie nicht möchten, dass ihnen somit vielleicht der Fahrspaß verlorengeht oder weitaus beunruhigender, einige Akteure permanent wissen, wohin man fährt, wer im Auto sitzt und was während der Fahrt passiert? Was, wenn die Menschen keine web-basierten Brillen tragen wollen, weil sie nicht möchten, dass einige Akteure 1:1 sehen, was sie sehen? Was, wenn die Menschen keine web-basierten Uhren, Armbänder oder Ringe nachfragen, weil sie nicht möchten, dass einige Akteure durch ihre intelligent platzierten Sensoren ihre Schwächen und Krankheiten aus den rund um die Uhr gesammelten Biodaten erkennen können?

    Was also, wenn wir allmählich erkennen, dass uns einige Akteure auf Schritt und Tritt im Alltag folgen, uns beobachten und uns mit individuellen Werbebotschaften manipulieren. Mittelfristig könnte es aufgrund der gesammelten und angelegten persönlichen Profile auch soweit kommen, dass wir diskriminiert werden von Versicherungen oder sonstigen Dienstleistern. Sollten die Datensammel-Aktivitäten einiger Akteure ungebändigt weitergehen, könnten wir früher oder später erkennen, dass wir allmählich selbst zum gehandelten Gut geworden sind, dass wir permanent mit intransparenten Strukturen zu kämpfen haben, keine Kontrolle mehr über die Sicherheit der angebotenen Systeme, über eventuelle Zugriffe oder Löschung unserer persönlichen Daten haben.

    Dann wird sich die Erkenntnis durchsetzen, dass es zu einer massiven Schieflage in der Datenhoheit gekommen ist. Für einige Akteure im Netz wird es dann immer schwieriger, ihre Geschäftsmodelle auszubauen. Denn einige Menschen werden ihr Mediennutzungs- und Konsumverhalten aufgrund des Datenmissbrauchs bereits angepasst haben. Im gleichen Atemzug wird das Bedürfnis nach sicheren digitalen Kanälen außergewöhnlich stark zunehmen. Nur mit dem Unterschied, dass viele Menschen einigen Akteuren kein Vertrauen mehr schenken, selbst wenn sie versprechen, sorgfältig und sparsam mit personenbezogenen Daten umzugehen. Denn, wer einmal lügt...

    Hinweis: Von Thomas F. Dapp erschien jüngst die Studie "Big Data - die ungezähmte Macht" (4. März 2014)


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