Wie wir uns endlich um unsere EU-Politik streiten - Historie

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  • Wie wir uns endlich um unsere EU-Politik streiten

    von Redaktion, angelegt

    Foto:dpaDeutschlands Top-Talker laden dazu ein, über wichtige EU-Entscheidungen zu streiten - und zwar noch bevor diese gefallen sind. Muss das ein völlig abwegiges Szenario bleiben? Im Bild: Frank Plasberg, Sandra Maischberger, Günther Jauch, Anne Will. Foto: dpa.


    Vom Datenschutz bis zum Warnhinweis auf der Zigarettenschachtel - eigentlich müssten wir lang und breit um die beste EU-Politik streiten. Warum wir das nicht tun, und wie wir damit anfangen könnten, wollte ich bei der Europawerkstatt der JEF und hier auf Publixphere herausfinden. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.


    Ein Beitrag von Alexander Wragge, Redaktion

    Echter Streit um politische Alternativen wäre der Kern einer lebendigen EU-Demokratie. Malen wir uns das mal aus: Europas Bürger ringen um ihre EU-Poltik - in der Landwirschaft, auf dem Finanzmarkt, in der digitalen Welt. Sie wissen, was Parteien und Regierungen tun und was nicht – in Punkto Flüchtlingshilfe, Energieeffizienz oder Forschungsförderung. Sie fiebern mit, regen sich auf, artikulieren ihre Interessen. Sie setzen sich ein - für oder gegen eine konservative, sozialdemokratische, grüne, linke oder liberale EU-Politik. Bei den Wahlen belohnen sie EU-politische Erfolge, strafen Nichtstun, Skandale und Fehlschläge ab. Zwischendurch mischen sie sich ein: mit Initiativen, Aufrufen, Protesten.

    Was nach normaler Demokratie klingt, bleibt Utopie. Denn so läuft das nicht. Welcher Bürger zieht schon eine Bilanz der EU-Sozialpolitik? Welcher Wähler belohnt oder bestraft die Bundesregierung für ihre Politik in Brüssel? Wer diskutiert mit Freunden und Bekannten das neue EU-Investitionsprogramm? Vielleicht machen das EU-Nerds. Die breite Öffentlichkeit tut es (noch) nicht. Warum das so ist, und wie es anders laufen könnte, wollte ich im persönlichen Gespräch bei der Europawerkstatt und online auf Publixphere herausfinden. Es kam viel Feedback. Hier eine Zusammenfassung:

    Probleme der EU-Debatte:

    • EU-Gesetzgebung dauert lange. Vom ersten Gedankenspiel der EU-Kommission bis zur Umsetzung in nationales Recht vergehen leicht fünf bis zehn Jahre. Im Fall der EU-Patentreform waren es mehr als 40. Oft fehlt der eine EU-politische Showdown, vor dem die Debatte heiß laufen könnte.

    • EU-Gesetzgebung hat viele Mütter und Väter. 28 Regierungen, 28 nationale Parlamente, die EU-Kommission und das EU-Parlament verantworten die großen Entscheidungen gemeinsam. Das System ist auf diplomatischen Konsens getrimmt, nicht auf offene Kontroverse. Die einfache Erzählung 'Regierung vs. Opposition' fällt institutionell bedingt aus. Das Problem: am Ende sind oft alle und keiner verantwortlich.

    • Deutsche Massenmedien stellen EU-Gesetzgebung nicht als jahrelang ausgehandeltes Politikergebnis dar. Stattdessen wird das Bild vom Brüsseler Bürokraten gepflegt, der den Bürgern so plötzlich wie willkürlich ihre Staubsauger verbietet. Zugleich ignorieren Journalisten allzu oft die maßgebliche Mitverantwortung deutscher Regierungen, Politiker und Beamter. Der Effekt: die EU wird als das Fremde erlebt, nicht als das Eigene.

    • Wahrhaft europäische Medien fehlen bislang oder bleiben Nischen-Anbieter. Sie könnten den ganzen Diskursraum abbilden - mit all seinen Entscheidern und Positionen. Ein Grund: die Sprachbarriere.

    • EU-Gesetzgebung bleibt ein Elitenprojekt. Sie verlangt dem Einzelnen viel Wissen ab, über Institutionen, Abläufe, Rechtliches. Der Informationsrückstand von Journalisten und Bürgern ist oft dramatisch. Beispiel: Dass auch die Bundesregierung die EU-Kommission mit dem Freihandelsabkommen TTIP beauftragte, zählt aktuell schon als „Fachwissen“.

    • Der EU-Politik fehlen Identifikationsfiguren und Emotionen. Ihre Sprache ist selten einfach und direkt, dafür oft blutleer und verklauseliert. Was auch immer das aus kaltblauen Hintergründen und grautristen Gebäudekomplexen zusammengezimmerte „Corporate Design“ der EU symbolisieren soll - Bürgernähe, offener Diskurs und Leidenschaft fühlen sich anders an.

    • Allgemeine Politikverdrossenheit: Desinteresse an Politik ist kein EU-spezifisches, sondern ein allgemeines Phänomen - sie trifft auch die Bundespolitik, wie eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt.

    Was können wir tun?

    • die EU ändern: Hätten wir eine echte EU-Regierung, echte europäische Parteien, ein maximal starkes EU-Parlament und europaweit konsumierte Medien, hätten wir vielleicht auch die ideale Arena für echte Kontroversen um unsere EU-Politik. Aber das ist Zukunftsmusik. Was können wir sofort tun?

    • Betroffenheit bewusst machen: Bei vielen EU-Regeln bemerken die Bürger gar nicht oder zu spät, dass sie persönlich betroffen sind. Das können Politik und Medien schnell ändern, indem sie frühstmöglich und vorrangig kommunizieren, was EU-Gesetze konkret für den Bürger bringen und ändern. Das geht selbst bei komplexen EU-Regeln für den Strommarkt oder den Finanzsektor: es gibt ihn immer, den Bezug zum Bürger.

    • Verantwortlichkeiten verdeutlichen: Wen das EU-Verbot von Staubsaugern aufregt, sollte wissen, dass auch die Bundesregierung dieses Verbot so wollte und will. „Die“ EU ist meist der falsche Adressat für Kritik. Der richtige wären zunächst die (nationalen) Entscheidungsträger, die eine bestimmte EU-Politik betreiben. Institutionen und Medien können den Bürgern kräftig dabei helfen, Verantwortlichkeit zu erkennen. Wer stimmt im Rat und im EU-Parlament wofür - und warum? An wem scheitert was? Wo kommt diese Regelung her? Dieses Grundwissen um jeden EU-Politikprozess muss schwellenlos und schnell verfügbar sein. In einfacher Sprache. Am Besten gebündelt an einem Ort im Netz. Vielleicht sogar mit Schaubildern verdeutlicht.

    • Die bewegenden Konflikte zeigen: Medien können mehr als Brüssel-Bashing. Sie können vor EU-Entscheidungen zuspitzend darstellen, wie innerhalb des EU-Systems konservative, grüne, soziale, liberale und mitunter auch nationale Positionen aufeinanderprallen. Diese Konflikte bieten Diskussionsstoff – und gute Quoten, wie der Fall TTIP zeigt. Manche EU-Geschichte lässt sich auch personalisiert erzählen. Wie soll nun ausgerechnet Jean-Claude Juncker aus Luxemburg gegen Steuerdumping in der EU vorgehen?

    • Einmischung statt Ohnmacht: Die Bürger sollten wissen, wie sie sich europäisch artikulieren und vernetzen können – nicht nur über Parteien, sondern auch über NGOs und eigene Initiativen. Wer EU-politisch streiten will, dem empfehle ich natürlich auch diesen Diskussions-Raum hier (Publixphere) - gemeinnützig, überparteilich, offen für alle.


    Hinweis: Dieser Text erscheint in leicht gekürzter Fassung im Magazin Treffpunkt Europa - in einer Sonderausgabe zur Europawerkstatt. Alle Interessierten sind eingeladen, ihre Einsprüche und Ergänzungen per Kommentar einzubringen.

    UPDATE: Ergänzungen

    • Europäische Diskutanten in den Öffentlich-Rechtlichen: Gerald-Christian Heintges kommentiert via Twitter: "Wir brauchen viel mehr kontroverse Diskussionen in den öffentlich-rechtlichen Medien. Am besten mit Teilnehmern aus unterschiedlichen Mitgliedsstaaten und dem Europäischen Parlament. Mit europäischen Diskutanten schaffen wir einen ersten Schritt zu einer europäischen Öffentlichkeit."

    • Verantwortlichkeit Claus Mayr macht beim Punkt darauf aufmerksam, dass nicht nur die Bundesregierung eine wichtige Rolle für das EU-Recht spielt, sondern auch der Bundestag und falls erforderlich der Bundesrat. "Das heißt unterm Strich, nicht nur unsere Volksvertreter in Brüssel und Straßburg, sondern auch die in Berlin sind an den meisten Entscheidungen beteiligt. und da ist es vor allem ein Versäumnis der regionalen Medien, dass sie nicht vermitteln, was "unsere" Abgeordnete / "unser" Abgeordneter in Berlin und Brüssel berät oder am Ende in Straßburg mit beschlossen hat. Auch seien gerade im EU-Parlament nach der Wahl Deutsche in unglaublich vielen einflussreichen Positionen: "...vom deutschen EP-Präsidenten (bis 31.12.16) und zwei deutschen Vizepräsidenten über die Hälfte (!) aller Fraktionsvorsitzenden und immerhin 1/4 aller Ausschussvorsitze, die beiden Koordinatoren der größten Fraktionen im Umweltausschuss etc. etc."

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    von Community Management , angelegt

    Foto:dpa Foto:dpa Deutschlands Top-Talker laden dazu ein, über wichtige EU-Entscheidungen zu streiten - und zwar noch bevor diese gefallen sind. Muss das ein völlig abwegiges Szenario bleiben? Im Bild: Frank Plasberg, Sandra Maischberger, Günther Jauch, Anne Will. Foto: dpa.


    Vom Datenschutz bis zum Warnhinweis auf der Zigarettenschachtel - eigentlich müssten wir lang und breit um die beste EU-Politik streiten. Warum wir das nicht tun, und wie wir damit anfangen könnten, wollte ich bei der Europawerkstatt der JEF und hier auf Publixphere herausfinden. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.


    Ein Beitrag von Alexander Wragge, Redaktion

    Echter Streit um politische Alternativen wäre der Kern einer lebendigen EU-Demokratie. Malen wir uns das mal aus: Europas Bürger ringen um ihre EU-Poltik - in der Landwirschaft, auf dem Finanzmarkt, in der digitalen Welt. Sie wissen, was Parteien und Regierungen tun und was nicht – in Punkto Flüchtlingshilfe, Energieeffizienz oder Forschungsförderung. Sie fiebern mit, regen sich auf, artikulieren ihre Interessen. Sie setzen sich ein - für oder gegen eine konservative, sozialdemokratische, grüne, linke oder liberale EU-Politik. Bei den Wahlen belohnen sie EU-politische Erfolge, strafen Nichtstun, Skandale und Fehlschläge ab. Zwischendurch mischen sie sich ein: mit Initiativen, Aufrufen, Protesten.

    Was nach normaler Demokratie klingt, bleibt Utopie. Denn so läuft das nicht. Welcher Bürger zieht schon eine Bilanz der EU-Sozialpolitik? Welcher Wähler belohnt oder bestraft die Bundesregierung für ihre Politik in Brüssel? Wer diskutiert mit Freunden und Bekannten das neue EU-Investitionsprogramm? Vielleicht machen das EU-Nerds. Die breite Öffentlichkeit tut es (noch) nicht. Warum das so ist, und wie es anders laufen könnte, wollte ich im persönlichen Gespräch bei der Europawerkstatt und online auf Publixphere herausfinden. Es kam viel Feedback. Hier eine Zusammenfassung:

    Probleme der EU-Debatte:

    • EU-Gesetzgebung dauert lange. Vom ersten Gedankenspiel der EU-Kommission bis zur Umsetzung in nationales Recht vergehen leicht fünf bis zehn Jahre. Im Fall der EU-Patentreform waren es mehr als 40. Oft fehlt der eine EU-politische Showdown, vor dem die Debatte heiß laufen könnte.

    • EU-Gesetzgebung hat viele Mütter und Väter. 28 Regierungen, 28 nationale Parlamente, die EU-Kommission und das EU-Parlament verantworten die großen Entscheidungen gemeinsam. Das System ist auf diplomatischen Konsens getrimmt, nicht auf offene Kontroverse. Die einfache Erzählung 'Regierung vs. Opposition' fällt institutionell bedingt aus. Das Problem: am Ende sind oft alle und keiner verantwortlich.

    • Deutsche Massenmedien stellen EU-Gesetzgebung nicht als jahrelang ausgehandeltes Politikergebnis dar. Stattdessen wird das Bild vom Brüsseler Bürokraten gepflegt, der den Bürgern so plötzlich wie willkürlich ihre Staubsauger verbietet. Zugleich ignorieren Journalisten allzu oft die maßgebliche Mitverantwortung deutscher Regierungen, Politiker und Beamter. Der Effekt: die EU wird als das Fremde erlebt, nicht als das Eigene.

    • Wahrhaft europäische Medien fehlen bislang oder bleiben Nischen-Anbieter. Sie könnten den ganzen Diskursraum abbilden - mit all seinen Entscheidern und Positionen. Ein Grund: die Sprachbarriere.

    • EU-Gesetzgebung bleibt ein Elitenprojekt. Sie verlangt dem Einzelnen viel Wissen ab, über Institutionen, Abläufe, Rechtliches. Der Informationsrückstand von Journalisten und Bürgern ist oft dramatisch. Beispiel: Dass auch die Bundesregierung die EU-Kommission mit dem Freihandelsabkommen TTIP beauftragte, zählt aktuell schon als „Fachwissen“.

    • Der EU-Politik fehlen Identifikationsfiguren und Emotionen. Ihre Sprache ist selten einfach und direkt, dafür oft blutleer und verklauseliert. Was auch immer das aus kaltblauen Hintergründen und grautristen Gebäudekomplexen zusammengezimmerte „Corporate Design“ der EU symbolisieren soll - Bürgernähe, offener Diskurs und Leidenschaft fühlen sich anders an.

    • Allgemeine Politikverdrossenheit: Desinteresse an Politik ist kein EU-spezifisches, sondern ein allgemeines Phänomen - sie trifft auch die Bundespolitik, wie eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt.

    Was können wir tun?

    • die EU ändern: Hätten wir eine echte EU-Regierung, echte europäische Parteien, ein maximal starkes EU-Parlament und europaweit konsumierte Medien, hätten wir vielleicht auch die ideale Arena für echte Kontroversen um unsere EU-Politik. Aber das ist Zukunftsmusik. Was können wir sofort tun?

    • Betroffenheit bewusst machen: Bei vielen EU-Regeln bemerken die Bürger gar nicht oder zu spät, dass sie persönlich betroffen sind. Das können Politik und Medien schnell ändern, indem sie frühstmöglich und vorrangig kommunizieren, was EU-Gesetze konkret für den Bürger bringen und ändern. Das geht selbst bei komplexen EU-Regeln für den Strommarkt oder den Finanzsektor: es gibt ihn immer, den Bezug zum Bürger.

    • Verantwortlichkeiten verdeutlichen: Wen das EU-Verbot von Staubsaugern aufregt, sollte wissen, dass auch die Bundesregierung dieses Verbot so wollte und will. „Die“ EU ist meist der falsche Adressat für Kritik. Der richtige wären zunächst die (nationalen) Entscheidungsträger, die eine bestimmte EU-Politik betreiben. Institutionen und Medien können den Bürgern kräftig dabei helfen, Verantwortlichkeit zu erkennen. Wer stimmt im Rat und im EU-Parlament wofür - und warum? An wem scheitert was? Wo kommt diese Regelung her? Dieses Grundwissen um jeden EU-Politikprozess muss schwellenlos und schnell verfügbar sein. In einfacher Sprache. Am Besten gebündelt an einem Ort im Netz. Vielleicht sogar mit Schaubildern verdeutlicht.

    • Die bewegenden Konflikte zeigen: Medien können mehr als Brüssel-Bashing. Sie können vor EU-Entscheidungen zuspitzend darstellen, wie innerhalb des EU-Systems konservative, grüne, soziale, liberale und mitunter auch nationale Positionen aufeinanderprallen. Diese Konflikte bieten Diskussionsstoff – und gute Quoten, wie der Fall TTIP zeigt. Manche EU-Geschichte lässt sich auch personalisiert erzählen. Wie soll nun ausgerechnet Jean-Claude Juncker aus Luxemburg gegen Steuerdumping in der EU vorgehen?

    • Einmischung statt Ohnmacht: Die Bürger sollten wissen, wie sie sich europäisch artikulieren und vernetzen können – nicht nur über Parteien, sondern auch über NGOs und eigene Initiativen. Wer EU-politisch streiten will, dem empfehle ich natürlich auch diesen Diskussions-Raum hier (Publixphere) - gemeinnützig, überparteilich, offen für alle.


    Hinweis: Dieser Text erscheint in leicht gekürzter Fassung im Magazin Treffpunkt Europa - in einer Sonderausgabe zur Europawerkstatt. Alle Interessierten sind eingeladen, ihre Einsprüche und Ergänzungen per Kommentar einzubringen.

    UPDATE: Ergänzungen

    • Europäische Diskutanten in den Öffentlich-Rechtlichen: Gerald-Christian Heintges kommentiert via Twitter: "Wir brauchen viel mehr kontroverse Diskussionen in den öffentlich-rechtlichen Medien. Am besten mit Teilnehmern aus unterschiedlichen Mitgliedsstaaten und dem Europäischen Parlament. Mit europäischen Diskutanten schaffen wir einen ersten Schritt zu einer europäischen Öffentlichkeit."
    • Verantwortlichkeit Claus Mayr macht beim Punkt darauf aufmerksam, dass nicht nur Bundesregierung eine wichtige Rolle für das EU-Recht spielt, sondern auch der Bundestag und falls erforderlich der Bundesrat. "Das heißt unterm Strich, nicht nur unsere Volksvertreter in Brüssel und Straßburg, sondern auch die in Berlin sind an den meisten Entscheidungen beteiligt. und da ist es vor allem ein Versäumnis der regionalen Medien, dass sie nicht vermitteln, was "unsere" Abgeordnete / "unser" Abgeordneter in Berlin und Brüssel berät oder am Ende in Straßburg mit beschlossen hat. Auch seien gerade im EU-Parlament nach der Wahl Deutsche in unglaublich vielen einflussreichen Positionen: "...vom deutschen EP-Präsidenten (bis 31.12.16) und zwei deutschen Vizepräsidenten über die Hälfte (!) aller Fraktionsvorsitzenden und immerhin 1/4 aller Ausschussvorsitze, die beiden Koordinatoren der größten Fraktionen im Umweltausschuss etc. etc."
  • Wie wir uns endlich um unsere EU-Politik streiten

    von Redaktion, angelegt

    Foto:dpaDeutschlands Top-Talker laden dazu ein, über wichtige EU-Entscheidungen zu streiten - und zwar noch bevor diese gefallen sind. Muss das ein völlig abwegiges Szenario bleiben? Im Bild: Frank Plasberg, Sandra Maischberger, Günther Jauch, Anne Will. Foto: dpa.


    Vom Datenschutz bis zum Warnhinweis auf der Zigarettenschachtel - eigentlich müssten wir lang und breit um die beste EU-Politik streiten. Warum wir das nicht tun, und wie wir damit anfangen könnten, wollte ich bei der Europawerkstatt der JEF und hier auf Publixphere herausfinden. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.


    Ein Beitrag von Alexander Wragge, Redaktion

    Echter Streit um politische Alternativen wäre der Kern einer lebendigen EU-Demokratie. Malen wir uns das mal aus: Europas Bürger ringen um ihre EU-Poltik - in der Landwirschaft, auf dem Finanzmarkt, in der digitalen Welt. Sie wissen, was Parteien und Regierungen tun und was nicht – in Punkto Flüchtlingshilfe, Energieeffizienz oder Forschungsförderung. Sie fiebern mit, regen sich auf, artikulieren ihre Interessen. Sie setzen sich ein - für oder gegen eine konservative, sozialdemokratische, grüne, linke oder liberale EU-Politik. Bei den Wahlen belohnen sie EU-politische Erfolge, strafen Nichtstun, Skandale und Fehlschläge ab. Zwischendurch mischen sie sich ein: mit Initiativen, Aufrufen, Protesten.

    Was nach normaler Demokratie klingt, bleibt Utopie. Denn so läuft das nicht. Welcher Bürger zieht schon eine Bilanz der EU-Sozialpolitik? Welcher Wähler belohnt oder bestraft die Bundesregierung für ihre Politik in Brüssel? Wer diskutiert mit Freunden und Bekannten das neue EU-Investitionsprogramm? Vielleicht machen das EU-Nerds. Die breite Öffentlichkeit tut es (noch) nicht. Warum das so ist, und wie es anders laufen könnte, wollte ich im persönlichen Gespräch bei der Europawerkstatt und online auf Publixphere herausfinden. Es kam viel Feedback. Hier eine Zusammenfassung:

    Probleme der EU-Debatte:

    • EU-Gesetzgebung dauert lange. Vom ersten Gedankenspiel der EU-Kommission bis zur Umsetzung in nationales Recht vergehen leicht fünf bis zehn Jahre. Im Fall der EU-Patentreform waren es mehr als 40. Oft fehlt der eine EU-politische Showdown, vor dem die Debatte heiß laufen könnte.

    • EU-Gesetzgebung hat viele Mütter und Väter. 28 Regierungen, 28 nationale Parlamente, die EU-Kommission und das EU-Parlament verantworten die großen Entscheidungen gemeinsam. Das System ist auf diplomatischen Konsens getrimmt, nicht auf offene Kontroverse. Die einfache Erzählung 'Regierung vs. Opposition' fällt institutionell bedingt aus. Das Problem: am Ende sind oft alle und keiner verantwortlich.

    • Deutsche Massenmedien stellen EU-Gesetzgebung nicht als jahrelang ausgehandeltes Politikergebnis dar. Stattdessen wird das Bild vom Brüsseler Bürokraten gepflegt, der den Bürgern so plötzlich wie willkürlich ihre Staubsauger verbietet. Zugleich ignorieren Journalisten allzu oft die maßgebliche Mitverantwortung deutscher Regierungen, Politiker und Beamter. Der Effekt: die EU wird als das Fremde erlebt, nicht als das Eigene.

    • Wahrhaft europäische Medien fehlen bislang oder bleiben Nischen-Anbieter. Sie könnten den ganzen Diskursraum abbilden - mit all seinen Entscheidern und Positionen. Ein Grund: die Sprachbarriere.

    • EU-Gesetzgebung bleibt ein Elitenprojekt. Sie verlangt dem Einzelnen viel Wissen ab, über Institutionen, Abläufe, Rechtliches. Der Informationsrückstand von Journalisten und Bürgern ist oft dramatisch. Beispiel: Dass auch die Bundesregierung die EU-Kommission mit dem Freihandelsabkommen TTIP beauftragte, zählt aktuell schon als „Fachwissen“.

    • Der EU-Politik fehlen Identifikationsfiguren und Emotionen. Ihre Sprache ist selten einfach und direkt, dafür oft blutleer und verklauseliert. Was auch immer das aus kaltblauen Hintergründen und grautristen Gebäudekomplexen zusammengezimmerte „Corporate Design“ der EU symbolisieren soll - Bürgernähe, offener Diskurs und Leidenschaft fühlen sich anders an.

    • Allgemeine Politikverdrossenheit: Desinteresse an Politik ist kein EU-spezifisches, sondern ein allgemeines Phänomen - sie trifft auch die Bundespolitik, wie eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt.

    Was können wir tun?

    • die EU ändern: Hätten wir eine echte EU-Regierung, echte europäische Parteien, ein maximal starkes EU-Parlament und europaweit konsumierte Medien, hätten wir vielleicht auch die ideale Arena für echte Kontroversen um unsere EU-Politik. Aber das ist Zukunftsmusik. Was können wir sofort tun?

    • Betroffenheit bewusst machen: Bei vielen EU-Regeln bemerken die Bürger gar nicht oder zu spät, dass sie persönlich betroffen sind. Das können Politik und Medien schnell ändern, indem sie frühstmöglich und vorrangig kommunizieren, was EU-Gesetze konkret für den Bürger bringen und ändern. Das geht selbst bei komplexen EU-Regeln für den Strommarkt oder den Finanzsektor: es gibt ihn immer, den Bezug zum Bürger.

    • Verantwortlichkeiten verdeutlichen: Wen das EU-Verbot von Staubsaugern aufregt, sollte wissen, dass auch die Bundesregierung dieses Verbot so wollte und will. „Die“ EU ist meist der falsche Adressat für Kritik. Der richtige wären zunächst die (nationalen) Entscheidungsträger, die eine bestimmte EU-Politik betreiben. Institutionen und Medien können den Bürgern kräftig dabei helfen, Verantwortlichkeit zu erkennen. Wer stimmt im Rat und im EU-Parlament wofür - und warum? An wem scheitert was? Wo kommt diese Regelung her? Dieses Grundwissen um jeden EU-Politikprozess muss schwellenlos und schnell verfügbar sein. In einfacher Sprache. Am Besten gebündelt an einem Ort im Netz. Vielleicht sogar mit Schaubildern verdeutlicht.

    • Die bewegenden Konflikte zeigen: Medien können mehr als Brüssel-Bashing. Sie können vor EU-Entscheidungen zuspitzend darstellen, wie innerhalb des EU-Systems konservative, grüne, soziale, liberale und mitunter auch nationale Positionen aufeinanderprallen. Diese Konflikte bieten Diskussionsstoff – und gute Quoten, wie der Fall TTIP zeigt. Manche EU-Geschichte lässt sich auch personalisiert erzählen. Wie soll nun ausgerechnet Jean-Claude Juncker aus Luxemburg gegen Steuerdumping in der EU vorgehen?

    • Einmischung statt Ohnmacht: Die Bürger sollten wissen, wie sie sich europäisch artikulieren und vernetzen können – nicht nur über Parteien, sondern auch über NGOs und eigene Initiativen. Wer EU-politisch streiten will, dem empfehle ich natürlich auch diesen Diskussions-Raum hier (Publixphere) - gemeinnützig, überparteilich, offen für alle.


    Hinweis: Dieser Text erscheint in leicht gekürzter Fassung im Magazin Treffpunkt Europa - in einer Sonderausgabe zur Europawerkstatt. Alle Interessierten sind eingeladen, ihre Einsprüche und Ergänzungen per Kommentar einzubringen.

    UPDATE: Ergänzungen

    • Europäische Diskutanten in den Öffentlich-Rechtlichen: Gerald-Christian Heintges kommentiert via Twitter: "Wir brauchen viel mehr kontroverse Diskussionen in den öffentlich-rechtlichen Medien. Am besten mit Teilnehmern aus unterschiedlichen Mitgliedsstaaten und dem Europäischen Parlament. Mit europäischen Diskutanten schaffen wir einen ersten Schritt zu einer europäischen Öffentlichkeit." Öffentlichkeit
    • Verantwortlichkeit Claus Mayr macht beim Punkt darauf aufmerksam, dass nicht nur Bundesregierung eine wichtige Rolle für das EU-Recht spielt, sondern auch der Bundestag und falls erforderlich der Bundesrat. "Das heißt unterm Strich, nicht nur unsere Volksvertreter in Brüssel und Straßburg, sondern auch die in Berlin sind an den meisten Entscheidungen beteiligt. und da ist es vor allem ein Versäumnis der regionalen Medien, dass sie nicht vermitteln, was "unsere" Abgeordnete / "unser" Abgeordneter in Berlin und Brüssel berät oder am Ende in Straßburg mit beschlossen hat. Auch seien gerade im EU-Parlament nach der Wahl Deutsche in unglaublich vielen einflussreichen Positionen: "...vom deutschen EP-Präsidenten (bis 31.12.16) und zwei deutschen Vizepräsidenten über die Hälfte (!) aller Fraktionsvorsitzenden und immerhin 1/4 aller Ausschussvorsitze, die beiden Koordinatoren der größten Fraktionen im Umweltausschuss etc. etc."
  • Wie wir uns endlich um unsere EU-Politik streiten

    von Redaktion, angelegt

    Foto:dpaDeutschlands Top-Talker laden dazu ein, über wichtige EU-Entscheidungen zu streiten - und zwar noch bevor diese gefallen sind. Muss das ein völlig abwegiges Szenario bleiben? Im Bild: Frank Plasberg, Sandra Maischberger, Günther Jauch, Anne Will. Foto: dpa.


    Vom Datenschutz bis zum Warnhinweis auf der Zigarettenschachtel - eigentlich müssten wir lang und breit um die beste EU-Politik streiten. Warum wir das nicht tun, und wie wir damit anfangen könnten, wollte ich bei der Europawerkstatt der JEF und hier auf Publixphere herausfinden. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.


    Ein Beitrag von Alexander Wragge, Redaktion

    Echter Streit um politische Alternativen wäre der Kern einer lebendigen EU-Demokratie. Malen wir uns das mal aus: Europas Bürger ringen um ihre EU-Poltik - in der Landwirschaft, auf dem Finanzmarkt, in der digitalen Welt. Sie wissen, was Parteien und Regierungen tun und was nicht – in Punkto Flüchtlingshilfe, Energieeffizienz oder Forschungsförderung. Sie fiebern mit, regen sich auf, artikulieren ihre Interessen. Sie setzen sich ein - für oder gegen eine konservative, sozialdemokratische, grüne, linke oder liberale EU-Politik. Bei den Wahlen belohnen sie EU-politische Erfolge, strafen Nichtstun, Skandale und Fehlschläge ab. Zwischendurch mischen sie sich ein: mit Initiativen, Aufrufen, Protesten.

    Was nach normaler Demokratie klingt, bleibt Utopie. Denn so läuft das nicht. Welcher Bürger zieht schon eine Bilanz der EU-Sozialpolitik? Welcher Wähler belohnt oder bestraft die Bundesregierung für ihre Politik in Brüssel? Wer diskutiert mit Freunden und Bekannten das neue EU-Investitionsprogramm? Vielleicht machen das EU-Nerds. Die breite Öffentlichkeit tut es (noch) nicht. Warum das so ist, und wie es anders laufen könnte, wollte ich im persönlichen Gespräch bei der Europawerkstatt und online auf Publixphere herausfinden. Es kam viel Feedback. Hier eine Zusammenfassung:

    Probleme der EU-Debatte:

    • EU-Gesetzgebung dauert lange. Vom ersten Gedankenspiel der EU-Kommission bis zur Umsetzung in nationales Recht vergehen leicht fünf bis zehn Jahre. Im Fall der EU-Patentreform waren es mehr als 40. Oft fehlt der eine EU-politische Showdown, vor dem die Debatte heiß laufen könnte.

    • EU-Gesetzgebung hat viele Mütter und Väter. 28 Regierungen, 28 nationale Parlamente, die EU-Kommission und das EU-Parlament verantworten die großen Entscheidungen gemeinsam. Das System ist auf diplomatischen Konsens getrimmt, nicht auf offene Kontroverse. Die einfache Erzählung 'Regierung vs. Opposition' fällt institutionell bedingt aus. Das Problem: am Ende sind oft alle und keiner verantwortlich.

    • Deutsche Massenmedien stellen EU-Gesetzgebung nicht als jahrelang ausgehandeltes Politikergebnis dar. Stattdessen wird das Bild vom Brüsseler Bürokraten gepflegt, der den Bürgern so plötzlich wie willkürlich ihre Staubsauger verbietet. Zugleich ignorieren Journalisten allzu oft die maßgebliche Mitverantwortung deutscher Regierungen, Politiker und Beamter. Der Effekt: die EU wird als das Fremde erlebt, nicht als das Eigene.

    • Wahrhaft europäische Medien fehlen bislang oder bleiben Nischen-Anbieter. Sie könnten den ganzen Diskursraum abbilden - mit all seinen Entscheidern und Positionen. Ein Grund: die Sprachbarriere.

    • EU-Gesetzgebung bleibt ein Elitenprojekt. Sie verlangt dem Einzelnen viel Wissen ab, über Institutionen, Abläufe, Rechtliches. Der Informationsrückstand von Journalisten und Bürgern ist oft dramatisch. Beispiel: Dass auch die Bundesregierung die EU-Kommission mit dem Freihandelsabkommen TTIP beauftragte, zählt aktuell schon als „Fachwissen“.

    • Der EU-Politik fehlen Identifikationsfiguren und Emotionen. Ihre Sprache ist selten einfach und direkt, dafür oft blutleer und verklauseliert. Was auch immer das aus kaltblauen Hintergründen und grautristen Gebäudekomplexen zusammengezimmerte „Corporate Design“ der EU symbolisieren soll - Bürgernähe, offener Diskurs und Leidenschaft fühlen sich anders an.

    • Allgemeine Politikverdrossenheit: Desinteresse an Politik ist kein EU-spezifisches, sondern ein allgemeines Phänomen - sie trifft auch die Bundespolitik, wie eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt.

    Was können wir tun?

    • die EU ändern: Hätten wir eine echte EU-Regierung, echte europäische Parteien, ein maximal starkes EU-Parlament und europaweit konsumierte Medien, hätten wir vielleicht auch die ideale Arena für echte Kontroversen um unsere EU-Politik. Aber das ist Zukunftsmusik. Was können wir sofort tun?

    • Betroffenheit bewusst machen: Bei vielen EU-Regeln bemerken die Bürger gar nicht oder zu spät, dass sie persönlich betroffen sind. Das können Politik und Medien schnell ändern, indem sie frühstmöglich und vorrangig kommunizieren, was EU-Gesetze konkret für den Bürger bringen und ändern. Das geht selbst bei komplexen EU-Regeln für den Strommarkt oder den Finanzsektor: es gibt ihn immer, den Bezug zum Bürger.

    • Verantwortlichkeiten verdeutlichen: Wen das EU-Verbot von Staubsaugern aufregt, sollte wissen, dass auch die Bundesregierung dieses Verbot so wollte und will. „Die“ EU ist meist der falsche Adressat für Kritik. Der richtige wären zunächst die (nationalen) Entscheidungsträger, die eine bestimmte EU-Politik betreiben. Institutionen und Medien können den Bürgern kräftig dabei helfen, Verantwortlichkeit zu erkennen. Wer stimmt im Rat und im EU-Parlament wofür - und warum? An wem scheitert was? Wo kommt diese Regelung her? Dieses Grundwissen um jeden EU-Politikprozess muss schwellenlos und schnell verfügbar sein. In einfacher Sprache. Am Besten gebündelt an einem Ort im Netz. Vielleicht sogar mit Schaubildern verdeutlicht.

    • Die bewegenden Konflikte zeigen: Medien können mehr als Brüssel-Bashing. Sie können vor EU-Entscheidungen zuspitzend darstellen, wie innerhalb des EU-Systems konservative, grüne, soziale, liberale und mitunter auch nationale Positionen aufeinanderprallen. Diese Konflikte bieten Diskussionsstoff – und gute Quoten, wie der Fall TTIP zeigt. Manche EU-Geschichte lässt sich auch personalisiert erzählen. Wie soll nun ausgerechnet Jean-Claude Juncker aus Luxemburg gegen Steuerdumping in der EU vorgehen?

    • Einmischung statt Ohnmacht: Die Bürger sollten wissen, wie sie sich europäisch artikulieren und vernetzen können – nicht nur über Parteien, sondern auch über NGOs und eigene Initiativen. Wer EU-politisch streiten will, dem empfehle ich natürlich auch diesen Diskussions-Raum hier (Publixphere) - gemeinnützig, überparteilich, offen für alle.


    Hinweis: Dieser Text erscheint in leicht gekürzter Fassung im Magazin Treffpunkt Europa - in einer Sonderausgabe zur Europawerkstatt. Alle Interessierten sind eingeladen, ihre Einsprüche und Ergänzungen per Kommentar einzubringen.

    UPDATE: Ergänzungen

    • Europäische Diskutanten in den Öffentlich-Rechtlichen: Gerald-Christian Heintges kommentiert via Twitter: "Wir brauchen viel mehr kontroverse Diskussionen in den öffentlich-rechtlichen Medien. Am besten mit Teilnehmern aus unterschiedlichen Mitgliedsstaaten und dem Europäischen Parlament. Mit europäischen Diskutanten schaffen wir einen ersten Schritt zu einer europäischen Öffentlichkeit
    • Verantwortlichkeit Claus Mayr Link: https://publixphere.net/i/publixphere-de/user/Claus_Mayr @ClausMayr macht beim Punkt "Verantwortlichkeit" darauf aufmerksam, dass nicht nur Bundesregierung eine wichtige Rolle für das EU-Recht spielt, sondern auch der Bundestag und falls erforderlich der Bundesrat. "Das heißt unterm Strich, nicht nur unsere Volksvertreter in Brüssel und Straßburg, sondern auch die in Berlin sind an den meisten Entscheidungen beteiligt. und da ist es vor allem ein Versäumnis der regionalen Medien, dass sie nicht vermitteln, was "unsere" Abgeordnete / "unser" Abgeordneter in Berlin und Brüssel berät oder am Ende in Straßburg mit beschlossen hat. Auch seien gerade im EU-Parlament nach der Wahl Deutsche in unglaublich vielen einflussreichen Positionen: "...vom deutschen EP-Präsidenten (bis 31.12.16) und zwei deutschen Vizepräsidenten über die Hälfte (!) aller Fraktionsvorsitzenden und immerhin 1/4 aller Ausschussvorsitze, die beiden Koordinatoren der größten Fraktionen im Umweltausschuss etc. etc."
  • Wie wir uns endlich um unsere EU-Politik streiten

    von Redaktion, angelegt

    Foto:dpaDeutschlands Top-Talker laden dazu ein, über wichtige EU-Entscheidungen zu streiten - und zwar noch bevor diese gefallen sind. Muss das ein völlig abwegiges Szenario bleiben? Im Bild: Frank Plasberg, Sandra Maischberger, Günther Jauch, Anne Will. Foto: dpa.


    Vom Datenschutz bis zum Warnhinweis auf der Zigarettenschachtel - eigentlich müssten wir lang und breit um die beste EU-Politik streiten. Warum wir das nicht tun, und wie wir damit anfangen könnten, wollte ich bei der Europawerkstatt der JEF und hier auf Publixphere herausfinden. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.


    Ein Beitrag von Alexander Wragge, Redaktion

    Echter Streit um politische Alternativen wäre der Kern einer lebendigen EU-Demokratie. Malen wir uns das mal aus: Europas Bürger ringen um ihre EU-Poltik - in der Landwirschaft, auf dem Finanzmarkt, in der digitalen Welt. Sie wissen, was Parteien und Regierungen tun und was nicht – in Punkto Flüchtlingshilfe, Energieeffizienz oder Forschungsförderung. Sie fiebern mit, regen sich auf, artikulieren ihre Interessen. Sie setzen sich ein - für oder gegen eine konservative, sozialdemokratische, grüne, linke oder liberale EU-Politik. Bei den Wahlen belohnen sie EU-politische Erfolge, strafen Nichtstun, Skandale und Fehlschläge ab. Zwischendurch mischen sie sich ein: mit Initiativen, Aufrufen, Protesten.

    Was nach normaler Demokratie klingt, bleibt Utopie. Denn so läuft das nicht. Welcher Bürger zieht schon eine Bilanz der EU-Sozialpolitik? Welcher Wähler belohnt oder bestraft die Bundesregierung für ihre Politik in Brüssel? Wer diskutiert mit Freunden und Bekannten das neue EU-Investitionsprogramm? Vielleicht machen das EU-Nerds. Die breite Öffentlichkeit tut es (noch) nicht. Warum das so ist, und wie es anders laufen könnte, wollte ich im persönlichen Gespräch bei der Europawerkstatt und online auf Publixphere herausfinden. Es kam viel Feedback. Hier eine Zusammenfassung:

    Probleme der EU-Debatte:

    • EU-Gesetzgebung dauert lange. Vom ersten Gedankenspiel der EU-Kommission bis zur Umsetzung in nationales Recht vergehen leicht fünf bis zehn Jahre. Im Fall der EU-Patentreform waren es mehr als 40. Oft fehlt der eine EU-politische Showdown, vor dem die Debatte heiß laufen könnte.

    • EU-Gesetzgebung hat viele Mütter und Väter. 28 Regierungen, 28 nationale Parlamente, die EU-Kommission und das EU-Parlament verantworten die großen Entscheidungen gemeinsam. Das System ist auf diplomatischen Konsens getrimmt, nicht auf offene Kontroverse. Die einfache Erzählung 'Regierung vs. Opposition' fällt institutionell bedingt aus. Das Problem: am Ende sind oft alle und keiner verantwortlich.

    • Deutsche Massenmedien stellen EU-Gesetzgebung nicht als jahrelang ausgehandeltes Politikergebnis dar. Stattdessen wird das Bild vom Brüsseler Bürokraten gepflegt, der den Bürgern so plötzlich wie willkürlich ihre Staubsauger verbietet. Zugleich ignorieren Journalisten allzu oft die maßgebliche Mitverantwortung deutscher Regierungen, Politiker und Beamter. Der Effekt: die EU wird als das Fremde erlebt, nicht als das Eigene.

    • Wahrhaft europäische Medien fehlen bislang oder bleiben Nischen-Anbieter. Sie könnten den ganzen Diskursraum abbilden - mit all seinen Entscheidern und Positionen. Ein Grund: die Sprachbarriere.

    • EU-Gesetzgebung bleibt ein Elitenprojekt. Sie verlangt dem Einzelnen viel Wissen ab, über Institutionen, Abläufe, Rechtliches. Der Informationsrückstand von Journalisten und Bürgern ist oft dramatisch. Beispiel: Dass auch die Bundesregierung die EU-Kommission mit dem Freihandelsabkommen TTIP beauftragte, zählt aktuell schon als „Fachwissen“.

    • Der EU-Politik fehlen Identifikationsfiguren und Emotionen. Ihre Sprache ist selten einfach und direkt, dafür oft blutleer und verklauseliert. Was auch immer das aus kaltblauen Hintergründen und grautristen Gebäudekomplexen zusammengezimmerte „Corporate Design“ der EU symbolisieren soll - Bürgernähe, offener Diskurs und Leidenschaft fühlen sich anders an.

    • Allgemeine Politikverdrossenheit: Desinteresse an Politik ist kein EU-spezifisches, sondern ein allgemeines Phänomen - sie trifft auch die Bundespolitik, wie eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt.

    Was können wir tun?

    • die EU ändern: Hätten wir eine echte EU-Regierung, echte europäische Parteien, ein maximal starkes EU-Parlament und europaweit konsumierte Medien, hätten wir vielleicht auch die ideale Arena für echte Kontroversen um unsere EU-Politik. Aber das ist Zukunftsmusik. Was können wir sofort tun?

    • Betroffenheit bewusst machen: Bei vielen EU-Regeln bemerken die Bürger gar nicht oder zu spät, dass sie persönlich betroffen sind. Das können Politik und Medien schnell ändern, indem sie frühstmöglich und vorrangig kommunizieren, was EU-Gesetze konkret für den Bürger bringen und ändern. Das geht selbst bei komplexen EU-Regeln für den Strommarkt oder den Finanzsektor: es gibt ihn immer, den Bezug zum Bürger.

    • Verantwortlichkeiten verdeutlichen: Wen das EU-Verbot von Staubsaugern aufregt, sollte wissen, dass auch die Bundesregierung dieses Verbot so wollte und will. „Die“ EU ist meist der falsche Adressat für Kritik. Der richtige wären zunächst die (nationalen) Entscheidungsträger, die eine bestimmte EU-Politik betreiben. Institutionen und Medien können den Bürgern kräftig dabei helfen, Verantwortlichkeit zu erkennen. Wer stimmt im Rat und im EU-Parlament wofür - und warum? An wem scheitert was? Wo kommt diese Regelung her? Dieses Grundwissen um jeden EU-Politikprozess muss schwellenlos und schnell verfügbar sein. In einfacher Sprache. Am Besten gebündelt an einem Ort im Netz. Vielleicht sogar mit Schaubildern verdeutlicht.

    • Die bewegenden Konflikte zeigen: Medien können mehr als Brüssel-Bashing. Sie können vor EU-Entscheidungen zuspitzend darstellen, wie innerhalb des EU-Systems konservative, grüne, soziale, liberale und mitunter auch nationale Positionen aufeinanderprallen. Diese Konflikte bieten Diskussionsstoff – und gute Quoten, wie der Fall TTIP zeigt. Manche EU-Geschichte lässt sich auch personalisiert erzählen. Wie soll nun ausgerechnet Jean-Claude Juncker aus Luxemburg gegen Steuerdumping in der EU vorgehen?

    • Einmischung statt Ohnmacht: Die Bürger sollten wissen, wie sie sich europäisch artikulieren und vernetzen können – nicht nur über Parteien, sondern auch über NGOs und eigene Initiativen. Wer EU-politisch streiten will, dem empfehle ich natürlich auch diesen Diskussions-Raum hier (Publixphere) - gemeinnützig, überparteilich, offen für alle.


    Hinweis: Dieser Text erscheint in leicht gekürzter Fassung im Magazin Treffpunkt Europa - in einer Sonderausgabe zur Europawerkstatt. Alle Interessierten sind eingeladen, ihre Einsprüche und Ergänzungen per Kommentar einzubringen.

    UPDATE: Ergänzungen

    • Gerald-Christian Heintges kommentiert Link: https://twitter.com/publixphere/status/542310408108146688 [kommentiert]/https://twitter.com/publixphere/status/542310408108146688) via Twitter: "Wir brauchen viel mehr kontroverse Diskussionen in den öffentlich-rechtlichen Medien. Am besten mit Teilnehmern aus unterschiedlichen Mitgliedsstaaten und dem Europäischen Parlament. Mit europäischen Diskutanten schaffen wir einen ersten Schritt zu einer europäischen Öffentlichkeit
    • @ClausMayr macht beim Punkt "Verantwortlichkeit" darauf aufmerksam, dass nicht nur Bundesregierung eine wichtige Rolle für das EU-Recht spielt, sondern auch der Bundestag und falls erforderlich der Bundesrat. "Das heißt unterm Strich, nicht nur unsere Volksvertreter in Brüssel und Straßburg, sondern auch die in Berlin sind an den meisten Entscheidungen beteiligt. und da ist es vor allem ein Versäumnis der regionalen Medien, dass sie nicht vermitteln, was "unsere" Abgeordnete / "unser" Abgeordneter in Berlin und Brüssel berät oder am Ende in Straßburg mit beschlossen hat. Auch seien gerade im EU-Parlament nach der Wahl Deutsche in unglaublich vielen einflussreichen Positionen: "...vom deutschen EP-Präsidenten (bis 31.12.16) und zwei deutschen Vizepräsidenten über die Hälfte (!) aller Fraktionsvorsitzenden und immerhin 1/4 aller Ausschussvorsitze, die beiden Koordinatoren der größten Fraktionen im Umweltausschuss etc. etc."
  • Wie wir uns endlich um unsere EU-Politik streiten

    von Redaktion, angelegt

    Foto:dpaDeutschlands Top-Talker laden dazu ein, über wichtige EU-Entscheidungen zu streiten - und zwar noch bevor diese gefallen sind. Muss das ein völlig abwegiges Szenario bleiben? Im Bild: Frank Plasberg, Sandra Maischberger, Günther Jauch, Anne Will. Foto: dpa.


    Vom Datenschutz bis zum Warnhinweis auf der Zigarettenschachtel - eigentlich müssten wir lang und breit um die beste EU-Politik streiten. Warum wir das nicht tun, und wie wir damit anfangen könnten, wollte ich bei der Europawerkstatt der JEF und hier auf Publixphere herausfinden. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.


    Ein Beitrag von Alexander Wragge, Redaktion

    Echter Streit um politische Alternativen wäre der Kern einer lebendigen EU-Demokratie. Malen wir uns das mal aus: Europas Bürger ringen um ihre EU-Poltik - in der Landwirschaft, auf dem Finanzmarkt, in der digitalen Welt. Sie wissen, was Parteien und Regierungen tun und was nicht – in Punkto Flüchtlingshilfe, Energieeffizienz oder Forschungsförderung. Sie fiebern mit, regen sich auf, artikulieren ihre Interessen. Sie setzen sich ein - für oder gegen eine konservative, sozialdemokratische, grüne, linke oder liberale EU-Politik. Bei den Wahlen belohnen sie EU-politische Erfolge, strafen Nichtstun, Skandale und Fehlschläge ab. Zwischendurch mischen sie sich ein: mit Initiativen, Aufrufen, Protesten.

    Was nach normaler Demokratie klingt, bleibt Utopie. Denn so läuft das nicht. Welcher Bürger zieht schon eine Bilanz der EU-Sozialpolitik? Welcher Wähler belohnt oder bestraft die Bundesregierung für ihre Politik in Brüssel? Wer diskutiert mit Freunden und Bekannten das neue EU-Investitionsprogramm? Vielleicht machen das EU-Nerds. Die breite Öffentlichkeit tut es (noch) nicht. Warum das so ist, und wie es anders laufen könnte, wollte ich im persönlichen Gespräch bei der Europawerkstatt und online auf Publixphere herausfinden. Es kam viel Feedback. Hier eine Zusammenfassung:

    Probleme der EU-Debatte:

    • EU-Gesetzgebung dauert lange. Vom ersten Gedankenspiel der EU-Kommission bis zur Umsetzung in nationales Recht vergehen leicht fünf bis zehn Jahre. Im Fall der EU-Patentreform waren es mehr als 40. Oft fehlt der eine EU-politische Showdown, vor dem die Debatte heiß laufen könnte.

    • EU-Gesetzgebung hat viele Mütter und Väter. 28 Regierungen, 28 nationale Parlamente, die EU-Kommission und das EU-Parlament verantworten die großen Entscheidungen gemeinsam. Das System ist auf diplomatischen Konsens getrimmt, nicht auf offene Kontroverse. Die einfache Erzählung 'Regierung vs. Opposition' fällt institutionell bedingt aus. Das Problem: am Ende sind oft alle und keiner verantwortlich.

    • Deutsche Massenmedien stellen EU-Gesetzgebung nicht als jahrelang ausgehandeltes Politikergebnis dar. Stattdessen wird das Bild vom Brüsseler Bürokraten gepflegt, der den Bürgern so plötzlich wie willkürlich ihre Staubsauger verbietet. Zugleich ignorieren Journalisten allzu oft die maßgebliche Mitverantwortung deutscher Regierungen, Politiker und Beamter. Der Effekt: die EU wird als das Fremde erlebt, nicht als das Eigene.

    • Wahrhaft europäische Medien fehlen bislang oder bleiben Nischen-Anbieter. Sie könnten den ganzen Diskursraum abbilden - mit all seinen Entscheidern und Positionen. Ein Grund: die Sprachbarriere.

    • EU-Gesetzgebung bleibt ein Elitenprojekt. Sie verlangt dem Einzelnen viel Wissen ab, über Institutionen, Abläufe, Rechtliches. Der Informationsrückstand von Journalisten und Bürgern ist oft dramatisch. Beispiel: Dass auch die Bundesregierung die EU-Kommission mit dem Freihandelsabkommen TTIP beauftragte, zählt aktuell schon als „Fachwissen“.

    • Der EU-Politik fehlen Identifikationsfiguren und Emotionen. Ihre Sprache ist selten einfach und direkt, dafür oft blutleer und verklauseliert. Was auch immer das aus kaltblauen Hintergründen und grautristen Gebäudekomplexen zusammengezimmerte „Corporate Design“ der EU symbolisieren soll - Bürgernähe, offener Diskurs und Leidenschaft fühlen sich anders an.

    • Allgemeine Politikverdrossenheit: Desinteresse an Politik ist kein EU-spezifisches, sondern ein allgemeines Phänomen - sie trifft auch die Bundespolitik, wie eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt.

    Was können wir tun?

    • die EU ändern: Hätten wir eine echte EU-Regierung, echte europäische Parteien, ein maximal starkes EU-Parlament und europaweit konsumierte Medien, hätten wir vielleicht auch die ideale Arena für echte Kontroversen um unsere EU-Politik. Aber das ist Zukunftsmusik. Was können wir sofort tun?

    • Betroffenheit bewusst machen: Bei vielen EU-Regeln bemerken die Bürger gar nicht oder zu spät, dass sie persönlich betroffen sind. Das können Politik und Medien schnell ändern, indem sie frühstmöglich und vorrangig kommunizieren, was EU-Gesetze konkret für den Bürger bringen und ändern. Das geht selbst bei komplexen EU-Regeln für den Strommarkt oder den Finanzsektor: es gibt ihn immer, den Bezug zum Bürger.

    • Verantwortlichkeiten verdeutlichen: Wen das EU-Verbot von Staubsaugern aufregt, sollte wissen, dass auch die Bundesregierung dieses Verbot so wollte und will. „Die“ EU ist meist der falsche Adressat für Kritik. Der richtige wären zunächst die (nationalen) Entscheidungsträger, die eine bestimmte EU-Politik betreiben. Institutionen und Medien können den Bürgern kräftig dabei helfen, Verantwortlichkeit zu erkennen. Wer stimmt im Rat und im EU-Parlament wofür - und warum? An wem scheitert was? Wo kommt diese Regelung her? Dieses Grundwissen um jeden EU-Politikprozess muss schwellenlos und schnell verfügbar sein. In einfacher Sprache. Am Besten gebündelt an einem Ort im Netz. Vielleicht sogar mit Schaubildern verdeutlicht.

    • Die bewegenden Konflikte zeigen: Medien können mehr als Brüssel-Bashing. Sie können vor EU-Entscheidungen zuspitzend darstellen, wie innerhalb des EU-Systems konservative, grüne, soziale, liberale und mitunter auch nationale Positionen aufeinanderprallen. Diese Konflikte bieten Diskussionsstoff – und gute Quoten, wie der Fall TTIP zeigt. Manche EU-Geschichte lässt sich auch personalisiert erzählen. Wie soll nun ausgerechnet Jean-Claude Juncker aus Luxemburg gegen Steuerdumping in der EU vorgehen?

    • Einmischung statt Ohnmacht: Die Bürger sollten wissen, wie sie sich europäisch artikulieren und vernetzen können – nicht nur über Parteien, sondern auch über NGOs und eigene Initiativen. Wer EU-politisch streiten will, dem empfehle ich natürlich auch diesen Diskussions-Raum hier (Publixphere) - gemeinnützig, überparteilich, offen für alle.


    Hinweis: Dieser Text erscheint in leicht gekürzter Fassung im Magazin Treffpunkt Europa - in einer Sonderausgabe zur Europawerkstatt. Alle Interessierten sind eingeladen, ihre Einsprüche und Ergänzungen per Kommentar einzubringen.

    UPDATE: Ergänzungen

    • Gerald-Christian Heintges [kommentiert]/https://twitter.com/publixphere/status/542310408108146688) via Twitter: "Wir brauchen viel mehr kontroverse Diskussionen in den öffentlich-rechtlichen Medien. Am besten mit Teilnehmern aus unterschiedlichen Mitgliedsstaaten und dem Europäischen Parlament. Mit europäischen Diskutanten schaffen wir einen ersten Schritt zu einer europäischen Öffentlichkeit
    • @ClausMayr macht beim Punkt "Verantwortlichkeit" darauf aufmerksam, dass nicht nur Bundesregierung eine wichtige Rolle für das EU-Recht spielt, sondern auch der Bundestag und falls erforderlich der Bundesrat. "Das heißt unterm Strich, nicht nur unsere Volksvertreter in Brüssel und Straßburg, sondern auch die in Berlin sind an den meisten Entscheidungen beteiligt. und da ist es vor allem ein Versäumnis der regionalen Medien, dass sie nicht vermitteln, was "unsere" Abgeordnete / "unser" Abgeordneter in Berlin und Brüssel berät oder am Ende in Straßburg mit beschlossen hat. Auch seien gerade im EU-Parlament nach der Wahl Deutsche in unglaublich vielen einflussreichen Positionen: "...vom deutschen EP-Präsidenten (bis 31.12.16) und zwei deutschen Vizepräsidenten über die Hälfte (!) aller Fraktionsvorsitzenden und immerhin 1/4 aller Ausschussvorsitze, die beiden Koordinatoren der größten Fraktionen im Umweltausschuss etc. etc."
  • Wie wir uns endlich um unsere EU-Politik streiten

    von Redaktion, angelegt

    Foto:dpaDeutschlands Top-Talker laden dazu ein, über wichtige EU-Entscheidungen zu streiten - und zwar noch bevor diese gefallen sind. Muss das ein völlig abwegiges Szenario bleiben? Im Bild: Frank Plasberg, Sandra Maischberger, Günther Jauch, Anne Will. Foto: dpa.


    Vom Datenschutz bis zum Warnhinweis auf der Zigarettenschachtel - eigentlich müssten wir lang und breit um die beste EU-Politik streiten. Warum wir das nicht tun, und wie wir damit anfangen könnten, wollte ich bei der Europawerkstatt der JEF und hier auf Publixphere herausfinden. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.


    Ein Beitrag von Alexander Wragge, Redaktion

    Echter Streit um politische Alternativen wäre der Kern einer lebendigen EU-Demokratie. Malen wir uns das mal aus: Europas Bürger ringen um ihre EU-Poltik - in der Landwirschaft, auf dem Finanzmarkt, in der digitalen Welt. Sie wissen, was Parteien und Regierungen tun und was nicht – in Punkto Flüchtlingshilfe, Energieeffizienz oder Forschungsförderung. Sie fiebern mit, regen sich auf, artikulieren ihre Interessen. Sie setzen sich ein - für oder gegen eine konservative, sozialdemokratische, grüne, linke oder liberale EU-Politik. Bei den Wahlen belohnen sie EU-politische Erfolge, strafen Nichtstun, Skandale und Fehlschläge ab. Zwischendurch mischen sie sich ein: mit Initiativen, Aufrufen, Protesten.

    Was nach normaler Demokratie klingt, bleibt Utopie. Denn so läuft das nicht. Welcher Bürger zieht schon eine Bilanz der EU-Sozialpolitik? Welcher Wähler belohnt oder bestraft die Bundesregierung für ihre Politik in Brüssel? Wer diskutiert mit Freunden und Bekannten das neue EU-Investitionsprogramm? Vielleicht machen das EU-Nerds. Die breite Öffentlichkeit tut es (noch) nicht. Warum das so ist, und wie es anders laufen könnte, wollte ich im persönlichen Gespräch bei der Europawerkstatt und online auf Publixphere herausfinden. Es kam viel Feedback. Hier eine Zusammenfassung: Zentrale Ergebnisse im Überblick:

    Probleme der EU-Debatte:

    • EU-Gesetzgebung dauert lange. Vom ersten Gedankenspiel der EU-Kommission bis zur Umsetzung in nationales Recht vergehen leicht fünf bis zehn Jahre. Im Fall der EU-Patentreform waren es mehr als 40. Oft fehlt der eine EU-politische Showdown, vor dem die Debatte heiß laufen könnte.

    • EU-Gesetzgebung hat viele Mütter und Väter. 28 Regierungen, 28 nationale Parlamente, die EU-Kommission und das EU-Parlament verantworten die großen Entscheidungen gemeinsam. Das System ist auf diplomatischen Konsens getrimmt, nicht auf offene Kontroverse. Die einfache Erzählung 'Regierung vs. Opposition' fällt institutionell bedingt aus. Das Problem: am Ende sind oft alle und keiner verantwortlich.

    • Deutsche Massenmedien stellen EU-Gesetzgebung nicht als jahrelang ausgehandeltes Politikergebnis dar. Stattdessen wird das Bild vom Brüsseler Bürokraten gepflegt, der den Bürgern so plötzlich wie willkürlich ihre Staubsauger verbietet. Zugleich ignorieren Journalisten allzu oft die maßgebliche Mitverantwortung deutscher Regierungen, Politiker und Beamter. Der Effekt: die EU wird als das Fremde erlebt, nicht als das Eigene.

    • Wahrhaft europäische Medien fehlen bislang oder bleiben Nischen-Anbieter. Sie könnten den ganzen Diskursraum abbilden - mit all seinen Entscheidern und Positionen. Ein Grund: die Sprachbarriere.

    • EU-Gesetzgebung bleibt ein Elitenprojekt. Sie verlangt dem Einzelnen viel Wissen ab, über Institutionen, Abläufe, Rechtliches. Der Informationsrückstand von Journalisten und Bürgern ist oft dramatisch. Beispiel: Dass auch die Bundesregierung die EU-Kommission mit dem Freihandelsabkommen TTIP beauftragte, zählt aktuell schon als „Fachwissen“.

    • Der EU-Politik fehlen Identifikationsfiguren und Emotionen. Ihre Sprache ist selten einfach und direkt, dafür oft blutleer und verklauseliert. Was auch immer das aus kaltblauen Hintergründen und grautristen Gebäudekomplexen zusammengezimmerte „Corporate Design“ der EU symbolisieren soll - Bürgernähe, offener Diskurs und Leidenschaft fühlen sich anders an.

    • Allgemeine Politikverdrossenheit: Desinteresse an Politik ist kein EU-spezifisches, sondern ein allgemeines Phänomen - sie trifft auch die Bundespolitik, wie eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt.

    Was können wir tun?

    • die EU ändern: Hätten wir eine echte EU-Regierung, echte europäische Parteien, ein maximal starkes EU-Parlament und europaweit konsumierte Medien, hätten wir vielleicht auch die ideale Arena für echte Kontroversen um unsere EU-Politik. Aber das ist Zukunftsmusik. Was können wir sofort tun?

    • Betroffenheit bewusst machen: Bei vielen EU-Regeln bemerken die Bürger gar nicht oder zu spät, dass sie persönlich betroffen sind. Das können Politik und Medien schnell ändern, indem sie frühstmöglich und vorrangig kommunizieren, was EU-Gesetze konkret für den Bürger bringen und ändern. Das geht selbst bei komplexen EU-Regeln für den Strommarkt oder den Finanzsektor: es gibt ihn immer, den Bezug zum Bürger.

    • Verantwortlichkeiten verdeutlichen: Wen das EU-Verbot von Staubsaugern aufregt, sollte wissen, dass auch die Bundesregierung dieses Verbot so wollte und will. „Die“ EU ist meist der falsche Adressat für Kritik. Der richtige wären zunächst die (nationalen) Entscheidungsträger, die eine bestimmte EU-Politik betreiben. Institutionen und Medien können den Bürgern kräftig dabei helfen, Verantwortlichkeit zu erkennen. Wer stimmt im Rat und im EU-Parlament wofür - und warum? An wem scheitert was? Wo kommt diese Regelung her? Dieses Grundwissen um jeden EU-Politikprozess muss schwellenlos und schnell verfügbar sein. In einfacher Sprache. Am Besten gebündelt an einem Ort im Netz. Vielleicht sogar mit Schaubildern verdeutlicht.

    • Die bewegenden Konflikte zeigen: Medien können mehr als Brüssel-Bashing. Sie können vor EU-Entscheidungen zuspitzend darstellen, wie innerhalb des EU-Systems konservative, grüne, soziale, liberale und mitunter auch nationale Positionen aufeinanderprallen. Diese Konflikte bieten Diskussionsstoff – und gute Quoten, wie der Fall TTIP zeigt. Manche EU-Geschichte lässt sich auch personalisiert erzählen. Wie soll nun ausgerechnet Jean-Claude Juncker aus Luxemburg gegen Steuerdumping in der EU vorgehen?

    • Einmischung statt Ohnmacht: Die Bürger sollten wissen, wie sie sich europäisch artikulieren und vernetzen können – nicht nur über Parteien, sondern auch über NGOs und eigene Initiativen. Wer EU-politisch streiten will, dem empfehle ich natürlich auch diesen Diskussions-Raum hier (Publixphere) - gemeinnützig, überparteilich, offen für alle.


    Hinweis: Dieser Text erscheint in leicht gekürzter Fassung im Magazin Treffpunkt Europa - in einer Sonderausgabe zur Europawerkstatt. Alle Interessierten sind eingeladen, ihre Einsprüche und Ergänzungen per Kommentar einzubringen.

  • Wie wir uns endlich um unsere EU-Politik streiten

    von Redaktion, angelegt

    Foto:dpaDeutschlands Top-Talker laden dazu ein, über wichtige EU-Entscheidungen zu streiten - und zwar noch bevor diese gefallen sind. Muss das ein völlig abwegiges Szenario bleiben? Im Bild: Frank Plasberg, Sandra Maischberger, Günther Jauch, Anne Will. Foto: dpa.


    Vom Datenschutz bis zum Warnhinweis auf der Zigarettenschachtel - eigentlich müssten wir lang und breit um die beste EU-Politik streiten. Warum wir das nicht tun, und wie wir damit anfangen könnten, wollte ich bei der Europawerkstatt der JEF und hier auf Publixphere herausfinden. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.


    Ein Beitrag von Alexander Wragge, Redaktion

    Echter Streit um politische Alternativen wäre der Kern einer lebendigen EU-Demokratie. Malen wir uns das mal aus: Europas Bürger ringen um ihre EU-Poltik - in der Landwirschaft, auf dem Finanzmarkt, in der digitalen Welt. Sie wissen, was Parteien und Regierungen tun und was nicht – in Punkto Flüchtlingshilfe, Energieeffizienz oder Forschungsförderung. Sie fiebern mit, regen sich auf, artikulieren ihre Interessen. Sie setzen sich ein - für oder gegen eine konservative, sozialdemokratische, grüne, linke oder liberale EU-Politik. Bei den Wahlen belohnen sie EU-politische Erfolge, strafen Nichtstun, Skandale und Fehlschläge ab. Zwischendurch mischen sie sich ein: mit Initiativen, Aufrufen, Protesten.

    Was nach normaler Demokratie klingt, bleibt Utopie. Denn so läuft das nicht. Welcher Bürger zieht schon eine Bilanz der EU-Sozialpolitik? Welcher Wähler belohnt oder bestraft die Bundesregierung für ihre Politik in Brüssel? Wer diskutiert mit Freunden und Bekannten das neue EU-Investitionsprogramm? Vielleicht machen das EU-Nerds. Die breite Öffentlichkeit tut es (noch) nicht. Warum das so ist, und wie es anders laufen könnte, wollte ich im persönlichen Gespräch bei in der Europawerkstatt und online auf Publixphere herausfinden. Es kam viel Feedback. Zentrale Ergebnisse im Überblick:

    Probleme der EU-Debatte:

    • EU-Gesetzgebung dauert lange. Vom ersten Gedankenspiel der EU-Kommission bis zur Umsetzung in nationales Recht vergehen leicht fünf bis zehn Jahre. Im Fall der EU-Patentreform waren es mehr als 40. Oft fehlt der eine EU-politische Showdown, vor dem die Debatte heiß laufen könnte.

    • EU-Gesetzgebung hat viele Mütter und Väter. 28 Regierungen, 28 nationale Parlamente, die EU-Kommission und das EU-Parlament verantworten die großen Entscheidungen gemeinsam. Das System ist auf diplomatischen Konsens getrimmt, nicht auf offene Kontroverse. Die einfache Erzählung 'Regierung vs. Opposition' fällt institutionell bedingt aus. Das Problem: am Ende sind oft alle und keiner verantwortlich.

    • Deutsche Massenmedien stellen EU-Gesetzgebung nicht als jahrelang ausgehandeltes Politikergebnis dar. Stattdessen wird das Bild vom Brüsseler Bürokraten gepflegt, der den Bürgern so plötzlich wie willkürlich ihre Staubsauger verbietet. Zugleich ignorieren Journalisten allzu oft die maßgebliche Mitverantwortung deutscher Regierungen, Politiker und Beamter. Der Effekt: die EU wird als das Fremde erlebt, nicht als das Eigene.

    • Wahrhaft europäische Medien fehlen bislang oder bleiben Nischen-Anbieter. Sie könnten den ganzen Diskursraum abbilden - mit all seinen Entscheidern und Positionen. Ein Grund: die Sprachbarriere.

    • EU-Gesetzgebung bleibt ein Elitenprojekt. Sie verlangt dem Einzelnen viel Wissen ab, über Institutionen, Abläufe, Rechtliches. Der Informationsrückstand von Journalisten und Bürgern ist oft dramatisch. Beispiel: Dass auch die Bundesregierung die EU-Kommission mit dem Freihandelsabkommen TTIP beauftragte, zählt aktuell schon als „Fachwissen“.

    • Der EU-Politik fehlen Identifikationsfiguren und Emotionen. Ihre Sprache ist selten einfach und direkt, dafür oft blutleer und verklauseliert. Was auch immer das aus kaltblauen Hintergründen und grautristen Gebäudekomplexen zusammengezimmerte „Corporate Design“ der EU symbolisieren soll - Bürgernähe, offener Diskurs und Leidenschaft fühlen sich anders an.

    • Allgemeine Politikverdrossenheit: Desinteresse an Politik ist kein EU-spezifisches, sondern ein allgemeines Phänomen - sie trifft auch die Bundespolitik, wie eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt.

    Was können wir tun?

    • die EU ändern: Hätten wir eine echte EU-Regierung, echte europäische Parteien, ein maximal starkes EU-Parlament und europaweit konsumierte Medien, hätten wir vielleicht auch die ideale Arena für echte Kontroversen um unsere EU-Politik. Aber das ist Zukunftsmusik. Was können wir sofort tun?

    • Betroffenheit bewusst machen: Bei vielen EU-Regeln bemerken die Bürger gar nicht oder zu spät, dass sie persönlich betroffen sind. Das können Politik und Medien schnell ändern, indem sie frühstmöglich und vorrangig kommunizieren, was EU-Gesetze konkret für den Bürger bringen und ändern. Das geht selbst bei komplexen EU-Regeln für den Strommarkt oder den Finanzsektor: es gibt ihn immer, den Bezug zum Bürger.

    • Verantwortlichkeiten verdeutlichen: Wen das EU-Verbot von Staubsaugern aufregt, sollte wissen, dass auch die Bundesregierung dieses Verbot so wollte und will. „Die“ EU ist meist der falsche Adressat für Kritik. Der richtige wären zunächst die (nationalen) Entscheidungsträger, die eine bestimmte EU-Politik betreiben. Institutionen und Medien können den Bürgern kräftig dabei helfen, Verantwortlichkeit zu erkennen. Wer stimmt im Rat und im EU-Parlament wofür - und warum? An wem scheitert was? Wo kommt diese Regelung her? Dieses Grundwissen um jeden EU-Politikprozess muss schwellenlos und schnell verfügbar sein. In einfacher Sprache. Am Besten gebündelt an einem Ort im Netz. Vielleicht sogar mit Schaubildern verdeutlicht.

    • Die bewegenden Konflikte zeigen: Medien können mehr als Brüssel-Bashing. Sie können vor EU-Entscheidungen zuspitzend darstellen, wie innerhalb des EU-Systems konservative, grüne, soziale, liberale und mitunter auch nationale Positionen aufeinanderprallen. Diese Konflikte bieten Diskussionsstoff – und gute Quoten, wie der Fall TTIP zeigt. Manche EU-Geschichte lässt sich auch personalisiert erzählen. Wie soll nun ausgerechnet Jean-Claude Juncker aus Luxemburg gegen Steuerdumping in der EU vorgehen?

    • Einmischung statt Ohnmacht: Die Bürger sollten wissen, wie sie sich europäisch artikulieren und vernetzen können – nicht nur über Parteien, sondern auch über NGOs und eigene Initiativen. Wer EU-politisch streiten will, dem empfehle ich natürlich auch diesen Diskussions-Raum hier (Publixphere) - gemeinnützig, überparteilich, offen für alle.


    Hinweis: Dieser Text erscheint in leicht gekürzter Fassung im Magazin Treffpunkt Europa - in einer Sonderausgabe zur Europawerkstatt. Alle Interessierten sind eingeladen, ihre Einsprüche und Ergänzungen per Kommentar einzubringen.

  • Wie wir uns endlich um unsere EU-Politik streiten

    von Redaktion, angelegt

    Foto:dpaDeutschlands Top-Talker laden dazu ein, über wichtige EU-Entscheidungen zu streiten - und zwar noch bevor diese gefallen sind. Muss das ein völlig abwegiges Szenario bleiben? Im Bild: Frank Plasberg, Sandra Maischberger, Günther Jauch, Anne Will. Foto: dpa.


    Vom Datenschutz bis zum Warnhinweis auf der Zigarettenschachtel - eigentlich müssten wir lang und breit um die beste EU-Politik streiten. Warum wir das nicht tun, und wie wir damit anfangen könnten, wollte ich bei der Europawerkstatt der JEF und hier auf Publixphere herausfinden. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.


    Ein Beitrag von Alexander Wragge, Redaktion

    Echter Streit um politische Alternativen wäre der Kern einer lebendigen EU-Demokratie. Malen wir uns das mal aus: Europas Bürger ringen um ihre EU-Poltik - in der Landwirschaft, auf dem Finanzmarkt, in der digitalen Welt. Sie wissen, was Parteien und Regierungen tun und was nicht – in Punkto Flüchtlingshilfe, Energieeffizienz oder Forschungsförderung. Sie fiebern mit, regen sich auf, artikulieren ihre Interessen. Sie setzen sich ein - für oder gegen eine konservative, sozialdemokratische, grüne, linke oder liberale EU-Politik. Bei den Wahlen belohnen sie EU-politische Erfolge, strafen Nichtstun, Skandale und Fehlschläge ab. Zwischendurch mischen sie sich ein: mit Initiativen, Aufrufen, Protesten.

    Was nach normaler Demokratie klingt, bleibt Utopie. Denn so läuft das nicht. Welcher Bürger zieht schon eine Bilanz der EU-Sozialpolitik? Welcher Wähler belohnt oder bestraft die Bundesregierung für ihre Politik in Brüssel? Wer diskutiert mit Freunden und Bekannten das neue EU-Investitionsprogramm? Vielleicht machen das EU-Nerds. Die breite Öffentlichkeit tut es (noch) nicht. Warum das so ist, und wie es anders laufen könnte, wollte ich in der Europawerkstatt und online auf Publixphere herausfinden. Zentrale Ergebnisse im Überblick:

    Probleme der EU-Debatte:

    • EU-Gesetzgebung dauert lange. Vom ersten Gedankenspiel der EU-Kommission bis zur Umsetzung in nationales Recht vergehen leicht fünf bis zehn Jahre. Im Fall der EU-Patentreform waren es mehr als 40. Oft fehlt der eine EU-politische Showdown, vor dem die Debatte heiß laufen könnte.

    • EU-Gesetzgebung hat viele Mütter und Väter. 28 Regierungen, 28 nationale Parlamente, die EU-Kommission und das EU-Parlament verantworten die großen Entscheidungen gemeinsam. Das System ist auf diplomatischen Konsens getrimmt, nicht auf offene Kontroverse. Die einfache Erzählung 'Regierung vs. Opposition' fällt institutionell bedingt aus. Das Problem: am Ende sind oft alle und keiner verantwortlich.

    • Deutsche Massenmedien stellen EU-Gesetzgebung nicht als jahrelang ausgehandeltes Politikergebnis dar. Stattdessen wird das Bild vom Brüsseler Bürokraten gepflegt, der den Bürgern so plötzlich wie willkürlich ihre Staubsauger verbietet. Zugleich ignorieren Journalisten allzu oft die maßgebliche Mitverantwortung deutscher Regierungen, Politiker und Beamter. Der Effekt: die EU wird als das Fremde erlebt, nicht als das Eigene.

    • Wahrhaft europäische Medien fehlen bislang oder bleiben Nischen-Anbieter. Sie könnten den ganzen Diskursraum abbilden - mit all seinen Entscheidern und Positionen. Ein Grund: die Sprachbarriere.

    • EU-Gesetzgebung bleibt ein Elitenprojekt. Sie verlangt dem Einzelnen viel Wissen ab, über Institutionen, Abläufe, Rechtliches. Der Informationsrückstand von Journalisten und Bürgern ist oft dramatisch. Beispiel: Dass auch die Bundesregierung die EU-Kommission mit dem Freihandelsabkommen TTIP beauftragte, zählt aktuell schon als „Fachwissen“.

    • Der EU-Politik fehlen Identifikationsfiguren und Emotionen. Ihre Sprache ist selten einfach und direkt, dafür oft blutleer und verklauseliert. Was auch immer das aus kaltblauen Hintergründen und grautristen Gebäudekomplexen zusammengezimmerte „Corporate Design“ der EU symbolisieren soll - Bürgernähe, offener Diskurs und Leidenschaft fühlen sich anders an.

    • Allgemeine Politikverdrossenheit: Desinteresse an Politik ist kein EU-spezifisches, sondern ein allgemeines Phänomen - sie trifft auch die Bundespolitik, den Bundestag wie eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt.

    Was können wir tun?

    • die EU ändern: Hätten wir eine echte EU-Regierung, echte europäische Parteien, ein maximal starkes EU-Parlament und europaweit konsumierte Medien, hätten wir vielleicht auch die ideale Arena für echte Kontroversen um unsere EU-Politik. Aber das ist Zukunftsmusik. Was können wir sofort tun?

    • Betroffenheit bewusst machen: Bei vielen EU-Regeln bemerken die Bürger gar nicht oder zu spät, dass sie persönlich betroffen sind. Das können Politik und Medien schnell ändern, indem sie frühstmöglich und vorrangig kommunizieren, was EU-Gesetze konkret für den Bürger bringen und ändern. Das geht selbst bei komplexen EU-Regeln für den Strommarkt oder den Finanzsektor: es gibt ihn immer, den Bezug zum Bürger.

    • Verantwortlichkeiten verdeutlichen: Wen das EU-Verbot von Staubsaugern aufregt, sollte wissen, dass auch die Bundesregierung dieses Verbot so wollte und will. „Die“ EU ist meist der falsche Adressat für Kritik. Der richtige wären zunächst die (nationalen) Entscheidungsträger, die eine bestimmte EU-Politik betreiben. Institutionen und Medien können den Bürgern kräftig dabei helfen, Verantwortlichkeit zu erkennen. Wer stimmt im Rat und im EU-Parlament wofür - und warum? An wem scheitert was? Wo kommt diese Regelung her? Dieses Grundwissen um jeden EU-Politikprozess muss schwellenlos und schnell verfügbar sein. In einfacher Sprache. Am Besten gebündelt an einem Ort im Netz. Vielleicht sogar mit Schaubildern verdeutlicht.

    • Die bewegenden Konflikte zeigen: Medien können mehr als Brüssel-Bashing. Sie können vor EU-Entscheidungen zuspitzend darstellen, wie innerhalb des EU-Systems konservative, grüne, soziale, liberale und mitunter auch nationale Positionen aufeinanderprallen. Diese Konflikte bieten Diskussionsstoff – und gute Quoten, wie der Fall TTIP zeigt. Manche EU-Geschichte lässt sich auch personalisiert erzählen. Wie soll nun ausgerechnet Jean-Claude Juncker aus Luxemburg gegen Steuerdumping in der EU vorgehen?

    • Einmischung statt Ohnmacht: Die Bürger sollten wissen, wie sie sich europäisch artikulieren und vernetzen können – nicht nur über Parteien, sondern auch über NGOs und eigene Initiativen. Wer EU-politisch streiten will, dem empfehle ich natürlich auch diesen Diskussions-Raum hier (Publixphere) - gemeinnützig, überparteilich, offen für alle.


    Hinweis: Dieser Text erscheint in leicht gekürzter Fassung im Magazin Treffpunkt Europa - in einer Sonderausgabe zur Europawerkstatt. Alle Interessierten sind eingeladen, ihre Einsprüche und Ergänzungen per Kommentar einzubringen.

  • Wie wir uns endlich um unsere EU-Politik streiten

    von Redaktion, angelegt

    Foto:dpaDeutschlands Top-Talker laden dazu ein, über wichtige EU-Entscheidungen zu streiten - und zwar noch bevor diese gefallen sind. Muss das ein völlig abwegiges Szenario bleiben? Im Bild: Frank Plasberg, Sandra Maischberger, Günther Jauch, Anne Will. Foto: dpa.


    Vom Datenschutz bis zum Warnhinweis auf der Zigarettenschachtel - eigentlich müssten wir lang und breit um die beste EU-Politik streiten. Warum wir das nicht tun, und wie wir damit anfangen könnten, wollte ich bei der Europawerkstatt der JEF und hier auf Publixphere herausfinden. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.


    Ein Beitrag von Alexander Wragge, Redaktion

    Echter Streit um politische Alternativen wäre der Kern einer lebendigen EU-Demokratie. Malen wir uns das mal aus: Europas Bürger ringen um ihre EU-Poltik - in der Landwirschaft, auf dem Finanzmarkt, in der digitalen Welt. Sie wissen, was Parteien und Regierungen tun und was nicht – in Punkto Flüchtlingshilfe, Energieeffizienz oder Forschungsförderung. Sie fiebern mit, regen sich auf, artikulieren ihre Interessen. Sie setzen sich ein - für oder gegen eine konservative, sozialdemokratische, grüne, linke oder liberale EU-Politik. Bei den Wahlen belohnen sie EU-politische Erfolge, strafen Nichtstun, Skandale und Fehlschläge ab. Zwischendurch mischen sie sich ein: mit Initiativen, Aufrufen, Protesten.

    Was nach normaler Demokratie klingt, bleibt Utopie. Denn so läuft das nicht. Welcher Bürger zieht schon eine Bilanz der EU-Sozialpolitik? Welcher Wähler belohnt oder bestraft die Bundesregierung für ihre Politik in Brüssel? Wer diskutiert mit Freunden und Bekannten das neue EU-Investitionsprogramm? Vielleicht machen das EU-Nerds. Die breite Öffentlichkeit tut es (noch) nicht. Warum das so ist, und wie es anders laufen könnte, wollte ich in der Europawerkstatt und online auf Publixphere herausfinden. Zentrale Ergebnisse im Überblick:

    Probleme der EU-Debatte:

    • EU-Gesetzgebung dauert lange. Vom ersten Gedankenspiel der EU-Kommission bis zur Umsetzung in nationales Recht vergehen leicht fünf bis zehn Jahre. Im Fall der EU-Patentreform waren es mehr als 40. Oft fehlt der eine EU-politische Showdown, vor dem die Debatte heiß laufen könnte.

    • EU-Gesetzgebung hat viele Mütter und Väter. 28 Regierungen, 28 nationale Parlamente, die EU-Kommission und das EU-Parlament verantworten die großen Entscheidungen gemeinsam. Das System ist auf diplomatischen Konsens getrimmt, nicht auf offene Kontroverse. Die einfache Erzählung 'Regierung vs. Opposition' fällt institutionell bedingt aus. Das Problem: am Ende sind oft alle und keiner verantwortlich.

    • Deutsche Massenmedien stellen EU-Gesetzgebung nicht als jahrelang ausgehandeltes Politikergebnis dar. dar. Stattdessen wird das Bild vom Brüsseler Bürokraten gepflegt, der den Bürgern so plötzlich wie willkürlich ihre Staubsauger verbietet. Zugleich ignorieren Journalisten allzu oft die maßgebliche Mitverantwortung deutscher Regierungen, Politiker und Beamter. Der Effekt: die EU wird als das Fremde erlebt, nicht als das Eigene.

    • Wahrhaft europäische Medien fehlen bislang oder bleiben Nischen-Anbieter. Nischen-Anbieter. Sie könnten den ganzen Diskursraum abbilden - mit all seinen Entscheidern und Positionen. Ein Grund: die Sprachbarriere.

    • EU-Gesetzgebung bleibt ein Elitenprojekt. Sie verlangt dem Einzelnen viel Wissen ab, über Institutionen, Abläufe, Rechtliches. Der Informationsrückstand von Journalisten und Bürgern ist oft dramatisch. Beispiel: Dass auch die Bundesregierung die EU-Kommission mit dem Freihandelsabkommen TTIP beauftragte, zählt aktuell schon als „Fachwissen“.

    • Der EU-Politik fehlen Identifikationsfiguren und Emotionen. Ihre Sprache ist selten einfach und direkt, dafür oft blutleer und verklauseliert. Was auch immer das aus kaltblauen Hintergründen und grautristen Gebäudekomplexen zusammengezimmerte „Corporate Design“ der EU symbolisieren soll - Bürgernähe, offener Diskurs und Leidenschaft fühlen sich anders an.

    • Allgemeine Politikverdrossenheit: Desinteresse an Politik ist kein EU-spezifisches, sondern ein allgemeines Phänomen - sie trifft auch den Bundestag wie eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt.

    Was können wir tun?

    • die Die EU ändern: Hätten wir eine echte EU-Regierung, echte europäische Parteien, ein maximal starkes EU-Parlament und europaweit konsumierte Medien, hätten wir vielleicht auch die ideale Arena für echte Kontroversen um unsere EU-Politik. Aber das ist Zukunftsmusik. Was können wir sofort tun?

    • Betroffenheit bewusst machen: Bei vielen EU-Regeln bemerken die Bürger gar nicht oder zu spät, dass sie persönlich betroffen sind. Das können Politik und Medien schnell ändern, indem sie frühstmöglich und vorrangig kommunizieren, was EU-Gesetze konkret für den Bürger bringen und ändern. Das geht selbst bei komplexen EU-Regeln für den Strommarkt oder den Finanzsektor: es gibt ihn immer, den Bezug zum Bürger.

    • Verantwortlichkeiten verdeutlichen: Wen das EU-Verbot von Staubsaugern aufregt, sollte wissen, dass auch die Bundesregierung dieses Verbot so wollte und will. „Die“ EU ist meist der falsche Adressat für Kritik. Der richtige wären zunächst die (nationalen) Entscheidungsträger, die eine bestimmte EU-Politik betreiben. Institutionen und Medien können den Bürgern kräftig dabei helfen, Verantwortlichkeit zu erkennen. Wer stimmt im Rat und im EU-Parlament wofür - und warum? An wem scheitert was? Wo kommt diese Regelung her? Dieses Grundwissen um jeden EU-Politikprozess muss schwellenlos und schnell verfügbar sein. In einfacher Sprache. Am Besten gebündelt an einem Ort im Netz. Vielleicht sogar mit Schaubildern verdeutlicht.

    • Die bewegenden Konflikte zeigen: Medien können mehr als Brüssel-Bashing. Sie können vor EU-Entscheidungen zuspitzend darstellen, wie innerhalb des EU-Systems konservative, grüne, soziale, liberale und mitunter auch nationale Positionen aufeinanderprallen. Diese Konflikte bieten Diskussionsstoff – und gute Quoten, wie der Fall TTIP zeigt. Manche EU-Geschichte lässt sich auch personalisiert erzählen. Wie soll nun ausgerechnet Jean-Claude Juncker aus Luxemburg gegen Steuerdumping in der EU vorgehen?

    • Einmischung statt Ohnmacht: Die Bürger sollten wissen, wie sie sich europäisch artikulieren und vernetzen können – nicht nur über Parteien, sondern auch über NGOs und eigene Initiativen. Wer EU-politisch streiten will, dem empfehle ich natürlich auch diesen Diskussions-Raum hier (Publixphere) - gemeinnützig, überparteilich, offen für alle.


    Hinweis: Dieser Text erscheint in leicht gekürzter Fassung im Magazin Treffpunkt Europa - in einer Sonderausgabe zur Europawerkstatt. Alle Interessierten sind eingeladen, ihre Einsprüche und Ergänzungen Erfänzungen per Kommentar einzubringen.

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