Am 18. März demonstrierten rund 17.000 Blockupy-Anhänger in Frankfurt a.M. gegen die Politik der Europäischen Zentralbank und die Eröffnung des neuen EZB-Gebäudes. Foto: Montecruz Foto (CC BY-SA 2.0)
Die Gewalt bei den Blockupy-Protesten steht – auch hier auf Publixphere – heftig in der Kritik. In der folgenden Erklärung fordern Christinnen und Christen, die zur Teilnahme an den Protesten aufgerufen haben: "Wer jetzt die Ausschreitungen am Rande von Blockupy verurteilt, soll mit der gleichen Entschiedenheit gegen die Gewalt der Verhältnisse aufstehen."
Hinweis der Redaktion: Diese Erklärung ist zunächst auf der Seite des Instituts für Theologie und Politik (ITP) erschienen. Zur Gewalt bei den Protesten siehe auch den Beitrag von Johannes Steen.
Ein Beitrag von Institut für Theologie und Politik (ITP)
Wir dokumentieren hier eine Erklärung von Christinnen zu der Diskussion um die blockupy-Proteste am 18.03. in Frankfurt:
Es liegt in der Logik einer Mediengesellschaft, dass nur das zum Ereignis wird, was auch ereignisträchtige Bilder hervorbringt. Wir, Christinnen und Christen, die zur Teilnahme an den blockupy-Protesten aufgerufen haben, sehen uns einer Flut von Bildern konfrontiert, die die Proteste von blockupy zu „Gewaltexzessen“ und „bürgerkriegsähnlichen Verhältnissen“ hochstilisieren. Kaum ein Bild von der bunten Demonstration mit fast zwanzigtausend Menschen, kaum ein Bild von der entschiedenen und gewaltfreien Blockade, an der einige von uns von Anfang bis Ende beteiligt waren. Kaum eine Meldung, dass blockupy wirklich europäischer Ausdruck eines Widerstands gegen die Verarmungspolitik war und dass blockupy sein Ziel, die geplante, schamlose Eröffnungsfeier des 1,3 Milliarden teuren EZB-Gebäudes zu verhindern, erreicht hat.
Aber akzeptieren wir einen Moment die Logik dieser „Gesellschaft des Spektakels“ und halten die Bilder für die ganze Wirklichkeit.
Was wäre dann zu diesen „Gewaltexzessen“ und „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“ zu sagen? Wir könnten uns unterwerfen und Abbitte leisten, auch wenn wir diese Taten gar nicht zu verantworten hätten. Wir könnten uns den Regeln dieser Demokratie, die an einem seidenen Faden hängt, unterwerfen und die Gewalt der Polizei von 2013 vergessen, als über 800 DemonstrantInnen einen halben Tag lang festgehalten wurden, faktisch eine erlaubte Demonstration von der Polizei verhindert wurde. Vergessen, dass Grüne in Frankfurt die Unterstützung der Proteste mit dem Argument verweigert haben, dann müsse man ja auch Pegida unterstützen, die uns also als Reaktionäre und Nazis diffamieren wollten.
Wir könnten uns also unterwerfen. Denn das wäre der einfache Weg: die „Gewalt“ zu verurteilen – so wie es an vielen Orten, zum Teil auch in unseren Kirchen passiert, und wo doch zum größten Teil die Proteste wenn überhaupt, nur halbherzig und aus der Ferne unterstützt wurden.
Aber das wäre auch von uns halbherzig.
Globalisierung der Gleichgültigkeit
Denn dann müssten wir vor allem jene Gewalt, jene wirkliche Gewalt vergessen, die den vielen Menschen dieser Welt aufgezwungen wird: Die physische Gewalt, die sich in Europa u.a. an den GriechInnen zeigt, an den toten Flüchtlingen, an der Bekämpfung des Kirchenasyls durch unseren Innenminister, an den Armen im eigenen Land. „Wer Augen hat zu sehen, der sehe“!
Papst Franziskus hat in Evangelii Gaudium dazu geschrieben: „Heute wird von vielen Seiten eine größere Sicherheit gefordert. Doch solange die Ausschließung und die soziale Ungleichheit in der Gesellschaft und unter den verschiedenen Völkern nicht beseitigt werden, wird es unmöglich sein, die Gewalt auszumerzen. … Wenn die lokale, nationale oder weltweite Gesellschaft einen Teil ihrer selbst in den Randgebieten seinem Schicksal überlässt, wird es keine politischen Programme, noch Ordnungskräfte oder Geheimdienste geben, die unbeschränkt die Ruhe gewährleisten können.“
Das ist die bedrückende und nüchterne Wahrheit.
Wer jetzt die Ausschreitungen am Rande von blockupy verurteilt, soll mit der gleichen Entschiedenheit gegen die Gewalt der Verhältnisse aufstehen. Dazu rufen wir insbesondere die Christen und Christinnen auf. Wir brauchen eine Militanz der Menschlichkeit, keine Militanz der Sicherheit und der sozialen Ausschließung. Mit all denen, die sich einer solchen Militanz der Menschlichkeit verpflichten, werden wir auch über diejenigen sprechen, die sich dem Aktionskonsens von blockupy nicht verpflichtet sahen. Wir werden aber vor allem darüber reden müssen, was man denn noch alles tun muss, damit dieses Sterben, Morden und Ausplündern unserer Welt aufhört, für das niemand verantwortlich sein will, und wie denn die Globalisierung der Gleichgültigkeit (Franziskus) zu überwinden ist.
Unterzeichner:
Dr. Michael Ramminger/ Dr. Kuno Füssel/ Prof. Dr. Dick Boer/ Dr. Andreas Hellgermann/ Dr. Katja Strobel/ Barbara Imholz/ Goran Subotic/ Johannes Krug/ Reimar Ramminger/ Prof. Franz Segbers/ Simon Schäfer/ Ricarda Koschick/ Reinhold Fertig – Christinnen für den Sozialismus/ Dr. Reinhard Gaede – Vorstand Bund der religiösen Sozialisten und Sozialistinnen Deutschland/ Martin Deistler/ Dr. Julia Lis/ Gregor Böckermann – Ordensleute für den Frieden/ Dr. Thomas Schroeter/ Benjamin Krauß/ Hartmut Futterlieb – Christinnen für den Sozialismus/ Pilar Puertas – Mexiko/ Philipp Geitzhaus – Madrid/ Cordula Ackermann – Madrid/ Bernd Lieneweg/ Birgit Wingenroth/ Manuel Kunze/ Benedikt Kern/ Werner Link/ Sandra Lassak – Peru/ Hartmut Käberich/ Klaus Dick/ Benedict Steilmann/ Martina Weiland/ Christoph Rinneberg/ Peter Fendel
Weitere Diskussionen rund um's Thema
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