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Bahnstreik - verrückt oder richtig?


Foto: dpaKein Zug. Nirgendwo. Dienstagmorgen in Hamburg. Foto: picture alliance / dpa.

Die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) macht Ernst. Seit Dienstag zwei Uhr morgens steht der Personenverkehr still. Wie weit reicht euer Verständnis für den Streik?


Ein Beitrag von Redaktion

Bis Sonntag um 9.00 Uhr soll der Streik dauern. Er wäre damit der längste Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn. Besonders betroffen sind Personenzüge in Berlin, Halle, Frankfurt am Main und Hamburg. Der Streik im Güterverkehr begann bereits am Montag. Der Schaden für die Wirtschaft wird auf eine halbe Milliarde Euro geschätzt.

GDL vs. "Hausgewerkschaft"

Worum geht es im Konflikt zwischen Deutscher Bahn und GDL? Nicht nur um's Geld, sondern auch um Grundsätzliches. Zentraler Streitpunkt: die GDL will nicht nur für die Lokführer einen Tarifvertrag verhandeln, sondern auch für rund 17.000 Mitarbeiter des Bordpersonals, beispielsweise für Zugbegleiter, Restaurantkräfte und Rangierführer, die nur teilweise in der GDL organisiert sind. Ihre Tarifverträge handelt bisher maßgeblich die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) aus.

Die GDL wirft der Deutschen Bahn vor, mit ihrer "Hausgewerkschaft" EVG "arbeitgeberfreundlichere" und "billigere" Tarifverträge abschließen zu wollen. Die Bahn ihrerseits lehnt konkurrierende Tarifabschlüsse innerhalb der gleichen Berufsgruppe ab - also dass etwa ein Zugbegleiter in der GDL einen anderen Vertrag erhält als einer in der EVG. In dieser Logik müssten sich GDL und EVG auf eine Position verständigen und dann mit der Deutschen Bahn einen Kompromiss machen. Die GDL kommentiert: "Immer wieder verlangt die Deutsche Bahn gleichlautende Tarifverträge, somit die Unterwerfung der GDL unter die Tarifregelungen der Eisenbahnverkehrsgewerkschaft (EVG) und tritt damit die grundgesetzlich geschützten Rechte der GDL-Mitglieder mit Füßen."

Die Deutsche Bahn äußert derweil Unverständnis. „Dieser Streik ist absolut unangemessen und maßlos“, heißt es in einer Erklärung. „Damit schadet die GDL nicht nur massiv den Bahnkunden, der DB und ihren Mitarbeitern, sondern auch der deutschen Wirtschaft und der Sozialpartnerschaft.“

Eine Schlichtung lehnt GDL-Chef Claus Weselsky aktuell ab. "Wir werden in keine Schlichtung gehen, weil wir grundgesetzlich geschützte Rechte in keine Schlichtung bringen." Der CDU-Politiker Wolfgang Steiger bringt derweil eine Zwangsschlichtung ins Spiel.

Große Koalition will zurück zur Tarifeinheit

Ein neues Gesetz soll Auseinandersetzungen wie zwischen Deutscher Bahn und GDL künftig verhindern. Das für Sommer 2015 geplante Tarifeinheitsgesetz sieht vor, dass für eine Berufsgruppe in einem Betrieb die mitgliederstärkste Gewerkschaft die Löhne und Arbeitsbedingungen aushandelt. In den Bereichen, wo die EVG mehr Mitglieder hat, könnte die GDL also keinen Tarifvertrag verhandeln, sondern müßte sich dem beugen, was EVG und Deutsche Bahn vereinbaren. Wie die Mehrheitsverhältnisse in den Berufsgruppen der Bahn aktuell sind, ist nicht ganz klar.

Den Grundsatz der Tarifeinheit hatte das Bundesarbeitsgericht 2010 gekippt. Seither können für gleiche Beschäftigtengruppen unterschiedliche Tarifverträge konkurrierender Gewerkschaften gelten. Die GDL, aber auch Grüne und Linke üben scharfe Kritik am neuen Tarifeinheitsgesetz, vorgelegt von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). "Sie wollen unser Genick brechen", so GDL-Chef Claus Weselsky.

Fragen:

Wir wollen von euch wissen: Wie viel Verständnis habt ihr für den GDL-Streik? Ist das Anliegen und das Vorgehen der GDL legitim? Oder hat die Deutsche Bahn Recht? Soll der Staat per Gesetz eingreifen oder nicht? Hat der Streik auch seine positiven Seiten?


Links

Tagesschau.de: Debatte über Tarifeinheitsgesetz Weselsky, Grüne und Linke gegen Nahles, 2. März 2015

FAZ.net: GDL gegen Bahn Erleben wir gerade den letzten großen Streik der Lokführer?, 4. Mai 2015


Kommentare

  • Solange die Bahn die Sozialpartnerschaft verweigert und nicht bereit ist, der GDL ihr grundgesetzlich geschütztes Recht zuzugestehen, für ihre Mitglieder, egal in welchem Bereich sie arbeiten, einen Tarifvertrag auszuhandeln, solange kann die GDL doch gar nicht anders als streiken.

    Meine Meinung bleibt daher: Weselsky weitermachen!

  • Ich persönlich bin genervt. Sowas von. Denn beim Streik geht es schon lange nicht mehr um bessere Arbeitsbedingungen oder höhere Löhne, sondern um Macht. Ziemlich absurd, dass die GDL sich nun auch um die Tarifverträge der Berufsgruppen "kümmert", die eigentlich in der EVG organisiert sind. Und dieser Hahnenkampf wird auf dem Rücken der Fahrgäste ausgetragen. Vom wirtschaftlichen Schaden, der durch den Ausfall des Güterverkehrs entsteht, will ich gar nicht erst anfangen...Ich finde: es reicht! Die GDL soll vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, um ihre Interessen rechtlich durchzuziehen. Denn so kommen wir keinen Schritt weiter.

  • Was ich nicht verstehe: Warum jagt die GDL nicht der EVG sämtliche Mitglieder ab? Überzeugender als Herrn Weselsky kann ich mir keinen Gewerkschafter vorstellen - also aus der Perspektive der Mitglieder. Dann wäre auch das Tarifeinheitsgesetz kein Problem mehr.

    Wenn ich mir vorstelle, alle Arbeitnehmer hätten eine derart harte, wenn es sein muss sogar brutale Vertretung ihrer Interessen, wäre es sofort aus mit dem Niedriglohn-Land Deutschland.

    • Dieses Szenario sehe ich auch. Das Tarifeinheitsgesetz kommt, das gesamte Bahnpersonal wechselt zur GDL und Herr Weselski verhandelt allein für sie alle. Und am Ende löst Herr Weselsky sämtliche schwachen Gewerkschaften in Deutschland ab, und die DGB-Funktionäre werden den Tag verfluchen, an dem sie dachten, sie könnten sich - wie fies - mit Hilfe der SPD einen Konkurrenten vom Hals halten. Prophetie over.

  • Hallo, der Bahnstreik nervt. Gibt es daran was Positives? Äh, nein.

    Die einzige, auch bei Klaus und dem Kippenberg durchschimmernde und im Ansatz zu teilende Freude ist die über die erhellende Erkenntnis, wie schwer sich Merkel-Deuschland damit tut, wenn ArbeitnehmerInnen aufbegehren. Sie ist sehr verräterisch, diese Empörung. So hatten wir nicht gewettet, dass jetzt auch noch irgendwelche Schaffner knallhart ihre Interessen vertreten kriegen. Die Bild-Zeitung macht sich mal wieder lächerlich. Aber das ist jetzt auch nicht mehr der Rede wert.

    Entschuldigt den Satzbau. Mir war grad danach.

    • Hallo sahrasahara,

      sei mir nicht böse, wenn ich das sage, aber ich finde den Ausdruck "Merkel-Deutschland" nicht so gut. Da klingt so viel Animosität gegenüber Frau Merkel mit. Du meinst sicher "GroKo-Deutschland"?

      Selbst wenn die GDL ihre Forderungen 1 : 1 erfüllt bekommen sollte, nehme ich nicht an, dass Grüne und Linke, die hinter ihr stehen, damit punkten. Die nächsten Wahlen werden es zeigen. Ich bin gespannt auf die Wahl in Bremen am Sonntag.