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Braucht die sich globalisierende Welt Gegenpole, an denen sie sich messen und überprüfen kann, um einen „Schiffbruch“ zu vermeiden und wer könnte dies sein?


picture alliance/AAJean-Claude Juncker und Barak Obama während des G7-Gipfels 2015. Foto: picture alliance / AA

Funktionieren die Europäische Union und die USA als (wirtschaftliche) Gegenpole? Und wie steht es um die Interessensverteilung im Falle eines transatlantischen Freihandelsabkommens? Thorsten äußert seine Gedanken zum Thema. Stimmt ihr seinen Punkten zu?


Ein Beitrag von Thorsten

Keine dreißig Jahre, sind seit dem Ende der großen Nachkriegsblöcke vergangen. Eine Zeit in der man gehorsam und in jeder Richtung recht gut versorgt noch wenig Zweifel an der eigenen Zugehörigkeit aufbrachte. Worte wie Freiheit oder Demokratie galten einem konkurrierenden Machtblock, der den in ihm lebenden Menschen einzig mit Verachtung und Unwürde zu begegnen schien. Diesem auch wirtschaftlich unterlegenen Gegenspieler sein moralisches Fehlverhalten vor Augen zu führen schien einfach und gerecht zu sein.

Beobachtet man heute im Gegenzug, die Entwicklung der Vermögensverteilung in einer Grafik seit 2003,

http://www.crp-infotec.de/01deu/finanzen/grafs_privatvermoegen/verteilung_ist_proznt.gif

so ist festzustellen, dass der moralische Anspruch nicht nur gemessen an „einer gerechten Verteilung des Wohlstand“ eine Ursache gerade im Bestehen derart konkurrierender Blöcke haben könnte. Bestärkt wird diese Entwicklung auch dadurch, dass Sie bereits seit Anfang der 90er Jahre, also seit dem Wegfall des Warschauer Packt zu beobachten ist.

Die Entwicklung am in den neunziger Jahren immer neue Höhen erklimmenden Aktienmarkt spiegelt dies bis heute auf andere Art wider. Firmen begannen sich gegenseitig aufzukaufen, andere wurden ausgegliedert oder privatisiert. Es kam zu immer größeren wirtschaftlichen Konzentrationen und immer lauter wurden die aus Politik und Wirtschaft vorgetragenen Forderungen das amerikanische Wirtschaftsmodell auf Europa zu übertragen. -

Gunther Tichy vom österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung Wien beschreibt dies unter anderem so: "Das europäische Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell gerät zunehmend unter Druck. Immer öfter wird gefordert, sich an amerikanischen Vorbildern zu orientieren: Aktienmärkte statt Bankenkontrolle, Eigenvorsorge statt Sozialstaat, Flexibilität statt Langfristorientierung. Warum ist das so, und wem nützt das? Ist das amerikanische Modell überlegen? Kann sich Europa dagegen wehren, und warum soll es das?

Die USA wie Europa haben jeweils ausgeprägte, in sich konsistente und auf die jeweiligen Erfordernisse passende Wirtschaftssysteme. Aus der Globalisierung und als Gegengewicht gegen die Europäische Integration entstand ein nachhaltiger Druck der USA auf Übernahme ihrer Wirtschaftsverfassung durch Europa. Aber auch einzelne europäische Interessengruppen zeigen Interesse an der Übernahme spezifischer amerikanischer Elemente, die ihren jeweiligen Interessen nutzen.

Weder die Übernahme der gesamten US-Wirtschaftsverfassung noch die Transplantation einzelner Elemente liegt jedoch im wohlverstandenen Interesse Europas. Die Übernahme einzelner, nicht in das Gesamtsystem passender Elemente würde zu erheblichen Reibungsverlusten führen, und die Übernahme der gesamten transatlantischen Wirtschaftsverfassung stößt auf deren Unvereinbarkeit mit der europäischen Mentalität, den europäischen Werten und den existierenden Institutionen."

- Nachdem diese Entwicklung einige Skepsis hervorruft, fragt sich der mittlerweile ernüchterte Betrachter, ob es die EU sein könnte, die in der Lage ist, bei derartigen Herrschaftsbestrebungen als potenzielles Gegengewicht zu wirken. Der tiefere Blick eröffnet jedoch eine starke Lobby, die verflochten aus Unterstützern wie der Atlantik - Brücke über die eng damit verbundene Konrad Adenauer - Stiftung in viele andere Interessengruppen hineinreicht. Involvierte Politiker treten zwar öffentlich auf, vermeiden es jedoch sich dem Vorantreiben einer transatlantischen Union offen und diskutierend zu stellen. Bekennende Stimmen sind zu mir zumindest nicht durchgedrungen. Oft erinnern die Auftritte aber an Sympathiewerbeveranstaltungen für hoch gediente Bankdrücker, die in etwas „lobeinhudelnden“ Reden auf geeigneten Foren nicht mehr als gerade populäre gewordene Ear- oder Eyecatcher, Allgemeinposten aufgreifen und weiterverbreiten, ansonsten aber mit Wahlkampffloskeln auffallen wie „den braucht Europa“. Das Thema betreffend werden eher fragliche Studien veröffentlicht, über Institute oder Stiftungen, wie zuletzt von der besagten allseits beachteten Konrad Adenauer – Stiftung, die den Titel trug:

„Klicks gegen TTIP – Netzaktivismus als Mittel zur Massenmobilisierung“.

Diese Studie brachte der KAS auf Facebook immerhin sagenhafte 8 Likes und als einzigen Kommentar die Stellungnahme eines CDU Lokalpolitikers ein, der die Studie vehement kritisierte. Eine Betrachtung der Förderer einer transatlantischen Union zwischen Nordamerika und Europa, zeigt sowohl in den Gremien der EU,wie auch in den angeschlossenen Staaten, wie unmöglich die derzeitige Lage eine von vielen gewünschte eigenständige, selbstbewusste und bessere EU macht.


Kommentare

  • Hallo Thorsten, schöner Text. Ich bin immer noch TTIP-aufgeschlossen, aber Du sprichst den richtigen Punkt an, wie tief soll dieses Abkommen reichen? Ob es gleich um die Übernahme der amerikanischen Wirtschaftsordnung geht weiß ich nicht. Fest steht, dass Länder wie Schweden und Dänemark sich mit absolut unamerikanischen Sozialstaats-Systemen immer noch auf dem 'Weltmarkt' halten. Der reinen neoliberalen Lehre nach, müssten sie längst kollabiert sein. Ich bin also ganz auf Deiner Seite, wenn es darum geht, das europäische Modell nicht immer nur als gestrig und überkommen, sondern auch mal als stabil und zukunftstauglich zu beschreiben.

    Bei TTIP würde ich allerdings sagen, es sind nicht die Amis, die hier Europa was aufdrücken wollen. Ganz maßgeblich wollen die EU-ler dieses Abkommen, vor allem Deutschland. so fair sollte man bleiben.

    Bei Herrn Tichy fällt mir auf, er schreibt: "Aktienmärkte statt Bankenkontrolle" sei das amerikanische Modell. Das stimmt meines Erachtens nicht. In der Finanzrkise war die US-Bankenkontrolle härter als die europäische. Der US-Versicherer AIG ist deshalb zugrunde gegangen, weil seine Tochtergesellschaft in London machen konnte was sie wollte (und in den USA nicht durfte). Usw...

    • Hallo jkippenberg, Du sprichst einige Punkte aus einem anderen Blickwickel an. Die US Bankenkontrolle soll meiner Meinung nach erst 2017 voll umgesetzt werden und tatsächlich schärfer sein als die der EU. Ich denke jedoch, was das Institut für Wirtschaftsforschung Wien beschreiben möchte, liegt jenseits dieser geplanten Sicherungen (den geplanten Liquiditätsregeln der Federal Reserve zufolge müssen ausreichend leicht verkäufliche Wertpapiere vorgehalten werden, um 30 Tage lang zu überleben, falls die Kreditmärkte austrocknen sollten). Ich denke gemeint ist tatsächlich der sich weltweit immer freier bewegende Neoliberalismus, zu dem amerikanische Institute den „Schlüssel“ besitzen. Anders gesagt: Die schöne neue Welt beginnt da plastisch zu werden, wo beispielsweise deutsche Anleger ihr Geld in Fonds anlegen. Aus Gründen der Maximierung landen große Summen dieses Geldes in zentralen Pools wie BlackRock, um anschließend, zur optimalen Effizienz, wieder nach Deutschland zurückzufließen, um damit erfolgreiche Unternehmen wie WMF zu zerschlagen, aufzuteilen oder auszulagern. Dieses aggressive Vorgehen, dem keine Regeln vorgesetzt sind, ist wohl auch gemeint. Es dient einzig der Kapitalmaximierung im sonst nichts produzierenden Bankenturm. Dies ist jedoch eine weiterreichende Kritik, am modernen Gewinnstreben. Nur noch Unternehmen, die sich diesen Mechanismen anpassen bleiben dann Konkurrenz und überlebensfähig. Ein Trend der natürlich aus der US – Wirtschaft geboren ist.

      Natürlich kann man so etwas auch für gut heißen, indem man davon ausgeht, dass sich alles über kurz oder lang von selber reguliert.

      Auf solche Strukturen wird sich TTIP natürlich fördernd auswirken, weil der Zugriff auf dann offenere Märkte ein Streben der oben beschriebenen Mechanismen ist.

      Wie gesagt die Meinungen sind unterschiedlich. Ich würde es jedoch für erstrebenswert halten wenn es hier und da, in dieser und noch anderer Hinsicht, mehr schützende Regularien geben würde. Unter anderem hier könnte sich die EU absichern und ein eigenes Profil geben. Wäre auch mal eine Möglichkeit nicht nur im Kleinen, wie auf dem Restaurantisch rumzureglementieren, sondern Eigenständigkeit mit Blick nach oben zu entwickeln. Europa hat eben andere Regeln und Werte.